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RABEAS TRAUM

Abendbrotzeit; heute hat Mama mir meine Lieblingscornflakes  mit süßer Milch versprochen, und deshalb beeile ich mich ganz doll mit meinem abendlichen Bad. Nur habe ich etwas zu viel Badeschaum benutzt, der mir beim Reinigen der Wanne ebenso viele Anstrengungen kostet ihn zu entfernen, wie der, der an meinem Körper haftet. Leicht verärgert mache ich mich ans Werk, um endlich mein Lieblingsessen genießen zu können.

 

Mit hochroten Wangen und nassen Haaren begab ich mich dann in die Küche. Mama wartete, wie sie es übrigens immer tat, um mit mir dann noch etwas zu erzählen. Diese Augenblicke habe ich immer sehr genossen, zumal Papa um diese Zeit immer noch im Büro saß und ich daher Mama ganz für mich alleine hatte.

 

Heute endete ein richtig schöner Sommertag mit schwimmen, tauchen und toben im Schwimmbad. Mama wollte von mir wissen, ob auch meine Freundin Kristina dabei gewesen wäre. "Klar, sagte ich, natürlich war sie dabei, ohne sie gibt es doch nur halb so viel Spaß, das weißt du doch." Mama war immer etwas beunruhigt, wenn Kristina bei mir war, da sie ein richtiger Wildfang ist. Kein Baum ist ihr zu hoch und kein Gewässer zu tief. Sie probiert einfach alles aus. Gelegentlich gibt es auch mal blaue Flecken, dicke Schrammen und sogar Beulen, aber das stört Kristina nie.

 

Während ich mir die Cornflakes schmecken ließ, wollte Mama dann noch wissen, was wir so alles im Schwimmbad erlebt hätten. Dass Kristina vom Drei-Meter-Brett gefallen und ziemlich schmerzhaft auf dem Bauch gelandet war, habe ich dann verschwiegen. Ein weiteres Schwimmvergnügen wäre dann sicherlich gestrichen worden.

 

Mein Teller war fast leer, als es draußen recht dunkel wurde und sich ein Sommergewitter ankündigte. Ausgerechnet jetzt, wo Schlafenszeit angesagt war. ich habe nicht nur Angst vor dem Krachen des Donners, ich erschrecke mich auch fast immer zu Tode bei den grellen Blitzen. Mama sah meine aufkommende Angst, beruhigte mich und meinte:"Ich bin ja hier." Damit war das Thema für sie abgehakt, aber meine Angst nicht besiegt.

 

Mit Herzklopfen schlich ich mich unter die Bettdecke. Ich muss wohl doch recht schnell eingeschlafen sein und  - Gott-sei-Dank - blieb mir das heftige Gewitter erspart, von dem mir meine Mama am nächsten Morgen erzählte.

 

Und dann befand ich mich im Land der Träume - meinem Traumland. Ich rief: "RENO", und mit einem gewaltigen Rauschen erschien die große Wolke, auf der ich mich dann setzen konnte. Aufgeregt und neugierig zugleich, begann nun unsere gemeinsame nächtliche Reise.

 

Der Himmel war voller Sterne, die alle glitzerten und leuchteten. Durch ihr Funkeln erhellten sie die tiefschwarze Nacht. Plötzlich machte es klirr und eine Sternschnuppe fiel auf die Wolke herab, direkt zu meinen Füßen. Vor lauter Staunen blieb ich wie erstarrt sitzen. Dann ganz vorsichtig bewegte sie sich auf mich zu und berührte dabei meine Zehen. Das fühlte sich warm und prickelnd an. Ich wollte etwas zur Seite rutschen um sie noch genauer betrachten zu können und vernahm dabei ihre leise Stimme. Erschrocken sah ich sie an, aber sie lächelte " Ich bin NORA , sagte sie und wohne mit den vielen Sternen hier oben. Ich werde dich ein Stück auf deiner Traumreise begleiten und dir dabei erzählen, warum ICH gerade auf deine Wolke gefallen bin."

 

"Aber sicher möchte ich das wissen," antwortete ich ihr. "Na, dann höre mir zu. Vor vielen Jahren war ich nämlich auch ein Menschenkind und lebte auf der Erde, genau wie du, und zwar ganz in deiner Nähe. Erinnerst du dich noch an NORA, das kleine Mädchen mit den langen schwarzen Haaren, das mit dir im Kindergarten immer so gerne Verstecken und Fangen gespielt hat?"

 

"Daran kann ich mich noch sehr, sehr gut erinnern, sagte ich. Aber dann war dieses Mädchen, sie hieß übrigens auch NORA, genau wie du, eines Tages verschwunden. Ich war sehr traurig und habe oft geweint; die Kindergärtnerin hat mir dann erzählt, dass sie in eine andere Stadt verzogen sei. Getröstet hatte mich dieses Wissen aber nicht."  "Aber was hat das alles mit dir zu tun?"

 

"Ich will es dir erzählen, da ich genau die NORA bin, mit der du vor vielen Jahren so gerne gespielt hast. Die Kindergärtnerin hatte dir tatsächlich die Wahrheit erzählt, ich bin verzogen, nicht so ganz in eine andere Stadt, sondern in eine andere Welt. Hier geht es mir wieder gut, habe keine Schmerzen mehr, bin nicht alleine, auch wenn meine Eltern nicht mehr bei mir sein können, so kann ich doch alles beobachten , was auf der Erde geschieht. Das ist der Vorteil, eine Sternschnuppe zu sein. Und wenn du wieder zurückgekehrt bist, und dich abends ans Fenster stellst, dann schau zum Himmel hinauf, den hellsten Stern den du sehen kannst, der bin dann ganz bestimmt ich."

 

"NORA, dass ich dich noch einmal wiedersehen konnte, macht mich froh aber auch gleichzeitig etwas traurig. Hoffentlich begegne ich dir wieder."

 

"Daran musst du glauben, sonst geschieht es nicht."  "Das werde ich, das verspreche ich dir."

 

Seit diesem Tag schaue ich jeden Abend, bevor ich schlafen gehe, zum Himmel, und wenn ich einen sehr hellen Stern erblicke, weiß ich, das ist NORA.

Impressum

Texte: Elisabeth Goetzens
Bildmaterialien: Elisabeth Goetzens
Tag der Veröffentlichung: 04.05.2016

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