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Als ich an diesem Morgen endlich erwachte, wurde mir bewusst, dass ich weder Geschenke noch einen Weihnachtsbaum besorgt hatte und das Fest unmittelbar vor der Tür stand. Ich hatte nicht mehr viel Zeit dafür, denn mein Kalender zeigte bereits den 23. Dezember und mahnte mich auf diese Weise zur Eile.

Meine Ex-Frau wollte zu Besuch kommen, denn ihr zukünftiger Ex-Freund war mal wieder auf Geschäftsreise in Amerika - und das über Weihnachten! Welcher Kunde lädt seinen Gerschäftspartner über Weihnachten nach Hause ein, fragte ich sie. Ein alter Schulfreund von ihm, sagte sie, denn Hans, Elkes next Top-Lover nach mir, und das meine ich nur chronologisch, war mit dem jetzigen Besitzer einer mittleren amerikanischen Büromittelfirma einige Zeit in eine Klasse gegangen, bevor der ausgewandert war. Dann hatten sie sich wieder getroffen - natürlich auf einem Klassentreffen, Brüderschaft getrunken und lagen sich besoffen in den Armen, bevor sie sich schworen, international "ganz groß" zusammen zu arbeiten. Elke war also Weihnachten allein - und ich erbarmte mich ihrer, warum, weiß ich selbst nicht. Aber das bedeutete auch, Tannenbaum, Geschenke und das ganze Bremborium, auf das ich allein verzichtet hätte, musste nun doch stattfinden. An diesem verschneiten 23. Dezember klingelte mich morgens der Briefträger aus dem Bett - und in Erwartung eines wichtigen Telegramms oder Einschreibens hoffte ich einen Moment lang, Weihnachten meine Ruhe zu haben, weil Elke absagt. Verschlafen und unrasiert öffnete ich die Tür, stand einem erschrockenen jungen Burschen gegenüber, der, nachdem er meine Unterschrift erhalten hatte, machte, dass er wegkam. "Ihnen auch frohes Fest!", rief ich ihm gnatzig hinterher, warf die Tür zu und erschrak nun sogar selbst vor meinem Spiegelbild. Fast hätte ich das Einschreiben vergessen zu öffnen.

 

Hans und Richard treffen am 24. ein und besuchen mich. Komm doch auch, wenn du willst und bring einen Baum mit. Lieben Gruß Elke

 

Momomomomoment mal: Der Büroklammern-King aus den USA? Und Hans, ihr Noch-Freund, der fleischgewordene Sparwitz auf zwei Beinen, dessen fade Gags niemand versteht und niemand hören will? Und was heißt, wenn ich will? Wer bringt den Baum mit, wenn ich zu Hause bleibe? Diese Art eines subtilen Zwangs hasste ich, denn so empfand ich die Einladung: Das wars, was mich an Elke auf die Palme brachte, dieses hinterhältige Manipulieren: Diese Mach-was-du-willst-Sache, der dann immer die Aber-du weißt-nicht-was dir-entgeht-Sprüche folgen.

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Naja, ich würde mir einfach ansehen, was bei Elke am Heiligabend so ablief – als säße ich vor dem Fernsehen, ich muss mich ja auf nichts mehr einlassen…Auf diese Weise könnte die Zeit schnell vergehen… Und am ersten Feiertag hatte ich dann zu Hause wieder meine Ruhe. Ich brauchte eine Weile, um mich an den Gedanken zu gewöhnen, weswegen ich dann wohl auch die Kanne der Kaffeemaschine mit Wasser füllte und gedankenversunken in den Kühlschrank stellte. Ich bemerkte meine Desorientierung, als ich die Kaffeemaschine anschalten wollte und irgendetwas nicht wie immer war – klar, die Kanne fehlte. Wie gut, dass das Bügeleisen außer Reichweite ist, dachte ich, als das Telefon klingelte und ich den Hörer an mein Ohr hielt, ganz so, wie es in der Betriebsanleitung stand. Meine Eltern waren am Apparat und ja, ich hätte es ahnen müssen: Ich sollte Heiligabend zum Entenbraten kommen. Ohne Tannenbaum. Also rief ich Elke an, um abzusagen – das sparte mir immerhin 30 EURO für einen Nadelbaum. Ich sprach auf ihren Anrufbeantworter, offensichtlich war sie nicht zu Hause, oder saß daneben um abzuwarten und zu hören, wer anrief.

Damit wähnte ich mich von dem freiwilligen Zwang durch meine Ex frei, ihre Einladung anzunehmen oder nicht, aber in jedem Falle einen Weihnachtsbaum mitzubringen. Sollte sie ihn selbst aussuchen und nach Hause schleppen. Also durchkämmte ich die Geschäfte in der City, um Kleinigkeiten für meine Eltern zu kaufen und einpacken zu lassen – falls sich eine Bescherung nicht vermeiden ließ.

Vollkommen zufrieden und halbwegs beruhigt beendete ich den Tag vor meinem Flatscreenfernseher, als das Telefon erneut bimmelte. Elke hatte meine Nachricht erhalten und war empört. Wie ich mir das vorstelle, fragte sie und meinte, sie würde jeden Moment losmüssen, die beiden Männer vom Flughafen abholen, und wo sie nun noch die Zeit hernehmen sollte einen Baum zu kaufen und zu schmücken. Sie hatte es schon immer gut

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Dirk Harms
Bildmaterialien: Dirk Harms
Lektorat: Dirk Harms
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2014
ISBN: 978-3-7368-7159-5

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme diese Geschichte allen Weihnachtshassern, die diesem kommerziellen alljährlichen Jahresend-Eiapopeia nichts abgewinnen können, vor lauter Betroffenheit und Spendenbereitschaft diese Kurzgeschichte kaufen und sich dann auch noch darin wiederfinden können.

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