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Titel

 

 

 

 

Marc E. Valentin

 

 

Detektive & Drachen

 

 

Ein Fantasy-Roman (ein wirklich ernster)

1

 

Es war einer jener Fälle.

Einer jener Fälle, bei denen man schon wenn die gewaltige Troll-Dame in der Tür steht, dieses seltsame Gefühl in den durchwühlten Eingeweiden spürt, das man nicht genau bestimmen oder erklären kann, das einen verantwortungsvollen oder schlichtweg dummen Detektiven dann aber natürlich auch nicht davon abhält, den Auftrag in der stillen Gewissheit, es werde sicher alles gut gehen, anzunehmen,.

Und so sitzt man wenige Tage später in den feuchten Mauern einer baufälligen, schon seit unzähligen Jahrhunderten heruntergekommenen Burg, die selbst für eine Dimension wie diese hier, alt und dreckig ist, und fragt sich, ob zwanzig Goldstücke all diese Strapazen wirklich wert sind.

Nein, dachte ich bei mir und verkroch mich noch etwas weiter in meinen dünnen Mantel, den ich aus einer anderen Welt mitgebracht hatte.

Ich trug diesen Mantel sehr selten, da in einem Land, in dem es zwar Drachen und Magie gab, in dem aber das gegerbte Fell einer vertrockneten Bisamratte schon als modisch und kleidsam angesehen wurde, ein Mantel aus einem zwar billigen, aber nichtsdestotrotz dieser Welt um Jahrhunderte voraus liegende Baumwollstoff wohl etwas auffällig gewesen wäre.

Aber die Möglichkeiten, dass mich hier, in dem Vorhof dieser verfallenen Trollburg jemand anderes sehen würde, als mein kleiner Fotoapparat, waren äußerst gering

Nein, zwanzig Goldstücke sind eindeutig viel zu wenig, aber eine aufgebrachte Trollin ist kein Klient, mit dem man um das Honorar feilscht.

Es war kalt und ich fragte mich, ob in diesem Moment das Fell einer vertrockneten Bisamratte nicht wesentlich angenehmer gewesen wäre.

Ich wies meinen Fotoapparat an, leise zu sein und deutete auf eines der Fenster im untersten Stockwerk, das einzige, aus dem Licht zu uns auf den Burghof fiel. Ich hoffte innerlich, dass der Troll bei seinen romantischen Spielen nicht auch noch dieses Licht löschen würde, denn dann würde es meinem Fotoapparat äußerst schwer fallen, ein erkennbares Bild zu liefern. Jedoch Trolle haben eine Menge: Sie haben eine dicke, grüne Haut, sie haben ein Gesicht, das der Phantasie eines kranken Trickfilmtechnikers, dem man einen Klumpen grün-dreckiger Knete in die Hände gedrückt hatte, entsprungen sein konnte, sie haben fingerlange Zähne - eines haben sie hingegen bestimmt nicht: Stil oder gar etwas, was schwülstige Liebesgedicht mit dem Begriff Romantik umschreiben würden.

Wir schlichen zu dem Fenster und duckten uns. Ich horchte, aber kein Laut war zu hören.

"Sind Sie...", begann mein Fotoapparat, aber ich wies ihn, an still zu sein.

Plötzlich war ein dumpfes, lautes Lachen zu hören. Der Troll!

Ich erhob mich vorsichtig ein wenig und blickte durch das Fenster. In der Tat. Der Troll und das junge Mädchen, das er in der Stadt aufgelesen hatte, saßen auf einem großen, runden Bett, oder zumindest war ich der Auffassung, dass die zerwühlte Ansammlung von Stroh, Dreck und einigen zerrissenen Lacken so etwas wie ein Bett darstellen sollte.

Ich ging wieder in die Knie und schaute zu meinem Fotoapparat hinüber. Er war ein kleiner, dicker Mann, den ICH in der Stadt aufgelesen hatte. Ich verfluchte zum wiederholten male, dass es mich in diese verdammte Welt verschlagen hatte.

Es gehört zu den Routineaufgaben eines Detektiven, dass er ahnungslosen Ehemännern hinterher schnüffelt, um die Neugierde eifersüchtiger Ehefrauen zu befriedigen und für den Fall, dass die Ehemänner zwar ahnungslos, aber keineswegs schuldlos sind, einige delikate und äußerst überzeugende Bilder zu schießen, um diese dann bei eben jener zu Recht eifersüchtigen Ehefrau gegen Bargeld einzulösen.

Hier war jedoch alles ungemein komplizierter. Waren in einer normalen Welt die Gefahren, die mit dem Umstand verbunden waren, dass man von dem ahnungslosen, nicht schuldlosen, aber dafür um so gewalttätigeren Ehemann entdeckt und auf eine ganz andere und für den Detektiven, also mich, wesentlich schmerzvollere Art und Weise bezahlt werden könnte, schon abschreckend, so war die Tatsache, dass die Ehemänner hier aus gut drei Meter großen und ebenso breiten Trollen oder Riesen bestanden, meiner Motivation in der Regel nicht gerade zuträglich.

Ein anderes, eher technisches Problem ergab es bei den Bildern. Hatte ich meinen Anzug noch mit hierhin retten können, so gab es in dieser Welt weit und breit keinen Fotoapparat oder ähnliches. Nun, er hätte auch wenig Sinn gehabt, da es hier wohl erst in einigen Jahrtausenden das erste Fotolabor geben würde. Also musste ich den Fotoapparat durch einen Schnellzeichner ersetzen, den ich auf dem Jahrmarkt gefunden hatte.

Ich hoffte, er würde seine Arbeit gut machen. Ich hatte ihm seine Aufgabe nun schon etwa ein Dutzend mal erklärt, aber es schien nicht so, als hätte er sie endgültig verstanden.

"Also, ", wiederholte ich daher, "Stehen Sie vorsichtig auf und malen Sie, was Sie sehen, Sie wissen schon.", ich grinste zweideutig und er grinste zurück.

Dann erhob er sich. Es war gut, dass er so klein war, so konnte er ohne aufzufallen durch das Fenster blicken und sein Foto schießen, was, so hatte er es mir versprochen, nicht mehr als zehn Minuten in Anspruch nehmen sollte. Himmel, was für eine Belichtungszeit, dachte ich bei mir, während ich versuchte, es mir unter dem Fenster für die nächsten Minuten bequem zu machen.

"Jetzt, ja das ist gut.", hörte ich den Mann plötzlich über mir flüstern und sah, wie er begann in einer unglaublichen Geschwindigkeit Farbe auf die Leinwand in seiner Hand zu schmieren. Ich hoffte, dass es ein scharfes Bild werden würde, sonst wäre es ohne Wert für mich.

"Ich bin fertig.", mit diesen Worten lies er sich kurze Zeit später zu mir hinunter. Ich wollte soeben das Bild in Augenschein nehmen, als ich über mir ein dumpfes Geräusch hörte. Das Fenster wurde geöffnet und ein grünes, mit unzählbaren Pickeln, Beulen und Haaren übersätes Gesicht blickte auf uns herab.

Der Troll!

Wie ich bereits erwähnte, war die Gefahr, entdeckt zu werden, immer gegeben und ich war schon oft in solche peinlichen Situationen geraten. Man sollte daher meinen, ich hätte mir inzwischen ein gut sortiertes Repertoire an Ausreden zurechtgelegt und es wäre mir daher jetzt ein leichtes, aufzustehen und mit einem lockeren Wort auf den Lippen den Widersacher in eine solche Verwirrung zu stürzen, so dass man alles nötige, vor allem aber die Beine in die Hände nehmen und verschwinden könnte. So hat man es schließlich in unzähligen Filmen gesehen oder Büchern gelesen.

Aber hier in dieser Welt gab es keine Filme und ich fürchte, dass die Intelligenz eines Trolles nicht ausreicht um in große Verwirrung gestürzt zu werden.

Daher blieb uns nur eine Alternative: Flucht ohne einen geeigneten Spruch. Ich hasse das, denn es nimmt diese gewisse Etwas aus meinem Beruf, diese Etwas, das uns Detektive von gewöhnlichen Spannern unterscheidet.

Wir rannten. Trolle sind schnell, sehr schnell, wohl eben so schnell wie hässlich. Aber dennoch gelang es uns, das Burgtor zu erreichen, das seltsamerweise offenstand, was bei unserer Ankunft keineswegs der Fall gewesen war.

Hätte ich so wie Sie, zu Hause in einem warmen Sessel gesessen, neben mir eine Tasse Tee oder wohl auch Kaffee, dieses wunderbare Buch in Händen und hätte von dieses Ereignissen gelesen, so wäre mir sicher schon zu diesem Zeitpunkt aufgefallen, dass etwas nicht stimmen konnte.

Aber ich war einige Kilometer von meinem Haus entfernt, von meine Sessel ganz zu schweigen und Tee hatte ich ohnehin keinen mehr. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass ich etwa exakt einen halben Meter hinter mir das gefletschte Gebiss eines Monsters wähnte, das mit mir Dinge anstellen würde, die ich in dem Moment, da ich keuchend durch das dunkle Burgtor rannte, verzweifelt versuchte zu verdrängen.

Erst als ich die Burg einige hundert Meter hinter mir gelassen hatte, hielt ich inne. Wo war mein Fotoapparat? War er dem Troll zum Opfer gefallen? Das schöne Bild und mit ihm das ganze Geld, das mir die reizende Trolldame zugesichert hatte wären dahin.

Aber ich sorgte mich zu unrecht, schon wenige Augenblicke später erschien der kleine Mann. Er war außer Atem und versuchte verzweifelt, etwas zu sagen. Ich verstand nicht viel von dem, was er mir mitteilen wollte, wohl etwas von 'Glück gehabt' und 'beinahe tot' oder ähnliches.

"Sicher", meinte ich nur und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, denn ich sah, dass er das Bild noch immer bei sich trug.

Endlich war es Zeit, sein Werk zu begutachten.

"Bitte?", ich konnte nicht glauben, was ich sah, "Das ist es, was Sie gesehen haben?"

Der Fotoapparat nickte unsicher.

"Diese Frau hat also so dagesessen, vor einer blühenden Landschaft, hat die Hände gefalten und gegrinst?"

Der Apparat nickte erneut.

"Ich meine schauen Sie sich das an: So ein Lächeln habe ich noch nie gesehen, Himmel, kein Mensch lacht so."

Ich war außer mir.

In den meisten Welten, in denen ich mich bisher aufgehalten habe, ist es verboten, Menschen oder wen auch immer zu foltern oder ihnen in irgendeiner Weise seelisches oder körperliches Leid zuzufügen. In der Welt in der ich mir zu jenem Zeitpunkt befand, galt dies in der Regel auch.

'In der Regel' bedeutete dort so viel wie: 'Wenn gerade keiner zuschaut'.

So dauerte es auch nicht lange, bis ich von dem kleinen Mann erfahren hatte, warum das Bild, das er gemalt hatte, nur eine grinsende Frau zeigte und keineswegs das, was ich erhoffte hatte. Es hatte sich in dem einzig beleuchteten Zimmer nämlich durchaus das abgespielt, was ich mir erwünscht und die Trollin befürchtet hatte. Es war vielmehr so, dass der Fotoapparat ein Leibeigener des Trolles war und von diesem angehalten, eben jene Fotomontage zu entwerfen.

Wie gesagt, es war einer jener Fälle, in denen man sich durch nasse Gräben windet, um dann am Ende doch leer auszugehen.

Das heißt, ich habe das Bild viel später in einer anderen Welt an einen Italiener verkauft. Für ein paar Lire, ich hoffe er ist damit glücklich geworden.

2

 

Ich glaube, es ist nun an der Zeit, mich vorzustellen. Mein Name ist Marc Arson mit einer Betonung auf dem 'A'. Jedoch ist es in dieser Dimension nicht gerade ratsam, mit einem Mantel aus Baumwolle oder einem Namen wie Marc Arson herumzulaufen, selbst wenn die Betonung nicht auf dem 'A' läge.

So bin ich gezwungen, hier unter einem anderen Namen aufzutreten: Artoros. Schlicht und simpel Artoros, Nachnamen gibt es hier kaum, es ist eine Frage des Standes, ob man einen zweiten oder gar dritten Namen führen darf. Ich verdiene mein Geld oder besser Gold zur Zeit als Privatdetektiv, und da das aber hier noch nicht unbedingt ein anerkannter oder gar respektierter Beruf ist, darf ich froh sein, überhaupt einen Namen zu führen.

Die Welt oder besser das Land, das ich nun schon so oft erwähnte, nennt sich 'Guklomo', mit Betonung auf dem zweiten 'o'. 'Guklomo' bedeutet ungefähr so viel wie: 'Stinkende, vor Fett tropfende, noch nicht einmal mehr als Mantel zu gebrauchende Bisamratte'. Die Ureinwohner hatten damit zum Ausdruck bringen wollen, was sie von diesem Land hielten und irgendwie ist der Name wohl hängen geblieben.

Guklomo ist, ebenso wie das alte Gallien, in drei Gebiete aufgeteilt: Ganz im Süden, jenseits der unglaublich gefährlichen Berge, liegt das Reich der Götter, ein Land das der durchschnittliche Einwohner nur aus Sagen und Legenden kennt. Gelehrte oder Priester kennen es auch nur aus Sagen und Legenden, aber das würden sie niemals zugeben. Man sagt, dort hausen die Wesen, die einst Guklomo erschufen und so nett waren, es vollständig von unbezwingbaren Bergen oder unbeschiffbaren Meeren zu umgeben, so dass alles hier klein und überschaubar bleibt. Die Götter sollen es auch gewesen sein, die vor unendlich langer Zeit die Monster, die Trolle und Orks, die Vampire und Zombies aus dem Reich jenseits der unglaublich gefährlichen Berge vertrieben haben. Ich weiß nicht, was Trolle, Orks, Vampire und Zombies jemals im Reich der Götter zu suchen hatten, aber die Geschichte wird nun einmal so erzählt, selbst von den Gelehrten und Priestern.

Die Monster, die nun vor so schrecklich langer Zeit aus dem Reich der Götter verscheucht worden waren, brauchten Platz; und das nahmen sie sich von den Menschen, die gezwungen waren, nach Norden auszuwandern, so dass sich der eigentlich Teil Guklomos heute in zwei Teile aufteilt: Im Süden befindet sich das Odland (Einst hieß es Ödland, aber man hielt einen Umlaut für eine Ansammlung stinkender, vor Fett triefender, nicht einmal mehr als Mantel zu gebrauchende Bisamratten doch etwas übertrieben.) Nördlich des Odlands und gut bewacht von den zwölf Grenztürmen, liegt das Schönland, in dem die Menschen leben, wo auch ich lebe, wenn ich nicht gerade die Aufträge eifersüchtiger Trollfrauen ausführe. Das Schönland weißt eine einfach zu verstehende Hierarchie auf: Je nördlicher man lebt, desto reicher und angesehener ist man. So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Hauptstadt Guklomos, Moldatia, an der äußersten, nördlichen Küste befindet. Man sagt, dass es dort sogar Menschen mit fünf Namen geben soll. Unglaublich.

Wie dem auch sei. Ich wohne in Lungern, einer Stadt, beinahe direkt an der Grenze. Kein angenehmer Ort.

Diese Hierarchie ist derartig perfektioniert worden, dass es heute reicht, den Längengrad seiner Heimatstadt zu nennen und Sprüche wie: 'Mit Leuten jenseits des 30. Längengrades gebe ich mich nicht ab.' oder 'Liebes, Liebes, ich habe eine Gehaltserhöhung erhalten, wir können drei Grad weiterziehen!', sind keine Seltenheit. So kommt es, dass Menschen aus dem Süden, wie ich, selten oder eigentlich nie mit Leuten aus dem Norden oder gar aus Moldatia zu tun bekommen.

Um so mehr wunderte es mich, als einen Tages ein nobel gekleideter Herr in meiner Tür stand, dessen Äußeres mich überlegen lies, wie er es geschafft hatte, mit all den goldenen Ketten und Ringen heil durch Lungern zu gelangen. Dann sah ich jedoch die vier stämmigen Herren, die jeder mit einem Schwert von der Größe einer gut gewachsenen Eiche bewaffnet, ein Auge auf den Ankömmling hatten und DEREN Äußeres jedem möglichen Dieb unmissverständlich klarmachte, dass wenn hier überhaupt jemand etwas verlieren würde, dann er es wäre und wenn er Glück hätte, nur etwas Unwichtiges wie einen Arm oder ein Bein.

Der Mann blickte sich verstohlen um, wie als wolle er mir etwas geheimes und sehr Bedeutendes erzählen. Daher war ich etwas enttäuscht, als er lediglich fragte:

"Sind Sie Artros?"

"Artoros.", berichtigte ich ihn. Wenn man nur einen Namen hat, legt man auf jeden Buchstaben Wert.

"Oh, verzeihen Sie, Artoros, gewiss. Mein Name ist Signald Dora Turr. Könnte ich Sie sprechen?"

Eigentlich hätte es mich wundern sollen, dass ein Mann mit drei Namen, Ketten und Ringen aus Gold und fünf Leibwächtern mit Zweihändern, in einem solchen freundlichen Ton mit mir sprach.

Aber das tat es zu dem Zeitpunkt natürlich nicht und daher entgegnete ich ihm höflich:

"Aber sicher, treten Sie ein.", ich wies mit einer Handbewegung in das Innere meines kärglichen Hauses und schämte mich im gleichen Augenblick dafür. Er blickte sich jedoch nur kurz um, postiertet mit einem Wink seine Garde an der Tür und trat erneut an mich heran.

"In der Regel geben wir uns ja nicht mit Leuten wie Ihnen ab, ", Bewohner des Norden machen kein Geheimnis daraus, dass sie sich für etwas besseres und Südbewohner allenfalls für Dreck halten, "Aber der Fall ist dringend und benötigt tapfere, willensstarke Kämpfer wie Sie."

'Tapfere, willensstarke Kämpfer wie Sie', Himmel, das klang wie der Werbeslogan eines verzweifelten Gebrauchtwarenhändlers.

Signald Dora Turr lies mich nicht antworten, sondern fuhr fort:

"Ich komme im Auftrag von Harold Darlington Durla Tomba, einem der bedeutendsten Männer Moldatias."

Er schwieg einen Moment, wohl um die Bedeutung seines Auftraggebers zu unterstreichen.

"Noch niemals hat sich etwas derartiges zugetragen. Noch nie haben die abtrünnigen Wesen aus dem Odland es gewagt, einen Fuß in die Perle des Schönlandes zu setzen oder gar dort eines ihrer ruchlosen Werke zu begehen, aber nun ist es geschehen."

"Was?"

"Und daher benötigen wir Kämpfer wie Sie, tapfere, willensstarke Kämpfer."

"Was ist geschehen?"

"Bitte?"

"Was ist passiert? In Moldatia."

"Oh, Entschuldigung, sicher, das sollten Sie erfahren. Eine Jungfer wurde entführt. Von einem Drachen. Unfassbar nicht wahr?"

Es fiel mir schwer, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Ein Drache entführt eine Jungfrau. Also, wenn das nicht das abgegriffenste Klischee der gesamten Fantasyliteratur war. Aber hier in dieser Welt schien es noch ziemlich neu zu sein. Das Lachen verging mir dann auch schnell, als ich mir langsam der eigentlichen Lage bewusst wurde. Ein Drache...ich hatte noch nie etwas mit Drachen zu tun gehabt. Sie lebten, so hieß es, zurückgezogen in einem Tal im Odland. Schon seit Jahrhunderten habe niemand mehr einen von ihnen zu Gesicht bekommen und es konnte nur eines bedeuten, wenn ein Mann aus Moldatia einen Gesandten nach Lungern schickt, um jemanden ausfindig zu machen, der die Jungfrau zurückholen soll: Dieser Auftrag war gefährlich, so dermaßen gefährlich, dass es unwahrscheinlich war, dass derjenige jemals lebend einen der zwölf Grenztürme wieder sehen würde, und es daher wohl Verschwendung wäre, einen wertvollen Bürger des Nordens bei einem solchen Unternehmen geradezu zu opfern.

Es hieß aber auch, dass man mit allen Mitteln versuchte jemanden zu finden, der bereit war, ein eben solches Risiko einzugehen, und 'mit allen Mitteln' bedeute in der Regel: 'Mit viel Geld.'

"Und sie wollen, dass ich für Sie die Jungfer zurückhole."

"Woher wissen Sie das?", er gab sich alle Mühe erstaunt zu wirken, vielleicht war er es sogar, Nordlern traue ich vieles zu.

"Es ist meine Aufgabe, so etwas zu wissen.", mit diesen Worten lies ich mich auf einen der herumstehenden Stühle herab und verfluchte, dass es in dieser Welt noch keinen Zahnstocher gab, auf dem ich jetzt lässig hätte herumkauen können.

"Sie müssen verstehen.", er trat mit vorgestreckten Händen auf mich zu, "Wir im Norden haben viel zu tun. Daher kann niemand von uns diesen Auftrag ausführen."

Viel zu tun! Das einzige, was Nordler zu tun haben, ist eine Reise in das Tal der Seen zu machen, um mit unzähligen Kurtisanen Spiele zu treiben, von denen ich nichts wissen wollte, da es Bewohnern südlich des 30. Längengrades verboten war, sich dort aufzuhalten.

"Dies ist keine einfache Aufgabe. Ich weiß nicht, ob ich dieses Risiko eingehen soll."

"Risiko. Ich bitte Sie. Ein Drache, was ist das schon?"

Ich sprang von meinem Stuhl auf.

"Was ist das schon?", ich musste befürchten, dass er mir weniger zahlen würde, sollte er annehmen, ich sei mir des vollen Ausmaßes der Gefahren nicht bewusst.

"Ich habe schon mit unzähligen Drachen gekämpft, ", log ich daher, "und ich kann Ihnen sagen, es ist ein Wunder, dass ich jetzt noch vor Ihnen stehe."

"Sicher, aber...", er wirkte etwas hilflos.

"Also, wenn ich Ihnen diesen Gefallen tun soll, dann nur gegen eine gute Bezahlung."

"Natürlich, was denken Sie, der Norden lässt sich nicht lumpen.", er versuchte nun empört zu wirken, aber auch das misslang. Er war kein guter Schauspieler und es ärgerte mich ein wenig, dass man mich in Moldatia für offenbar derartiges naiv hielt, dass sie es nicht für nötig empfunden hatten, einen geschickteren Diplomaten zu schicken.

"1000 Goldstücke."

"1000 Goldstücke?" Er blickte mich entsetzt an. Wirklich entsetzt. Das konnte er gut.

"Und freien Zugang zu allen Stätten des Landes. Das heißt, alle Privilegien eines Bürgers von Moldatia. Die werde ich brauche, wenn ich meine Untersuchungen sinnvoll durchführen soll."

Und wenn mir der Auftrag zu heiß werden würde und ich mich lieber für eine Zeit in Moldatia oder im Tal der Seen vergnügen möchte.

Nun war er es, der sich setzen musste.

Er dachte nach und blickte von Zeit zu Zeit hilfesuchend zu seinen Männern, die noch immer wartend in der Tür standen.

"Also gut, ", meinte er schließlich, "1000 Goldstücke und alle Privilegien eines Moldatianers, für die Dauer eines viertel Jahres, nicht länger, bis dahin sollte der Fall gelöst sein. Sie erwarten doch wohl nicht, auf Dauer diese Privilegien zu erhalten, ich meine, das denken Sie..."

"Nein, natürlich nicht, ich weiß, wo meine Grenzen sind."

"Natürlich, das ist gut."

"Wir bringen Sie dann noch heute nach Moldatia, wo Sie beginnen werden, dem Verbrechen auf die Spur zu kommen. Wir werden Sie in exakt drei Stunden hier abholen."

Er hatte seine Fassung wiedergewonnen und schritt entschlossen durch die Reihen seiner Wachen auf die Straße hinaus.

"Exakt drei Stunden.", hörte ich noch, dann waren sie verschwunden.

3

 

Exakt drei Stunden später, falls man in einer Welt, in der die Sanduhr als technisch neue Errungenschaft vor noch nicht all zu langer Zeit die Sonnenuhr abgelöst hatte, von 'exakt' reden konnte, erschien Signald erneut. Diesmal jedoch an Bord einer gewaltigen Kutsche, die von zwei Männern seiner Leibgarde gefahren wurde.

Signald öffnete eine der unzähligen Türen und schaute vorsichtig hinaus. Als er mich erblickte, winkte er mir zu und ich bestieg das eigenartige Gefährt.

Die Reise nach Moldatia verlief für uns Insassen relativ ruhig, wir bemerkten nicht viel von den fünf Überfällen und zwei versuchten Entführungen, da Signalds Wachen diese schnell und effektiv zu vereiteln wussten.

So erreichten wir drei Tage später die Stadtmauern Moldatias. Ich muss zugeben, dass ich zutiefst überwältigt war. In der Welt, aus der ich komme, gab es gigantische Städte, aber sie wirkten unwichtig gegen den Anblick, der sich mir jetzt bot.

Moldatia war nicht wirklich groß und ich bezweifle, dass dort mehr als einige tausend Menschen lebten, nein, es war vielmehr die Ausstrahlung dieser Stadt, die, besonders als wir schließlich durch die gewaltigen Gassen fuhren, mehr wie ein einziges, unfassbares Gebäude wirkte, das von einem Architekten entworfen seien musste, der entweder genial oder verrückt, oder wahrscheinlich beides gewesen war. Leider blieb mit nicht viel Zeit, die Stadt zu bewundern, denn schon öffnete sich ein Tor und die Kutsche fuhr in einen runden Hof, der von einer weißen, marmornen Burg umgeben wurde. Signald wies mich an, die Kutsche zu verlassen und wir betraten durch eine golden verschlagene Tür eine weiträumige Halle, in der bereits jemand auf uns wartete.

Hatte ich Kleidung und Schmuck Signalds schon für protzig gehalten, so war sie doch nur der Gewinn aus einem zweitklassigen Kaugummiautomaten gegenüber dem leuchtenden, edelsteinverzierten Rock, den unzähligen goldenen, gewundenen Ketten und Armreifen des Mannes, der nun vor uns stand.

"Harold Darlington Durla Tomba.", flüsterte Signald mir zu und verbeugte sich unterwürfig. Ich tat es ihm gleich, auch wenn dies sonst mein Stolz verbietet. Aber 1000 Goldstücke verbunden mit der Möglichkeit mich drei Monate im Tal der Seen zu vergnügen, ließen mich meinen Stolz schnell vergessen.

"Das ist also Artoros", Harold Darlington Durla Tomba hatte eine tiefe Stimme, die die dunklen Haare seinen Bartes zum vibrieren brachte.

"Der berühmte Artoros", er sprach meinen Namen mit der Betonung eines Chirurgen aus, der soeben ein Krebsgeschwür in dein Gedärmen eines Patienten gefunden hatte.

Ich nickte jedoch nur und verbeugte mich erneut.

Signald trat an Harold heran und flüsterte ihm etwas zu, was dieser mit einem stummen Brummen zur Kenntnis nahm.

"1000 Goldstücke und Nordprivilegien. Das ist nicht schlecht.", er schwieg einen Moment und schien nachzudenken.

"Also gut, Artoros.", er winkte einen Diener herbei und flüsterte nun diesem etwas zu. Ich war etwas irritiert.

Schließlich wand sich der Burgherr wieder an mich und ich befürchtete schon, dass er meine Forderungen für Unverschämt gehalten und sich daher entschlossen hatte, mich dafür sogleich und auf eine für mich wesentlich schmerzvollere Art zu bezahlen.

"Ich bin einverstanden. Folgen Sie mir.", mit diesen erleichternden Worten wies er hinaus auf den Burghof. Er führte mich durch das Schloss. Durch lange, verschachtelte Gänge, in denen so viele Gemälde hingen, dass es wohl schon einen Schnellzeichner vom Jahrmarkt bedarf, um sie alle innerhalb der wenigen tausend Jahre, die es Guklomo nun schon gab, zu malen.

Schließlich gelangten wir zu einer prunkvollen Tür, die in ein Schlafzimmer führte, dessen Ausmaße allein ausreichte, um zwei meiner Häuser aufzunehmen und dessen idyllische Atmosphäre lediglich durch eine eingerisse Außenwand unangenehm gestört wurde.

"Dort kam der Drache hindurch.", bemerkte mein Gastgeber überflüssigerweise, "und hat meine liebe Diska entführt."

Er schien den Tränen nahe.

Ich schritt vorsichtig an das Loch heran und begutachtete es sorgfältig. Es gehört schon eine gewaltige Kraft dazu, eine solide, aus einem einzigen Stein gefertigte Marmorwand einzureißen und ich fragte mich, ob ich mich nicht vielleicht einfach wirklich für drei Monate in das Tal der Seen zu den unzähligen Kurtisanen zurückziehen sollte, anstatt mich in den Kampf gegen ein Monster zu stürzen, das derartige Kräfte besaß.

"Hier, ", ich hob eine goldene Schuppe empor, "der Drache ist durch dieses Loch in das Zimmer eingedrungen."

Harold blickte etwas verwirrt.

"Das sagte ich bereits."

"Oh nein, Sie vermuteten es. Ich meine, es kann unzählige Gründe haben, wenn eine solide Marmorwand zusammenfällt."

"Wirklich?"

"Nun, ", ich überlegte angestrengt, ich wollte mir die Führung in diesem Gespräch nicht streitig machen lassen, "nun, ja, es könnte ein Konstruktionsfehler gewesen sein."

"Konstruktionsfehler?", Harold wirkte plötzlich sichtlich aufgebracht, "Dies ist das Schloss meiner Familie seit undenkbaren Zeiten, es steht seit Jahrtausenden an dieser Stelle und Sie wagen es zu behaupten, dass...."

"Ich sagte nur, dass es eine Möglichkeit wäre. Aber diese Drachenschuppe hier beweist, dass ihre Vorfahren gute Arbeit geleistet haben und, wie ich bereits erwähnte, ein Drache für dieses Loch verantwortlich ist."

Ich ignorierte Harolds wütendes Gesicht und wand mich wieder dem Loch zu.

"Schläft Diska immer hier?"

"Nein, das ist ja das eigenartige. Wissen Sie, eine Tante Diskas ist zu Besuch und unter uns, ", er trat an mich heran, "diese ist ein wenig verrückt. Sie behauptet, die Nordgeister würden sie im Schlaf erwischen, wenn sie nicht im südlichsten Zimmer des Hauses untergebracht würde. Wenn Sie mich

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 22.08.2013
ISBN: 978-3-7309-4503-2

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