Andreas zerteilte den Kürbis gleich im Hof, um drinnen keinen Krach zu machen. Die Schale des Hokkaido war hart, die Frucht groß. Vielleicht würde die Suppe für zwei Tage reichen - Peter hatte sowieso oft keinen Appetit. Mit Kraft teilte er weitere Spalten ab, dann hielt er inne. Er wischte sich Schweiß von der Stirn und wandte sein Gesicht in die Sonne. Wie sehr sie noch wärmte. Das Thermometer war gewiss noch einmal über 20 Grad geklettert. In einer Ecke des Hofes hatte sich trockenes Laub gesammelt, das leise raschelte, als der Wind es vor sich hertrieb. In der Hofecke saß Mertens schwarze Katze, ein Bein in die Höhe gereckt und putzte sich.
Er sah sich weiter um. Die gelb gewordenen Blätter der Linde leuchteten in der Sonne. Er ließ sich ein Moment auf die Bank sinken. Wie schön es war - draußen zu essen, hier an der kleinen Sitzgruppe, wäre eine gute Idee. Er verdrängte den Gedanken, stand auf und ging mit der großen Schüssel voller Kürbisspalten hinein. Im Wohnzimmer warf an nur einen kurzen Blick auf Peter, der schlief, ging in die offene Küche durch.
Mit einem Löffel entfernte er die Kerne aus dem Kürbis, dann setzte er sich hin und begann, die Schale zu entfernen. Eigentlich war das bei einem Hokkaido nicht nötig, das wusste er, aber er machte sich die Mühe trotzdem. Die Kürbissuppe wurde so cremiger. Die Schale war hart wie Leder, mehrmals schlug das Küchenmesser laut aufs Brett, wenn er abrutschte. Wäre er nicht so rücksichtslos, hätte er das Schälen auch draußen erledigt. Er lauschte Richtung Wohnzimmer, aber Peter schien weiter zu schlafen.
So leise wie möglich schnitt er die Kürbisspalten in Stücke. Es war viel Arbeit, bis alles zerlegt war. Peter hatte nie mitgekocht, aber beim Zerteilen eines Kürbis hatte er manchmal geholfen. Andreas schälte eine Zwiebel, schnitt sie klein und ließ sie anbraten, bevor er die Kürbisstücke hinzufügte. Dann goss er Brühe auf.
Als er ins Wohnzimmer kam, war Peter munter und sah ihn an. Er lächelte sogar, sah erholt aus. Sein Gesicht war so unverändert attraktiv, als könne ihm die Krankheit nichts anhaben. Nur blasser war er, hatte doch seine Haut diesen Sommer keine Sonne gesehen.
Andreas trat ans Bett. “Willst du Tee?”
Peter nickte. Als er ihm die Schnabeltasse reichte, berührte Peter seine Hand, statt die Tasse zu nehmen. “Setzt sich doch kurz.” Peter schlug auf die Bettdecke.
“Ich koche Kürbissuppe.”
“Schön.”
“Muss danach sehen.” Er ging wieder in die Küche. Die Suppe hatte noch nicht einmal zu kochen begonnen. Er schnitt dunkles Brot in Würfel, um es zu rösten und rieb etwas Käse, den er vor dem Servieren auf die Suppe streuen wollte. Dann setzte er sich an die Theke. Die Sonne schien zum Küchenfenster herein, draußen leuchtete die Welt in herbstlichen Farben - gelb, rot und violett - vor einem strahlend blauen Himmel.
Peter hustete hart, beruhigte sich, fing wieder an. Andreas eilte hinüber, stützte Peter und gab ihm Tee, bis der Husten sich legte.
Unterdessen war der Kürbis weich geworden und er pürierte die Suppe. Sie nahm eine geschmeidige Konsistenz an, glänzt samten. Er fügte etwas Frischkäse zu, würzte nur mit Muskat und Pfeffer. “Perfekt”, murmelte er, nachdem er gekostet hatte. Er brachte zwei Schalen mit Suppe hinüber.
“Riecht köstlich, Schatz”, sagte Peter.
“Ich hoffe, du hast Appetit.”
“Ich bekomme welchen.” Peter lächelte. “Komm her.” Peter streckte die Hand nach ihm aus. Er stellte das Tablett ab, dann beugte er sich vor und küsste Peter. “Danke”, sagte der leise. Dann begannen sie zu essen.
“Im Herbst wolltest du immer so lange wie möglich draußen essen, egal, ob ich mir den Arsch abgefroren habe.” Peter lachte leise.
“Es ist schön in der Sonne.” Andreas schaute zum Fenster hinaus und blinzelte. Ihm war nicht entgangen, dass Peter die Vergangenheitsform benutzt hatte.
Texte: J. Walther
Tag der Veröffentlichung: 10.10.2014
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Widmung:
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