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Was ist eigentlich Story-Bashing?

Und was, verdammt nochmal, hat es mit Zombies zu tun?

 

Es geschah in einer Nacht-und Nebelaktion, bei einem Umtrunk zum Jahreswechsel, im Hause Akira. Wir tauschten gerade die Playlist auf dem PC und durch einen falschen Klick öffnete sich plötzlich der Ordner der Schande auf dem Desktop. Der Fundus der Geschichten, die voller Enthusiasmus begonnen wurden und dann irgendwie abgestorben sind. Wir grübelten darüber nach, warum uns Autoren bei manchen Storys einfach irgendwann die Luft ausgegangen ist, ohne dass der Plot doof, langweilig oder eingeschlafen war, und wie man diese vielleicht doch noch zu einem innovativen Ende führen könnte. Doch was tun, wenn man selbst nicht weiter weiß? Wenn das Manuskript in der Schublade verstaubt und die digitale Datei vor Langeweile schon Pocken kriegt? Da kam uns eine Idee:

Wir starten ein Storyleichen-Wiederbelebungsprojekt und fragen nach, welche mutigen Autoren sich auf ein Experiment einlassen würden, bei dem jeder eine eigene, unfertige Geschichte spendet und dafür die eines anderen weiterschreibt bzw. beendet. Auf diese Weise fanden wir Ashan Delon und Kaiden Emerald, die ebenfalls einen solchen Zombie in der Bude rumliegen hatten. Danach haben wir nur noch einmal reihum getauscht, kräftig durchgerührt und - et voilà! Hier lest ihr also nun die geistigen Ergüsse dreier Autoren, aufgeteilt auf drei Bücher, die jeweils ein anderer zu Ende gebracht hat. Der Clou: Der zweite Autor hatte dabei alle Freiheiten und durfte seiner Fantasie vollkommen freien Lauf lassen, Wendungen herbeiführen und die Story auf seine eigene, ganz individuelle Art enden lassen, ohne dass Autor eins ihm hineinreden konnte. :p

Und wir alle wissen, wie toll Schriftsteller darin sind, die Kontrolle über ihre Figuren abzugeben, nicht wahr? Ja, es war eine große Herausforderung für uns alle, aber so entstanden nun drei vollkommen unvorhersehbare Geschichten und ein noch nie dagewesenes Experiment, welches uns hoffentlich geglückt ist. Wer das beurteilen darf? Ihr! Also lest selbst! ;)

Viel Spaß wünschen euch:

 

Akira Arenth, Kaiden Emerald und Ashan Delon

 

SHADOW SLAYER: Teil 1 – Kaiden Emerald

 

Drei Jahre zuvor ...

 

Tagelang streifte sie durch die Wirren verwinkelter Gänge in den alten Höhlen der nördlichen Wälder, um einen Weg in die große Halle zu finden. Diese war eine Art Sammelpunkt oder auch Wohnzimmer, zu dem sie vom Klang dumpfer Trommeln geleitet wurde. Und ohne es zu bemerken, bewegten sich die Steine hinter ihr. Steine, die eigentlich keine waren. Schließlich erreichte sie eine unterirdische Höhle, die weiter reichte, als sie selbst mit ihren Nacht erprobten Augen in die Dunkelheit hineinspähen konnte, da nur durch winzige Einbrüche in der Decke spärliches Tageslicht hereindrang.

Dort saß eine Hundertschaft von Trollen. Wesen, deren Aussehen von ihrer Nähe und Verbundenheit zur Erde so geprägt war, dass man sie gut mit Geflechten aus Stein und Gestrüpp verwechseln konnte. Einige von ihnen klopften auf hohle Felsbrocken und erzeugten somit die monotonen Trommelschläge, die sie überhaupt erst dorthin geführt hatten.

Als sie durch den Eingang der Halle trat, blieb sie zunächst stehen. Aufmerksam beobachtete sie, wie sich eine große steinerne Nase aus dem Massiv löste, die umrahmt von zwei nichtssagenden weißen Augen und überwölbt von Wurzel behafteten Brauen war.

„Mensch. Mensch nicht willkommen“, grummelte die Nase aus Stein griesgrämig.

Die Stimme eines Trolls klang allerdings immer deprimiert und traurig. Die Kreatur bettete sich wieder in die Steinwand und war nur ein Zwinkern darauf erneut mit ihr verschmolzen. Trolle galten stets als überaus erdverbunden. Enger noch, als es selbst für Schamanen als üblich galt. Sie waren aus ihr geboren worden – genauer gesagt, hatten sie sich von den Ventrilen gelöst, als sich diese aus der Erde erhoben hatten. 

Zudem waren sie weit entfernt von allem, was als intelligent galt und ihren eigenen Überlieferungen nach, vor langer Zeit aus großer Höhe herabgefallen, als sich die erste Mutter ihren Tunnel aus der Erde gegraben hatte. Trolle waren, soweit sie denken konnten, überhaupt nur irgendwie einmal irgendwo gelandet. Gemäß ihren Erzählungen waren die Felsen oberhalb ihrer Katakomben einst von den Ventrilen abgefallen, als diese dort entlang spazierten. Die Steine im Meer erklärten sie sich damit, dass einige von ihnen wohl einst hinabstürzten, als die Mütter in der Vergangenheit die Gewässer durchschritten hatten. Lange noch, bevor sie sich als eigenständige Lebensform aus den Gesteinsbrocken herausgebildet hatten. So trugen sie es sich schon seit dem Anbeginn der Zeit zu, weil sie nicht erahnen konnten, wie sich die Natur auf der Erdoberfläche tatsächlich geformt hatte.

Da sie sich nur selten bis gar nicht aus ihren Höhlen bewegten, kannten die meisten von ihnen Wasser auch nur von den Tropfen, die manchmal von der Decke klimperten. Gemeinhin galten sie als defensives Völkchen und verhielten sich bislang eher zurückhaltend, was sogar noch untertrieben war. Stets waren sie lethargisch und überaus friedliebend, nie enthusiastisch und schon gar nicht angriffslustig. Ihr Volk genau zu umschreiben würde sich als schwierig erweisen, da niemand je den Kontakt zu ihnen gesucht hatte und sie sich selbst auch nie mit den Geschöpfen der Oberwelt abgeben wollten.

Das merkwürdige Wummern erfüllte inzwischen das gesamte unterirdische Tunnel- und Höhlensystem. Es war leise, jedoch überall zu hören. Ein Rhythmus, der heilende Klänge beinhaltete und durchaus fähig war, andere in Trance zu versetzen oder gar Kräfte in ihnen zu wecken. Alana fragte sich, wozu sie ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt musizierten. „Seid gegrüßt, Kinder der Ventrilen!“, sprach sie die Wesen zunächst mit Vorsicht an, woraufhin das Trommeln, das die Stollen zuvor pulsieren ließ, verstummte. Lediglich ein einzelner Fels bewegte sich unweit von ihr zuckend und in einem grabenden Ton.

Denn das, was hinter der Katzenfrau den Anschein eines Steins erweckt hatte, war tatsächlich ein schlummernder Trollschädel, der sich bereits so weit in die Höhlenmauer eingegraben hatte, dass nur noch sein steinerner Hinterkopf die Imitation eines Felsens darstellte. Als er sich drehte und ihr seine lange bröcklige Nase zustreckte, war auch das Blinzeln eines hellen, runden Augenpaares im Gestein zu sehen. Und während der Boden in der Höhle kurz von einem Beben durchgerüttelt wurde, lösten sich Schultern aus dem Erdreich, in dem der felsengleiche Trollkopf eingesunken gewesen war.

Danach geschah dasselbe im Inneren der Halle, in die sie zuvor noch geblickt hatte. Und in einem Erdbeben, das sogar die kleinen Steine unter ihren Füßen tanzen und Staub von der Höhlendecke rieseln ließ, gruben sich unzählige Trolle aus der Erde. „Mensch“, murmelte es hier und da, während sie ihre Besucherin fragend ansahen. Sie war kein Mensch – gewiss nicht. Vielmehr eine ‚Nekitty‘, ein Mischwesen aus Mensch und Raubkatze. Zum Jagen geboren und zum Töten geeignet wie kaum eine andere Rasse es war. Doch sie entschied, dass es wohl Zeitverschwendung war, diese mit Moos überwucherten Felskreaturen über ihre genaue Herkunft aufzuklären.

Alana nahm ein lautes Tosen wahr. Unter ihren Füßen mussten Hunderte von ihnen sein, die sich bereits eingegraben hatten und nun wieder neugierig an die Oberfläche kamen. „Ich habe nach euch gesucht“, erklärte sie ihr Erscheinen und konzentrierte sich auf die Schwingungen und Auren in der Umgebung. Sie konnte sehr viele von ihnen erspüren und allesamt schienen sie verwundert.

Mehr und mehr Trolle buddelten sich derweil aus dem felsigen Boden heraus. Es fielen kleine Brocken aus der Decke der Halle und runde Gesteinsköpfe mit klobigen Nasen und hängenden Wurzeln lugten fragend aus allen Löchern. Neugierig, wessen warmherzige Stimme ihre trauernden Trommeln unterbrach.

Ein Troll schoss Steine und Gestrüpp werfend neben der Katzenfrau in die Höhe, als würde er aus dem Boden auftauchen wie aus Wasser. Dabei versetzte er der Nekitty mit seiner unförmigen Steinfaust einen Stoß, der so kraftvoll war, dass er sie bis an die nächste Wand katapultierte. Nicht einmal ihre Muskeln hatten sich gegen diesen neckisch gewagten Stupser erwehren können, mit welchem der Troll, der sich als der Mutigste von allen zeigte, etwas zögerlich an ihre Schulter geschlagen hatte. Es war eine einfache Berührung gewesen, die jedoch solch monströse Stärke in sich barg, dass ihr bange wurde.

Doch genau deshalb war sie dort: um diese Wesen als Verbündete im Kampf zu gewinnen. Eine Geheimwaffe für den alles entscheidenden Krieg, der gegenwärtig bereits tobte und den meisten ihrer Freunde das Leben gekostet hatte. Als Alana gegen die Wand prallte, zogen sich augenblicklich alle Trolle erschreckt wieder ins Erdreich zurück. Nur, um einige Sekunden später erneut ihre Köpfe hervorzustrecken.

„Mensch!“, ertönte es nun von überall. Ein Raunen, das tausendfach zu vernehmen war und ihr bewusstmachte, dass dies kein Echo sein konnte. 

Im Übrigen hatte nie ein Echo existiert. Immer, wenn jemand in die Berge hineinrief, dann hörte es irgendwo ein Troll, rief es ebenso. Und irgendwo anders im Gebirge hörte es ein weiterer Troll, rief es erneut, woraufhin ein neuer Troll lautstark wiederholte, was er gehört hatte, und wieder ein anderer Troll die Laute vernahm ... und rief.

Dies war ihre Art der Kommunikation. Zwar nicht sehr ausgereift, doch über die Jahre waren es viele gewesen, die ins Gebirge hineingerufen hatten, um sich am Echo zu erfreuen, wodurch die deprimierten Trolle schließlich das Sprechen erlernt hatten.

Alana verzog keine Miene, als sie sich von der Gesteinswand abstieß. Trotz der blutigen Schrammen auf ihrem behaarten Unterarm, zwang sie sich sogar zu einem Lächeln. „Ich bin kein Mensch“, berichtigte sie dann doch. „Ich … Aber ich habe euch gesucht, weil ihr stark seid.“

Auf ihre Worte hin ließen sich viele der Trolle desinteressiert in die Erde zurücksinken. Einige blieben jedoch, um zu lauschen. Die Höhle begann erneut, unter Trommelschlägen zu vibrieren, und Alana fing an, zu begreifen. Sie hatten sich an diesem Platz aus allen Winkeln des Erdreiches versammelt, um gemeinsam zu sterben. Das Trommeln in dieser Höhle sollte alle Wege hinein und von dort weg zum Einsturz bringen. Um jeden der Ihren, der bereit war in die Halle zu kommen, in ihr zu begraben. Die Trolle, welche einst aus der Erde geboren worden waren, wollten sich ihr zurückgeben.

„Uns vermisst nicht!“, erklang es von einem der Köpfe. 

„Wir nicht hier, um wichtig. Wir also gehen wieder zu Erde“, sprach ein anderer. 

Die Trolle hatten sich zusammengefunden, um ihrem Dasein ein Ende zu setzen, allesamt. Am liebsten an dem Ort, den sie am meisten bevorzugten: ihre große Halle unter der Erde. Und Alanas Vorhaben, die Trolle zu rekrutieren, wäre sinnlos gewesen, hätten sie es geschafft, eine Lawine auszulösen und die Höhle somit zum Einsturz zu bringen. Ein Rauschen durchströmte ihren Geist, als sie versuchte, die verschiedenen Auren zu ordnen. „Aber ihr lebt doch noch!“, rief sie ihnen entgegen.

Ein Grummeln, das vage an einen losgelösten Geröllschlag in der Ferne erinnerte, schlich brodelnd über den Boden. Für jemand Fremden wie Alana war dabei nicht näher auszumachen, ob es sich um ein Flüstern oder Gekicher handelte.

Immer wenn eines dieser felsigen, grauen und dreckigen Geschöpfe sprach, wabbelten seine mit veralteter Erde und Gestrüpp bewachsenen Wangen, ohne dass dabei etwas zum Vorschein kam, dass sie auch nur im Entferntesten an einen Mund erinnerte. Und stets klang es, als würde ein Troll mehrere schaufelgroße Fuhren Erde und Gestein zwischen ebenfalls steinernen Zähnen zermalmen und zerreiben und somit nur zufällig Klänge erzeugen, die sich wie Lexeme oder gar deutbare Laute anhörten.

Alana begriff, dass das, was die Trolle an Stärke aufbringen konnten, ähnliche Ausmaße hatte wie ihr Mangel an Intelligenz. Eben darum brauchten sie diese Geschöpfe als Verstärkung für ihre Armee. Sie erkannte jedoch auch die Trauer in ihnen. Wobei das nicht unbedingt an den zerfallenen Gesichtern lag. Genauso wenig wie daran, dass ihre Stimmen, die klangen als wären Arbeiten im Steinbruch in höchstem Gange, kaum zu einem Jauchzen fähig sein konnten. Der ganze Ort roch fast schon greifbar nach tiefer Depression, die anscheinend das gesamte Dasein dieser Wesen beeinflusste. 

Als sich plötzlich ein Troll unweit von ihr träge aus dem Boden schälte und stöhnend neben ihr platzierte, gewann Alana schließlich etwas Hoffnung. Obwohl sie vom Geist und Gemüt eines Sechsjährigen schienen, kam es ihr vor, als gäbe es unter ihnen eine Art Anführer. Einen Troll von erhöhter Gescheitheit, der wacheren Worten und daneben auch der Vernunft zugänglich wirkte.

Der Gesteinsriese neben ihr schüttelte sich, als hätte er lang schon nicht mehr gesprochen und müsse erst die steinernen Brocken in dem lockern, was Alana wohl als seinen Kiefer ansah. „Das Ende wir spüren. Zeit nicht wichtig für Trolle. Wenn Ende kommt, so kommt für alle. Kommt auch für uns. Du also siehst, Leben nur Begriff ist. Wenn ohne Zeit gesagt, nicht richtig erscheint. Wir bereits tot. Wir nur entscheiden zu sterben durch Erde ... nicht durch Zeit, die abgelaufen“, brodelte es aus ihm heraus.

Alana runzelte ihre Stirn und hielt ihm entgegen: „Nicht das Leben ist ein Begriff ohne Zeit, sondern das Ende. Doch ihr seid längst nicht am Ende! Ihr bewegt euch und ihr sprecht, also lebt ihr noch. Ich weiß nicht, ob der große Untergang bald kommt. Aber ich weiß, dass da draußen Leute kämpfen und jeden Tag ihr Leben riskieren, damit das nicht passiert. Sie setzen sich zur Wehr, damit auch ihr weiterleben könnt. Und jene, die sich dort oben für unsere Zukunft einsetzen, sind gewiss schwächer als ihr.“ Die Nekitty machte eine dramatische Pause ehe sie fortfuhr. „Ihr seid stark. Ihr könnt schwere Sachen heben und uns helfen, damit es kein Ende geben wird.“

„Wir schon immer wie Steine gewesen. Nie mehr, nie weniger. Nie wollten mehr sein“, malmte der alte Troll. „Sieh nur!“, wies er sie an. Und als er den Arm – oder zumindest das, was die Katzenfrau dafür hielt – anhob, erkannte sie, dass es lediglich eine Gehhilfe war, die allem Anschein nach im Laufe der Jahre mit seinem Arm verwachsen war.

Der Troll, der wohl älter als steinalt war, zeigte über die Köpfe der anderen, während er von den Versammelten sprach, als wollte er sie vor etwas beschützen, was sie nicht kannten. „Ein Stein, der nie gekämpft, auch nicht fängt an zu kämpfen. So schon immer. Auch Ende von Zeit nichts ändern. Du also siehst, wir schwach. Vielleicht wir haben, was du sagst Kraft. Aber Herz seien Stein. In Herz, wir sind stärker als Felsen. Und nie werden seien. Nie wollten seien.“ 

Einen Moment lang hielt Alana inne und ließ die Worte des Ältesten auf sich wirken, ehe sie weiter argumentierte: „Bevor dieser Krieg kam, haben viele nicht gekämpft. Doch wir haben keine Wahl, wenn wir überleben wollen.“

Der Troll sah sie mit verengten Brauen an. „Schon immer wir Steine gewesen. Seit Mütter haben Erde geformt vor lange, lange Zeit. Sie sich erhoben. Berge geformt, Täler geformt und Wasser. Viele Steine dabei bewegt und von Müttern gefallen. Nicht jeder Stein wurde zu Troll. Aber viele nur Stein gewesen, als gefallen.“

Dann folgte etwas, das der Nekitty wie ein tiefes Luftholen vorkam, rau klang und einige Sekunden lang andauerte. „Von Moment, als wir zu Boden gefallen, Troll nicht mehr als Stein. Aber Stein auch nicht mehr war als Troll. Wir gefallen von Mütter, als böse. Jetzt wieder böse und wir zurückgehen zu Mütter. Schon Trolle gewesen an Anfang von Zeit, wo noch kein Mensch und wir gehen nach Ende von Zeit“, fuhr er fort. Damit erklärte er so unmissverständlich, wie es ihm in seinem Wortschatz möglich war, dass es für Wesen seiner Art keine Rolle spielte, wie lange sie auf der Erde verweilten. „Troll immer wie Stein gewesen. An Anfang von Zeit, an Mitte und auch bei Ende sein werden. Wir nie mehr sein. Nie wollten. Troll nie wichtig oben mit Baum, mit Wasser und mit Mensch oder Kampf. Bei Ende Troll ist, was immer war. Steine.“

Anscheinend handelte es sich dabei um eine Einstellung, mit der sich die Trolle seit jeher ihr Leben erklärten und offensichtlich ein ereignisloses – doch friedliches – Dasein genossen. Und auch am Ende, von dem der alte Steinberg nicht zu erzählen müde wurde, wollten sie nicht davon ablassen, was ihnen wohl Jahrtausende voller Stoizismus und Harmonie eingebracht hatte.

„Ihr seid weit mehr als nur Steine!“, echauffierte sich die Katze mit berstender Stimme. Sie konnte das wehleidige Gejammer nicht mehr ertragen, sprang auf und fasste sich an den Kopf. „Wir alle müssen irgendwann sterben. Manchen bleiben noch Wochen, anderen nur Minuten. Es geht schon lange nicht mehr nur um die Menschen, denn dieser Krieg ist endgültig. Wenn wir versagen, dann wird nichts mehr so sein, wie es einmal war und wir alle werden sterben, auch ihr! Es gibt verfeindete Völker, die sich nun zusammengeschlossen haben, für diesen einen letzten Kampf! Weil sie alle wissen, dass nichts mehr übrig sein wird, für das es sich zu kämpfen lohnt, wenn sie versagen. Es geht hier nicht um eure Mütter, die Ventrilen. Wir alle haben mit Traditionen gebrochen, weil es hier um etwas so Großes geht, dass es uns alle betrifft. Um die Wiesen, um die Steine, um die Menschen … und auch euch. Denn davon wird schon bald nichts mehr da sein! Auch ich bin nur Teil eines großen Ganzen. Aber ich weiß, dass jeder einzelne von uns wichtig ist, um diesen Kampf zu gewinnen und das schließt auch euch mit ein! Denn am Ende ist es womöglich nur ein kleiner Teil, der stärker ist als der andere und dadurch über Sieg oder Niederlage entscheidet. Darum brauchen wir jede Hilfe. Ihr könntet diese eine Truppe sein, die unser aller Schicksal entscheidet.“

„Für Troll Zeit nicht wichtig. Nie war. Wir gekommen an Anfang von Zeit, jetzt wir gehen bei Ende von Zeit. Dazwischen wir bleiben Steine. Menschen bleiben Menschen. Und andere bleiben andere. Du selbst gesagt, viele Kriege. Wir nicht wissen, war letzte Krieg für andere. Steine nicht kämpfen. Nicht gewinnen, nicht verlieren. Aber auch wenn gewinnen, Zeit geht weiter und wieder Krieg kommen. Wir zurückgehen zu Mütter.“

Langsam und nur gemächlich gelang es dem alten Troll, sich vollends aufzurichten. Für ihn war diese Diskussion offenbar ausgefochten und alle Argumente hervorgebracht.

Alana seufzte und suchte krampfhaft nach einer zündenden Idee, um im steinernen Herzen dieses Steins die Flamme zu entfachen, die einen gewaltigen Stein ins Rollen bringen könnte. Und sie zweifelte nicht daran, dass dies im Sinne ihrer Mission unabdingbar wäre.

„Ihr lügt!“, herrschte sie den Ältesten an. „Ihr sagt, ihr wärt herzlos und nicht mehr als Steine. Doch warum verhaltet ihr euch dann nicht wie welche? Steine sprechen nicht und sie bewegen sich auch nicht! Ihr jedoch schon. Wenn Ihr wirklich so herzlos wärt, wie Ihr sagt, warum schützt Ihr all die anderen hier dann, als wärt Ihr deren verdammter Vater? Ich kann Euch sagen warum: Weil Ihr nicht herzlos seid! Ihr fühlt euch für sie verantwortlich. Weil Ihr am ältesten seid! Weil Ihr am weisesten seid! Und ich bin mir sicher, es würde Euch etwas ausmachen, wenn ich auch nur einen von ihnen töte, jetzt und hier! Und doch wollt Ihr die jüngeren hier lebendig begraben wissen, obwohl es noch Hoffnung dort oben gibt und verhaltet Euch wie ein elender Feigling.“ Alana deutete mit ihrer Pfote anklagend zur Decke.

Der alte Troll sah sie an und auch wenn es schien, als würde er ausführlich über eine Antwort nachdenken, holte er wohl bloß Luft, um den Atem für eine lange, steinalte Lektion aufzubringen. „Trolle laufen, weil können. Heute, wir gelaufen, weil müssen. Nicht sagen, wir Steine. Sagen, wir wie Steine. Trolle sprechen, weil gelernt, nicht, weil gebraucht. Nun wir gehen zurück zu Mütter. Ende kommen, du gehen.“

Ehe Alana reagieren konnte, hatte sich der Troll bereits herumgedreht und zeigte ihr seine steinige, kalte Schulter. Offenbar waren ihre Argumente an ihm abgeprallt wie geworfene Kiesel an einer Felswand. Doch gerade, als er begann, sich wieder in das Erdreich zu graben, fiel plötzlich unweit von ihnen ein Troll vom Höhlendach.

Sein Aufprall verursachte ein leichtes Beben, das die Wände der Höhle kurzzeitig wackeln und den Boden unter ihren Sohlen vibrieren ließ. So ein Troll musste wohl einiges wiegen. Danach fiel noch ein Troll mit einem enormen Haufen Gestein von der Decke. Und schon kurz darauf weitere.

Aufgeschreckt reckte der Alte sein Gesicht mit hochgezogenen Gesteinsbrauen in alle Richtungen, aus denen Trolle von oben herab plumpsten.

Die Nekitty schreckte zurück, als weiterhin aus allen erdenklichen Winkeln Trolle auf den Boden stürzten und sich um ihren Anführer herum zusammenrotteten. Sie wandte sich dem halb verschütteten Ausgang zu, ging ein Stück und hielt kurz inne, um noch ein letztes Mal über die Schulter zum Ältesten zu sehen. Trauer lag in seinem Blick und trotzdem hatte sie ihn nicht überreden können. Also blieb ihr nur, für ihr eigenes Überleben zu sorgen.

Hastig lief Alana ans Ende der Höhle, entgegengesetzt der Richtung, in der die Trolle schwerfälligen Schrittes unterwegs waren. Beim Schutt angekommen begann sie, kleinere Steine vom Geröllberg zu scharren und zu Boden zu werfen. Dann etwas größere. Der felsige Haufen schien kaum abzunehmen, doch sie gab nicht auf. Schon bald mischte sich Blut mit dem Fell ihrer Hände, als sie mit ihnen weitere Brocken abtrug, um sich durch die Wand zu graben.

„Nein! Nein!“ Der alte Troll wollte dem ersten von der Decke purzelnden entgegeneilen, als schon ein nächster herunterfiel. Er wankte von links nach rechts, wusste nicht, wohin sich zuerst zu wenden am nötigsten wäre. „Nein! Nein!“, rief er immer wieder, die Erde mit seinem von dichtem Moos bewachsenen Kiefer zermalmend.

Der Grund dafür zeigte sich umgehend. Die Trolle, die vom erdigen Gewölbe fielen, begannen zu grölen und zu jaulen und schlugen mit den Händen auf den Boden wie weinende Sechsjährige. Doch selbst diese hätten vermutlich mehr Fassung bewahrt, wenn sie von einem Baum gefallen wären. So schrien, brüllten und tobten, vor allem weinten sie. Der Alte verlor sich in einer Spirale von Wiederholungen, in denen er wieder und wieder verleugnen wollte, was er sah. „Nein! Nein! Nicht, nein!“, rief er, als er unentwegt zwischen den immer weiter von der Decke fallenden Trollen hin und her schaute.

Schließlich wandte sich auch Alana um und begriff, dass die Trolle nicht freiwillig nach unten sprangen, um sich zu einer Truppe zu formieren. Es war ohnehin aussichtslos, bei derartigen Beben so viele Steine abzutragen, dass ein Ausgang freigelegt werden würde. Sie gab sich geschlagen und zog stattdessen ein Stück Holz aus der Innentasche ihres Mantels, das einer Mundharmonika ähnelte, und begann, sanfte Töne darauf zu spielen, die überall in der Höhle widerhallten.

Die Trolle beruhigten sich. Irgendwo unter der Gesteinsschicht dieser Geschöpfe musste es etwas geben, das Gefühle zuließ. Offenbar konnte ein Wesen kalt wie Stein und älter als die Zeit sein und war dennoch den Klängen einer schönen Melodie erlegen. Außerdem mussten sie schon immer in der Lage gewesen sein, zu hören. Denn selbst der erste Hall von Stein auf Stein hatte nicht mehr als ein Geräusch erzeugt. Und so brachial und nichtssagend wie dieser einfache Ton auch geklungen haben musste, so hatte es ihn doch gewiss schon am Ursprung alles Seins gegeben.

Selbst zu der Zeit, als die Trolle von den Ventrilen gefallen waren, hatten Laute existiert. Woher wusste ein Troll sonst, dass er zu Boden gestürzt war? Er hatte den Aufprall bereits gehört. Auch der Älteste von ihnen konnte es nicht von der steinernen Hand weisen: Er hörte. Nur darum war er fähig zu laufen. Weil er hörte, wie er einen Schritt vor den anderen setzte. Bloß deswegen konnte er sprechen. Weil man eine Frage erst hören musste, ehe man überhaupt überlegte, wie man sie beantworten wollte. Und sich entscheiden zu können, bedeutete, dass man lebte.

Die Klänge aus ihrem Instrument wirkten wie ein Wiegenlied und ließen jeden, der sie wahrnahm, zur Ruhe kommen. Wenn der alte Troll darüber nachdachte, waren es schon immer Laute gewesen, die ihn Zeit seines langen Daseins beeinflusst hatten. Rollende Steine hatten ihn bei jeden seiner Schritte begleitet und das Gefühl untermauert, dass er sich überhaupt fortbewegte. Und immer, wenn sich die Mütter unter der Erde regten, waren es Geräusche, nach denen er lauschte.

„Wir nicht zurückgehen. Nicht nach Hause, Mütter uns nicht wollen“, brummte er Kiesel zerkleinernd. Im Gegensatz zu den anderen konnte ihn Alanas Schlaflied nicht besänftigen, er schien dagegen immun zu sein. „Wir Zeit schon überdauert.“ Die Schultern des alten Trolls sackten nach vorne, als er mitsamt der Gehhilfe auf den Boden stieß. Noch deutlicher wurde seine Frustration, als er sich einfach in den Schutt plumpsen ließ.

Die Katzenfrau beendete ihr Musizieren, nachdem auch der letzte von ihnen aufgehört hatte zu weinen. „Sie wollen euch nicht? Nun ich kenne viele, die sich über eure Gesellschaft freuen würden. Aber ihr wollt ja lieber hierbleiben“, sprach sie mit in die Hüften gestemmten Tatzen. „Ich muss jetzt jedenfalls da lang.“ Alana deutete mit dem Kopf zu der Richtung, in die sie plante zu gehen, sobald sie sich den Weg irgendwie freigegraben hätte.

„Nein, Mütter uns nicht wollen. Wir weggeworfen wie Steine und wir nie mehr wollten sein“, sagte der alte Troll als er aus seiner Sitzposition zu ihr herunterblickte. Der Älteste der steinalten Trolle musterte die Nekitty einen Moment lang eindringlich. „Wir helfen. Wir durch Erde bewegen“, entschied er und stieß ein lautes, langgezogenes Stöhnen aus, das dem eines alten Mannes glich, der sich aus einer bequemen Position hochraffte, um aufzustehen. Es dauerte einige Sekunden bis aus dem Knirschen von Stein auf Stein und dem zugehörigen Ächzen ein erneuter Seufzer ertönte. „Wir einen Tunnel graben.“

Alana erstarrte und schenkte ihm nun vollends ihre Aufmerksamkeit. „Das würdet ihr für mich tun?“ Ein Funken Hoffnung flammte in ihrem Blick auf. Dabei wusste sie noch nicht einmal, ob der Alte gerade nur zugestimmt hatte, ihr den Weg freizugraben, oder ob er sich tatsächlich geschlagen gab und die Trolle ihr nach draußen folgen würden. „Ich ... ich danke euch“, stammelte sie aufgeregt und mahnte sogleich zur Hast. „Wir müssen uns beeilen! Die Menschen dort draußen brauchen meine Hilfe.“

Der Anführer der Trolle ging langsam schlurfend an ihr vorbei und stützte sich gleich darauf den langen Arm mitsamt dem Stock an die Felswand der Höhle. „Von Herz habt ihr gesagt und von Menschen ihr geredet?“ Kaum hatte er ausgesprochen, sah der alte Troll über das was Alana von all dem Gestein wohl als seine Schulter bezeichnen würde. Wie auf Kommando gruben sich plötzlich von überall in der weitläufigen Höhle Trolle teilweise hervor und lauschten.

Die Nekitty hätte es vielleicht eine Zusammenkunft genannt, aber der alte Troll umschrieb es anders: „Frau von Menschen sagt, wir nicht Steine. Mütter Steine sein.“ Das Aufbäumen der Trolle war stark. Viele gruben sich nun vollends aus ihren Löchern und rebellierten. „Frau sagt, wir nicht besser wie Menschen. Nicht besser wie Bäume, Flüsse und Steine!“ Kurz sah er die Katzenfrau an. „Aber wir auch nicht schlechter!“ Kaum hatte er seinen Satz beendet, buddelten sich zahlreiche weitere Trolle protestierend und aufbäumend aus dem Boden.

Alana gab es auf, ihn zu berichtigen was ihre Rasse anging und sah sich stattdessen um. Es hatten sich bereits viel mehr versammelt, als sie zu hoffen gewagt hatte und die Anzahl schien sich noch weiter zu vergrößern. „Ja, sie sind wie meine Familie. So wie das hier die eure ist“, bestätigte sie die Frage des Alten, ohne den Blick von ihm zu nehmen. Ein Lächeln zeichnete sich auf ihre katzenhaften Lippen und die Erleichterung war ihr anzusehen. „Ich danke euch“, beteuerte sie erneut.

Der alte Troll wandte sich knirschend zur Nekitty hin und legte ihr seine steingraue Hand auf die Schulter. Doch was für ihn eine leichte Berührung war, lastete auf der durchaus widerstandsfähigen Katzendame wie eine tonnenschwere Fracht. Dann drehte sich der Gesteinskoloss zurück. „Seht!“ Der Alte zeigte erneut auf die Trolle, die nun in Gänze bereitstanden. „Mütter uns nicht wollen.“

Alana seufzte. Wenn sie diesen Tunnel wollte, musste sie wohl noch einiges an Überzeugungskraft aufbringen. „Bitte helft mir, ich … wir alle brauchen euch.“

„Wir nur Steine“, wandte er ein.

„Ja, vielleicht. Aber am Ende der Zeit könnt ihr Diamanten sein. Kämpft an unserer Seite! Selbst da oben auf dem Schlachtfeld bei Freunden zu sterben ist besser, als hier begraben zu werden. Ihr sagt, die Mütter wollen euch nicht? Gut, wir aber!“

Dann tat Alana etwas, was sie seit Jahren nicht mehr getan hatte: Sie kniete vor dem Anführer der Trolle nieder. Und selbst dem einsamsten Hinterwäldler, und lebte er noch so abgeschieden, dürfte diese Geste der Unterwerfung bekannt sein. „Diamanten sind mehr als einfach nur Steine. Sie sind die härtesten und widerstandsfähigsten! Und ihr seid stark genug, um welche zu sein! Wenn es stimmt, was ihr sagt, dann seid ihr irgendwann mal als Steine von den Ventrilen abgefallen. Eure Mütter haben nie geglaubt, dass ihr einmal so werdet. Was sie abgeworfen haben oder was von ihnen abgefallen ist, waren nicht mehr als Felsen, keine Trolle. Doch die seid ihr längst nicht mehr! Ihr habt euch entwickelt, seid ein eigenständiges Volk geworden. Ihr wollt wissen, wofür es sich zu kämpfen lohnt? Dafür, dass es euer Volk noch lange geben wird! Dass ihr auch in Zukunft weiterleben könnt! Und jeder, der versucht euch zu töten, wird es mit mir zu tun bekommen! Mit mir und den Menschen! Wir alle beschützen uns gegenseitig. Das dort draußen, diese Armee wird euch als Freunde begrüßen und als solche behandeln.“

Die Nekitty wirkte erschöpft vom Argumentieren und legte ihre Hand auf den Teil des Anführers, der wie ein Arm anmutete. „Bitte, mein Freund“, fügte sie mit flehender Stimme an.

Stille schwängerte die trockene Luft der Höhle und Alana glaubte etwas wie Nachdenklichkeit in der schlammgeformten mimiklosen Fratze, die das Gesicht des Trolles war, zu erahnen. Nach und nach bemerkte sie ein lauter werdendes Grummeln, das alsbald zu einem ausgewachsenen Tuscheln reifte.

Ein Anblick, der an den Mut der Menschen erinnerte, ehe aus Tatenlosigkeit Tapferkeit wurde. Ein Moment wie er in den Geschichtsbüchern der Ahnen verzeichnet war, kurz bevor aus einer Erkenntnis eine Idee ward, auf die eine Revolution folgte. ‚Freundschaft‘ war das Wort der Trolle, das am häufigsten herauszuhören war, während sie sich erst ahnungslos, dann erkenntnisbereit mit dem Nachbarn zu ihrer Linken und Rechten berieten.

Der Älteste unter ihnen jedoch blieb skeptisch, das Wohl der Seinen, die er zu schützen gedachte, wog mehr als jene Hoffnung, die er in seinesgleichen erweckt sah.

„Ihr nur wollt Kraft von Trolle“, sprach der Oberste von ihnen und ließ seinen Blick langsam durch die Menge wandern. „Wir nur Steine. So alt wie Zeit …“ Kurz schüttelte er den übergroßen Kopf. „Wir nicht in Ende gehen bei Kampf.“

Alana starrte die Steinwand vor sich mit einer Mischung aus Verzweiflung und Sehnsucht nach dem dahinter Befindlichen an. Schon fast hatte es den Anschein, als würde sie den Eingang mit bloßer Gedankenkraft freisprengen wollen. „Ich werde euch helfen Diamanten zu werden, wenn ihr nur meine Freundschaft annehmt und mir helft, mich in Richtung Südwesten vorzuarbeiten.“

Der alte Troll wollte gerade erneut den Kopf schütteln und die Stimme erheben, um sich beharrlich an die Entscheidung zu klammern, die er als die Beste befand. Plötzlich wurden klare Einwände laut, die von den Wänden widerhallten. „Wir helfen“, dröhnte die tiefe grollende Stimme eines Trolles.

„Helfen. Helfen“, meldete sich ein anderer zu Wort und hob dabei seine klobige Steinfaust empor.

„Für Freundschaft. Freundschaft“, ertönte es gleich darauf brummend und aus allen Richtungen der Höhle. Der alte Troll stampfte mit der Gehhilfe auf, was ein kleines Beben auslöste und den aufkeimenden Tumult in den Reihen seiner Schützlinge schlagartig beendete. „Ihr nicht wisst, was ihr sagen. Ihr nicht wisst, was Freunde. Wir hierbleiben.“

Und gerade als der Alte dachte, seine Integrität stände über dem Willen seiner Zöglinge, wurden die Rufe der Trolle lauter, energischer und in einem einzigen vereint: „FREUNDSCHAFT! FREUNDSCHAFT! FREUNDSCHAFT!“, brüllten sie und reckten die breiten Steinklumpen, die ihre Hände waren, in die Höhe. Einen Augenblick lang sah er sich fassungslos um, dann wandte er sich wieder Alana zu: „Mir nicht gefallen. Aber ich nicht ändern. Wir mitkommen.“ Er sah nicht glücklich darüber aus, zumindest verrieten dies die schief gestellten Büsche, die wohl seine Augenbrauen sein mussten. „Wir gehen. Mensch uns zeigen Freunde!“ Der Troll hielt ihr die zerklüftete Hand hin.

„Ich werde euch beschützen, mit allem, was ich kann“, schwor sie und ließ ihre Hand für einen Moment auf dem klobigen Stumpf des Ältesten ruhen. „Also lasst euer Volk nicht das einzige sein, das nie um die Gunst einer Freundschaft wusste.“

 

Kapitel 1

 Ein durchscheinender Schleier aus Nebel legte sich in sanften Schwaden über die Kerben und Brüche der Berge und sank schleichend im Antlitz einer irgendwo aufgehenden Sonne deren Hänge hinab. Frühling. Es muss Frühling sein, dachte die Katzenfrau, die auf einem emporragenden Felsen saß und über den Nebel wachte, als hätte sie in ihrem Leben nie etwas anderes getan. Verträumt beobachtete sie den aufkommenden Dunst, der so hauchzart an den Bergspitzen entlang strich, als wollte er sie liebkosen. 

Ab und an fragte sie sich, wie viele Tage wohl schon vergangen waren, seit sie sich auf die Suche nach ihren Freunden gemacht hatte. Und jedes Mal kam sie zu dem Schluss, dass es bereits viel zu lang her sein musste.

Der Krieg hatte eine Menge Blut gefordert und jedem der verbündeten Völker alles abverlangt. Sie alle hatten so schwere Verluste erleiden müssen, dass es einiges an Zeit kostete, wieder gestärkt auf dem Kampffeld bereitzustehen. Jahre, in die sie all ihre Hoffnung steckten. Die Jugend, die zu Kriegern herangezogen wurde, die Veteranen, die Ruhe benötigten, um ihre Wunden zu lecken, und jene Frauen, die nicht mehr nur tatenlos zusehen wollten, sondern gewillt waren, selbst zu den Waffen zu greifen. 

 

Erscheinen Amazon am 30. Oktober 2019

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Impressum

Cover: Kira Yakuza
Lektorat: Die Korrifeen: Flash, Mims und Mel
Tag der Veröffentlichung: 26.12.2019

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