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Vorwort

Judith Fredricsen warf sich ruhelos auf dem schmalen Krankenbett hin und her. Der Rumpf des Schiffes ächzte und stöhnte in der schweren See. Die Szenen des vergan­genen Tages wirbelten durch den Kopf der jungen, hüb­schen Neuseeländerin. Der ereignisreiche Ausflug in die argentinischen Berge, dann der Sturz auf dem rutschigen Boden. An einem scharfen Felsen hatte sie sich übel ver­letzt, auf die Arme ihrer Freunde gestützt war sie dann zurück zum Schiff gehumpelt. Die Schiffsärztin der Logos hatte sie untersucht, ihr Bein verbunden und ihr Bettruhe verordnet.

Am nächsten Morgen hatte das Bein böse ausgesehen. Die Ärztin hatte sie röntgen lassen. Diagnose: Bänder­riß. Das geschwollene und verfärbte Bein mußte in einer Gipshalbschale ruhiggestellt werden.

Und jetzt lag Judith allein in der ungewohnten Umge­bung des Schiffskrankenzimmers. Es war ruhiger hier als in den Kabinen. Aber der Schlaf wollte trotzdem nicht kommen. Wenn es doch bald Morgen wäre!

Plötzlich zuckte sie zusammen. Ein Kreischen und Knirschen wie von Metall, das über Fels schrammt, zer­riß die Dunkelheit. Judiths Hals schnürte sich zu. Sofort war ihr klar, daß etwas Ernstes passiert war. »Warum muß ich gerade jetzt mein Bein in diesem blöden Gips haben!« schoß es ihr noch durch den Kopf. Hastig setzte sie sich auf und tastete mit dem gesunden Bein nach dem Fußboden.

Seit fünfzehn Monaten war Bagus Surjantoro aus Indonesien an Bord der Logos. Er fühlte sich schon wie zu Hause hier, man lebte wie in einer großen Familie.

Diesen Abend hatte er lange im Büro gesessen, um das Programm für Konferenzen im nächsten Hafen noch ein­mal zu überarbeiten. Gegen halb elf war Nimrod Twanie, der fröhliche, bescheidene schwarze Junge aus Süd­afrika, hereingekommen und hatte Bagus mit sanfter Gewalt ins Studio gezogen, wo schon die anderen Mit­glieder des frischgebackenen Gesangsquartetts warte­ten. »Jetzt wird geübt«, sagte Nimrod und schlug ein altes englisches Kirchenlied vor, das ihm schon den ganzen Tag nicht aus dem Sinn ging: »Rock of Ages« (Fels des Heils).

Bagus kannte das alte Kirchenlied gut. Aber was um aller Welt hatte es mit dem Thema der Evangelisations­konferenz am kommenden Donnerstag zu tun? Bagus protestierte. Man einigte sich schließlich auf einen Kom­promiß: erst »Rock of Ages«, dann ein anderes Lied. Eigentlich nur ein kleiner Vorfall; später bekam er für sie jedoch eine besondere Bedeutung.

Sie übten wohl eine Stunde lang. Es war jetzt sehr spät, höchste Zeit, schlafen zu gehen. Bagus sah noch einmal im Büro nach dem Rechten, dann ging er in die Kabine, die er mit elf anderen jungen Männern teilte. Leise zog er sich aus, kletterte in seine Koje, las noch einen Abschnitt aus seiner Bibel und betete. Dann kroch er unter seine Decken. Es war fast Mitternacht.

Plötzlich ein heftiger Stoß, ein lautes Krachen. Ein Zit­tern lief durch den Rumpf des Schiffes, dann lag es still. Sekundenlang sagte niemand etwas in der Kabine, dann sprangen sie alle gleichzeitig aus den Kojen, sahen sich erschrocken an und redeten alle wild gestikulierend durcheinander: »Que pasó? Que pasó? Was ist los?«

Vor jeder neuen Fahrt mit der Logos wurde Linda Wells reizbar und hatte mit Niedergeschlagenheit und lähmender Angst zu kämpfen. Sie erinnerte sich noch zu gut an die letzte Reise, als das Schiff in schwerer See plötzlich steuerbord von einer riesigen Welle getroffen worden war. Das Schiff war zur Seite gerollt, daß die Schubladen aus der Kommode rutschten und die Bücher von den Regalen fielen. Linda hatte geschrien vor Angst. Am nächsten Tag war sie wütend gewesen, wütend auf ihre Angst, auf das Schiff und vielleicht auch ein wenig auf Gott.

Als sie auf Deck gegangen war, hatte sie innerlich aus­gerufen: »Herr, ich hab einfach kein Vertrauen in diese schwimmende Badewanne!« Und etwas wie eine leise Stimme hatte geantwortet: »Du brauchst auch kein Ver­trauen in diese Badewanne zu haben. Vertraue einfach mir!«

Damit beruhigte sie sich. Wenig später erfuhr sie, daß das Schiff nicht die Route durch die Magellanstraße neh­men würde, wie sie gedacht hatte, sondern weiter Rich­tung Süden die Spitze des südamerikanischen Kontinents umschiffen würde. Die altbekannten Gefühle der Angst und Unsicherheit befielen sie aufs neue. Von einer dunk­len Vorahnung befallen, bat sie den Kapitän und ihren Mann inständig, doch eine andere Route einzuschlagen. Beide versuchten, sie zu beruhigen. Aber Linda gab so leicht nicht auf und ging zur Schiffsärztin.

»Sieh mal, wir werden vier Tage auf See sein, und ich werde immer ganz furchtbar seekrank. Ich bin schwan­ger, und das ist bestimmt nicht gut für das Baby. Sollte ich nicht besser über Land zum nächsten Hafen reisen?« fragte sie die Schiffsärztin.

»Nein, Linda«, war die Antwort, »du hattest bereits eine Fehlgeburt. Ich meine, daß es am besten ist, wenn du an Bord bleibst, wo wir uns um dich kümmern kön­nen.« Nach heftigen inneren Kämpfen entschloß sich Linda schließlich, diese Entscheidung anzunehmen.

Am Abend lief das Schiff aus Ushuaia, Argentinien, aus. Linda war selbst erstaunt über ihre Ruhe. Trotzdem hatte sie irgendwie den Eindruck, sie sollte eine Tasche mit warmen Kleidern, Keksen und Saft für ihre kleine Tochter Aimee packen, als ob sie gewußt hätte, was auf sie zukommt, dachte sie später. Nach diesen Vorberei­tungen schlüpfte sie gänzlich angezogen ins Bett, wor­über sich ihr Mann köstlich amüsierte. Sie murmelte vor sich hin: »Herr, eigentlich hab ich doch gar keine Angst, warum mache ich das alles?«

Und wieder hörte sie diese ruhige, leise Stimme: »Linda, ich werde etwas tun, was dich völlig in Erstaunen versetzen wird.« »Das kann nur bedeuten, daß wir Schiff­bruch erleiden oder daß wir ein besseres Schiff bekom­men«, dachte sie gerade noch vorm Einschlafen.

Zwei Stunden später wurde Linda durch das laute, häßliche Geräusch des über Fels schrammenden Schiffes jäh aus dem Schlaf gerissen. Mit einem Satz sprang sie über ihren Mann Graham hinweg aus dem Bett, ergriff die gepackte Tasche und einen warmen Mantel und zog Aimee von der obersten Liege herunter.

»Nun übertreib nur nicht«, beruhigte sie Graham, der noch ganz verdutzt und schlaftrunken dastand, ohne zu begreifen, was passiert war. »Wahrscheinlich haben wir nur den Lotsen von Bord gelassen.«

Linda hielt diese Bemerkung für reichlich dumm und mußte einen Anflug von Gereiztheit unterdrücken. Beim Verlassen der Kabine sagte sie nur noch zu Graham: »Wenn du soweit bist, wärest du dann so freundlich, die Rettungswesten mitzubringen?«

Es war der 4. Januar 1988, kurz vor Mitternacht. Für die Logos war es der Anfang vom Ende.

Der Anfang

In den späten 50er Jahren erschien George Verwer und anderen um ihn wohl nichts abwegiger als ein Schiff. Sie waren nur eine kleine Gruppe von Bibelschülern in der Gegend von Chicago. Ihre einzige Sorge war die, an einen fahrbaren Untersatz zu kommen, mit dem sie sich selbst und ihre Sachen während der Ferien nach Mexiko trans­portieren konnten. Für mittellose Studenten war das gar nicht so einfach. Trotzdem waren sie fest entschlossen, ihren Sommerurlaub in Mexiko zu verbringen, allerdings nicht, um im einladend klaren Wasser zu baden und sich faul in der Sonne zu aalen. Sie hatten Wichtigeres vor.

Man hatte ihnen erzählt, daß Mexiko ein Land sei, in dem es viele religiöse Menschen gäbe, die fest an Gott glaubten. Allerdings wüßten nur wenige, daß es möglich sei, Gott persönlich zu kennen. Es fehlte ihnen die wich­tigste Erfahrung im Leben überhaupt! Dieser schlimmen Situation mußte abgeholfen werden. »Wir können zwar nicht alles tun«, sagten sich die Studenten, »aber unseren Teil können wir beitragen.«

Sie hatten große Ideale, aber wie sollte man sie ohne Autos oder einen Kleinbus in die Tat umsetzen? Für die Studenten schien keine Lösung in Sicht, aber es war ihnen klar: Wenn die Arbeit wirklich Gottes Arbeit war, dann würde er auch für die Lösung sorgen. Und so verbrachten sie viele Stunden im Gebet.

Ein junger Mann, der zu ihren wöchentlichen Gebets­versammlungen kam, hörte, wie sie um ein Transportmit­tel beteten. Sofort fiel ihm sein Onkel ein, der einen LKW-Park hatte. Vielleicht konnte er ja einen den Stu­denten für die Reise geben.

»Na klar«, erklärte der Onkel sich einverstanden, als die jungen Männer ihn fragten: »Seht ihr diesen alten LKW dort drüben? Den können sie haben, wenn sie wol­len. Aber eins kann ich dir sagen: Über Chicago hinaus werden sie damit nicht kommen, geschweige denn bis nach Mexiko.«

Ein paar Tage später fuhr der LKW, vollgepackt mit Studenten, christlicher Literatur und Traktaten, nach Mexiko. Sie kamen alle heil und gesund nach Mexiko und zurück, und nicht nur das: Die gleiche Reise unter­nahmen sie noch zweimal!

In den frühen 60er Jahren wurde die gleiche Aktion in viel größerem Umfang dann erstmalig in Europa gestar­tet. Die Studenten hatten inzwischen ihre Examina hin­ter sich. Zwei oder drei waren nach Mexiko gezogen, um dort zu arbeiten. Andere hatten sich Europa zugewen­det. Ihr Ziel war das gleiche: den Menschen zu sagen, wie spannend es sein kann, eine persönliche Beziehung zu Gott zu haben. Auch die Arbeitsweise war die gleiche: das Verteilen christlicher Literatur und das persönliche Gespräch mit einzelnen. Die Transportfrage erwies sich immer wieder als ein Problem.

Der Gedanke an die Größe und Vielfalt Europas nahm den- jungen Leuten fast, den Mut. Was konnten da ein paar Dutzend Frauen und Männer schon ausrichten? Sicherlich hatten sie einen wichtigen Beitrag zu leisten, aber dies alleine würde nicht ausreichen. Wie könnte man mehr Menschen - und zwar sehr viele mehr - für diese Aufgabe begeistern?

George Verwer hatte die Antwort: »Die schon beste­henden Gemeinden müssen mitmachen! Wenn wir in eine Stadt kommen, müssen wir die verschiedenen Kir­chengemeinden zur Mitarbeit bewegen, anstatt zu versu­chen, alles selbst zu tun. Sobald die Menschen persönlich mitarbeiten und sehen, wie Gott sie gebrauchen kann, werden sie weitermachen wollen, auch wenn wir dann bereits wieder abgereist sind.«

Dies war der Anfang der Organisation Operation Mobilisation, die bald besser unter dem Namen OM bekannt war. Der Gedanke, Gottes Volk zu mobilisie­ren, um die von Gott entfremdeten Menschen in Europa zu erreichen, griff wie ein Lauffeuer um sich. Jeden Som­mer trafen sich Hunderte von jungen Menschen aus den verschiedensten Kirchen, um an einem mehrtägigen Orientierungs- und Schulungskurs teilzunehmen und sich dann in kleine Gruppen aufzuteilen. Mit Schlafsäk- ken, Luftmatratzen und einer großen Menge christlicher Literatur ausgestattet verstreuten sie sich über ganz Europa und arbeiteten mit interessierten Kirchen und Gemeinden in deren Umgebung zusammen. Manchmal übernachteten die Teams auf Campingplätzen, oft aber auch einfach auf Fußböden in Kirchengebäuden.

Trotz des sehr einfachen Lebensstils waren die Finan­zen immer noch ein großes Problem. Die meisten der jun­gen Menschen hatten selbst kein Geld, und OM hatte auch keine Mittel, sie zu bezahlen oder auch nur ihre Kosten zu decken. Interessierte Gemeinden und Freunde besorgten die finanziellen Mittel. Wenn diese Mittel nicht ausreichten, was oft der Fall war, deckte Gott den Bedarf aus anderen Quellen. Sie lebten nie im Überfluß, aber Gott versorgte sie stets mit allem, was sie brauchten.

Im Herbst 1963 brach das erste OM-Team nach Indien auf. Normalerweise war es üblich, daß die jungen Leute, die inzwischen unter dem Namen OMer bekannt waren, nur einige Wochen im Sommer im Einsatz waren. Dieses Team hatte die Absicht, ein oder zwei Jahre zu bleiben. Jedes Jahr im Herbst sollte dann ein neues Team von Europa aus das alte ablösen.

Wie schon beim ersten Einsatz in Mexiko blieb auch hier die Transportfrage ein Problem. Ein Flug wurde nie in Betracht gezogen, dafür fehlte das Geld. Statt des­sen benutzten die OMer alte LKWs, die schon reichlich mitgenommen waren, und stopften sie bis zur letzten freien Ecke mit Literatur voll. Die Reise wurde zur Stra­paze: verschneite Berge, karges, trostloses Ödland und Straßen, die man kaum als solche erkennen konnte.

Als George Verwer wieder einmal in einem dieser LkWs durchgeschüttelt wurde und sich vergebens drehte und wendete, um eine weniger unbequeme Lage zu fin­den, ärgerte er sich über die nutzlos mit Reisen zuge­brachte Zeit. Er war voller Ungeduld, Indien zu errei­chen. »Es muß doch eine bessere Möglichkeit geben«, dachte er. Trotz des einfachen, ja geradezu primitiven Reisestils waren die Kosten in seinen Augen astrono­misch hoch. »Ideal wäre es«, überlegte George, »das Reisen mit dem eigentlichen Reiseziel zu verbinden: Literatur zu verteilen und mit Menschen über den Glau­ben ins Gespräch zu kommen.« Langsam und noch undeutlich begann ein Gedanke in ihm heranzureifen.

Einige Monate später, zurück in England, saß er gemütlich mit einigen OM-Verantwortlichen zusammen. Sie unterhielten sich über dies und das, und jemand kam auf die Idee, ein Schiff für Evangelisationen zu benutzen. »Das ist es, was wir brauchen!« rief George und griff die Idee voll Begeisterung auf. »Danach suche ich schon seit Monaten! Stellt euch nur mal vor, was wir alles mit einem Schiff machen könnten! Was für Möglichkeiten wir hät­ten! Wieviel Geld wir allein an Reisekosten sparen könn­ten!«

Er begann auszurechnen, wieviel Geld man mit einem Schiff sparen und wieviel Zeit man sinnvoll einsetzen könnte, die sonst durch das Reisen über Land verloren ginge. Seine Begeisterung war ansteckend. Bald sprühte jeder im Raum nur so vor Ideen; einige der Vorschläge waren verrückt, andere einfach witzig, manche aber auch durchaus ernstzunehmen. Möglicherweise fiel bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal der Name Logos (Das Wort).

Diese Reaktion ermutigte George, seine Idee einer größeren Gruppe von OM-Verantwortlichen vorzustel­len. Diese Leute kannten George als einen Mann von ganz erstaunlicher schöpferischer Kraft. Scheinbar mühelos sprudelte er nur so vor originellen Ideen, anschaulichen Vergleichen und humorvollen Bemerkun­gen. Oft war seine Sicht der Dinge recht ungewöhnlich, die Entwicklung von OM hat er jedoch mit seiner Art sehr geprägt. Manche seiner Ideen waren auch völlig ver­rückt und impraktikabel, aber interessant waren sie immer.

Als nun George die Idee eines seetüchtigen Schiffes vorstellte, folgten ihm seine Zuhörer mit gespannter Aufmerksamkeit. Selbst wenn er von wirklich ernsten Dingen sprach, konnte er noch humorvolle Seitenhiebe einstreuen und seine Zuhörer zu wahren Lachsalven ver­anlassen. Auch diesmal lachten sie. Und doch, trotz des Gelächters versuchten sie, seine Idee ernstzunehmen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erschien sie jedoch noch zu abwegig und unrealistisch, um jemals in die Tat umge­setzt werden zu können.

George ließ jedoch nicht locker. Er hatte von ei­nem Schiff in Schweden gehört, das verkauft werden sollte, und fuhr sofort hin. Als er das Schiffsinnere begutachtete, kamen ihm unzählige Ideen, was man mit dieser Einrichtung alles tun könnte. Zu jener Zeit waren alte Schiffe nicht sehr gefragt, da man zuviel Arbeit hin­einstecken mußte, um sie seetüchtig zu erhalten. Des­halb wurden sie zu Niedrigstpreisen verkauft. Dieses bestimmte Schiff, das ca. 100 Leute an Bord nehmen konnte, sollte 100 000 DM kosten. George mußte an die vielen zerbeulten LKWs denken, die OM billig gekauft, fahrtüchtig gemacht und jahrelang zum Transport der OMer benutzt hatte.

Nun war er restlos überzeugt, daß OM ein Schiff kau­fen sollte. Nicht unbedingt das Schiff, das er gerade besichtigt hatte, aber doch eines, das für die zahlreichen Ziele, die ihm vorschwebten, eingesetzt werden konnte. Viele Überlegungen waren noch nötig. Was für eine Art Schiff wurde genau benötigt? Zunächst mußten jedoch andere von den unglaublichen Möglichkeiten eines sol­chen Schiffes überzeugt werden. Um Klarheit in seine Gedanken zu bringen und sie einem weiten Personen­kreis bekanntmachen zu können, schrieb er sie nieder und veröffentlichte sie.

Ein Jahr verging, und nichts geschah. Ein zweites Jahr verging, immer noch geschah nichts. Kaum jemand, der mit Schiffen zu tun hatte, zeigte das geringste Interesse. Von den Antworten, die er bekam, waren mindestens 80 % negativ. Von einem der OM-Verantwortlichen in Indien bekam er einen scharf formulierten Brief, der diese »wahnwitzigen Ideen« in etwa so verurteilte: »Wir müssen hier in Indien um jedes Traktat kämpfen, und du machst dir in London darüber Gedanken, wie du mög­lichst viel Geld für einen Haufen Schrott aus dem Fenster werfen kannst.«

»Warum ein Seeschiff für die Weltevangelisation?« lautete die Überschrift des Flugblattes. Es gelangte in die Hände eines jungen Mannes in Seemannsuniform, der es las und so auf das Vorhaben aufmerksam wurde. Er sollte entscheidend zur Realisierung des Projekts beitra­gen. Es handelte sich um einen vielversprechenden Schiffsoffizier in der Handelsflotte Großbritanniens.

Das Leben auf See bringt viele Versuchungen mit sich - Alkohol, Sex und viele andere Dinge. Aber dieser junge Mann lebte als klares christliches Vorbild. Als erster Offizier in einem großen Unternehmen war er bereits als Kapitän qualifiziert und hatte die besten Aussichten auf Beförderung. Nach einem lebhaften Briefwechsel mit George Verwer und viel Gebet hängte er seine vielversprechende Karriere an den Nagel, um einen Monat lang mit OM zusammenzuarbeiten. Er war sich nicht sicher, ob OM der richtige Platz für ihn war, aber er war bereit, diese Frage zu untersu­chen. 1966 verpflichtete er sich ganz für das Schiffspro­jekt.

Gott hatte genau das richtige Team zusammengeru­fen, um den Traum eines Schiffes Wirklichkeit werden zu lassen. Der britische Kapitän war in der Lage, das nötige Fachwissen einzubringen, und seine bloße Anwesenheit verlieh dem Unternehmen so etwas wie Seriosität und Glaubwürdigkeit. George Verwer dagegen war der Mann, der die Vision und die Dynamik besaß, das Projekt vor­anzutreiben.

Der junge Schiffsoffizier war ein Paradebeispiel eines adretten britischen Kapitäns: groß und blond, makellos gekleidet in dunklem Anzug mit Fliege und in kerzenge­rader Haltung. Was er als Seemann anpackte, das mach­te er richtig - und durch seine Ausbildung und Erfahrung wußte er auch, was wie zu tun war.

Ein schärferer Kontrast zu George Verwer war kaum denkbar. George war ein wahres Energiebündel: dünn, drahtig, ständig geistig oder physisch in Bewegung. Er bewunderte Perfektion, aber das Entscheidende war die Tat. Außerdem kannte er sich in der Seefahrt so gut wie gar nicht aus, als er die Idee mit dem Schiff in die Welt setzte. Nichtsdestotrotz entwickelte er bald einen enor­men »Appetit« auf alle Veröffentlichungen zum Thema Schiffahrt und las alles, was er zwischen die Finger bekommen konnte. Er besichtigte Schiffe und sprach mit Leuten vom Fach. Er fuhr sogar mit einem gläubigen indischen Lotsen mit, der Schiffe in Bombay in Indien lotste und ließ sich unterwegs von Schiffsoffizieren alles mögliche aus der Seefahrt erklären.

Diese beiden so unterschiedlichen Persönlichkeiten kamen zwangsläufig auch zu unterschiedlichen Ansich­ten. Als einziger professioneller Seemann unter den OMern fühlte sich der britische Kapitän oft als »Mann unter Kindern«, wie er es ausdrückte. Wie konnte er mit Mitarbeitern sprechen, denen der Hintergrund fehlte, um den Inhalt und die Wichtigkeit dessen, was er sagte, zu verstehen und zu würdigen? So gab es immer wieder Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Art des Schiffes. Welche Eigenschaften waren notwendig, um den Dienst zu erfüllen, der George und anderen OMern vorschwebte? Was war tatsächlich umsetzbar, und was waren bloß nicht zu verwirklichende Träume von Laien, die von der Seefahrt keine Ahnung hatten? Noch schwie­riger war die Frage der Mannschaftszusammenstellung. Sollte diese nur aus Seeleuten bestehen? Sollten sie ein Gehalt erhalten? Und die heikelste Frage: Wer hätte die Autorität? Wer hätte das letzte Wort? Der Kapitän oder George Verwer als Direktor von OM?

Diese Fragen waren nicht leicht zu beantworten. Das OM-Schiff würde ein einzigartiges Schiff sein und sich von jedem normalen Schiff in der Geschäftswelt wesent­lich unterscheiden. Niemand konnte sich genau vorstel­len, wie ein solches Schiff eingesetzt werden sollte. Denn niemand hatte je versucht, ein derartiges Unternehmen in der Größenordnung, wie es George und dem Kapitän vorschwebte, in Angriff zu nehmen.

Nachdem sich der Kapitän dem Schiffsprojekt ver­pflichtet hatte, sprachen er und George in den vier dar­auffolgenden Jahren einzeln oder gemeinsam in Hunder­ten von Veranstaltungen. Jedes Mal sprachen sie voll Begeisterung von ihrer Vision eines Schiffes und forder­ten die Christen heraus, dafür zu beten. Die Menschen ließen sich anstecken und nahmen die Herausforderung an.

Natürlich waren auch praktische Fragen zu berück­sichtigen. Es mußte ein geeignetes Schiff zu einem annehmbaren Preis gefunden werden. Noch schwieriger war es, Seeleute zu finden, die bereit waren, gut bezahlte Positionen für einen Dienst zu verlassen, der noch nicht einmal existierte.

Gott hatte sich in seiner Weisheit ein Schiff ausge­sucht, dessen Dienst dem Leben von Tausenden von Menschen in der ganzen Welt eine neue Richtung geben sollte. Jedoch verlief die Entwicklung anders, als George Verwer und andere erwartet hatten. Ursprünglich hatte George geplant, mit dem Schiff Mitarbeiter nach Indien zu transportieren, aber für diesen Zweck wurde das Schiff nie richtig eingesetzt. Und der englische Kapitän, der das Projekt zu verkörpern schien, ihm Glaubwürdig­keit verliehen und viele andere Seeleute motiviert hatte, sich dem Schiff zu verpflichten, fuhr letztlich nie als sein Kapitän mit.

Jetzt ist die Stunde

Jung, kräftig, voller Energie und begierig, alles mitzu­nehmen, was das Leben zu bieten hat, flog Björn Kristiansen nach Indonesien, um auf einem norwegischen Öltanker das Kommando zu übernehmen. Vier Jahre später kehrte er nach Norwegen zurück; diesmal, um direkt in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden. Er war von einer seltsamen Krankheit befallen, die zu Schwä­chezuständen führte. Diagnose: Wassersucht. Durch einen Herzfehler sammelte sich in seinen Beinen Wasser an. Mehrere Operationen brachten nicht die erhoffte Besserung, sondern führten schließlich zu wochenlan­gem Koma. In regelmäßigen Abständen wurde unter­sucht, ob sein Gehirn noch arbeitete. Er hatte kaum Überlebenschancen. Während einer dieser Untersu­chungen nach seiner letzten Operation erlangte Björn wider Erwarten das Bewußtsein. Der dicke Schlauch in seiner Kehle hinderte ihn daran, sich bemerkbar zu machen. Die Krankenschwester hatte jedoch die Verän­derung in ihm bemerkt und begann, leise mit ihm zu spre­chen. Sie sagte ihm, daß er sehr krank sei. Wahrschein­lich würde er sterben. Wenn er jedoch sein Vertrauen in den Herrn Jesus setzen würde, würde er ewiges Leben empfangen und in Ewigkeit mit ihm leben.

Björn interessierte solches Gerede nicht besonders. Wie die meisten jungen Männer hatte er nie einen ernst­haften Gedanken an Gott verschwendet. Nicht, daß er etwas gegen Gott gehabt hätte, nein, nur schien Gott ihm einfach nicht wichtig zu sein. Selbst jetzt, angesichts des Todes, wollte Björn nichts von Gott hören und wünschte, die Schwester würde still sein. Gleichzeitig bemerkte er jedoch, daß sie ernsthaft um ihn besorgt war und freute sich irgendwie darüber. Als sie ihm schließlich vorschlug, für ihn zu beten, nickte er fast unmerkbar aus Höflichkeit und in der Annahme, daß sie nun fertig sei.

Das war jedoch nicht der Fall. Sie hatte nicht einfach höflich das Gespräch abbrechen wollen, sondern begann tatsächlich, am Bett zu beten. Plötzlich wurde Björn bewußt, daß Gott für diese Frau Wirklichkeit war. Sie sprach mit jemandem, den sie gut kannte, und sie betete inständig für ihn, Björn. Eine Sehnsucht stieg in ihm auf, Gott so gut zu kennen, wie sie ihn kannte, seine Gegen­wart und Nähe so zu spüren, wie sie sie spürte. Aus gan­zem Herzen rief er voller Sehnsucht nach Gott. Als die Schwester zu Ende gebetet hatte, wußte Björn, daß Gott bei ihnen im Zimmer war.

An jenem Nachmittag wurden die Schläuche entfernt, und Björn war in der Lage, etwas Nahrung und Wasser zu sich zu nehmen. Zum ersten Mal seit vielen Monaten konnte er seinen wundgelegenen Körper drehen und auf der Seite schlafen. Welche Erleichterung! Am nächsten Tag konnte er auf der Bettkante sitzen und seine Füße baumeln lassen. Bald fing er an, wieder laufen zu lernen. Er wurde von der Intensivstation auf eine normale Kran­kenstation verlegt. Björn hatte allen Grund, guter Laune zu sein, aber er war es nicht. Im Gegenteil, er war völlig niedergeschlagen. Er wußte, daß Jesus sein Leben berührt hatte, aber genau dieser Umstand schien seine Niedergeschlagenheit nur zu verstärken. Bilder aus sei­ner Vergangenheit drängten sich immer wieder in seine Gedanken und machten ihm bewußt, daß er ein sündiges Leben gelebt hatte. Er fühlte sich wie erdrückt von einer Schuldenlast.

Voller Verzweiflung sagte er sich schließlich: »Ich muß jemanden finden, mit dem ich reden kann!« An jenem Abend schlich er sich heimlich aus dem Krankenhaus und fuhr im Taxi zur Seemannsmission in der Stadt. Er stellte sich vor und erklärte, daß er gerade aus dem Kran­kenhaus weggelaufen sei. Der Pastor bat ihn herein und rief im Krankenhaus an, um die Angelegenheit zu regeln. Dann ließ er sich in einem Sessel nieder und forderte Björn auf, sein Herz auszuschütten. Als der nun begann, von seinem vergangenen Leben zu erzählen, war es, als wenn Schleusen geöffnet worden wären: Wie ein Sturz­bach sprudelten die Worte aus Björn hervor.

»Moment mal«, unterbrach ihn der Pastor, nachdem er aufmerksam zugehört hatte, »jetzt ist es für Sie an der Zeit, zu erfahren, was Gott über Menschen in Ihrer Situation sagt.« Er öffnete seine Bibel, las verschiedene Bibelstellen vor und beschrieb die schwere Schuld der Menschen und das, was Jesus für uns getan hat. Zum ersten Mal in seinem Leben hörte Björn die »Gute Nach­richt« der Bibel, daß Jesus gestorben ist, um die Strafe für unsere Schuld zu tragen, damit die Menschen Verge­bung empfangen könnten. Er begriff schließlich, daß Jesus heute noch lebt und daß es möglich ist, ihm zu fol­gen und sein Leben seiner Regie zu überlassen. Dann stellte ihm der Pastor geradeheraus die entscheidende Frage: »Sie wissen jetzt, daß Jesus Ihr Leben berührt hat und Sie ruft, ihm zu folgen. Was wollen Sie tun?«

Björn entschloß sich, die Herausforderung anzuneh­men und Jesus nachzufolgen. Er und der Pastor beteten zusammen. Als Björn die Seemannsmission verließ, war er ein neuer Mensch. Er war so verwandelt, daß es jedem auffiel. Sogar in den Krankenhausaufzeichnungen wurde ein Wechsel von einem anhaltenden Zustand der De­pression zur Ausgeglichenheit vermerkt. Eine Woche später, am 26. Oktober 1967, wurde Björn aus dem Kran­kenhaus entlassen. Er ging nach Hause, fest entschlos­sen, ein ganz neues Leben zu führen. Seine Freunde waren skeptisch und sagten ihm im voraus, daß diese Veränderung nicht länger als ein paar Tage, höchstens einen Monat andauern würde. Sie sollten sich irren. Gott gebrauchte Björn Kristiansen in entscheidender Weise, um den Dienst der MV Logos ins Leben zu rufen.

Nach einigen Monaten war Björn wieder ganz herge­stellt und ging zurück auf See nach Indonesien. Dort traf er viele Christen und nahm häufig an verschiedenen christlichen Veranstaltungen teil. In dieser Zeit kam ihm der Gedanke, daß ein kleines Schiff die gute Nachricht von Jesus Christus den Menschen auf den 13 000 Inseln Indonesiens bringen könnte. 1970 kehrte er nach Norwe­gen zurück in der Absicht, ein solches Schiff ausfindig zu machen. Während eines Besuches in London nahm er an einem Treffen von Christen teil, die bei der bekannten Schiffahrtsversicherungsgesellschaft Lloyds arbeiteten, und sprach bei dieser Gelegenheit von seiner Idee. Nach der Veranstaltung kam jemand auf ihn zu und erzählte ihm von einer Gruppe namens OM, die seit sechs Jahren für Offiziere, eine Mannschaft und ein Schiff betete.

Björn nahm sofort Kontakt mit dem englischen Kapi­tän auf. Dieser bot Björn die Stellung des ersten Offiziers auf einem Schiff an, das noch nicht existierte. Außerdem bat er ihn, ihm zu helfen, ein geeignetes Schiff zu finden.

Lange Zeit war der englische Kapitän der einzige aus­gebildete Seemann gewesen, der sich dem Schiffsprojekt verpflichtet hatte. In den Augen der meisten verkörperte er das Unternehmen - ein Kapitän ohne Schiff und Mannschaft. Im Jahre 1968 schlossen sich ihm dann Bernhard Erne mit seiner Frau und ihrem kleinen Sohn an.

Bernhard war einige Jahre zur See gefahren und war in dieser Zeit Christ geworden. Er kam dann zu dem Schluß, daß das Leben auf See seinem geistlichen Wachs­tum nicht gerade förderlich war und kehrte nach Hause in die Schweiz zurück, um dort zu arbeiten. Zwei Jahre danach erfuhr er von dem OM-Schiffsprojekt und hatte den starken Eindruck, daß er sich dem anschließen solle. Seine Gemeinde konnte seine Entscheidung nicht verste­hen. Bernhard erzählt:

»Unsere Gemeinde dachte, wir wären überge­schnappt. Man sagte uns: >Ihr schließt euch einer Bewe­gung an, die ihr nicht kennt. Diese Leute reden über Schiffe, ohne etwas davon zu verstehen.< An einem Sonntag predigte der Pastor über Abraham, der auf Got­tes Ruf hin sein Land verließ. Nach der Predigt sagte ich zu meinem Pastor: >Siehst du nun! Gerade hast du über Abraham gepredigt, der auf Glauben hin auszog, weil er vertraute!< >Ja<, sagte der Pastor, >aber der wußte, wer ihn rief.<

Trotz alledem verkauften wir 1968 alle unsere Habe und fuhren nach Belgien. Die OM-Konferenz fand in einer alten, leeren Brauerei statt. Aufgrund eines Schrei­bens von OM nahmen wir an, dort ein fleißig arbeitendes und sich austauschendes Schiffsteam vorzufinden. Als wir in der Brauerei ankamen, wurde uns gesagt, daß wir dem Schiffsteam vorgestellt werden sollten. Ein Mann kam herein, ein typischer Engländer. Es war der engli­sche Kapitän. Danach kam noch ein anderer Mann, der aber wieder wegging. Das war das Schiffsteam! Anschlie­ßend zeigte man uns, wo wir schlafen sollten. Sie führten uns in ein Gebäude und zeigten uns einen völlig kahlen, leeren Raum, einfach vier Wände, Fußboden und Decke, sonst nichts! >Das ist euer Zimmer<, sagte man uns. >Wir holen noch etwas, worauf ihr liegen könnt, damit ihr nicht auf dem Boden schlafen müßt.<

Dann gingen sie fort. Wenig später kam einer mit einer Rolle Wellpappe zurück. Die legte er auf den Boden und meinte: >Das wär’s dann, hier könnt ihr schlafen.< >O Mann<, dachte ich, >was für eine tolle Umgebung!< Ich hatte einen schönen Citroen mit verstellbaren Sitzen.

Da hätte man bequem schlafen können. Aber OM hätte das dann vielleicht nicht für sehr geistlich gehalten, also schliefen wir auf dem Boden.

Das war meine erste Begegnung mit der OM-Arbeit. Wenn ich nicht alles verkauft gehabt hätte, hätte ich wohl auf dem Absatz kehrt gemacht. Aber ich war fest davon überzeugt, daß Gott für das Schiff sorgen würde, und deshalb blieb ich.«

Nach ungefähr einem Jahr führte Gott weitere Männer in die Arbeit. Jemand gab einem Bekannten ein Flug­blatt, das dieser einem Bekannten in Australien schickte. Schließlich gelangte es in die Hände von John Yarr, einem Leitenden Ingenieur. Er war so felsenfest davon überzeugt, daß Gott ihn an diesen Platz rief, daß er eine gut bezahlte Stelle aufgab und mit seiner Frau und vier Kindern nach England zog in dem Glauben, daß das Schiff bald Wirklichkeit werden würde.

Weitere Mannschaftsmitglieder kamen dazu: Rashad Babukhan, ein junger arabischer Decksoffizier aus Aden, der zu der Zeit, als man anfing, für das Schiff zu beten, noch nicht einmal Christ gewesen war; Alfred Boschbach, ein deutscher Koch, der gerade eine Bibel­schulausbildung absolviert hatte; Dave Thomas, ein eng­lischer Ingenieur, der gerade sein Leben nach Jahren völ­liger Gleichgültigkeit wieder neu Gottes Regie überlas­sen hatte, und Decio de Carvalho, der eine gute Stelle bei einer internationalen Fluggesellschaft aufgegeben hatte. Bis zum Jahre 1970 waren fünfzehn ausgebildete See­leute aus zehn verschiedenen Ländern zur Mannschaft hinzugekommen.

Fünf Jahre lang waren George Verwer und der engli­sche Kapitän auf der Suche nach einem Schiff gewesen - nicht nach irgendeinem Schiff, sondern nach einem, das für die besonderen Ziele von OM brauchbar wäre. Es sollte eine große Reichweite haben, d.h. lange Strecken zurücklegen können, ohne nachzubunkern oder Wasser an Bord nehmen zu müssen. Es sollte einen Vortragssaal besitzen, der zwei- bis dreihundert Menschen Platz bie­ten könnte. Außerdem sollte Platz für einen kleinen Büchermarkt vorhanden sein sowie auch Lagerraum und Platz für eine Autowerkstätte. Sodann Unterbringungs­möglichkeiten für mindestens 120 Mann, Besatzung und Mitarbeiter. Vor allem sollte es natürlich billig sein. 320 000 DM war die Obergrenze des Möglichen.

Unzählige Schiffe wurden besichtigt, aber keines schien geeignet. Es gab immer irgendeinen unüberwind­lichen Nachteil. 1969 informierte ein OM-Freund aus der Schiffahrtsbranche den englischen Kapitän über ein 2625-Tonnen-Schiff, die Zambesia. Alles schien zu stim­men: die Größe, Kabinen für 65 Passagiere und die Mannschaft und ein großer Raum, der in einen Ver­sammlungsraum für 300 Zuhörer und in eine Werkstätte für Fahrzeuge umgewandelt werden konnte. Fünf Jahre lang hatten sie gebetet und gewartet, und nun dieses Schiff! Freude breitete sich aus. Gott antwortet! George Verwer schrieb ein Traktat mit dem Titel: Die Stunde des Schiffes ist da. Er und der Kapitän besichtigten das Schiff, was die Spannung nur noch erhöhte.

Dann kam die niederschmetternde Nachricht: Die Zambesia war an nigerianische Interessenten verkauft worden! Das Schiff war weg, aber die Überzeugung blieb, daß Gott etwas Großes tun wollte, nicht erst in den kommenden Jahren, sondern in den kommenden Mona­ten oder Wochen. In jenem Sommer traf sich George mit anderen OM-Verantwortlichen. Sie waren überzeugt, daß der Kauf eines Schiffes nun von höchster Dringlich­keit sei. Ungeduldig schickte George zwei seiner Männer in große Häfen, die nach irgendwelchen Möglichkeiten suchen sollten. Peter Conlan, ein fünfundzwanzigjähri­ger Engländer, der drei Jahre lang eng mit George in Indien und anderen Ländern zusammengearbeitet hatte, war gerade von der Keswick-Tagung in England zurück­gekommen. George sagte zu ihm: »Peter, ich möchte, daß du nach Athen gehst.« »Wozu denn das?« fragte Peter überrascht. »Ich möchte, daß du dich nach einem Schiff umsiehst, das wir kaufen könnten.«

Damit drückte er Peter ein Flugticket in die Hand sowie ein Buch über Aristoteles Onassis und seinen Ein­stieg in die Seefahrt. Obwohl Peter, wie er später zugab, völlig ratlos war, machte er sich auf nach Griechenland. In Athen besuchte er Onassis’ Privatbüro. Onassis selbst befand sich in Paris, aber Peter konnte mit seinem Gene­raldirektor sprechen. Der sagte ihm: »Selbst wenn wir Ihnen das kleinste Schiff, das wir auf dem Markt haben, schenken würden, könnten Sie doch nicht damit umge­hen.« Das war hart.

Georges zweiter Mann war Mike Wiltshire, ein junger und begabter Journalist, der nach seinen eigenen Worten kaum wußte, wo bei einem Schiff vorne und hinten ist. George schickte ihn nach Skandinavien, um dort die Schiffswerften auszukundschaften. In den Gesprächen mit den Schiffsmaklern tauchte immer wieder ein Name auf: die Umanak. Der englische Kapitän hatte einige Monate zuvor mit zwei weiteren OMern das dänische Schiff besichtigt. Sie hatten es damals als ungeeignet abgelehnt, vor allem, weil sein Ventilationssystem für grönländische Verhältnisse und nicht für die Hitze der Tropen konstruiert und weil kein großer Vortragssaal vorhanden war.

In der Mannschaft, die sich dem Schiffsprojekt ange­schlossen hatte, waren zu diesem Zeitpunkt jedoch auch bereits einige Ingenieure. Nachdem sie miteinander die Brauchbarkeit der Umanak geprüft hatten, waren sie von deren Möglichkeiten überzeugt. Sie überredeten George, sich das Schiff noch einmal selbst anzusehen.

Björn Kristiansen flog mit ihm nach Kopenhagen zur Inspektion. George hatte viele Schiffe gesehen, aber bei diesem spürte er zum ersten Mal eine innere Überzeu­gung: »Das ist es! Das ist das Schiff!«

Die Sache hatte jedoch einen Haken. Nigerianische Käufer hatten bereits einen Kaufvertrag unterzeichnet und eine Anzahlung in Höhe von 10 % des Kaufpreises hinterlegt. Die

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 14.04.2014
ISBN: 978-3-7368-0006-9

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Widmung:
Ein Buch aus der Reihe „OM Books" von OM Deutschland. www.om.org/de OM arbeitet in mehr als 110 Ländern, motiviert und rüstet Christen aus, Gottes Liebe an Menschen in der ganzen Welt weiterzugeben. OM möchte helfen, Gemeinden zu gründen und zu stärken, besonders in den Gebieten der Welt, in denen Jesus am wenigsten bekannt ist.

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