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VORWORT: DER DIALOG IST ERÖFFNET!

Ein muslimischer Bekannter von mir beklagte sich darüber, dass die meisten Muslime den Koran kaum oder gar nicht lesen. Er war umso mehr erfreut, dass ich als Nichtmuslim und Europäer das heilige Buch des Islams studiere, und dies erst noch in Arabisch. Wir mussten über diese eigenartige Situation lachen: Er, der stellvertretende Leiter einer Moschee, spricht nur behelfsmäßig arabisch.

Tatsächlich lernte auch ich mein erstes arabisches Wort erst nach meinem zwanzigsten Lebensjahr. Ein Ägypter, den ich damals in London kennenlernte, weil er am gleichen College studierte, sagte jedes Mal, wenn er mich sah, zu mir: „Ya uäläd.“ Ich fand schließlich heraus, dass dies etwa so viel wie „Oh (mein) Junge“ bedeutet. Er war so ziemlich die fröhlichste Figur der ganzen Ausbildungsstätte. Vom Morgen bis am Abend machte er alles anders als die Engländer und trug sehr zur Stärkung meiner Lachmuskeln bei. Zu jener Zeit fasste ich den festen Entschluss, nach Ägypten zu gehen, um diese Kultur und Sprache zu lernen. Ich war mir allerdings zu wenig bewusst, dass ich damit eine der schwierigsten Sprachen ausgewählt hatte, die es auf dieser Welt gibt. In der Zwischenzeit sind viele Jahre vergangen. Ich habe Ägypten vom ersten Moment an ins Herz geschlossen und habe dort auch meine liebe Frau gefunden. Für unsere Kinder ist also die arabische Sprache zur Muttersprache geworden. Und ich lese inzwischen – mit Hilfsmitteln natürlich – sogar den Koran auf Arabisch. Darüber freue ich mich sehr, denn dieses Buch ist ganz besonders schwierig zu lesen. Sogar die meisten Araber haben Mühe, zu verstehen, was darin steht.

Schon allein wegen der sprachlichen Barriere ist es selten, dass ein Christ den Koran liest. Und wenn er es trotzdem tut, dann meistens mit dem Ziel, Fehler zu finden. Doch in dem Buch, das Sie in Ihren Händen halten, gehe ich ganz genau den umgekehrten Weg. Ich suche die Perlen im Koran, das heißt die Verse, die mir am besten gefallen. Viele Menschen glauben, dass alle Religionen die gleiche Botschaft enthalten. Eine solche Behauptung ist zwar schnell gesagt. Wenn man dann aber die heiligen Bücher im Detail studiert, erscheint es einem integren Menschen mit jeder Seite zunehmend schwieriger, alles unter einen Hut zu bringen. Hier ist nun trotzdem ein praktischer Versuch, die Unterschiede zu überwinden, und eine Brücke zu schlagen. Das Ziel dieses Buches ist es, die üblichen Mauern zu umgehen. Ich beginne mit möglichst vielen Gemeinsamkeiten. Jedes unnötige Konfliktpotential soll liebevoll aus dem Weg geräumt werden, sodass am Schluss nur noch die unvermeidlichen Schranken übrig bleiben. Es handelt sich hiermit also um einen Blick über den eigenen Gartenzaun, der für viele Leser neuartig sein mag. Ich hoffe damit, auf beiden Seiten Feindbilder abzubauen.[1] Es gibt nur einen Gott – so sagen Muslime und Christen immerhin gemeinsam – auch wenn viel darüber diskutiert wird, ob dieser Gott derselbe sei oder nicht. Dieses Bekenntnis könnte doch eigentlich eine gute Grundlage für ein friedliches Zusammenleben sein. Ich glaube, dass wir es nach 1400-jähriger Auseinandersetzung der Menschheit schuldig sind, endlich einen ernsthaften Versuch zur Versöhnung zu unternehmen. Durch die gegenseitigen Kriege erreichen wir doch nichts, als den Glauben an den einen Gott für zukünftige Generationen madigzumachen.

Mit diesen Worten sind wir also mehr als motiviert, den Dialog zu eröffnen.

 

Hinweis für muslimische Leser:

Manche Muslime sind es gewöhnt, bei jeder Erwähnung eines Prophetennamens Höflichkeitsformeln wie „Gottes Gruß und Segen sei auf ihm“ („salla Allah aleihi ua sallem) beizufügen. In diesem Buch wird darauf verzichtet, nicht aus fehlendem Respekt, sondern weil weder Koran noch Bibel selbst derartige Formeln benutzen.

 

[1] Vergleiche in dieser Hinsicht Raouf Ghattas, A Christian Guide to the Quran, Grand Rapids, Kregel Publications 2009

1.) VIER ÜBERRASCHUNGEN

1.1) WAS DER KORAN ÜBER DIE CHRISTEN BERICHTET     

Wie oben bereits erwähnt, hat die Beziehung zwischen Christen und Muslimen bereits eine 1400-jährige Geschichte hinter sich. Leider ist sie vielfach von Hass und Blutvergießen befleckt. Als ich jedoch die Biographie über das Leben des muslimischen Propheten Mohammed las, fand ich zu meiner Freude heraus, dass der Anfang eigentlich friedlich verlaufen war. Ein Verwandter Mohammeds, der Blinde Waraqa ibn Naufel, der in derselben Stadt wohnte, war nämlich Christ. Dieser Mann hatte den Bewohnern von Mekka über viele Jahre vergeblich gepredigt, sie sollten nicht die Götter aus Holz und Stein anbeten, die damals in ihrem religiösen Zentrum, der sogenannten Kaaba standen. Als der viel jüngere Mohammed ihn plötzlich ganz eifrig in diesem Anliegen unterstützte, freute er sich riesig. Sie blieben bis zum Tod Waraqas befreundet. In den Anfangsjahren des Islams wurde der Druck der heidnischen Mekkaner auf die Muslime so groß, dass viele um ihr Leben fürchten mussten. Siebzig von ihnen entschlossen sich deshalb zur Flucht. Doch wohin sollten sie gehen? Alle arabischen Stämme waren ja mit den Mekkanern befreundet und würden sie wohl bald wieder zurückschicken, ohne ernsthaft danach zu fragen, wer im Unrecht sei. Es war schließlich ihr eigener Prophet selbst, der seinen Gefolgsleuten befahl, in das ferne Abessinien zu gehen, weil dort ein christlicher König regierte, der gerecht sei.[1]

Und er hatte sich in seinen Erwartungen nicht getäuscht. Der afrikanische König nahm die muslimischen Asylanten mit aller Gastfreundschaft auf. Er hätte wohl Geld sparen und sich bei seinen langjährigen mekkanischen Handelspartnern manchen Vorteil verschaffen können, wenn er diesen die Flüchtlinge ausgehändigt hätte. Doch er war ein integrer Mensch, der nicht irdische Vorteile suchte, sondern bereit war, solche um der Gerechtigkeit willen zu opfern. Er schickte die mekkanischen Abgesandten, die von ihm die Herausgabe der Muslime forderten, mit leeren Händen wieder in die Wüste zurück.

Deshalb war ich dann auch nicht überrascht, als ich in Sure 5:82 las: „Und du wirst finden, dass den Gläubigen (d. h. den Muslimen) diejenigen am freundlichsten gegenüberstehen, welche sagen: ‚Wir sind Christen’, weil unter ihnen Priester und Mönche sind, und weil sie nicht hochmütig sind.“[2] Der nachfolgende Vers enthält vielleicht eine Erinnerung an Waraqa ibn Naufel: „Wenn sie hören, was zum Gesandten hinabgesandt wurde, siehst du ihre Augen überfließen, wegen der Wahrheit, die sie darin erkennen.“ In Vers 85 wird diesen Christen sogar das Paradies versprochen: „Und Allah hat sie für ihre Worte mit Gärten belohnt, durcheilt von Bächen, ewig darin zu verweilen.“[3]

Ähnliches enthält auch Sure 3:113: „Unter den Leuten der Schrift gibt es eine aufrechte Gemeinde, welche die Verse Allahs zur Zeit der Nacht liest und sich niederwirft. Diese glauben an Allah und an den Jüngsten Tag und gebieten das Rechte und verbieten das Unrechte und wetteifern in guten Werken; sie gehören zu den Rechtschaffenen.“ Hier handelt es sich offensichtlich nicht um Christen, die zum arabischen Islam übergetreten sind – wie manchmal behauptet wird – denn sonst würden sie ja Muslime genannt.

Noch versöhnlicher ist Sure 29:46: „Unser Gott und euer Gott ist ein und derselbe. Und ihm sind wir ergeben.“ Deshalb überrascht es nicht, dass im gleichen Vers den Muslimen verboten wird, mit den Christen zu streiten: „Und streitet nicht mit dem Volk der Schrift.“

Ich entdeckte schließlich zu meiner großen Überraschung, dass der Koran mehr als nur eine Art von Muslimen kennt. Offenbar gelten auch echte Christen als eine etwas unterschiedliche Art von Muslimen. So jedenfalls erklärte es uns einst eine muslimische Frau, die uns die lokale Moschee in die Kirche geschickt hatte, um unsere Fragen zu beantworten. Als Beleg gab sie Sure 3:52 an. Dort sagen die Jünger des Propheten Jesus: „Wir sind Muslime.“ Sie schlug uns vor, unser Glaubensbekenntnis folgendermaßen zu formulieren: „Es gibt keinen Gott außer Allah und Jesus ist sein Prophet.“

Die Worte der Jünger Jesu in Sure 3:52 könnten auch übersetzt werden als: „Wir sind gottergeben.“ Es gibt aber auch Christen, die nicht wirklich gottergeben sind und sich nur dem Namen nach Christen nennen. Der Koran unterscheidet mehrmals zwischen echten und unechten Christen. Dies ist eine wertvolle Beurteilung. Auch in der Bibel unterscheidet Jesus zwischen echten und unechten Jüngern: „Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: ‚Herr, Herr’; … Und dann werde ich ihnen bekennen: ‚Ich habe euch nie gekannt; weichet von mir, die ihr begeht, was wider das Gesetz ist’“ (Matthäus 7,22-23).[4]

Der Koran nennt unechte Christen Frevler (3:113), ganz in Übereinstimmung mit der Bibel. Von den Echten dagegen spricht er mit größtem Respekt. Er nennt sie „gottergeben“ und sie kommen ins Paradies. Wie wir gesehen haben, sind es in 3:52 die Jünger Jesu, die sich Muslime nennen. Diese lebten aber bemerkenswerterweise 600 Jahre vor Mohammed. Somit kennt der Koran offensichtlich zwei Arten, wie man gottergeben bzw. muslimisch sein kann: als Jünger Mohammeds und auch als Jünger Jesu.

Tatsächlich gibt es im Koran auch Verse, welche die Christen angreifen. Dazu gehören 9:29-31. Diese Verse wollen wir aber nicht an dieser Stelle erklären. Diese Vorgehensweise haben wir im Vorwort schon miteinander abgemacht. Wir werden erst gegen Ende des Buches auf die unfreundlichen Verse zu sprechen kommen.

In Sure 10:94 empfiehlt Allah dem Propheten Mohammed, der offenbar zeitweise von Zweifeln über die Botschaft geplagt war, die er empfangen hatte, diejenigen zu fragen, „welche die Schrift vor dir lasen“. Damit könnten Juden oder auch Christen gemeint sein. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Christen im Koran nicht nur als Verwandte der Muslime gelten, sondern sogar bei der Entstehung des Islam dank ihrer liebenswürdigen Hilfsbereitschaft eine wichtige Rolle gespielt haben.

 

1.2) WAS DER KORAN ÜBER DIE BIBEL SAGT

Mit Sure 10:94 sind wir aber schon beim nächsten Thema angelangt. Dort wird nämlich „die Schrift“ erwähnt, womit nichts anderes als die Bibel gemeint sein kann. Deshalb werden auch oft Juden und Christen in einem Atemzug als „das Volk der Schrift“ genannt. So etwa in Sure 29:46, wo dann gefordert wird, dass jeder Muslim auch an diese Schrift glauben soll: „Wir glauben an das, was zu uns herabgesandt wurde und was zu euch herabgesandt wurde.“

Normalerweise spricht der Koran allerdings nicht über die Bibel als Ganzes, sondern hauptsächlich über drei Teile: die Thora Moses, die Zabur (Psalmen) Davids und das Ingil (Evangelium) Jesu. Diese gelten als göttliche Bücher. Der Koran ist nicht etwa gekommen, um sie zu ersetzen oder zu korrigieren, sondern um sie zu bestätigen. So steht beispielsweise in Sure 3:3 „Er (d. h. Allah) hat auf dich (d. h. Mohammed) das Buch (d. h. den Koran) in Wahrheit herabgesandt, bestätigend, was ihm vorausging. Und Er sandte hinab die Thora und das Evangelium – (schon) zuvor – als eine Rechtleitung für die Menschen; und Er sandte ihnen (den Maßstab zur) Unterscheidung.“ In Sure 5:43 wird erklärt, dass „Allahs Gesetz“ in der Thora enthalten sei. Und Vers 44 bestätigt gleich noch ausdrücklich, dass die Thora von Gott selbst komme: „Siehe, Wir[5] haben die Thora hinabgesandt, in der sich eine Rechtleitung und ein Licht befinden, mit der die gottergebenen Propheten die Juden richteten.“ Es fällt auf, dass in diesem Vers auch die jüdischen Propheten als gottergeben, das heißt, muslimisch[6] bezeichnet werden. Somit gilt auch das wahre Judentum als eine Art Islam, trotz aller judenfeindlichen Verse, die es im Koran gibt. Damit stimmt auch Sure 2:62 überein: „Siehe, die da glauben, auch die Juden und die Christen und die Sabäer – wer immer an Allah glaubt und an den Jüngsten Tag und das Rechte tut, die haben ihren Lohn bei ihrem Herrn. Keine Furcht kommt über sie, und sie werden nicht traurig sein.“ Ursprünglich war also der wahre Islam, das heißt die wahre Gottergebenheit, nicht notgedrungen mit Mohammed verknüpft. Gewisse Koranverse lassen vermuten, dass die eigentliche Absicht Mohammeds eher war, die bereits vorhandene jüdische und christliche Gottergebenheit an die Bedürfnisse der Araber anzupassen.

Gehen wir zurück zur fünften Sure. Vers 46 erklärt: „Und in ihren Spuren ließen Wir Jesus folgen, den Sohn der Maria, um die Thora, die vor ihm war, zu bekräftigen. Und Wir gaben ihm das Evangelium mit einer Rechtleitung und einem Licht, die Thora, die vor ihm war, bestätigend.“ Gleich zweimal wird in diesem Satz betont, dass Jesus nicht kam, um die Thora auszulöschen, sondern um sie zu bestätigen. Dies stimmt gänzlich mit den Worten des Matthäusevangeliums 5,17 überein: „Meinet nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz (Mose) oder die Propheten aufzulösen … Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, wird nicht ein einziges Jota oder Strichlein vom Gesetz vergehen.“

Sure 5:47 fordert nicht etwa, dass die Christen sich zum Koran bekehren sollen, sondern: „Und die Leute des Evangeliums sollen nach dem urteilen, was Allah darin herabgesandt hat.“ So auch in Vers 66: „Wenn sie die Thora und das Evangelium befolgten und was zu ihnen von ihrem Herrn herabgesandt wurde, wahrlich, dann speisten sie von dem, was über ihnen und zu ihren Füßen ist.“ Und auch Vers 68: „Oh Volk der Schrift! Ihr fußt auf nichts, ehe ihr nicht die Thora und das Evangelium befolgt.“ Sure 57:27 erzählt: „Und Wir ließen ihnen Jesus, den Sohn der Maria, folgen und gaben ihm das Evangelium. Und in die Herzen derer, die ihm folgen, legten Wir Güte und Barmherzigkeit.“      

Die Bibel wird in manchen Koranversen als „die Schrift“ bezeichnet, an anderer Stelle auch umschrieben mit „Thora“, „Zabur“ und „Ingil“ sowie „und was zu ihnen von ihrem Herrn herabgesandt wurde.“ In 3:47 wird noch „die Weisheit“ erwähnt, womit wohl die Sprüche Salomos gemeint sind.

So erstaunt es auch nicht, dass die meisten Koranausleger keine Berührungsängste gegenüber der Bibel haben. Immer und immer wieder zitieren sie die Bibel, um gewisse Details, die im Koran nicht erwähnt sind, zu ergänzen.[7] Dazu ein Beispiel: Sure 37:123-130 sind die einzigen Verse, die im Koran vom Propheten Elia erzählen. Dort steht, dass er das Volk ermahnt habe, nicht den Baal, sondern den Gott der Vorväter anzubeten. Aber wer Elia eigentlich war, wann er lebte, wer jenes Volk war und wie sie dazu kamen, den Baal zu verehren, geht aus der Erzählung nicht hervor. Manche Prophetengeschichten sind etwas ausführlicher wiedergegeben. Doch fällt dem aufmerksamen Leser auf, dass erstaunlicherweise die vielen Prophezeiungen der biblischen Propheten im Koran fast vollständig fehlen. In der Bibel findet sich dagegen neben Thora, Zabur und Ingil auch noch eine Serie von Prophetenbüchern.

Wenn der Koran immer wieder auf die Bibel verweist, dann ist es sicher keine Schande für den Islam, auf die Bibel zurückzugreifen und sie zur Erklärung mancher Verse zurate zu ziehen. Muslime, die die Bibel ganz ablehnen, werden die Geschichten der Propheten sowie deren Prophezeiungen nie richtig verstehen können.

Nach alledem verblüfft es tatsächlich, dass man immer wieder Muslime antrifft, die der Meinung sind, die Bibel sei irgendwie verfälscht worden. Damit widersprechen sie all den Koranversen, die wir zitiert haben. Wenn die Bibel zur Zeit Mohammeds verfälscht gewesen wäre, weshalb wird sie dann im Koran derart gepriesen? Kein einziger dieser Verse hätte in diesem Fall geschrieben werden dürfen. Dann müsste bei jedem Vers zumindest auch eine Warnung stehen. Nirgends lesen wir: „Am Anfang waren die Thora, Zabur und Ingil Licht und Leitung, aber leider jetzt nicht mehr.“

Historisch gesehen ist es aber unmöglich, dass die Bibel nach der Zeit Mohammeds verändert worden ist. Denn es sind in mehreren Museen Bibeln zu finden, die weit vor das sechste Jahrhundert zurückgehen. Und diese stimmen im Wesentlichen genau mit den heutigen Bibeln überein. Dazu schreibt etwa Frau Dr. Christine Schirrmacher, eine deutsche Islamwissenschaftlerin: „Die Bibel gehört zu den in der Geschichte bestüberliefertsten historischen Texten überhaupt.“[8] 

Doch wie sollen wir dann Sure 2:75 verstehen: „Aber ein Teil von ihnen (gemeint sind die Juden) hat Allahs Wort vernommen und verstanden und hernach wissentlich verdreht.“? Oberflächlich gesehen scheint dieser Vers eine Verfälschung der Bibel zu behaupten. Doch beim zweiten Blick sieht das ganz anders aus. So sollte man zum besseren Verständnis jedenfalls auch den nachfolgenden Vers lesen (76), in dem erklärt wird, auf welche Begebenheit sich diese Aussage bezieht: Ein Teil der Juden wollte den Muslimen gewisse Teile ihrer Schriften verheimlichen, damit diese sie in den heftigen Diskussionen, die sie miteinander führten, nicht wiederum zum Gegenangriff gegen sie verwenden konnten. Zudem schrieben offenbar einige Juden gegen Geldbezahlung selbst erdichtete Verse auf, von denen sie behaupteten, sie seien von Gott (Vers 79).

Somit gibt es hier keinerlei Hinweise darauf, dass sich alle Juden und Christen versammelt hätten, um zu vereinbaren, wie sie die gesamte Bibel abändern und verfälschen könnten. Die Bedeutung ist klar, dass „ein Teil“, das heißt einige der Juden in der Stadt Medina zur Zeit Mohammeds, gewisse Bibelverse falsch erzählten beziehungsweise unechte Bibelstellen als göttlich inspiriert ausgaben. Doch schon zu jener Zeit gelang dieses Unternehmen nicht, sondern wurde offensichtlich durchschaut und zunichtegemacht, wie diese Verse beweisen.[9]

Wer behauptet, dass die Bibel verfälscht worden sei, der streicht damit auch den Koran durch. Und dies aus zwei Gründen: zum einen, weil dann all diejenigen Koranverse falsch wären, die die Bibel bedingungslos hochachten. Zum Andern: Falls Gott unfähig wäre, seine Bücher zu beschützen, dann könnte auch niemand mehr dem Koran oder irgendeinem anderen religiösen Buch vertrauen. So steht es in Sure 10:64: „Allahs Verheißungen (wörtlich: kalimat d. h. „Worte“) sind unabänderlich!“ Entweder kann man Gott und seinen Büchern vertrauen oder eben nicht. Im zweiten Fall hätten dann sowohl Christen als auch Muslime ein unlösbares Problem!

Wenn ich behaupte, dass der Geldschein, den ich in den Händen halte, gefälscht ist, muss ich ein Original zum Vergleich vorzeigen. Es ist nicht aufgrund meiner Gefühle, sondern im Vergleich mit einem echten Schein erkennbar, ob er gefälscht ist oder nicht. Genauso ist es auch mit der Thora, Zabur und dem Ingil. Wer behauptet, dass alle diese Bücher verfälscht worden seien, der muss das Original vorzeigen, aufgrund dessen er seine Aussage beweisen kann.[10] Jede Anklage muss durch Zeugen bewiesen werden. Andernfalls gilt sie als nicht stichhaltig. Jeder ernsthafte Muslim muss erschrecken, wenn er sich überlegt, was es bedeutet zu behaupten, die Bibel sei verfälscht worden: Diese enthält die Bücher aller Propheten! Kann es sein, dass die Bücher aller Propheten verdorben sind? Wozu hat Gott sie dann überhaupt geschickt? Wer so etwas glaubt, wird Mühe haben, Gott überhaupt noch zu vertrauen.

Und wieso verlangt Allah von jedem Muslim, an alle Propheten zu glauben, wenn deren Bücher ausnahmslos verdorben wären (2:98; 2:177; 2:285 etc.)? Damit würde Er etwas ganz und gar Unmögliches befehlen. Die Prophezeiungen der im Koran erwähnten Propheten sind nämlich alle in der Bibel zu finden. „An die Propheten zu glauben“ heißt jedenfalls nicht, sie anzubeten, denn sie sind ja keine Götter. Es bedeutet vielmehr, an ihre Bücher zu glauben, das heißt, diese zu studieren und zu befolgen. Wenn wir sie stattdessen der Verfälschung bezichtigen und auf die Seite schieben, sind wir offensichtlich vom wahren Islam, das heißt, von der wahren Gottergebenheit abgeirrt.

 

1.3) WAS DER KORAN ÜBER MARIA SCHREIBT

Wer im Fernseher oder auf YouTube die Hassreden gewisser Extremisten gegen die Christen hört, der erwartet sicher nicht, dass im Koran so viele positive Verse über die Nachfolger Jesu und deren heiliges Buch zu finden sind. Das war auch für mich eine freudige Überraschung. Doch es ist mir bewusst, dass damit noch keine ausreichende Grundlage für die Beziehung zwischen Muslimen und Christen gelegt ist. Entscheidend ist ohne Zweifel, was der Koran über die Person Jesu zu sagen hat. Immerhin handeln mehr als hundert Koranverse von Isa, oder eben auf Deutsch „Jesus“.

Zu meiner großen Freude entdeckte ich, dass der Koran nicht nur mit großem Respekt von Jesus, sondern auch von Maria, seiner Mutter spricht. Diese leuchtet ohne Zweifel mit ihrem Beispiel wie eine köstliche Perle hervor. Sie ist nämlich im ganzen Koran die einzige Frau, die mit ihrem persönlichen Namen genannt wird. Schon alleine dadurch fällt sie auf. Während wir anderswo nur von der „Frau Adams“, der „Frau Ibrahims[11]“ und den „Frauen des Propheten“[12] lesen, wird Maria kein einziges Mal ohne ihren eigenen Namen erwähnt. Eine ganze Sure, nämlich die Neunzehnte, trägt ihren Namen sogar als Titel. Maria gilt im Islam sogar als Prophetin. Damit wird ihr eine einzigartige Ehre zugeschrieben. Und genau dies wird in Sure 3:42 auf verblüffende Art und Weise bestätigt: „O Maria! Wahrlich Allah hat dich auserwählt und gereinigt und vor den Frauen aller Welt erwählt.“ Als ich diesen Vers zum ersten Mal las, traute ich meinen Augen nicht. Aber seither haben mir viele muslimische Freunde bestätigt, dass ich das richtig verstanden habe.

So begann ich nachzuforschen, was Maria so Besonderes in ihrem Leben getan hat, das sie derart einzigartig über die Frauen aller Welt erhebt. Gemäß Sure 3:37f verbrachte sie schon in frühen Jahren gerne viel Zeit im Tempel und wurde dort auf wundersame Art mit Nahrung versorgt. Doch weshalb war sie dort? Vers 44 gibt Auskunft: Sie bereitete sich auf die Schwangerschaft mit ihrem Sohn Jesus vor, oder war bereits schwanger und die Engel versorgten sie deshalb mit Nahrung. Die Idee dabei ist wohl, dass sie wegen dieser unehelichen Schwangerschaft aus der Gesellschaft ausgeschlossen war. So wandte sie sich an Gott um Hilfe und wurde von den Engeln versorgt, die sich sogar miteinander stritten, wer ihr dienen dürfe. Das Besondere über dem Leben Marias ist jedenfalls, dass sie Jesus durch ein Wunder empfangen und geboren hat. Sure 23:50 und 21:91 erklären, dass Maria und ihr Sohn ein „Zeichen für die Welt“ seien. Dies bestätigt unmissverständlich, dass Maria durch nichts anderes als die

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Kurt Beutler
Bildmaterialien: Bernd Vonau
Lektorat: Tobias Kübler
Tag der Veröffentlichung: 14.06.2013
ISBN: 978-3-7309-3243-8

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ein Buch aus der Reihe "OM Books" von OM Deutschland. www.om.org/de OM arbeitet in mehr als 110 Ländern, motiviert und rüstet Christen aus, Gottes Liebe an Menschen in der ganzen Welt weiterzugeben. OM möchte helfen, Gemeinden zu gründen und zu stärken, besonders in den Gebieten der Welt, in denen Jesus am wenigsten bekannt ist.

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