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Etwas Unerhörtes


Als ambitionierter Mitarbeiter einer größeren Berliner Behörde wähnte sich Georg Kummerow fast am Ziel. Mit der nötigen Kaltschnäuzigkeit und dem Gespür für den rechten Augenblick, hatte er es weit gebracht, viel weiter, als man ihm seinerzeit prophezeite, jedoch nicht weit genug, um wirklich zufrieden zu sein. Deshalb haderte er oft mit sich, obgleich das freilich nach außen hin ganz anders klang. Dann trumpfte er schon mal auf, freilich nur zum Spaß, wie jemand, der es sich halt leisten kann und doch nicht ohne Hintersinn, schon um zu zeigen, wer er war.
Natürlich war ein teures Auto für ihn ebenso obligatorisch wie erlesene Kleidung, was ihn zwar zu strenger Ökonomie zwang, seinem gesteigerten Ego jedoch keinen Abbruch tat. Nicht, dass er besonders eitel war, nur mochte er es nicht, unvorteilhaft aufzufallen, vor allem dort, wo er sich Vorteile versprach, selbst wenn er sich überhaupt nicht schämte, deswegen woanders nachzustehen. So genügte er sich durchaus mit der täglich geborgten Zeitung und war sich auch nicht zu schade, nur ein Zimmer im Dachgeschoss eines Seitenflügels zu bewohnen, sein ‚Rattenloch‘, wie er es sarkastisch nannte. Dabei war diese Wohnung beileibe nicht so schlecht, wie er immer tat. Zwar war der Zugang vom Torweg tatsächlich etwas duster, aber die Wohnung selbst, im 4. OG., bestand aus einem hellen Wohnraum mit Durchgang zur Küche und einer vom Flur zu erreichenden kleinen aber freundlichen Duschzelle.
Das Mobiliar war zwar nicht mehr das allerneuste, jedoch solide genug, noch das nächste Jahrzehnt zu überstehen, selbst wenn jedes freie Fleckchen mit Büchern vollgestellt war, welche einem Besucher schnell den Eindruck großen Belesenheit vermittelten – übrigens einem weiteren charakterlichen Vorzug. Man spürte das vor allem in seinen Gesprächen oder besser Monologen, in denen er mit einem beachtlichen Vokabular beeindrucken konnte, vor allem, wenn er als Eklektiker mit endlosen, von allerlei Spitzfindigkeiten durchsetzten Ausführungen kein Ende fand; was er übrigens gern als Schwäche verkaufte, obgleich es eigentlich seine Stärke war.
Diese Passion wurde zudem noch durch sein Äußeres hervorragend ergänzt, so dass ein rundum prachtvoller Mensch entstand, den zu kennen ein wirklicher Vorzug war. Von Statur groß und stattlich, verfügte er trotz seiner nahezu fünfzig noch immer über erstaunlich volles Haar, dessen jugendlich dunkler Schimmer bestimmt nicht auf eine Tönung zurückzuführen war. Selbst der leichte Bauchansatz, den er übrigens durch geschicktes Posieren zu kaschieren wusste, ließ angesichts seines elastischen Ganges nicht die geringsten Zweifel an seiner Agilität aufkommen. Hinzu kam noch seine scharf akzentuierte Stimme, die unwillkürlich zum Aufhorchen zwang, sobald man sie vernahm. Am ungewöhnlichsten aber war sein überaus weiches Gesicht, dessen rosiger Teint sich durch eine geradezu weibische Zartheit auszeichnete, welche, um es mal allegorisch auszudrücken, in einer angenehmen Disharmonie zu seiner imposanten Erscheinung stand. Schnell zog das die Blicke der Frauen an, die ihn interessant und aufregend fanden, vor allem, wenn er mit seiner geschliffenen Kasuistik selbst der größten Belanglosigkeit noch etwas Originelles abgewinnen konnte. „Wie macht er das nur“, hieß es dann. „Hat er promoviert oder was?“
Er liebte solche Zweifel, die er noch zu forcieren wusste, weshalb er keine Mühe hatte, sich als mehr zu verkaufen als er tatsächlich war. Das wiederum bescherte ihm so manches Angebot, dem er nicht immer widerstand, was er nach außen hin zwar bedauerte, doch niemals wirklich bereute. Pflegte er doch ein Weib mit einer Last zu vergleichen, das man nur so lange tragen sollte, wie es von Nutzen war. Und da er sich nur ungern als Lasttier sah, entledigte er sich ihrer spätestens nach den ersten Schwächen(freilich nach vorheriger Sondierung möglicher Risiken). So was ist nur natürlich, rechtfertigte er sich dann vor sich selbst, unnatürlich ist lediglich die Würdigung aus herkömmlicher, sozusagen ‚klassischer‘ Sicht, wofür jedoch im Zeitalter der Moderne – davon war er überzeugt - kein Platz mehr blieb.
Zugegeben trug ihm das nicht immer Sympathien ein. Da er sich aber dazu bekannte - wenn auch nicht mit der nötigen Konsequenz -, ließen ihn jegliche Vorwürfe kalt.
Doch obgleich somit alles zum Besten stand und er rundum hätte zufrieden sein können, verfiel er in letzter Zeit immer häufiger unerklärlichen Depressionen. Diese machten ihn saft- und kraftlos, so das er sich so manches Mal gereizt aufs Bette warf und ohne an etwas zu denken stundenlang an die Decke starren konnte.
Ja, auch so was gibt es, das man infolge äußerer Übersättigung innerlich verödet, dachte er bei sich und musste unwillkürlich lachen. Aber es war ein leises, boshaftes Lachen, als wollte er sich selbst verspotten, und er verspottete sich gern. Doch selbst wenn es niemals ernst gemeint war, begann es ihn auf Dauer zu deprimieren. Er wurde empfindsamer, weinerlicher, vor allem aber unzufriedener gerade wegen seiner Empfindsamkeit. Die Folge war eine unbestimmte Leere mit einer tiefen, gegenstandslosen Melancholie, welche ihn zuweilen inmitten der größten Heiterkeit befiel und in jenem absonderlichen Lachen endete.
‚Aber das ist doch alles Unsinn’, schimpfte er, wenn es ihm zu viel wurde. ‚Hirngespinste, geschuldet deinen überforderten Nerven. Immerhin gehst du auf die 50 zu, da sind gewisse Veränderungen nur normal.’
Aber es nützte nichts – sein Zustand verschlimmerte sich und wurde bald chronisch. Das befremdete ihn, und er beging in seiner Verzweiflung einen folgenschweren Fehler. Er vertraute sich Heiner Radekühn an, seinem Zimmergenossen, mit dem er so lala stand. Das war ein alberner Possenreißer mit Bierbauch und heiterem Gemüt, der in Gesellschaft gern mal ein paar Zoten riss, aber auch überaus interessiert zuhören konnte, etwas, was er selber niemals konnte.
Normalerweise mied er ihn, und das nicht nur wegen seines hintersinnigen Spottes, sondern vornehmlich wegen dessen ständiger Rivalität. Warum er es dieses Mal nicht tat, wusste er nicht, vielleicht, weil er insgeheim auf Zuspruch hoffte, oder einfach nur sein Herz erleichtern wollte (was hin und wieder vorkam und ihn kurioserweise sogar etwas belebte). Tatsächlich zeigte sich dieser sofort aufgeschlossen und berichtete seinerseits von ähnlichen Erfahrungen, welche zwar keinem wirklichen Vergleich standhielten, dafür aber erstaunliches Mitgefühl verrieten. Das überraschte ihn, und er wäre beinahe gerührt gewesen, zumal dessen Gesichtsausdruck in diesem Moment seinen Seelenzustand vollkommen reflektierte, umso mehr, als es mit dem Sinn des Geschehens vollkommen im Einklang stand. Dann aber riss er einen sehr plumpen Witz ausgerechnet an einer Stelle, wo er unpässlicher nicht hätte sein können. Georg war wie vor den Kopf geschlagen und fühlte sich veralbert.
Er blieb der Dummschwätzer, der lose Sprüche für Tiefsinn und Sarkasmus für Originalität hielt. Leute, die mit fremdem Kummer Schindluder trieben und das auch noch so offen, waren nichts anderes als Egoisten, deren Taktlosigkeit einem Mangel an Empfindsamkeit entsprang. Ihre Welt besteht allein aus Phrasen, womit sie sich definieren und deshalb die wahre Tiefe einer Seele niemals begreifen. Dazu fehlt ihnen jegliches Verständnis, obgleich sie von nichts überzeugter sind, als von sich selbst.
Es erübrigt sich zu erwähnen, dass sich Georg danach zurückzog, obgleich er noch drüber gelacht hatte, wie er überhaupt die ohnehin schon spärlichen kollegialen Kontakte weitgehend einfror.
Nur was bleibt in selbstgewählter Isolation außer einer verschlossenen Gedankenwelt, die fortwährend gärt und zunehmend verworrener wird, je länger sie anhält? In Momenten tiefster Verzweiflung, in denen man sich nach einem Ausweg sehnt, erscheinen zuweilen die unmöglichsten Dinge real. Dann ist man sogar geneigt, die höchsten Höhen gegen tiefste Tiefen einzutauschen, selbst auf die Gefahr, darin zu versinken. Aber was zählt das schon angesichts eines applaudierenden Publikums, das einem gewiss ist, so lange man sich nur spendabel zeigt? Einen solchen Ort fand er bald in seiner Nähe. Schnell wurde er dort Stammgast und genoss besonders unter den Damen den Ruf eines überaus großzügigen, eloquenten Herren, der vorzüglich zu unterhalten verstand. Hier, wo keine Regeln herrschten, wo er sich, der Wirklichkeit zum Trotz, umgeben vom süßlichen Duft berauschender Schwaden Ruhe gönnte und sich all das erlauben konnte, was er sich sonst nicht erlaubte; wo er seinen Missmut als dumme Launenhaftigkeit verlachte, ohne selbst verlacht zu werden, hier fühlte er sich frei und ungezwungen, wenn auch zu einem Preis, der in keinem Verhältnis zu seinem Opfer stand. Leider währte das nicht lange, denn als man bald darauf polizeilicherseits seinen Namen notierte und er Gefahr lief, bekannt zu werden, wagte er sich nicht mehr dorthin.
Blieb nur noch die bedrückende Enge seines ‚Rattenlochs‘, welcher er durch abendliche Spaziergänge zu entfliehen suchte, immer in der Hoffnung, irgendwie zu seinem alten geordneten Leben zurückzufinden. So wurde es ihm bald zur Manie, auf dem Heimweg noch ein ’Bad in der Menge’ zu nehmen, wie er es ironisch nannte, wenn er sich wieder mal verspottete. Damit meinte er eine Runde durch seinen Kiez, angefangen mit der vertrauten Bushaltestelle, dem Studium des Linienplanes, bis hin zum längeren Verweilen vor einem großen Schaufenster. Dort machte er nicht selten in rhetorischen Monologen seinem Unmut über die allgemeine Maßlosigkeit Luft, in der Hoffnung auf Aufmerksamkeit. Da dies aber nicht fruchtete, begann er die Nähe fremder Leute zu suchen und in deren Gespräche zu horchen. Dabei wäre es ihm ein Leichtes gewesen, angesichts seiner gestochenen Argumentationsgabe einen Disput zu entfachen. Doch selbst jetzt schien das niemanden zu interessieren, was umso verwunderlicher war, zumal es gerade unter den einfachen Menschen (und nur solche wählte er aus) in dieser Gegend an Neugier und Kontaktfreude nicht mangelte. Fast schien es, als weigere man sich, ihn wahrzunehmen, je mehr er wahrgenommen werden wollte.
So entstand eine tiefe Bitterkeit, die ihn überaus sensibilisierte und reizbar machte. Folglich verharrte er nicht selten an bestimmten Orten in Erwartung irgendwelcher Gaffer, deren Gesten oder Blicke ihn schnell herausforderten. Dann konnte er schon mal die Beherrschung verlieren und den Betreffenden so lange anstarren, bis er sich verzog. Geschah dies nicht, forderte er eine Erklärung, weil er ihn seiner Meinung nach ‚schief’ anguckte. Nicht selten folgten dumme Sprüche oder Beschimpfungen. In einem Fall riskierte er gar Prügel, weil sein Opfer – ein 120-Kilo-Mann – dies missverstand (glücklicherweise griffen zwei in der Nähe befindliche Männer beherzt ein und bewahrten ihn vor Schlimmerem). Danach hatte er sich noch furchtbar aufgeregt und wollte die Sache zur Anzeige bringen, ließ dann aber nach einigem Hin und Her davon ab.
Aber auch danach wurde es nicht besser. Um Ruhe zu finden, bedurfte es immer längerer Runden, weshalb es schon mal vorkam, dass er bis in die Nacht hinein herumstreunte und gar nicht mehr wusste, wo er war. So auch an einem der folgenden Abende. Es war eine ungewöhnlich dunkle, sternenlose Nacht und die Straßen längst menschenleer. Der Wind schüttelte das erste Laub von den Bäumen, zudem herrschten schon ziemlich lausige Temperaturen, weshalb man besser zu Hause bleiben sollte, als sich um diese Zeit noch herumzutreiben. Irgendwo jaulte ein Hund, was dem Ganzen noch etwas Erbärmlicheres gab. Angesichts dieser ganzen Trostlosigkeit stieß ihm sein ganzer Unmut besonders auf. Wieder einmal begann er sich zu bemitleiden, indem er diese ‚verdammten Umständen’ verfluchte, die ihn zu diesem Elend zwangen, und er hätte heulen können, dass sie ihn so niederdrückten, selbstverständlich ohne irgendetwas zu bereuen. Nur gut, dass ihm der eigene Anblick erspart blieb. Er wäre unweigerlich über seine Verzweiflung und Entwurzelung erschrocken gewesen, die jedem Beobachter sofort sein ganzes Dilemma verraten hätten. Nein, das war nicht mehr er, das war nur noch ein Schatten seiner selbst, der dahin huschte, als wollte er sich verstecken. Und da in solchen Situationen nun mal alles zusammen kommt, begannen ihn die unmöglichsten Gedanken zu plagen, welche selbst Scham und Angst, sogar Gewissenbisse nicht aussparten. So etwas hatte es bis dahin nicht gegeben, jetzt aber trat es mit einer Selbstverständlichkeit hervor, als wäre es schon immer so gewesen. Diese Tatsache entlockte ihm ein leises Kichern, jenes boshafte, vor dem er oft erschrak, und er war froh, dass niemand in der Nähe war.
Aber war er wirklich hier allein? Die ganze Zeit schon quälte ihn ein ‚komisches’ Gefühl, das umso intensiver hervortrat, je mehr er es verdrängte. Und plötzlich - er konnte nicht verstehen warum - spannten sich seine Nerven bis zum Zerreißen. Irgendetwas ging hier vor, er fühlte es. Mit einem Male sprang er wie von der Tarantel gestochen hinter einen dichten Busch, der sich zwischen Gehweg und Häuserfront erstreckte und eine kleine Rabatte begrenzte.
Von hier aus starrte er gebannt durchs Gestrüpp zur Straße hin, genau in jene Richtung, wo er dieses ‚Etwas’ vermutete. In höchster Unruhe begann er sich umzusehen, hielt sogar den Atem an, um sich nicht zu verraten. Doch obgleich weit und breit nichts zu erkennen war, blieb er überaus aufmerksam. Sagte er sich doch: ‚Wenn ich nur lange genug hier warte, wird sich schon etwas ergeben.’
Schwer zu sagen, wie lange er so verharrte und noch schwerer, ob sich dieses ‚Etwas’ auch tatsächlich ergab. Freilich war hin und wieder etwas zu hören. Aber das hätte ebenso der Wind oder etwas anderes sein können, so dass er sich bald nicht mehr sicher war, ob er nicht irrte. So etwas soll ja vorkommen, wenn man zu intensiv grübelt und gerade das hatte ihm der Arzt verboten. Hinzu kam ein anderer, überaus unangenehmer Gedanke. Was, wenn ihn jemand beobachtete, ein besorgter Anwohner vielleicht und nun die Polizei rief? Sicher nicht die beste Empfehlung für einen Mann, der erst vor kurzem notiert wurde und sich dabei mancher Blöße stellen musste. So trat er schon bald wieder aus seinem Versteck heraus, wenn auch mit tiefem Unbehagen und fast größerer Angst als zuvor.
Doch kaum wieder auf dem Fußweg, bemerkte er in einiger Entfernung eine Gestalt, die er zuvor noch nicht gesehen hatte. Ob sie ihn hatte hervortreten sehen, war ihm nicht klar, und gerade das verunsicherte ihn. Denn was soll man von jemanden halten, der im Dunkel hinter einem Busch hervortritt? Er war ein Mann den Umrissen nach zu urteilen. Dieser starrte in der gleichen Erwartungshaltung zu ihm herüber und schien nicht weniger überrascht.
Was sollte Georg jetzt tun, sich die Blöße geben und weglaufen? Unmöglich. Völlig regungslos, beinahe in Apathie, war er bereit, sich dem Kommende zu stellen. Bloß wie, wenn man annimmt, dass der andere etwas ganz Bestimmtes will, ohne sich selbst in Verlegenheit zu bringen? Man kann doch unmöglich danach fragen? Am Ende irrt man und wird missverstanden. Sagt man aber nichts, wirkt das nicht weniger provokant und bewirkt womöglich eine unbedachte Reaktion. ‚Vielleicht sollte ich ihm ein Zeichen geben?’ dachte er, hielt es dann aber für besser, es zu unterlassen.
Der andere blieb indes noch immer regungslos. Das gab ihm neuen Mut. Also fasste er sich ein Herz und ging ihm jetzt schnurstracks entgegen. Und siehe, prompt nahm auch der den Schritt wieder auf. Seltsam war das alles, wie in einem schlechten Film. Da gingen zwei einander unbekannte Herren aufeinander zu wie zwei Streithähne, die noch gar nicht wusste, ob sie überhaupt streiten wollten und doch irgendwie ahnend, das ihre Begegnung nicht zufällig war. Indes entpuppte sich der andere als lang aufgeschossener Bursche im dunklen Lodenmantel mit aufgeschlagenem Kragen. Georg war sich nicht sicher, ob er mit ihm fertig würde und bekam es mir der Angst. ‚Gleich wird Händel mit mir anfangen’ dachte er, ‚Nur deshalb ist er hier.’
Im Übrigen ist es möglich, dass Georg nicht unbedingt so dachte, sondern nur so empfand. Er empfand nämlich in letzter Zeit häufig anders, als er dachte. Aber es blieb keine Zeit, irgendetwas zu denken oder zu empfinden, denn der Unbekannte hatte ihn schon erreicht. Obgleich ein Kummerow in solchen Situationen für gewöhnlich Courage zeigt und nicht den Blick senkt, fiel ihm jetzt nichts Besseres ein. Damit nicht genug, in seinem Durcheinander nahm er sein Handy und tat, als führe er ein vertrauliches Gespräch. Das geschah jedoch weniger aus Angst, denn Verlegenheit. Schon setzte er zu einem beiläufigen ‚Hallo’ an, hatte sogar die Hand etwas erhoben, als der andere auch schon wortlos an ihm vorüber ging.
Ergab das einen Sinn? Nach alledem hätte man zumindest eine ‚Entwarnung‘ erwarten können, in Form eines Klopfnickens. Er wollte ihm noch etwas nachrufen, etwas Deftiges, seiner Erregung Angemessenes, unterließ es aber angesichts der fortgeschrittenen Zeit. Was blieb, als ihm stumm nachzuschauen und, nachdem ihn die Dunkelheit erneut verschluckt hatte, seinen Weg fortzusetzen.
Er war jedoch noch nicht weit gekommen, als dieser Kerl erneut vor ihm auftauchte. Verwunderlich war nur, dass er, der es eben noch so eilig hatte, seinen Schritt nunmehr derart verlangsamte, dass Georg ihn schon bald wieder einzuholen drohte. Fast wollte es scheinen, als lege er es darauf an. Das stank doch zum Himmel? Folglich wurde auch Georg langsamer, um bald festzustellen, dass man gar nicht so ‚schleichen’ konnte, ohne aufzufallen. ‚Er will mich provozieren, um mich dann zur Rede stellen’, dachte er erneut. ‚Aber warum? Kennt er mich?’
Es mag jetzt albern klingen, aber irgendwie behagte ihm die unliebsame Rolle des Verfolgers nicht. Daher beschloss er, an der nächste Kreuzung eine andere Richtung zu nehmen, selbst wenn er deswegen einen Umweg machen müsste.


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Tag der Veröffentlichung: 22.10.2009

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