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Was ist ein Künstler?


Anknüpfend an meine Thesen zu Kunst und Geist möchte ich noch folgendes ergänzen :
- Inwieweit ein Individuum dazu befähigt ist, sein geistiges STRÖMEN so zu kanalisieren, dass aus der Eigen- eine Fremdprojektion wird, ist eine problematische Frage. Die meisten Menschen verfügen nicht über eine solche Gabe und kommen über die erste Stufe nicht hinaus. Zudem bedarf es hier ausschließlich einer Inspiration bereits Vorhandenem, um das eigene Potential zu wecken, welches sich dann auf ein reines Kopieren beschränkt. Ein Künstler hingegen vermag durchaus Neues zu kreieren. Daraus folgt, das Kunst nicht erlernbar ist, erlernbar sind allenfalls die Fertigkeiten ihrer Umsetzung. Inspiration und Drang müssen von selbst entstehen. Somit kann kein Künstler in sein Amt berufen werden, nur weil er sich durch ein Studium dazu qualifiziert fühlt. Vielmehr muss es ihn selber treiben, nicht anders zu können, als zu müssen, ungeachtet aller Widerstände. Dieses Müssen wird ihm wiederum zur Qual, wobei der eigene Überwindungsdrang ständig vorwärst treibt und die eigenen Grenzen immer weiter hinausschiebt.
- Gegenstand der Kunst bilden letztlich immer auf die universelle (objektive wie subjektive) Realität bezogene Abbilder, welche sich durch ihre Unzweckmäßigkeit auszeichnen. Nur dann verlieren sie ihren allgemeinen Charakter und werden zu etwas Einzigartigem, was Wohlgefallen in Form von Neugier bis hin Bewunderung auslöst. Anderenfalls bleibt sie ein Werkzeug, das allein nach seiner praktischen Verwendbarkeit bemessen wird.
- Nun hat jedes Ding seine Form als Ausdruck seiner Erscheinung. In ihr kommt seine ganz bestimmte Zweckbestimmung zum Tragen, worin sich seine spezielle ’Vergeistigung’ niederschlägt. Diese Form kann natürlicher als auch nichtnatürlicher (künstlicher) Gestalt sein. Demnach ist sie nicht zufällig, sondern stets Resultat treibender Notwendigkeiten. Handelt es sich z. b. um einem Stein als natürlichen Gegenstand, verleiht ihm die Erosion seine Form. Bei einem Haushaltsgegenstand hingegen folgt sie allein einer künstlich verliehenen Zweckbestimmung durch den menschlichen Verstand (Individualgeist). Fragen der Ästhetik wären in beiden Fällen irrelevant, da sie die Funktionalität beeinträchtigten. Der Sinn ergibt sich hier allein in aus seiner Zweckmäßigkeit. Einzig beim Kunstgegenstand verliert sie sich und wird zweckfrei. Der Sinn ergibt sich hier allein aus ihrer Wirkung.
- Wenn man bedenkt, dass die Form eines Gegenstandes immer nur seine Erscheinung, nicht aber sein Wesen reflektiert, sind Abweichungen bis hin zu Widersprüchen immanent. Daher kann man Erscheinungen niemals als etwas Entgültiges betrachten, sondern immer nur als einen zeitweiligen, von ganz bestimmten Bedingungen geprägten Zustand gleich einem ständigen Treiben, bei dem Wahrnehmungen als Momentaufnahmen verschwimmen, deren Tatsächlichkeit nur für ganz bestimmte räumliche und zeitliche Koordinaten verifizierbar ist.
- WAHRHEIT
- Hier schließt sich das Problem der relativen als auch absoluten Wahrheit an. Als wahr wird immer nur empfunden, was gegenwärtig erscheint, hingegen Vergangenes oder Künftiges aufgrund des Fehlens der Koordinaten sich schnell im Rahmen der Spekulation verliert. Darüber hinaus benötigt jede wahre Aussage ein Bezugsystem, woran sie bemessen werden kann. Selbst eine mathematische Gleichung benötigt die Logik der Mathematik, ohne die sie nicht bewiesen werden könnte, und ein späteres Urteil über eine unter anderen Koordinaten gefällte Entscheidung bleibt immer problematisch, da die Bedingungen, die einst zu dieser Entscheidung führten bei der späteren Urteilsfindung fehlen. (Anm. Die Tatsache das Napoleon am 05.05.1821 verstarb, ist insofern relativ, da das zeitliche Bezugssystem, die Geburt Christ, willkürlich gesetzt wird, allein der Umstand seines Todes bleibt absolut).
- GEDANKEN
- Jeder Kunstbetrachtung folgen Emotionen, Inspirationen (Aversionen bei Ablehnung), die eine gedankliche Tätigkeit nach sich ziehen, wobei der Rezipient in jedem Falle bestrebt ist, seinen Eindruck in möglichst treffliche Worte zu fassen. Der Gedanke, bzw. die Vorstellung, welche durch den Kunstgegenstand provoziert wird, drängt nach Ausdruck, wobei es im Vermögen des einzelnen liegt, diese Gedanken vermittels der Sprache entsprechend ihren Wahrnehmungen adäquat zu formen.
- Geschieht das bei bildhaften Vergleichen noch relativ unproblematisch, erweist es sich bei abstrakten Gedanken weitaus schwieriger. Die Folge ist, dass oftmals ein wesentlicher Teil des Gedankens unausgesprochen zurückbleibt – meist sogar der wesentliche. Je größer die Abstraktion, je größer dieser Teil, was a priori zu einer Inkongruenz zwischen dem Gesagten und dem tatsächlich Gemeinten führt.
- Da das Gegenüber nicht unbedingt das Gleiche unter den gesetzten Worten verstehen muss, entstehen Missverständnisse. Der Sprecher hat den Gedanken wohl klar vor Augen, ist jedoch unfähig, ihn auf ein fremdes Raster zu reproduzieren. Deshalb ist eine genaue Begriffsbestimmung unabdingbar, um nicht aneinander vorbeizureden (Politikersyndrom). Ziel aller Philologie muss es daher sein, durch sprachliche Klarheit den Widerspruch zwischen dem reinen und dem getroffenen Gedanken so klein als möglich zu halten.
- SINNGEBUNG
- wie schon weiter oben erwähnt, hat der Universalgeist das Bestreben, den Dingen seinen Sinn/Zweck aufzudrängen, um ihre Bewegung als Ursache allen Treibens zu veranlassen. Reiner Geist kann ohne Materie nicht ’wirken’ und verbleibt immateriell bis zum Zeitpunkt seiner Realisation. Doch damit nicht genug, er drängt nach Reproduktion bis hin zur Eigenrestaurierung. In der evolutionären Entwicklung der Welt und ihrem teleologischen Streben vollzieht sich dieser Prozess in verschiednen Stufen. Die niederste wäre die Formgebung in der unbelebten Natur, die nächsthöhere das evolutionäre Streben in der belebten Natur mit natürlicher Auslese und der Entstehung der Arten samt entsprechender Spezialisierung. Die dritte und höchste findet ihren Niederschlag in der Widerspiegelung ihrer selbst im menschlichen Bewusstsein. Diese Phase nun zeichnet sich durch eine Besonderheit aus, namentlich einer Überschneidung zwischen dem Universal- und dem Individualgeist. Dies kann zum einen unbewusst geschehen, z. b. durch Traum/Visionen oder bewusst durch Überwinden des eigenen Willens in Form von kontemplativer Selbstversunkenheit (Meditation, Trance). Hierbei kommt es zu einer Paralyse des vom eigenen Willen getragenen permanenten Zweckstrebens (Zwanges), nicht anders zu können, als zu wollen und somit zu müssen. Der Wille kann dabei nicht anders, als beständig nach Befriedigung zu streben, wobei eine dauerhafte Befriedung jedoch unmöglich, will er nicht den eigenen Daseinsdrang verwerfen. Daraus folgt, das eine wirklich freie Entscheidungsfindung schon allein deshalb unmöglich ist, weil der Zwang zum Wollen ständig in eine vorgegebene Richtung drängt (ausgenommen beim Selbstmörder, der sich über seinen Willen erhebt und entgegen seinem Streben handelt). Mithin ist der Wille von fundamentaler Bedeutung für das Sein im Allgemeinen und das Leben im Besonderen, wobei er sich besonders in Grenzsituation als entscheidend erweist. Deshalb stirbt auch ein Schwerkranker auch niemals an den Folgen seiner Krankheit, sondern immer nur an der Aufgabe seines Willens.
- SEIN
- Nun ist das Sein insgesamt ebenfalls ein Ausdruck des Willens. Deshalb erschient es geboten, darauf etwas näher einzugehen. Oberflächlich könnte man sagen, das Sein reflektiert die bloße Existenz von etwas durch reines Vorhandensein, was wiederum durch sinnliche Wahrnehmungen bestätigt wird. Umkehrschluss, - ohne reine Existenz, keine sinnliche Wahrnehmung und somit kein Sein. Zweifellos zu einfach, zu eng, würde lediglich die dingliche Welt erfassen, wie z. b. den Baum oder den Stein. Wie ist das aber mit den ideellen Dingen, ein Wort, ein Gedanken oder eine Idee? Sind diese Dinge nicht ebenfalls existent, auch wenn ihre sinnliche Wahrnehmung durch andere recht schwierig ist, vor allem, wenn sie sich noch nicht ’materialisiert’ haben? Entsteht ihr Sein erst im Moment der Realisation und sind sie vorher noch gar nicht vorhanden? Wenn ja, wie kann aus etwas Nichtvorhandenem etwas entstehen?
- Somit sollte man besser sagen, dass ’Sein’ ist immer dann gegeben, wenn ’reflektiert’ wird, oder anders gesagt, wenn es aus dem Verborgenen heraustritt, sich also durch ein ’Sein – in’, oder ’Sein- durch’ bestätigt und das darüber hinaus in zeitlicher Abfolge, also dem ’Sein- in- war, ’Sein- in- sein’ und dem ’Sein- in- werden’. Man sagt ja auch nicht umsonst: ‚man war ... man ist ... man wird ...’ (Aber wer sagt das?) Und wenn niemand da ist, der das sagt, war, ist und wird man auch nicht. Bedarf ein Sein erst eines solchen Sagens? Die Grundstruktur des Seins könnte man demnach als geschehene Unverborgenheit postulieren.
- Ergo bestätigt sich das Sein erst unter Bezugnahme der Fremdwirkung ---- umgekehrt, ohne Fremdwirkung kein Sein. Nun ist diese Reflexion aber keinesfalls nur auf andere Menschen beschränkt, die Vernunft vorausgesetzt, denn das hieße ja, dass Robinson gar nicht gewesen wäre, denn sein Sein wurde ja von niemand anderem reflektiert. Aber seine Fußabdrücke, seine Fäkalien wurde sehr wohl zumindest von der unbelebten Natur reflektiert, also muss auch ihm zweifellos ein Sein zugesprochen werden.
- Weshalb nur drängt man danach, das Sein unbedingt zu definieren? Ist es nicht genug, es einfach als gegeben hinzunehmen und sich zu sagen, man ist eben, weil man ist? Aber vielleicht ist das alles deshalb so verwirrend, weil es das Gegenteil vom Nichts ist, also der tiefsten Angst des Menschen vor dem Nichtsein, wer von ihr befangen ist, dem entgleitet alle Wirklichkeit, obgleich es ein Nichts genau genommen gar nicht geben kann.
Wenn man nun das Sein bestimmen will, ist das doch nur möglich in Abgrenzung vom Nichtsein und somit dem Nichts. Doch wie von etwas abgrenzen, was es gar nicht gibt? Aber wer weiß, vielleicht gibt es das Nichts doch, als eine Art ’Schleier des Seins’ sozusagen? Und wenn ja, ist es dann nur ganz einfach das Gegenteil vom Sein, also die bloße Abwesenheit von Etwas oder lediglich ein Ausbleiben der nötigen Reflexionen, die ja, wie oben angeführt, bezeichnend für das Sein sind? Das wäre aber Unsinn, da nichts eben Nichts ist und man es folglich nicht bestimmen könnte (man kann nur etwas bestimmen, das sich vom Nichts unterscheiden und eben nicht Nichts ist. Diese Ausführungen betreffen nur das Sein, aber nicht das Seiende, - man beachte hier die ontologische Differenzierung!)

Impressum

Texte: Essay über Kunst, Wahrheit, Sinngebung und andere Gedanken
Tag der Veröffentlichung: 04.10.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
‚Dem Wahnsinn ist der große Geist verwand und beide trennt nur ein dünne Wand.’ A. Schopenhauer

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