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Zur Eifersucht
- Zunächst mal sollte man, wenn man dieses Problem angeht, klarstellen, dass Eifersucht immer sexuell motiviert bleibt und nicht mit reinem Status- oder Besitzdenken, wie z. b. unter Geschwistern üblich, gleichgesetzt werden darf. Bei Letzterem handelt es sich lediglich um Neid als allgemeinere Kategorie, was oftmals mit der Liebeseifersucht als der spezielleren fehlinteroptiert wird. Zumindest aber sind beide in der Tat auf Besitzstreben zu subsumieren, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven heraus. Daraus folgt jedoch, dass sie in jedem Fall psychologisch und nicht gesellschaftlich determiniert sind! Somit wird sie immer auftreten, sobald der Verstand die Vernunft unterwandert und nicht erst, wenn ein gesellschaftliches Mehrprodukt die Menschen in arm und reich teilt und somit ein rein zivilisatorisches Produkt bliebe. (Anderenfalls hieße das, alle noch in der Gentilordnung lebenden Völker zur Liebesunfähigkeit zu verdammen und mithin auf Tierebene zu reduzieren. Selbst in einer polygamen Gesellschaft gibt es durchaus Favoritinnen, die dem Häuptling nicht gleichgültig sind und sein schweres Unbehagen nach sich zögen, würden sie einem anderen den Vorrang geben. Und wenn ein Eskimo in früheren Zeiten seine Frau einem anderen anbot, dann nicht aus Mangel an Liebe/Abwesenheit von Eifersucht, sondern allein als Folge einer höheren Notwendigkeit, namentlich dem Erhalt der Sippe).
- Daraus folgt - Eifersucht entsteht im Moment des Bewusstwerdens/Realisation seiner selbst und dem damit unweigerlich implizierten Widerspruch zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit. Somit ist sie so alt wie die Menschheit selbst, denn in jenem Moment, wo das Individuum aus seiner Spontaneität heraustritt, entwickelt es einen Eigenanspruch (Egoismus), welcher mit der Umwelt kollidiert. Dabei drängt der Wille zum Handeln mit dem Bestreben, diesen Widerspruch zu lösen, was aber letztlich scheitern muss, da sich eine Wunschwelt nicht dauerhaft erzwingen lässt – selbst von den höchsten Monarchen nicht (wäre auch schrecklich, anderenfalls verlöre man seine Ideale). Dieser Missstand bewirkt nun wiederum wesentliche Aspekte der Eifersucht wie Besitzdenken, Kleinmut, Missgunst und Rachegefühle für den Fall einer Nichtrealisation, wovon sich wiederum weitere ableiten, die für die Individuation des gesamten Menschen verantwortlich sind. Demnach erscheinen Normen- und Werteverständnisse a priori als nichts anderes denn Folge von Vergleichen und den daraus gewonnenen Rückschlüssen, welche erst durch solche ’Egoismen’ ermöglicht werden. Ohne sie würde ein Mensch mit seiner repräsentierten Persönlichkeit kaum nach Individualität streben und sich damit durch nichts vom anderen unterscheiden; eine blinde Vermassung wäre die Folge wie einst in Diktaturen angestrebt, um einem verordneten Denken in Form eines ’höheren Bewusstseins’ die Plattform zu ebnen.
- Die Eifersucht als besonders intensive Form von Vergleichen, stellt somit den Ausdruck einer übertriebenen Anteilnahme bzw. eines Nichtgleichgültigseins gegenüber einer anderen Person dar und entsteht, sobald diese Vergleiche zu eigenen Ungunsten ausfallen. Solange sich die E. auf ein geregeltes Maß beschränkt, kann sie durchaus als angenehm bzw. sogar schmeichelhaft empfunden werden. Fehlt sie, bedeutet das Teilnahmslosigkeit gegenüber dem anderen, was jeder Form von Liebe als inniges Zuneigungsgefühl widerspricht. Die Frage ist nur, wo bzw. wann das ’normale’ Maß überschritten ist? Sicher nicht erst, wenn sie die Freiheit bzw. das persönliche Würde des anderen beeinträchtigt, sondern bereits, wenn sie seinem Empfinden zuwiderläuft. Das kann von Fall zu Fall sehr differieren, so dass hier die genauen Grenzen nicht zu umreißen sind, abstellen lässt sie sich jedoch nicht, dafür ist sie ein zu tiefer Affekt. Hier schließt sich ein weiterer Gedanke an - Liebe als Eigenschaft der Vernunft. Da im Tierreich keine Vernunft herrscht (nicht zu verwechseln mit Verstand), kann es dort auch keine Liebe geben. Abwesenheit von Liebe bedingt auch Ausbleiben von Eifersucht. Selbst der Bulle, der sein Weibchen gegen einen Nebenbuhler verteidigt, handelt nicht aus Eifersucht i.d.S., sondern verteidigt lediglich seinen Stand als Leittier. Sein Handeln bleibt instinktiv und nicht auf die Individualität orientiert wie es für ’Liebe’ bezeichnend ist.
- Aber was ist es nun, was einen Menschen an einem anderen fasziniert, - wirklich nur äußerliche Attribute, die sich allein auf spätere Fortpflanzung beziehen oder doch etwas mehr, was eben nur einen Menschen, nicht aber ein Tier auszeichnet und schon allein deshalb typisch für seine Spezies ist? Oftmals ist es nicht genau zu bestimmen, man empfindet und das ist nicht immer plausibel. In jedem Falle dominieren auch hier Vergleiche, in deren Folge sowohl Defizite als auch Vorzüge deutlich werden, was unsere Gefühlswelt stark beeinflusst. Wiederum kollidieren Möglichkeit und Wirklichkeit/Traum und Realität und drängen nach Lösungen, wobei die eigene Ohnmacht darüber als schmerzlich empfunden wird und Eifersucht bewirkt.
- Somit ist E. ist ein immanenter Bestandteil jeder Liebe und kann niemals völlig überwunden werden, es sei denn, die Liebe erlischt. Es wird immer wieder behauptet, dass es eine dauerhafte Liebe nicht wirklich geben kann, sie verflache, sobald die den Vergleichen entspringenden Reize verbraucht sind. Das ist aber ein Trugschluss, vielmehr wandelt sie sich und dieser Wandel wird als Verflachen fehlinterpretiert. Es ist doch unbestritten, dass ein 20 jähriger anders liebt, denn ein 60 jähriger. Das ist aber nicht allein entscheidend, wäre ja auch schlimm, an der Tiefe der Zuneigung ändert das nichts. Bleibt Liebe jedoch allein sexuell orientiert, also auf der Stufe des 20 jährigen und somit allein auf Äußerlichkeiten beschränkt, würde sie in der Tat erschlaffen, allein schon aus physiologischen Gründen. Doch die Liebe, welche hier gemeint ist, umfasst das ganze Insgesamt, wovon die Sexualität nur einen Teil repräsentiert. Und genau das trennt den Menschen vom Tier (zumindest sollte es das). Ein Mensch kann ohne Liebe nicht leben, selbst Nonnen teilen sie mit Gott und ein Single liebt zumindest sich selbst. Ob die betreffende Formen der Liebe gut oder schlecht, d.h. moralisch legitim (hetero) oder verwerflich sind (homo bis hin zu pädophil), steht auf anderem anderen Blatt. In jedem Fall erwartet man eine Erwiderung, woraus man Hoffnung schöpft, die wiederum Selbstbewusstsein und Enthusiasmus bewirkt. Dauerhafter Liebesentzug hingegen führt zur seelischen Verkrüppelung bis hin zu späteren physiologischen Schäden.
- Ich denke daher, dass die wahre Natur der Liebe ein Mysterium bleibt, dem man machtlos gegenübersteht. Inwieweit sie einem ’höherem’ teleologischen (evolutionärem) Drang folgt, um evtl. optimale Nachkommen zu schaffen, bleibt umstritten. Sie entsteht wann und wo sie will und vergeht ebenso. Das ist ja unser Problem, worauf sich letztlich alle folgenden reduzieren lassen. Die Liebe und mit ihr die nicht zu trennenden Eifersucht macht uns fehlbar und somit menschlich und es wäre schlimm, wenn es sie nicht gäbe, auch wenn sie zuweilen zu unserem Fluch werden kann.

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Texte: Versuch der Interpretation eines uralten Phänomens
Tag der Veröffentlichung: 30.09.2008

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