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Zur Korrelation von Geist und Kunst.

- Geist als etwas Eigenständiges, Greifbares zu akzeptieren, fällt sei je her schwer, da er sich allen direkten Erkenntnissen entzieht. Man fühlt zwar, wenn etwas durchgeistigt ist, z. b. in der Literatur, Mode oder Architektur, wo sich der Zeitgeist in spezifischer Form niederschlägt, vermag aber keine Erklärung zur Bestimmung dieser Form zu geben. Man genügt sich damit, sie als reine Geschmacksache abzutun, die spontan und zufällig entsteht, und niemand käme auf die Idee, dahinter eine tiefere Absicht zu vermuten. Erschwerend wirkt, dass Erkennen Geist bedingt und somit einen rein subjektiven Charakter annimmt, der objektiv nicht immer vorhanden ist (ein Schwein versteht nun mal kein Uhrwerk). Nun liegt es im Wesen der Wissenschaft, nur dann etwas anzunehmen, was auch verifizierbar ist. Doch wie, wenn allenfalls die Wirkung zu spüren ist, die Ursache jedoch verborgen bleibt? Was also ist Geist, wie drückt er sich aus? Vielleicht könnte man es so formulieren: Geist ist nichts anderes, als eine Erscheinungsform aller (subjektiven und objektiven) Realität, die sich als Gedanke oder Vorstellung manifestiert oder als Wort oder Abbild materialisiert. Anm. Hegel: G. entfaltet sich auf theoretischer Seite als Anschauung, Vorstellung und Denken, auf praktischer als Gefühl und Trieb. Daraus folgt, dass ein objektiver Geist in Form von Recht, Moral und Sitte existiert und ein absoluter in Kunst, Religion und Philosophie.
- Wäre Geist allein Produkt der Materie müsse er letztlich auf sie reduziert bleiben und als ihr Produkt nachweisbar sein nach dem Motto, Geist und Seele lassen sich durch gezielte Einflüsse nach Belieben steuern, allein dafür entscheidend ist die wissenschaftlich technische Befähigung. Dann müsse er auch, wie alles in der Natur, Gesetzen unterliegen, die ihn messbar/berechenbar und letztlich definierbar machen, kurzum, er verkäme zu einem gewöhnlichen Abstraktum bar jeder eigenen Souveränität.
- Doch wird man jemals einen Gedanken als Ausdruck des Geistes mittels technischer Geräte künstlich ’auslesen’ können? Nachweisbar wäre allenfalls der elektrische Impuls, der die jeweilige Neuronen durchzieht, die dahinter stehende Botschaft jedoch, der reine Gedanke, bzw. die Idee, bleibt unbestimmbar. Erst wenn sich der Gedanke in Worte kleidet (man kann nur vermittels der Sprache denken), materialisiert er sich im Moment der Aussprache, also durch akustische Schwingungen vermittels der Stimmbänder. Erst jetzt wird er messbar und erst jetzt bekommt er ein Existenzrecht. Der Prozess seines Entstehens hingegen bleibt nebulös (für den Atheismus an sich schon ein Widerspruch, da aus nichts, nichts entstehen kann und doch ist am Ende was – Qualia, sic!). So lange die Materie das Primat besitzt und der Geist von ihr abgeleitet, wird man niemals dieses Phänomen verstehen. Erst wenn man sie gleichberechtigt nebeneinander setzt und anerkennt, das sich das eine nur durch das andere realisieren kann, ist es möglich zu begreifen, auf welch vielfältige Weise sie einander durchdringen, durchströmen und bestimmen und somit allem Insgesamt seine teleologische Bedeutung verleiht. Ohne Geist keine Bestimmung, ohne Bestimmung kein Ziel, ohne Ziel keine Bewegung, ohne Bewegung keine Evolution und ohne Evolution keine Existenz usw. Demnach ist Geist immanenter Bestandteil der belebten und unbelegten Natur, weil er allen Dingen seinen ’Sinn’ verleiht. Nichts ist sinn- oder zwecklos, und wenn uns etwas sinn- oder zwecklos erscheint, dann nur, weil wir seinen Sinn/Zweck nicht erkennen.
- Nun sind Worte als materialisierte Gedanken nur eine Form geistigen Ausdrucks. Eine weitere, nicht weniger fundamentale schlägt sich in der Kunst nieder. Dabei ist Kunst mit alle ihren Richtungen (Malerei, Literatur, Film, Tanz usw.) keine Errungenschaft der Zivilisation, Erfindung irgendeines Genius oder Produkt der Wissenschaft, sondern immanente Eigenschaft des Geistes, die überall dann und dort entsteht, wo sich Geist etabliert. So gesehen handelt es sich um eine Form geistiges Strömen, was sich durch Materialisierung realisiert oder anders gesagt, die Produkte der Kunst sind nichts anderes als materialisierter Geist. Sie sind im wahrsten Sinn des Wortes künstlich, etwas, wo sich das Besonderen im Allgemeinen wiederfindet.
- Kunst ist frei von Wissenschaft, da sie niemals pragmatisch, berechenbar und sachlich ausgerichtet sein kann. Eine Inspiration durch Wissenschaft ist wohl möglich, bedarf ihrer jedoch nicht. Sobald Wissenschaft verkünstelt wird, verliert sie ihren Wissenschaftlichkeit, wird Kunst hingegen verwissenschaftlicht, verliert sie ihren Sinn. Die Höhlenmalereien in der Grotte von Lascaux gab es schon, als an Wissenschaft noch nicht zu denken war. Anm.: übrigens soll Picasso beim Betrachten dieser Malereien gesagt haben ‚30.000 Jahre sind vergangen und wir haben nichts dazugelernt.’
- Kunst und Kult hatten ursprünglich einen engen Bezug, und auch wenn im Laufe der Zeit der religiöse Aspekt mehr und mehr zurücktrat, bedarf die Kunst dennoch der Inspiration als äußeren Anstoß, welche selber nicht näher definiert werden kann. Ein bloßer Trieb zum Nachahmen/Kopieren von etwas real Vorhandenem und mithin zum Zwingen in eine abstrakte Form ist offenbar dem unterbewussten Drang geschuldet, dem Objekt eine eigenen geistige Form zu geben, um ihn nachhaltiger zu verinnerlichen. Dieser Prozess transformiert sich wiederum auf andere, sobald sie die Bewunderung/Interesse für das Objekt teilen. Das subjektiv gebrochene Abbild abstrahiert somit das Besondere aus dem Allgemeinen, wodurch es seine Gewöhnlichkeit verliert. Die Folge ist ein ’künstliches’ Interesse, bar jeder emotionalen und kognitiven Komponente. Der zum Strömen gezwungene Geist wird hier sowohl vom Künstler als auch dem Rezipienten als angenehm (Wohlgefallen) empfunden. Interessenloses Wohlgefallen, nach Kant. Quietiv der Seele, nach Schopenhauer.
- In der evolutionären Entwicklung entstand Kunst in jenem Moment, als der Mensch sich über seine Umgebung zu wundern begann (Beginn des Denkens) und damit der unbedingte Drang, dieser Verwunderung Ausdruck zu verleihen. Dieses Ausdrucksdrang beinhaltet jedoch nicht nur eine bloßes Widerspiegeln der objektiven Realität, wie in der Antike angenommen, sondern eher ein Streben nach Idealisierung und Vervollkommnung dieser. Die Ursache hierfür liegt im Streben des Menschen nach Idealen, die dem eigene Handeln ein Leitbild geben können. Die Kunst als Mittler zwischen Wirklichkeit und Vorstellung wird hier zum Indikator. In einer subjektiv gebrochenen objektive Realität verschmilzt sie zu einer Wunschwelt (Welt neben der Welt), deren Faszination unwillkürlich auf jeden Rezipienten rückwirkt. Die Stimulans von Unterbewusstsein und Intuition bewirken Neugier und bedingen eine Fortsetzung des Denkens auf ’höherer Stufe’, das Denken vergisst sich selbst und favorisiert die Intuition. Es zählt allein der Eindruck, man nimmt das vom Kunstobjekt ausgehende Strömen unverfärbt auf, d. h.. es wird empfunden, erquickt, beruhigt und durchschauert, wenn z. b. ein Ohrwurm unwillkürlich zur Tanzfläche zieht und zum Drehen und Verrenken animiert, nur um dem Strömen nachzugeben bzw. ihm den nötigen Ausdruck zu verleihen und nicht nur, um anderen zu gefallen, sondern hauptsächlich, um die innerlich unwillkürliche Spannung abzubauen.
- Dasselbe gilt für die Kunstbetrachtung. Man bleibt vor einem Bild stehen und reflektiert unwillkürlich, d.h. man empfindet. Bleibt dieses Empfinden jedoch aus und tritt an seine Stelle eine Wirrnis, die nach einer Erklärung verlangt, kehrt man zur ’niederen Stufe’, zum Denken, zurück. Intention wird behindert und die Erstaufnahme kann nicht mehr unverfälscht bleiben. Der Künstler hat sein Ziel, den Rezipienten zu erreichen, verfehlt. Daher muss er immer zum Rezipienten finden und nicht umgekehrt. Anderenfalls verkehrt sich sein Anliegen in sein Gegenteil. Der erste rein intuitive Eindruck wird durch nachträglich Interpretationen verfälscht und mit ihm jeder natürlich Hang zur Ästhetik (Kunstgefühl).
- Somit geschieht Kunstbetrachtung vornehmlich in der Absicht zu erquicken, d.h. sich am Schönen zu weiden. Kunst sollte also schön sein, um seine Zweck zu erfüllen. Nun ist der Begriff von Schönheit durchaus zu relativieren, zumal zuweilen gar im Abstoßendes Anziehendes sein kann (die Faszination des Entsetzens). Hier liegt die letzte Ursache für die unterschiedliche Deutungen und Kunstbewertungen.
- hat die Kunst erst einmal die Seele erreicht und zum Schwingen gebracht, geschieht das von selbst und bedarf keiner Erklärung. So etwas wäre eher störend und provoziert Missverständnissen und Fehlinterpretationen, da der Ersteindruck nachträglich verfälscht wird. Manche Künstler meinen, allein mit der Provokation den Zweck zu erreichen, indem sie den Rezipienten zur Interpretation zwingen und ihnen dabei freien Raum lassen. Indem sie aber etwas Bestimmtes zu Vermittelnde im Unbestimmten versanden lassen, negieren sie ihr eigenes ursprüngliches Anliegen. Die Kunst wird streitbar, interpretierbar, verkommt zur Ansichtssache – ein Anachronismus, der selbst durch die besten Erklärungen nicht mehr zu lösen ist. Die Frage ist nur, ist das noch Kunst?

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Tag der Veröffentlichung: 29.09.2008

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