Es ist ein ganz bekanntes Geräusch, selten spontan, denn er weiß immer um es.
Das Geräusch liegt bereits sehr lange in der Luft, bevor es sich manifestiert, bevor es erschaffen und dem Jungen nahe gebracht wird.
Wonach es klingt, das vermag er nicht zu sagen. Stellt man ihm diese Frage, so neigt er den Kopf unbewusst um ein paar Grad, verzieht konzentriert die Augenbrauen und presst die trockenen Lippen zunächst affektiv aufeinander, ehe seine Zunge hervorschnellt, um hinüber zu gleiten. Für sein Alter untypische Denkfalten kommen zum Vorschein und bleiben konstant erhalten, selbst wenn er schlussendlich scheinbar völlig gleichgültig mit den Schultern zuckt und gesteht, dass er keine Ahnung hat.
Er hat nichts gehört.
Dass er das Geräusch in- und auswendig kennen gelernt hat im Laufe der Jahre, spielt keine Rolle.
Es ist wie ein Gegenstand, der einfach irgendwo nutzlos in der Wohnung herumsteht. Ein ungebetenes Erbstück, das von ihm weder Beachtung noch Achtung geschenkt bekommt. Lediglich den Weg blockiert es ob seiner wuchtigen Natur.
Würde er noch einmal genauer hinsehen, er würde sofort die Hässlichkeit des Geräusches erkennen, aber er hat schon viel zu genau hingesehen, als dass er dies jemals wiederholen möchte. Der Anblick hatte ihm körperlichen Schmerz zugefügt und seine Augen brennend, nahezu versengt hinterlassen. Als Reaktion darauf war Tränenwasser ausgetreten, an dem sich das Geräusch gelabt und genährt, fett gefressen und sein Recht zu bleiben, scheinbar ewig zu wären, gesichert hatte.
Diese Macht sollte es nicht haben. Nie und nimmer.
Es war der größte Fehler seines Lebens, dem Geräusch diese Herrschaft ungewollt zuzusichern.
Sich dafür selbst hassend, hatte der Junge die Flucht angetreten, war kopfüber in die Taubheit gerannt und hatte beide Arme um die Apathie geschlungen, als er sie denn endlich einmal gefunden hatte.
Dennoch blieben das Geräusch und er gegen seinen Willen bis heute Bekannte, was ihn jedoch nicht daran hindert, die Bekanntschaft an sich stets zu verleugnen.
Nein, schüttelt er also jedes Mal abwehrend und mit den wenig überzeugenden Denkfalten auf der Stirn den Kopf. Starrt dabei stur an einem vorbei; die Unsicherheit in seinen Augen stets mit Härte kaschierend.
Nein, er kennt es nicht, dieses Geräusch, was durch die Wohnung schallt – hohl, schnell, ungestüm und sich immerzu wiederholend –, denn er will die damit verbundene Demütigung nicht kennen. Die Wände mögen zwar dünn sein, aber die Nachbarn bilden sich ihm zufolge nur etwas ein, wenn sie der Auffassung sind, er würde tagtäglich Prügel kassieren.
Ende
Bildmaterialien: Die Rechte des ursprünglichen Coverbildes liegen nicht bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 23.02.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
(2008)
Für all jene, die zu viel hören und zu wenig sagen.