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Prolog


Ziellos bewegt sich mein anmutiger Körper durch das lose Buschwerk. Lautlos und schnell bewege ich mich hinein in den dunklen Wald. Der Schnee unter meinen samt Pfoten interessiert mich keineswegs und auch die Kälte durchdringt mein dichtes Fell beschwerend, welches vom fallenden Schnee und der eisigen Kälte langsam zu gefrieren beginnt.
Mein Ziel ist ungewiss, überall könnten mich meine Pfoten fort tragen.
Doch mein Instinkt sagt mir, dass ich vorsichtig sein muss. Um meinen Willen und deren meiner Familie. Zu ungewiss sind diese schwarzen Tiefen, die auch meinen starken Augen viele Geheimnisse zu verbergen versuchen. So ist nun einmal der Winter. Die gefürchtetste Zeit des Jahres. Die Zeit der Angst. Doch ich glaube nach all den vielen Jahren, in denen wir in Sicherheit lebten, hat sich unsere Vorsichtigkeit abgestumpft.
Blind, sind einige für die lauernden Gefahren des Winters geworden. Besonders leichtsinnig sind die Jüngsten unter uns. Zu diesen gehöre ich auch, doch seitdem es Winter geworden ist haucht mir mein Instinkt eine immerwährende Angst in meine Adern. Sie lässt mich nie in dieser Gestalt zu Ruhe kommen, pumpt sich undurchdringlich durch mein heißes Blut. Dunkles Gestrüpp und gewaltige Tannen rasen an mir vorbei. Ich liebe es zu laufen. Seid meinem neuem Ich verlangt mein Geist nach bedingungsloser Freiheit und diese bekomme ich nur, wenn ich meinem Körper freien Lauf lasse. Eingefangen in meinem menschlichen Körper grollt das Tier in mir oft, lässt mich manchmal rasen vor Wut, schlägt seine Krallen in meine Brust und ist gierig. Davor habe ich Angst, dem Tier in mir vollkommene Kontrolle über meinen Geist zu geben. Habe Angst davor, auf das was passieren könnte, wenn ich es trotzdem tun würde.
Die beruhigenden Geräusche des Waldes wirken auf mich ein und ich weiß, dass ich hier hin gehöre. In den Wald, in die Freiheit. Doch noch ist es Winter, noch ist es zu gefährlich für mich, für uns alle.
Der Schnee unter meinen Hinterläufen wirbelt hinter mir auf, sobald ich das beschützende Dickicht verlasse und über eine freie Ebene rase. Leichtsinnig, doch ich traue mich. Bin einmal Furchtlos und mutig. Die Bäume zu meinen beiden Seiten bieten mir kaum Schutz und plötzlich geschieht alles rasend schnell.
Links und rechts. Farbige Körper streifen meinen Blickfeld. Rasen. Sind schnell und flink. Mein wildes Herz pocht laut in meinen aufgestellten Ohren. Mein Körper erstarrt wie Eis. Meine wachsamen Augen sehen sie und doch wieder nicht.
Sie sind da und haben mich noch nicht entdeckt.
Lauernd kauere ich dort auf dem schneebedeckten Boden und bewege mich keineswegs. Laufen sollte ich! Weg von hier. Doch nur meine Augen bewegen sich mit den farbigen doch dunklen Gestalten um mich herum. Manchmal erhasche ich einen deutlichen Körper und dann ist er wieder fort. Sie laufen nicht, sie springen von Baum zu Baum,fliegen, oder ist dies nur eine Illusion? Haben sie mich schon lange entdeckt und nur auf den richtigen Moment gewartet um mich zu kriegen? Und nun liege ich hier wie auf einem Serviertablett und preise ich mich ihnen an. Ich bin verrückt hier liegen zu bleiben, nur darauf zu warten, dass sie mich kriegen.
Es sind so viele. Mein Kopf fährt unaufhörlich wieder und wieder zu allen Seiten, um sie Alle im Blickfeld zu haben. Doch sie sind zu viele. Nie hätte ich das gedacht, nie an diese Größe. Sie sehen so schrecklich wild aus, so dass ihre Vielzahl mir noch gewaltiger vorkommt.
Ein abruptes Knacken zu meiner rechten lässt mich zusammen zucken. Meine Pfoten drücken meinen Körper in die Höhe, meine Pupillen werden zu kleinen Schlitzen. Ich sehe ihn. Schaue ihm direkt in seine Augen.
Wild ist kein Ausdruck für sie. Zum ersten mal verlässt mich mein Mut vollkommen. Mein Tier überwältigt meinen Geist in mir und zum ersten mal lasse ich ihn ganz frei. Lasse ihn laufen, weg von ihnen. Weg von der Gefahr. Ihre Gestalten verblassen in meinem Rücken. Doch diese Augen bleiben. Sie verfolgen mich, diese feurigen schwarzen Augen. Sie verfolgen mich weit. Sogar bis in meine Träume.

Kapitel 1


Diep... Diep... Diep...
Entnervt schlage ich mit meiner geballten Faust auf den nervtötenden Wecker, bringe ihm zum schweigen und drehe mich auf meine linke Schulter.
Doch auch dort werde ich unsanft durch das grelle Licht gestört, welches durch die Jalousie hindurch gekrochen kommt. Wütend presse ich mein Gesicht in das weiche Federkissen.
„Aaauuu..!!“
Mein Kopf schnellt in die Höhe und ich sehe im Augenwinkel wie sich eine Feder leicht in meine Wange gebohrt hat.
„Oh man! Kann man nicht einmal nett geweckt werden?!“, polternd setze ich meine nackten Füße auf meinen flauschigen Teppich und drücke mich in die Höhe.
Streckend durchquere ich mein Zimmer und quittiere meine zerzausten, schwarzen Haare mit einem zornigen Blick in mein Spiegelbild. Das künstliche Licht meines Badezimmers lässt mich erneut meine schon gereizten Augen zusammen kneifen. Um mir noch den letzten Rest zu geben klatschte ich mir kaltes Wasser in mein Gesicht und verziehe durch die Eises Kälte mein Gesicht. Nun bin ich ganz wach. Ziemlich scheiße, aber so ist es nun mal jeden Morgen bei mir.
>Also was sollst?<, frage ich mich, schnappe mir meine Sachen und zieh mir schnell einen dunklen Pullover und meine lila Lieblings Hose über. Hüpfend durchquere ich den kleinen Flur zur Treppe ins Erdgeschoss und versuche ungeschickt mir meine Socken über zu ziehen.
An der Treppe angekommen springe ich sie wie immer hinunter und komme beinahe zum fallen, als unten an der ersten Stufe mein großer Bruder Victor plötzlich auftaucht und mich damit heftig erschreckt.
„Victor! Mensch, pass doch mal auf. Ich hätte mir sonnst was brechen können!“, ihn anschnauzend trete ich an ihm vorbei, durchlaufe unseren kleinen Saloon zu unser neu renovierten Küche. Gefolgt von Victor, der mich, welches typisch an ihm ist, trällernd nach ahmt.
„Wie wäre es mal mit einem freundlichen >Guten Morgen all zu geliebtes Bruderherz. Ich hoffe du hast genauso gut geschlafen wie ich.< Aber nein, jeden Morgen das gleiche mit dir.“
Victor versetzt mir noch einen kräftigen Stoß an die Schulter, dem ich geschickt aus weiche um nicht noch auf den glatten Boden zu landen. Lachend verlässt Victor unsere Küche und knallt seine Zimmertür heftig hinter sich zu, als er sein Zimmer betritt.
„Das geht auch leiser! Wie wäre es mal mit mehr Gefühl?“, rufe ich ihm wie jeden Morgen hinter her und schmunzele über unser morgendliches Ritual.
Aus den hellen Hängeschränken schnappe ich mir eine Schüssel, den Müsli und die kalte Milch aus dem Kühlschrank und mische mir mein morgendliches Gebräu zusammen, rühre kräftig einmal mit dem Löffel in meiner Suppe herum und verdrücke stehend, an der Küchenzeile gelehnt, mein Frühstück.
„Guten Morgen Audrey. So früh schon auf den Beinen?“. Wie immer mit einem freundlichen Lächeln betretet meine Mum Leonoda ihre geliebte Küche und schaut mir mütterlich entgegen.
„Morgen Mum.“, nuschele ich gegen die matschige Pampe in meinen Mund an.
Mum schaltet ihre Espressomaschine an und macht sich einen kräftigen Kaffee.
„Warum bist du schon so früh wach, Liebes?“, fragt mich meine Mutter und schaut mir verständnislos in mein fragendes Gesicht.
„Hast du nicht erst zur Dritten oder Vierten?“
Entnervt schlage ich meine freie Hand gegen meine Stirn und bekleckere mich ein wenig mit Milch.
„Stimmt!“, seufze ich und stelle meine leere Schüssel in das Waschbecken und spüle schnell alles aus.
>Wie konnte ich das bloß vergessen?< Wütend auf mich selbst lasse ich meine grinsende Mutter alleine in der Küche zurück, gehe in mein Zimmer und überlege angestrengt was ich nun tun könnte.


>Komisch...<, denke ich, als ich meinen schwarzen BMW aus unserer Ausfahrt manövriere und die Scheibenwischer gegen den starken Regen anschalte.
>...Dass ich für die Schule extra zum Buchladen fahre.<
Belustigt über mich selbst drehe ich das Radio lauter , genieße die Bässe von Linkin Park- Burn it down und bewege meine Finger im Takt des Liedes auf meinem Lenkrad.
Das saftige Grün der Bäume ist gewechselt in grelles Gelb bis hin zu einem leuchtenden Rot.
Doch die bunten Farben des Herbstes verblassen mit der erhöhten Geschwindigkeit meines Wagens und ich muss konzentrierter auf die Straße achten.
Sonnst mach ich morgens vor der Schule so gut wie nichts um mich besser vor zu bereiten.
>Warum auch? Bringt ja schließlich nichts, wenn ich mir morgens den Kopf zermartere um dann in der Schule nicht auf passen zu können.<
Und doch fahre ich mit meinem neuen Wagen viel zu früh los um mir ein Buch für die Schule zu kaufen.
>Unglaublich Audrey. Unglaublich...<
Zu schnell ist der gute Klang des Liedes vorbei und wechselt über in einen lallenden Rap. Die schreckliche Stimme des Rappers beende ich mit einem schnellen „Klick“ zu einem anderen Radiosender, doch auch dort erklingt aus dem Radio eine grässliche Stimme einer alten Frau, die vergebens versucht gegen die viel zu laute Band an zu schreien.
Genervt drücke ich den Aus-Knopf viel zu stark und lehne mich erleichtert zurück in meinen Sitz, als es endlich ruhig ist.
Immer noch auf das Lenkrad trommelnd biege ich nach links um auf die Hauptstraße zu gelangen und bin erfreut darüber, dass die Straßen noch wenig befahren sind.
Unbewusst fange ich an „Burn it down“ nach zu trällern und klopfe stärker im Takt des Liedes auf das Lenkrad.
„The cycle repeated
As explosions broke in the sky“, summe ich, als vor meinen Augen ein heller Blitz durch die Wolkendecke bricht.
Der nachfolgende Donner grollt bedrohlich gegen die Welt. Draußen fällt der Regen in einem halsbrecherischen Tempo hinunter und überschwemmt die Gullys und somit auch die Hälfte der Straße.
„All that I needed
Was the one thing I couldn't find“, unbeirrt singe ich weiter und störe mich nicht an dem für manch schlecht aussehendem Wetter.
Für mich ist es einfach schön, dass weiß, lila, und blau der Blitze zu bewundern und dem tiefen Klang des Donners zu lauschen.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.08.2012

Alle Rechte vorbehalten

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