Einmal Hin und Zurück
Unter meinem Auto rauscht der Asphalt, der mich unwiederbringlich vorantreibt. Die Sommernacht ist mild, fast zu mild, schwül und genauso wenig Luftbewegung wie um mich herum herrscht, genauso ist ein Stillstand in meinem Herzen eingetreten. Nichts bewegt sich mehr. Ich bin innerlich wie erstarrt, kann kaum noch denken. Der weiße Mittelstreifen vor mir rollt unter mir hinweg und mit jedem Meter wird der Knoten in meinem Hals größer. Ich hab den Rückzug angetreten, weil ich Dich aus dieser Situation der Missverständnisse herausbringen wollte.
Dein 3-tägiges Schweigen hat mir den Nerv geraubt, mir die Luft zum Atmen geraubt und mich letztendlich mit den Rücken an die Wand gestellt. Wenn ich das endgültige Ende vermeiden wollte, dann gab es nur den kontrollierten Rückzug.
Und jetzt fahr ich, Meter um Meter, und wäre viel lieber bei Dir; würde lieber in Deinen Armen liegen, Deinen Duft in mich aufnehmen, die Sanftheit Deiner Haut spüren, Deinen Zärtlichkeiten und meiner Lust nachgeben, doch stattdessen rollen die Meter unter mir und in meinem Kopf kommen Zweifel auf - und Angst!
Mein Herz schlägt so laut, das ich es trotz Motorengeräusch deutlich hören kann. Mein Brustkorb scheint zu klein für dieses riesige, liebende Herz zu sein, welches mir fast herausspringt und droht zu zerplatzen. An meinem Hals spüre ich meinen Puls, fast im gleichen Takt, wie die Drehzahl meines Motors.
Eine innere Ohnmacht überfällt mich, lähmt meine Motorik. In meinem Kopf schwirren 1000 Gedanken, wild durcheinander, kaum noch zu ordnen.
Das Ende eines Märchens!
Ein Gedanke, der immer wieder auftaucht, ohne Anfang und ohne Ende.
280 km ...
... Angst, ... Selbstzweifel, ... Chaos im Kopf, ... Risiko, ... Liebe im Herzen, ... hoffen, ... bangen, ... glauben, ... heulen, Ohnmacht!
Aus der Ohnmacht wird ein Wille. Wie bei einem Überlebenskampf kämpft mein Herz gegen meinen Verstand.
An der nächsten Ausfahrt fahre ich raus. Es wären nur noch wenige Kilometer bis Zuhause gewesen.
280 km zurück!
Im Morgengrauen komme ich an. Im Haus ist noch alles dunkel. Wut packt mich, als ich das Haus betreten. Wut auf mich selbst.
Nun hatte ich mir die ganze Nacht um die Ohren geschlagen, um am Ende genau da zu sein, wo die Nacht begonnen hatte.
Ich betrete die Küche, schalte das Licht ein und koche einen Kaffee.
Draußen wird die Nacht zum Tag und so wie das Tageslicht allmählich den Raum erhellt, lichten sich auch meine Gedanken in meinem Kopf.
Ich sehe wie der Kaffee langsam in die Glaskanne tropft.
Dann stehst Du einfach da. Total verschlafen reibst Du dir deine Augen. Die Haare stehen wie wild in die Höhe. Dein hellblauer Schlafanzug hängt auf halb acht.
"Bin aufgewacht und Du warst nicht neben mir", sagst Du immer noch verschlafen. "Ich dachte schon Du wärst gegangen!"
Manchmal muss man gehen, um zurückkommen zu können, denke ich und irgendwie hängen mir die 560 km arg in den Knochen. 560 km und alles nur um einen klaren Gedanken fassen zu können.
Du kommst auf mich zu. Deine Arme umschlingen mich und dein Kopf sinkt auf meine Schulter. Ich spüre deine Erleichterung, das ich noch da bin und auch mich erfüllt Zufriedenheit, das ich zurück gekommen bin.
Tief atme ich deinen Duft ein und es ist wie eine Belohnung für den weiten Weg, der mich zu Dir geführt hat.
Draußen höre ich die ersten Vögel singen und die ersten Sonnenstrahlen dringen ins Innere.
Es wird ein guter Tag werden.
Ein Tag, der es wert ist gelebt zu werden.
Blutzucker
Verschlafen kroch ich aus meinem Bett. Durch das halbgeöffnete Fenster des Wohnwagens erreichte mich frischer Kaffeeduft. Ich zog die Gardine etwas zur Seite und blickte hinaus. Die Sonne war gerade aufgegangen.
In der Luft hing noch der Geruch von verschüttetem Bier des Vorabends. Auf dem Rasen vor der Tür strahlten noch einzelne Wassertropfen der Morgennebels.
Weit entfernt hörte ich bereits die ersten Motoren aufheulen. Das erste Training des Truck-Grand-Prix hatte bereits begonnen.
Rund um unseren Wohnwagen war es ansonsten noch still, nur unsere Nachbarn waren scheinbar immer noch am feiern.
Dann kamst Du aus dem Versorgungszelt, welches links neben unserem Wohnwagen stand. Als du mich entdecktes, erhellte sich dein bis dahin nichts sagender Gesichtsausdruck zu einem liebevollem Lächeln.
"Komm, ich hab schon Kaffee gemacht." Im Klang deiner Stimme konnte man noch die Biere vermuten, die du am Abend getrunken hattest. Die Luft war durchtränkt von kaltem Rauch unzähliger Grillstätten. Auf einem Campingstuhl im Vorzelt nahm ich Dir gegenüber Platz. Liebevoll reichst du mir die Kaffeetasse.
"Gut geschlafen?" fragst Du mich.
"Ich schlaf immer gut, wenn du in der Nähe bist!" antworte ich und mein Blick fällt auf Deine verwuschelten Haare.
Zuhause würdest Du so nie raus gehen, denke ich und als ob du meine Gedanken erraten könntest, sagst Du: "Ich werd mal gleich zu den Duschkabinen gehen und mich etwas herrichten."
Still lächle ich in mich hinein. Ich denke an die vergangenen Wochen. Diese Auf und Ab der Gefühle. Immer wieder dieser Zwiespalt, dieses Sein zwischen gut und böse, zwischen Sehnsucht und Verlassensängste. Ich denke aber auch an deine Zärtlichkeiten, die unzähligen Anrufe, die gefühlvollen, schmeichelhaften SMS, jeden Zuspruch, jede Motivation...
Und jetzt, sitzen wir hier; wie ein altes Ehepaar, als wäre es nie anders gewesen und seine Freunde, die so tun, als gehörte ich schon immer zu Dir. Eigentlich ist es ja auch so. Seit 31 Jahren bist du in meinem Herzen.
Eigentlich wollte ich nie einen anderen!
Als du 30 Minuten später vom Duschen zurück kommst, sitze ich immer noch in meinem Stuhl und hänge meinen Gedanken nach. Ich genieße jede Sekunde, die ich in deiner Nähe verbringen darf. Du bist ein Geschenk des Lebens für mich. Nie war ich mir so sicher zu jemanden gehören zu wollen. Eine tiefe Zufriedenheit erfüllte meinen Alltag seitdem du neben mir bist.
"Beiß mal ab", sagst du und reichte mir ein Stück Brot mit Wurst direkt vor meinen Mund.
"Es dauert noch eine Weile bis der Grill endlich läuft. Dir sackt sonst dein Blutzucker in den Keller."
Bei diesen Worten wirkt dein Gesicht sorgenvoll.
Ich biss ab und während ich still vor mich hinkaute musste ich daran denken, das sich noch nie jemand um meinen Blutzucker gekümmert hat.
Ein unendliches Gefühl der Nähe, der Dankbarkeit und der Liebe stieg in mir hoch und drückte mir ein paar kleine Tränen in meine Augen. Verlegen wischte ich sie mit meinem Handrücken weg, während ich ihn ansah, als er sich gerade in diesem Augenblick umdrehte und mir mit einem einzigen Blick sagte, wie sehr er mich liebte.
Nähe
Durch das halbgeöffnete Fenster dringen die Strassengeräusche aus der Ferne zu uns ins Zimmer. Der Morgen wirft sein gedämpftes Licht auf unser Bett. Du liegst neben mir und dein Atem ist ruhig und gleichmäßig. Leicht verdreht liegst du auf deiner linken Seite. Dein Kopf ist zur Seite gedreht und dein rechtes Bein ragt angewinkelt unter der Bettdecke hervor.
Nun öffne ich meine Augen ganz und sehe dich an. Durch Fenster fällt gerade jetzt der erste Sonnenstrahl des Tages und umhüllt deine Konturen.
Ich entdecke diese kleine Kuhle an deinem Halsansatz, die jetzt, während du schläfst, sich sanft auf und nieder bewegt. Mein Blick gleitet tiefer und sieht diesen zarten Pflaum deiner Brust, die behaarlich deine zimtfarbenen Brustwarzen umschmeicheln und noch dunkler erscheinen lassen, als sie in Wirklichkeit sind.
Mein Blick wandert weiter hinab an deinem Bauch entlang, dessen Muskulatur nun deutlich hervortritt. Dann endet mein Wahrnehmung, denn deine Lenden verdeckt deine Bettdecke. Mein Blick wandert weiter, immer noch in der Hoffnung, all deine Schönheit, die Perfektion deines Körpers weiter erforschen zu dürfen.
Dein Po ragt rund fest unter der Decke hervor. Dein Bein ist leicht angewinkelt und die leichte hellbraune Behaarung setzt sich am Oberschenkel fort, bis sie sich, handbreit über deinem Knie meinem Blick entzieht. Dein Fuß ist wohlgeformt, sind ohne Ecken und Kanten, jeder Zeh nahezu perfekt und sehr gepflegt.
Jetzt drehst Du dich auf den Rücken. Der rechte Arm findet unter deinem Kopf seinen Platz, der Linke liegt entspannt auf deiner Brust.
Ich stelle fest, wie sehr ich Dein Äußeres doch mag. Immer noch umhüllt dich der Sonnenstrahl, der jetzt deutlich heller durch Fenster fällt. Wie ein Adonis liegst du da und ich kann kaum wegsehen. Dein Anblick hält mich gefangen.
Von deiner Achsel geht eine klare Kontur bis zu deiner Hüfte. Der beste Maler hätte es nicht besser malen können.
Dein Gesicht ist maskulin mit klaren Abgrenzungen. Deine Lippen voll und gut ausgeprägt und das kleine Grübchen in deinem Knie rundet die ganze Sache nur noch ab und gibt dir was Jungenhaftes.
Dein inzwischen lichtes Haar hat sich wild in alle Richtungen aufgestellt und jetzt im Sonnenstrahl leuchtet jedes Haar, als wäre es aus reinem Gold.
Du öffnest Deine Augen und blinzelst mich verschlafen an. Du rückst ganz dicht an mich ran. Dein Kopf findet seinen Platz in meiner Armbeuge. Dicht an mich gedrückt, rollst du dich zusammen wie ein Baby im Mutterleib. Unbewusst lege ich meine Arm über Dich und meine Hand schützt deinen Kopf.
So liegen wir da und ich spüre deine Wärme und dein Duft, der meine Sinne betört. Ich spüre Deine Kraft, aber auch dein Schutzbedürfnis. Wir sind wie Ying und Yang. Wir sind wie Feuer und Wasser und dennoch...
... wir vervollständigst uns!
Irgendwann in meinem Leben hat mich mal jemand gefragt:
Würdest du gerne mal in die Ferne ziehen? Kennst du Fernweh?“
Ich dachte nach und erkannte
Da war ich schon!
Ich würde lieber nach Hause wollen!
Weihnachten ist los
Jedes Jahr aufs Neue trifft es uns wie ein Schlag
Weihnachten ist los!
Nicht das wir es nicht wüssten
Aber jedes Jahr überrascht es uns aufs Neue
Und was wir das ganze Jahr verdrängt haben
Jetzt kommt es raus,
als ob eine fremde Macht über uns hereinbricht,
Weihnachten ist das Ventil der Seele!
Wie froh bin ich doch
mit dir ein Stück des Weges gehen zu dürfen
Die gleiche Richtung zu haben
und den Unebenheiten des Alltags entgegenzuwirken
Zuhause
Wenn ich den Tau der Nacht nicht nur sehen, sondern, bevor ich aufgestanden bin, durch offene Fenster riechen kann.
Wenn ich Sonntagmorgen die Glocken der Kirche hören kann,
in der ich getauft wurde
Wenn die Sonne am Abend über die Hausdachkante
direkt auf mein Gesicht fällt und mich wärmt
Wenn das Strahlen in den Gesichtern
von liebenden Menschen mir gilt
Wenn der Winter noch Schnee hat
der Frühling im eigenen Garten die Allmacht Gottes zeigt
der Sommer noch warm und fröhlich daher kommt
und der Herbst seine schönsten Farben zeigt
Wenn Du, in all Deiner,
nur von mir gesehenen, Schönheit,
mit offenen Armen auf mich zu kommst
Dann bin ich zu Hause
Texte: Heidelore M. Becker
Bildmaterialien: (C)2007-2010
Tag der Veröffentlichung: 14.12.2008
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Es ist erstaunlich, dass man im Dunkeln viele Dinge sehr viel deutlicher erkennen kann!
Ich schrieb diese Zeilen für einen wichtigen Menschen meines Lebens, der mich lernte, das sich Liebe und Zuneigung nicht immer in Gefühlen ausdrücken muss.
Danke W. das es Dich gibt!