Helgas blumige Blickwinkel
Blumen für alle!
Blumen für die, die sie finden, sehen und bedichten möchten.
Ich male mit Freude, selbst die kleinen raren, weißen, die sich an den Felsen klammern, die Mütterchen, die mit ihrem Namen so stiefmütterlich behandelt sind, aber leuchten, wenn an Rosen noch nicht zu denken ist. Zu Pfingsten aber gibt es Prachtvolles und im frühen Sommer entzückt der Mohn, die blaue Kornblume genießt inzwischen verdienten Naturschutz, die hohe Iris wiegt sich im Wind und die Margeriten zeigen uns den Sommer auf ihre Art.
Blumen sind aus jedem Blickwinkel schön.
Der rote Fingerhut
Nachdem ich für meine Freunde Blumen malte, überlegte ich, was so zu mir wohl passen könnte. Der Fingerhut erschien mir. Er wurde mir quasi gesandt, hatte ich ihn doch auf diversen Wanderungen fotografiert. Doch was kann man nun davon halten?
Tabernaemontanus wusste 1588 noch keine Anwendung für diese Pflanze:
- „Wozu diese Kreuter zu gebrauchen seyn/ finde ich nicht bey den Authorn.“
- Erschrocken lese ich, dass „ Unserer-lieben-Frauen-Handschuh“ 2007 zur Giftpflanze des Jahres erkoren wurde. Ich gebe zu, dass verwirrt mich. Ich wusste, dass so ein Fingerhut reichlich giftig ist, aber so schlimm? Muss ich mir denn immer das Giftigste aussuchen?
- Ich mache mich schlau, muss es doch auch Gutes über den Fingerhut geben. Ich hoffe es. Doch was lese ich nun:
- „dass nach Verfütterung von Fingerhut an Truthähne deren Herz, Leber, Gallenblase und Lunge geschrumpft waren. Das führte dazu, dass auch die Engländer den Fingerhut seltener anwendeten. Böse Feen sollen die Blüten einst als Handschuhe den Füchsen geschenkt haben, damit diese lautlos ihr Unwesen in den Hühnerställen treiben konnten. Die Zeichnung der Blüten soll daher von den Fingerabdrücken der unglückbringenden Feen herrühren.“
- Aberglaube eben.
- Zu meiner Erleichterung finde ich dann dieses:
„Der Eingang in die Blüten wird kleineren Insekten durch senkrecht hochstehende Sperrhaare verwehrt; gewöhnlich können nur Hummeln eindringen („Einkriechblume"). Man findet den Roten Fingerhut zerstreut aber gesellig auf Kahlschlägen, vor allem des Gebirges, an Waldwegen und in Waldverlichtungen. Nach Ellenberg ist er eine Halblichtpflanze, ein Mäßigwärmezeiger mit ozeanischer Verbreitung, ein Frischezeiger, ein Säurezeiger und eine Verbandscharakterart der Weidenröschen-Waldlichtungsfluren.“
Ich fasse zusammen:
Die Einkriechblume
ist als giftiger Zeiger gut
gesellig auf Kahlschlägen verführt er Füchse
der rote Fingerhut.
Er treibt es mit unglücksbringenden Feen
und Hummeln
der rote Fingerhut.
Und doch lieb ich ihn mit Mut,
man muss ihn ja nicht essen,
den roten Fingerhut.
Helga
Cecilias Stiefmütterchen
Die Mutter Stief, die Mutter Schwieger –
sie waren beid’ ein recht’ Kaliber –,
die stritten einst darum, wer nun
der schwarze Schwan sein rundherum.
Die Mutter Stief,
die rief:
„Zu meinem Kegel
war ich ein Ekel.“
Die Mutter Schwieger
grad wie ein Tiger
die Zähne bleckt’,
und mit ’nem Lachen, recht verdreckt
liess sich nicht lange bitten:
„Bei meinen Ohnmachts-Titten:
Mein Schwiegertöchterlein –
für mich ein Riesen-Schwein -
hat meinem selbstgeback’nen Sohn,
der ward vergang’ner Liebe Lohn,
das Hirn gegrillt.
Mein Kamm, er schwillt!“
Vor so viel Gift die Mutter Stief
beschliesst zu flieh’n den faulen Mief;
Ganz ohne Neid sie spricht:
„Oh, hoh’ Gericht:
Die Dornenkrone sei der Lohn
für die, die opfert’ ihren Sohn.
Ich möchte’ fortan im Schatten
mich mit der Sonn’ begatten.“
Cecilia
Das Edelweiß von Johannes
Ich seh' das brave Edelweiss
zäh und klein, wie jeder weiss.
Es duckt sich meistens an den Hang,
wird ob des Wetters gar nicht bang.
Liebe Helga, lass dir sagen,
Ich werd' dem Blümlein Sorge tragen.
Diesen Vergleich, der freut mich sehr.
zäh und klein, was willst du mehr?
Johannes
Gelis Mohnblumen
Mohn, du roter,
lässt leuchten sattes Grün.
Der Wind fegt über das Gras
und deine Blütenblätter zittern
und falten sich ohne Wunde.
Bewimpertes Auge,
am Grund vier schwarze Tränen.
Die Sonne fängst du in deinen Kelchen
und reifst zu Schlaf.
So zart, so stark
und so vergänglich.
für Geli von Cecilia
Die Pfingstrosen von Sissi
Schrebergarten
für Anna
Schau aus dem Fenster
Staubtropfen bedecken Scheiben
Sonne schiebt mühevoll Wolken
gebrechlich ist der Tag
Straßen ächzen unter Regen
Löwenzahn findet Weg zwischen Steinen
Gänseblümchen lächeln
an Pfingsten Rosen blühn
Rosarote Blüten füllen den Garten
mit schwerem Duft
drüben Nachbars grillen
Bratwurst vertreibt Rosenduft
Sissi
Enyas Kornblumen
Sommertraum
Zeit, uns geschenkt, steht still.
Träge wehendes Korn,
sattes Blau im leuchtend' Gelb,
zartes Seidenband über uns gewebt.
Wir liegen im Farbenland der Erinnerung.
Blicke, tiefblau gesprenkelt,
lassen uns in Tiefen tauchen.
Hand an Hand, Mund an Mund.
Blaues Meer und immer noch mehr:
Herz an Herz.
Jetzt ist die Zeit, das Vergessene
anzuhalten und im Sinnestaumel
den Reigen mitzutanzen,
wenn über allem der Sommer träumt.
© Enya
Die Iris für Konrad
Tage der Blumen
(Katja Kortin)
Der ältere Mann führte Wanda über die fette Wiese bis an den Rand des Sumpfes: „Wenn du unbedingt Blumen willst, kannst du hier welche finden.“ Mit unbestimmter Handbewegung deutete er auf den Sumpf. Schwarze Tümpel umgab dichtes hochgewachsenes Schilf, das es unmöglich machte, zu übersehen, wie groß und weit sich dieses Schilfgebiet ausbreitete. Die Sonne gab sich redlich Mühe, aber es war nicht warm. Bei dem Gedanken mit jedem Schritt knöcheltief in zähen morastigen Boden zu versinken - unter dem vermutlich schwarzes Wasser hervorquadderte - fröstelte es sie. Aber sie musste Blumen haben, sie brauchte sie unbedingt als Gastgeschenk für heute Abend. Und die Geschäfte waren schon zu. Sie hätte sich beeilen sollen, dann hätte sie noch welche bekommen. Und nun zieh sie sich der Schlamperei. Ärgerlich biss sie sich auf die Unterlippe und lief unentschlossen am Rand des Sumpfes hin und her.
„Willst du nun Blumen oder willst du keine?“ drängte der Mann ungeduldig. Sie wagte den ersten Schritt in den Sumpf. Dann den zweiten, den dritten und war mitten drinnen. So arg ist es doch gar nicht, fand sie nun. Wohl versinken die Füße, aber sie bleiben nicht stecken, versacken nicht in zäher Klebrigkeit, wie sie befürchtet hatte.
Rechts neben dem mit schwarzem, unbewegtem Nass angefülltem Tümpel stand Schilfwald. Zaghaft und auf der Hut näherte sie sich dem Gewässer. Der Boden behielt zumindest soviel seiner Festigkeit, dass sie ziemlich mühelos weiter gehen konnte.
Jetzt galt es, sich den Weg durch das Schilfdickicht zu bahnen. Mit beiden Händen bog sie die hohen, gelben, schlanken Rohre auseinander und wagte nicht ihren Augen zu trauen: Blumen über Blumen, große rote Blüten - auf hohen grasgrünen Stielen. Schritt für Schritt kämpfte sie sich durch das Dickicht, bis sie das kleine Stückchen Wiese erreichte, auf dem die Blumen wuchsen.
Sie eilte zur ersten, um den Stiel dicht am Boden zu brechen, aber es gelang nicht. Sie bog ihn hin und her. Umsonst. Sie probierte es weiter oben. Wieder nichts. Ungeduldig glitt ihre begehrliche Hand weiter hinauf. Endlich in der Mitte gab der Stiel nach, knickte und brach. Über ihre Hand lief Saft, der klebrig wurde, als sie ihn rasch verreiben wollte. Auch die nächsten Blumen ließen sich erst in der Mitte des Stiels brechen. Schade, sie hätte sie gern langstielig gehabt. Sie war ein bisschen enttäuscht. Immerhin aber hatte sie drei prächtige tiefrote Blumen, Dahlien, mit den größten Blüten, die sie je gesehen hatte.
Schon wollte sie sich mit ihrer Beute begnügen, als ihr einfiel, dass es hinter dem angrenzenden Schilfwald auch Blumen geben müsste. Mit wenigen Schritten hatte sie die ersten Schilfrohre am Rand der Lichtung erreicht, bog sie weit auseinander. Sie war überrascht. Einige der mannshohen Rohre vor ihr trugen große Dolden. Ähnlich schweren Trauben. Erikafarben. In einer hohen Vase mussten die traumhaft aussehen. Von dieser Vorstellung entzückt bückte sie sich rasch, nahm direkt über der Wurzel einen der kräftigen Stiele fest in die Hand und prüfte, ob er sich brechen ließ. Er brach krachend, ein kleine Explosion. Ebenso mühelos ließen sich auch die anderen knicken, so lang wie sie vor ihr standen. Für jetzt mussten ihr vier, fünf genügen. Sie waren schwer und fast so hoch wie sie selbst. Aber nachdem sie sich ein wenig ausgeruht hatte, verlangte ihr nach mehr. Wenn sie obendrein ein paar ebenso langstielige von anderer Farbe fände, dann wäre der Strauß komplett.
Ihr wurde warm, als sie sich weiter durch den Rohrwald arbeitete. Spitziges Schilf kratzte ihre nackten Arme und zurückschnellende Dolden schlugen ihr ins Gesicht. Aber nicht sehr grob, eher sanft. Und wirklich, sie hatte sich nicht getäuscht. Zwischen den Rohren leuchteten Blumen hindurch. Gelbe, wie Osterglocken und weiße, Lilien vielleicht. Sie hatte es geschafft. Vor ihr breitete sich eine Wiese aus. Malerisch und nicht zu dicht verteilten sich darauf die hochgewachsenen Blumen, jede für sich in den blauen Himmel ragend, fast einsam. Es gelang ihr nur mühsam die widerspenstigen Stängel in der Mitte zu brechen. Sie trotzten ihr. Die Finger klebten von herunter rinnendem Saft. Drei gelbe, zwei weiße schaffte sie. Dann gab sie auf.
Unzufrieden mit sich machte sie sich daran, ihren Strauß zu ordnen. Rote, gelbe, weiße Blüten lehnte sie an die hohen gelben Stiele, deren traubenartige, erikafarbenen Dolden sich inzwischen leicht geneigt hatten. Sie nahm den Strauß in die Hand, hielt ihn weit von sich und betrachtete ihn prüfend. Sah der nicht aus, als sei er eines Begräbnisses würdig. Für eine Vase war er viel zu üppig. Er musste jedenfalls in mehrere verteilt werden.
Margeriten für Signe
Blumenorakel
Die Margeriten aufgestellt
einfach, weiß - unscheinbar
auf herrlichem Feld.
Pflücke die erste
zu befragen das Orakel:
Er liebt mich, ...
Er liebt mich nicht ...
Welch' ein Debakel!
Der Duft eher unangenehm
einfach, intensiv - offenbar
doch herrlich anzuseh'n.
Pflücke die zweite
nicht, Blumen in Pastell:
Er liebt mich nicht, ...
Er liebt mich ...
Herrliches Spektakel!
Signe
Lothars Lavendel
Lavendelfelder
Nie zuvor sah ich sie,
die Lavendelfelder.
Ihr Duft ist unbeschreiblich
Ihre Farben unvergleichlich
Nie zuvor war ich euphorisch
in Lavendelfeldern
Sie leuchten in der Ferne
Ich saß vor ihnen so gerne
Den Lavendelfeldern
Meine Augen sahen das blaue Bild
Meine Ohren lauschten dem Summen
Meine Nase atmete betörendes Aroma
Alle Sinne tauchten ein
In die Lavendelfelder
Ich nahm sie mit, behalte für immer
das Bild der Lavendelfelder
von Helga erdacht und erlebt
Tulpen für alle
Blick auf den Strauß
Blick auf den Blumenstrauss
Er ist freundlich und erfreut,
verweilt ein wenig wehmütig -
er wird ganz sicher verwelken.
Nicht zu früh und nicht vergebens.
Jede kleine Freude des Lebens
währt nur einen Augenblick,
der aber mit einem Tasten-Klick
festgehalten und schaun wir zurück,
lächeln wir ihm zu und sagen:
DU
hast uns viel gegeben.
meint Helga
Blick aus dem Blumenstrauß
Ein Strauß, geöffnet, wie ein Schlund,
begrüßt uns mit dem Blütenmund.
So manches Blümlein lächelt zart,
der Farn, der streicht sich über’n Bart.
Und alle sagen auf einmal:
„Ach ! Schaut! Der Leser liebe Zahl.“
antwortet Cecilia
Impressum
Tag der Veröffentlichung: 07.06.2014
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