Redewendungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und in eine Geschichte gepackt!
am Riemen reißen
aufs Dach steigen
einen auf die Lampe gießen
in die Suppe spucken
in die Ecke stellen
auf den Senkel gehen
Jeder schreibt eine kleine Geschichte, in der diese Redewendungen vorkommen, oder eine Anekdote, ein Gedicht, eine wahre Begebenheit ...ernsthaft oder heiter.
Das war unser Ziel.
Theo und Tina
- Helga
Tina war ein sehr liebes und kluges Mädchen, sie freute sich auf ihren Bruder, der endlich nach sieben Jahren, quasi als Nachkömm-
ling, die Familie bereichern würde.
Nun, Baby Theo war nicht gerade eine Schönheit, dafür war er groß und kräftig, hatte blaue Augen und kein Haar auf dem Kopf. Sein Appetit war riesig und er nahm, was er kriegen konnte. Tina fand, dass er das großartigste Baby der Welt sei.
Nachts schrie er allerdings zum Gotterbarmen und spuckte seinen Schnuller durch das Gitter des Bettchens, so dass die arme Mutti mit einer Taschenlampe herumkroch, um das elende Dingelchen zu finden, danach abzuspülen und es ihm wieder aufs Neue, in der Hoffnung auf Ruhe, zu verpassen. Manchmal gab es von dieser Zeremonie etliche Wiederholungen. Theo ging damit der ganzen Familie inzwischen mächtig auf den Senkel.
Theo hatte eine ganz besondere Gabe, er vermochte seinen Schnuller erstaunlich weit zu spucken. Tina musste dann immer lachen, wenn er es am Tage machte. Einmal, am Sonntag, spuckte er ihn in Papas Suppe, dass es spritzte, aber Papa hatte darüber überhaupt nicht lachen können.
Der gute Papa hielt das alles am wenigsten aus. Er goss sich in seiner Not abends tüchtig einen auf die Lampe und stöpselte seine Ohren zu. Eine wirkliche Lösung war das auch nicht.
Tina fand, dass die Eltern, insbesondere Papa, sich doch am Riemen reißen könnten und sie hätten sich doch allmählich gefälligst etwas einfallen lassen müssen. Aber diesbezüglich geschah nichts, nur dass Mutti immer todmüde war und ziemlich käsig aussah. Papa hatte meist schlechte Laune und Kopfschmerzen. Manchmal stritten sie sich sogar wegen Theo.
„Steig mir deswegen nicht auf Dach“, jammerte Mutti. „Ich kann ja nichts dafür und suche den verdammten Schnuller Nacht für Nacht, damit wir Ruhe bekommen. Du dröhnst dich zu und hörst nichts, gehst zur Arbeit und hast dort Deine Ruhe...“
Papa war dann noch mieser drauf und schrie, dass er sich nicht in die Ecke des schlechten Vaters stellen lassen würde und er hätte auf seiner Arbeit leider auch keine Ruhe. Jawohl.
Tina beschloss, dagegen etwas zu unternehmen, sie hatte nämlich eines Nachts, als Theo wieder brüllte, eine grandiose Idee.
Sie kaufte von ihrem ganzen angesparten Taschengeld zwanzig Schnuller. Die wurden abgekocht und auf drei Einkochgläser verteilt. In jedem Raum stand nun ein Glas mit einsatzbereiten Schnullern. Wenn einer ausgespuckt wurde, musste Mutti nicht mehr lange suchen und hatte sofort Ersatz zur Hand. Damit war viel erreicht, das ganz große Geschrei blieb aus und Mutti musste nicht mehr mit der Taschenlampe herumkrauchen
Tina liebte ihren Bruder, egal, was Theo auch noch anstellte, sie ließ es nicht zu, dass er jemandem auf den Senkel ging oder etwas Schlechtes über ihn sagte. Sie fühlte sich verantwortlich und dabei blieb es.
Das klitzekleine Ding
- Lothar
In unserem Haus brodelt es. Beziehungsweise brodelt es nicht, und das ist das Problem. Denn wir haben kein warmes Wasser mehr. Das kalte kommt wie gehabt aus den Hähnen, es ist eisig, was von der Außentemperatur kommt, schließlich ist es ja Winter. So eisig, dass es kein Duschen erlaubt. Darin sind wir uns einig, so wie wir hier versammelt im dritten Stock bei den Beydrichs sitzen und aufge-
bracht vor uns hin miefen.
„Jetzt bringen wir es erst mal auf den Punkt“, sagt der aus dem Vierten, der naturgemäß das Sagen übernommen hat. Einer hat es ja immer, und das ist gut so, denn wir anderen gackern wild durcheinander wie ein flatternder Hühnerstall, an dessen Pforte der Fuchs kratzt.
Der Punkt ist schnell gemacht. Ein Teil ist kaputt, ein klitzekleines überdies, was den Tatbestand erschwert, denn für was Größeres hätten wir eventuell Verständnis, aber dass ein fingerhutkleines Ding es wagt, uns die Reinlichkeit zu nehmen, nein, das geht nicht.
„Zehn Tage ist die Lieferzeit“, will jemand erfahren haben. Sicher kommt es aus China oder aus Indien, vielleicht ist es bereits auf dem Weg. In einem Flugzeug. Die Nachricht beruhigt, immerhin ist es unterwegs, es tut sich was, unser mieser Geruch ist nur eine Frage der Zeit. Bald wird es in den Rohren wie gehabt wieder warm rauschen.
„Und was, wenn das Teil nicht passt? Oder wieder kaputt geht? Noch zehn weitere Tage ohne Dusche?“ Der aus dem Erdgeschoss nervt, es ist seine Hausmarke, den anderen auf den Senkel zu gehen.
„Leute, Leute, Leute“, beruhigt der mit dem Sagen die Menge. „Eins nach dem anderen. Lasst uns erst mal auf das kleine Teil warten, danach werden wir sehen.“
„Aus China! Das ist ja Blödsinn. Vierzig Jahre ist der Boiler alt, und dafür sollen die Schlitzaugen Ersatzteile haben? Lächerlich, wenn ihr mich fragt.“
Ihn hat aber keiner gefragt, und der Menge ist es auch egal, woher das fingerhutkleine Ding kommt, Hauptsache es kommt. Denn das hat die Hausverwaltung gesagt, die das Telefon nicht mehr abnimmt, weil die Leitungen heiß gelaufen sind, so oft haben wir angerufen. Erst geduldig gemeldet, dann nachhakend reklamiert, schließlich aus allen Rohren gezetert.
„Und was ist mit dem Licht im Treppenhaus?“
„Richtig! Und der Lichtschalter neben dem Fahrstuhl im Zweiten.“
„Licht, Licht, Licht. Ist Dir aufgefallen, dass, wenn Du das Licht im Zweiten anknipst, alle Birnen in den vier Etagen leuchten? Sogar im Keller geht die Funzel an. Pure Verschwendung.“
„Na, im Moment leuchtet gar nichts.“
„Apropos Keller. Das Schloss ist seit Monaten kaputt. Das juckt die da nicht.“
„Leute, Leute, Leute! Eines nach dem anderen. Erst das Warmwasser. Noch drei Tage Geduld …“
„Drei Tage…Reine Theorie. Denn wenn das chinesische Ding nicht passt…“
„Oh, Gott, ich bin schwanger. Im achten. Noch zehn Tage ohne eine warme Dusche, und ich gehe nieder.“
„Was hat das warme Wasser mit einer Schwangerschaft zu tun? Außerdem bist du seit fünf Jahren schwanger, nur, weil du den Behindertenparkplatz willst!“
„Leute, Leute, Leute! Bitte mal herhören! Ich habe eine Petition vorbereitet. Wir fordern die Abwahl der Hausverwaltung.“
„Mieter können eine Hausverwaltung nicht abwählen. Das können nur die Eigentümer.“
„Dann sollen eben die Eigentümer…“
„Jeder soll seinen Vermieter anrufen und Druck machen. Jawoll. Das ist mein Vorschlag.“
„Druck machen. Ist doch lächerlich! Was die interessiert, ist die Miete, Punkt aus.“
„Dann müssen wir eben denen aufs Dach steigen!“
Inzwischen hat Danielle bei Danny voreilig Pizzas bestellt und will nun das Geld einsammeln. Es fehlt die Hälfte, die andere hat kein Kleingeld oder mag plötzlich keine Pizza.
Danielle fackelt nicht lange. „Dann kostet die erste Hälfte das Doppelte“, beschließt sie kurzerhand. Sie müsse ja schließlich auf ihre Kosten kommen.
„Was, ich soll für die da mitbezahlen?“ Der Stänker aus dem Erdgeschoss zeigt auf die tattrige Elisabeth in ihrem himmelblauen Morgenmantel. Von der Tochter in die Ecke gestellt, fummelt Elisabeth an dem Wasserhahn herum und lässt es alle fünf Sekunden fließen. „Man weiß ja nie“, kichert sie, von der Beydrich auf die hirnlose Wasserverschwendung hingewiesen.
„Eigentlich ist es Zeit für den Aperitif“, meint der Nachbar von dem mit dem Sagen, der irritiert nervös an den Nägeln kaut und mit fettigen Haaren der Kakophonie zu folgen versucht. Wir wissen, dass er sich nur allzu gern einen auf die Lampe gießt, aber Hausherr Beydrich nimmt ihn beim Wort und holt flugs einen Stapel weißer Pappbecher aus der Küche. Jemand legt Musik auf – Tango um sechs Uhr, voll aufgedreht, es gibt ja keine Nachbarn, die meckern könnten -, und da das fingerhutkleine Teil in einem Flugzeug aus China unterwegs ist und das Schicksal sozusagen über den Wolken schwebt - woran niemand etwas, auch bei bestem Willen nicht, zu ändern vermag - machen mehrere Flaschen billigen Cognacs die Runde. Zumal es bereits Abend ist und keiner der Gäste in die kostenlose Suppe spucken will.
Lediglich einer scheint sich in der ausgelassenen Runde am Riemen zu reißen und übt sich in trister Enthaltsamkeit. Wir können ihn keiner Etage zuordnen, aber wiederholt hat er, wenn auch scheu, den Arm gehoben und bescheiden ums Wort gebeten, war jedoch jedes Mal lauthals überstimmt worden. Nun steht die schweißtriefende Beydrich vor ihm, schwingt den halb gefüllten Pappbecher und ihre Hüften und bittet den schüchternen Mann provokant um den ersten Tanz. Dieser erhebt sich, stülpt sich eine Mütze auf den Kopf und zieht aus der Tasche seiner blauen Jacke ein fingerhutkleines Ding. „Kann mir jemand sagen, wo der Boiler ist?“
Mit einem Schlag ist es still in der Beydrich-Wohnung. Wir stehen fassungslos, unsere Pappbecher in der Hand, um den blauen Mann herum, der verlegen das klitzekleine Ding in die Höhe hebt.
„Du bist der Chinese?“, fragt ungläubig der Stänker aus dem Erdgeschoss.
„Leute, Leute, Leute!“, versucht der aus dem Vierten die Menge zu beruhigen, die mit puterroten Köpfen einen bedrohlichen Schritt auf den vermeintlichen Klempner zugeht.
„Du wagst es, uns schmoren zu lassen, die ganze Zeit mit dem Ding da in der Tasche?“
„Ich, ich hab versucht…“, stottert der Klempner und weicht vor dem wuchtigen Leib der Beydrich zurück.
„Chinese, Chinese!“, kreischt die tattrige Elisabeth und lässt das Wasser rauschen.
Der Klempner blickt verängstigt auf seine Armbanduhr. „Es ist schon spät“, sagt er dann zitternd. „Ich sollte es morgen noch einmal versuchen.“
„Morgen? Witzig ist er auch noch, unser Klempner!“
Was folgt, spottet jeder Beschreibung. Machen wir es kurz – der lädierte Klempner ist flüchtig, das warme Wasser auch, und in ganz Asien will sich ein klitzekleines, fingerhutkleines Ding nicht auftreiben lassen. Das Schicksal, dessen Weg wir hoch oben über den Wolken ahnten, hatte unter uns gesessen. Zum Greifen nah. Das sieht uns ähnlich. So ähnlich, dass wir uns selbst nicht mehr erkennen.
„Nun reiß dich endlich mal am Riemen!“
- Cecilia
faucht die gelangweilte Ehefrau durch die zusammengebissenen Zähne. Ihr kleiner Mann zieht gehorsamst die Hose herauf, schließt die Gürtelschnalle und zieht beide Hosenträger über die Schultern. Wo vorher Spannung geknistert hat, breitet sich jetzt lähmende Langeweile aus. „Riemen!“ „Und geh’ mir gefälligst nicht auf den Senkel.“ „Welche Schenkel?“
Der kleine Ehemann beschließt schweren Herzens - Riemen hin und her - , den Geduldsfaden, der seit einiger Zeit zwischen ihnen zum Reißen gespannt war, nun nicht mehr auf Spannung zu halten. Er stellt sich in die Ecke, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Die Frau versteht das miss. Sie wiegt sich in unberechtigter Sicherheit, geht an die Hausbar und gießt sich einen auf die sparsam beleuchtete Lampe.
Der Mann tritt aus seiner Ecke und steigt aufs Dach, von wo aus er im spitzen Winkel in die Suppe spucken kann, solange der Speichel reicht. Rotzfrech nenne ich das, endlich!
Nie mehr "Würstchen"
- Enya
Er stand stramm. Die Hacken zusammen, die Hände seitlich an den Hosennähten anliegend, bot er dennoch nicht das Bild einer militärisch anmutenden Gestalt, sondern eher das eines Bücklings. Die Schultern beugten sich nach vorn, wie von einer unsichtbaren Kraft gedrückt. Aus dem zu weiten Hemdkragen, der von einem überdimensionalen Krawattenknoten zusammengehalten wurde, ragte ein dürres Hälschen, welches an ein gerupftes Huhn erinnerte. Die Haare brav und exakt gescheitelt, lagen – durch Pomade gebannt - eng an dem zu kleinen Kopf an.
Sein Name war Wurst – ein einziges Unglück, denn in der Firma hatte er rasch den Spitznamen „Würstchen“ erhalten.
Jetzt stand unser „Würstchen“ vor dem Mahagonischreibtisch von Herrn Eber, der seit zwei Monaten Abteilungsleiter war. Er schaute streng.
Alles an ihm war feist und ausladend. Seine dicken Backen hingen etwas und da er permanent Kaugummi kaute, schwabbelten die Hängebacken immer leicht hin und her. Dass er sich zudem allzu gern einen auf die Lampe goss, bewiesen die vielen feinen blauroten Äderchen in seinem ansonsten blassrosa Gesicht. Zudem glühte seine Nase immer in herrlichem Rotton.
Jetzt feixte er und machte eine Handbewegung, die dem „Würst-
chen“ sagte: „Zurücktreten!“, was dieser anstandslos befolgte.
„Dacht ich mir’s doch“, sagte Herr Eber mit seltsam hoher Fistel-
stimme, beugte sich vor und schaute auf die Füße von Herrn Wurst.
Dieser folgte dem Blick, beschämt, denn er wusste: Schon wieder waren die Schnürsenkel seiner braunen Halbschuhe offen.
„Lassen wir das“, meinte Eber, „Sie, mein lieber Wurst, haben Ihre Chance vertan. Die Ausarbeitung Ihres Entwurfes sollte gestern auf meinem Schreibtisch liegen. Und? Nichts ist. Ich habe Ihnen deutlich gesagt, dass ich Ihnen aufs Dach steigen werde, wenn das wieder nicht klappt. Ich muss das dem Chef melden. Wie gut, dass ich ebenfalls einen Entwurf vorbereitet habe. Schließlich geht es um das Ansehen der Firma.“
Er schnaufte nach dieser langen Rede, denn auf Grund seiner Körperfülle war er kurzatmig geworden.
„Aber ich...ich habe doch....“, stotterte „Würstchen“ und seine Augen, hellblau und wässrig, irrten hilflos über Ebers Schreibtisch.
„Nichts haben Sie“, fuhr dieser seinen Untergebenen an. „Der Entwurf ist nicht da! Basta! Und nun machen Sie, dass sie raus kommen. Ich habe zu tun.“
Er machte eine Handbewegung, als wolle er ein lästiges Insekt verscheuchen.
Herr Wurst dienerte und schlich rückwärts buckelnd aus dem Zimmer. In der Tür stolperte er über die offenen Schnürsenkel und fiel....ja, fiel in weiche Arme, die ihn auffingen.
Er traute sich kaum, hochzuschauen. Als er es schließlich doch wagte, blickte er in die rehbraunen Augen von Fräulein Blümchen.
Sie war der gute Geist der Abteilung, kümmerte sich um jeden und alles und vor allem sah sie Dinge, die andere nicht wahrnahmen.
„Ach, Herr Wurst“, meinte sie nun betrübt. „Haben Sie sich von dem Schweinekerl mal wieder in die Ecke stellen lassen? Das kann doch so nicht weitergehen.“
Energisch zog sie ihn zu ihrem kleinen Schreibtisch und drückte ihn in den Stuhl.
„Nun erzählen Sie mal....“
Und „Würstchen“ fing an zu reden, stotternd erst, doch dann immer schneller, ja er wurde sogar laut, denn zum ersten Mal kochte in ihm eine unbändige Wut.
Als er schließlich erschöpft am Ende seiner Geschichte angelangt war, zog Fräulein Blümchen ihre Stirn in Falten.
„Moment mal Würstchen....äh...Verzeihung, Herr Wurst...ich habe aber den Entwurf gestern auf Ebers Schreibtisch gesehen. Ich war im Zimmer, als er ihn in den Safe gelegt hat. Da will Ihnen einer in die Suppe spucken. Und das sollten Sie nicht zulassen.“
Herr Wurst wand sich, kroch in sich hinein, wurde noch schmaler und kleiner, als er es wirklich war. „Aber wie soll ich das beweisen?“, flüsterte er.
Fräulein Blümchen überlegter kurz. „Lassen Sie mich nur machen“, meinte sie dann.
„Jetzt gönnen Sie sich eine Mittagspause.“
Eine halbe Stunde später schlich die Sekretärin in Ebers Zimmer, der – wie sie wusste immer zu dieser Zeit sein Mittagsschläfchen hielt. Ja, schnarchend und schnaufend lag er auf der Liege neben der Tür. Blümchen arbeitete schnell und beinahe lautlos. Sie kannte die Kombination des Safes, das leise Klacken, als sie das Zahlenschloss drehte, war kaum zu hören. Zwei Minuten später drückte sie Herrn Wurst die Unterlagen in die Hand – und unter uns: Der Entwurf war großartig.
„Und.....und, was mach ich jetzt damit?“, fragte Wurst.
„Jetzt reißen Sie sich aber mal am Riemen!“, schimpfte Blümchen.
„Sie gehen morgen früh gleich zum Chef damit....und ziehen Sie sich um Gottes Willen mal was anderes an, etwas das Ihnen passt und vor allem andere Schuhe, möglichst ohne Schnürsenkel.“ Damit ließ sie den perplexen Wurst stehen.
Dieser wuchs über sich selbst hinaus. Am nächsten Morgen, gegen 9 Uhr hatte der Chef den Entwurf auf seinem Tisch und um 10 Uhr kam er zu Wurst ins Zimmer, klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Phänomenal, Herr Wurst! Mit Ihrem Entwurf werden wir den Auftrag bekommen.“ Ehe er das Zimmer wieder verließ, schaute er irritiert seinen Untergebenen an. Irgendwie sah er heute anders aus. Richtig fesch.
Zwei Stunden später schnaufte ein hochroter Herr Eber in Würstchens Zimmer. Er blies die Backen auf und wollte gerade loslegen mit einer Tirade, die ihresgleichen suchen würde.
Doch Herr Wurst erhob sich aus seinem Schreibtischstuhl, die Schultern gerade, mit einem leicht spöttischen Lächeln im Gesicht.
„Versuchen Sie es gar nicht, Herr Eber, egal, was Sie auch sagen wollen, Sie gehen mir so was von auf den Senkel – ich bin nicht bereit, mir auch nur ein Wort anzuhören.“
Dem Angesprochenen blieb das Wort buchstäblich im Halse stecken. Unwillkürlich war sein Blick bei Würstchens Worten zu dessen Füßen gewandert. Keine Schnürsenkel, nein, feine Slipper aus Wildleder.
Diesmal stolperte Eber rückwärts aus dem Zimmer. Dass die Knie von Herrn Wurst leicht zitterten und seine Hände schweißnass waren, bemerkte er nicht.
Eines aber wusste Herr Wurst nun: Nie wieder würde er ein „Würstchen“ sein.
Die Zwangs-Entfremdung
der Redewendung
- Cecilia
Soll ich lieber das Licht unter den Scheffel stellen,
oder gleich den blassen Mond anbellen?
Mir quartalsmäßig einen hinter die Binde gießen
oder warten, bis die Veilchen wieder sprießen?
Riemen und Senkel Riemen und Senkel sein lassen
oder den Gürtel enger schnallen, um nicht zu spaßen?
Mir ordentlich einen auf die Lampe gießen
oder dem Gras von unten zuseh’n beim Sprießen?
Am besten, mich kümmert nicht mehr das,
was
die Andern in ihr Vorurteil gepresst.
Befrei die Redewendung, spiel mit dem Rest.
P.S.: Seinen Mann steh’n
ist auch ganz schön.
Immer dieser Schnee
- Geli
Ich kann den Schnee nicht mehr ertragen und muss mich am Riemen reißen, damit ich nicht wütend mit dem Fuß aufstampfe. Immer dieses Weiß, so kalt und wenn es dann wärmer wird, auch noch so nass. Was zunächst herrlich anmutet wird zusehends eine Plage und das Schippen tut dem Rücken nicht gut. Meine Bandscheibe ächzt und stöhnt, sobald ich den Besen in die Hand nehme und der weißen Pracht zu Leibe rücke.
Vielleicht sollte ich Frau Holle aufs Dach steigen und sie bitten, dass Schütteln ihrer Kissen zu lassen, denn genug ist genug. Wir haben fast März und der Frühling scharrt in den Hufen. Wenn der Winter ihn ließe, dann könnte ein Blütenteppich von Buschwindröschen das lästige Grau verschwinden lassen. Aber nein, das Thermometer zeigt unerbittlich Minusgrade.
Abends drehe ich die Heizung hoch und doch habe ich kalte Füße, da hilft nicht mal eine Wärmflasche oder eine dicke Kuscheldecke.
Heute werde ich mir einen auf die Lampe gießen, das wärmt von innen und vermutlich schlafe ich dann wie ein Murmeltier. Warme Gedanken sollen helfen, aber woher nehmen, wenn meine Welt erstarrt im Eis, vor sich hin zittert. Ich will ja niemandem in die Suppe spucken, aber könnten die Politiker nicht ein Gesetz erlassen, dass ab März Winter bei Strafe verboten wird? Ein wunderbarer Gedanke, nur leider wird das nicht passieren, eher friert die Hölle zu. Na ja, vielleicht sollte ich mich schämen und in die Ecke stellen, denn eigentlich geht es mir gut und irgendwann wird das Schmud-
delwetter aufgeben und die Sonne übernimmt den Taktstock der Jahreszeiten.
Wenn man übers Wetter meckert, dann ist nichts Schlimmeres passiert. Außerdem hat Kälte den Vorteil, dass man so schön vor dem Kamin kuscheln kann. Das Feuer prasselt und die Holzscheite zischen ein wenig. Nun will ich euch aber nicht weiter auf den Senkel gehen. Jede Jahreszeit hat ihren Reiz, man muss ihn nur erkennen und nutzen, dann klappt es auch
mit dem Winter.
Bildmaterialien: Bilder von Helga
Tag der Veröffentlichung: 26.02.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
mitgewirkt haben:
Enya, Cecilia, Lothar, Helga, Geli