Befreiendes und Einigendes
Toleranz schafft Raum zwischen Individuen. Im selben Augenblick bringt sie die Einzelnen einander näher, nur über die Kraft des Geistes im Zusammenwirken mit Herz und Seele. Toleranz verhindert, dass Einer aus der Haut fährt, sie ermöglicht gleichzeitig, dass der Andere sich in die Haut des Einen hineinversetzt.
Toleranz ist schwer zu lernen – ein lebenslanger Lernprozess; fordert sie doch im Kaleidoskop des menschlichen Zusammenlebens jeden Moment die Prüfung aller Teile, aller Argumente, aller Werte, und die Entscheidung für das richtige Gleichgewicht zwischen dem Ich und dem Anderen, die Wahrnehmung des eigenen Gewichts, der eigenen Grenzen, die Wertung der Werte auf dem Weg zum Anderen, den Durchblick bei der Beurteilung seiner Worte und Verhaltensweisen, das Filtern durch die Maschen der Erkenntnis. Manchmal wird so – in der Zeit eines Wimpernschlags – ein weiter Weg zurückgelegt: der Weg zwischen einzelnen Menschen oder aber der Weg zwischen ganzen Kulturen.
Allein durch Toleranz können wir das Gefangensein in der eigenen Haut, im Kerker anerzogener Glaubenssätze und in der Reduktion durch vorgefertigte Vorstellungen überwinden.
Wir können Neues assimilieren, wenn wir das sich Darbietende nicht sofort mit dem Messer der Normalität abhacken, unserer Angst gehorchend.
Um in das Reich der Toleranz einzutreten, müssen wir das simple Denken, die Gemeinplätze, das „so war es schon seit jeher “, „ich habe es immer schon gesagt“, das Schwarz-Weiß-Sehen hinter uns lassen; das gleicht einer Befreiung von schlechten Erfahrungen, die uns eingeengt haben. Jede neuerlich schlechte Erfahrung, die nie auszuschließen ist, prägt sich uns als verfeinertes Lernergebnis ein, macht den Schatz unserer Erlebnisse facettenreicher und farbiger.
Toleranz ist ein dynamisches Phänomen. Wir ändern uns, die Welt ändert sich und uns, wir ändern die Welt. Toleranz begleitet uns immer als Neujustierung.
Toleranz ist ein vorsichtiger Kumpan, mit feinem Gespür, die Hand sicher am Rande der eigenen Insel im wogenden Meer der Menschen.
Sie macht uns Mut. Sie macht uns stark. Sie macht uns bewusst. Sie bildet unser Herz, lässt die Kraft der Seele fließen, nimmt das Korsett der Konventionen von unserem Hirn.
Toleranz macht uns erst zu Individuen, indem sie allgemeine Prägungen und Fremdbestimmung unterwandert. Sie macht uns offen für neue Erfahrungen und Erkenntnisse.
Toleranz ist eine win-win-Erfahrung. Der Tolerante verliert niemals mehr als eine Illusion. Er kann jederzeit zurückkehren in die Festung seiner bisherigen Gesetze. Dabei hat er immer an Erkenntnis gewonnen.
Cecilia
Der schmale Grat der Vernunft
Es gibt da einen Grat, auf dem ist ein graduelles Voranschreiten schwierig. Macht man einen falschen Schritt, verliert man Tritt.
Auf der einen Seite drohen die Abgründe der Selbstverlustes, in denen man mit Haut und Haar verschwinden könnte. Hier lauert die Konkurrenz, das Ego könnte eine falsche Haube übergestülpt be-
kommen oder gar auf Nimmerwiedersehen verlustig gehen.
Auf der anderen Seite glänzt im Sonnenschein der Gipfel des Berges „Toleranz“, ewig unerreichbar, nie bezwungen.
Man kommt sich vor, wie eine Ameise vor dieser Majestät.
So fleißig wir auch einen Ameisenschritt an den anderen reihen – nicht ohne jedes Mal die Zuverlässigkeit des Bodens geprüft zu haben – so weiter entfernt scheint sein ewiger Firniss. Irgendwann wird die Luft dünn, die Lippen blau, das Hirn schwillt und wir müssen zurück in die Ebene. Nur dort können wir uns unser versichern.
Noch schlimmer geht es den Seiltänzern. Sie haben keinen Boden unter den Füßen.
Und auch wir, die wir die Toleranz wagen, haben eine Balance-Hilfe: unseren Verstand, der das Gleichgewicht austariert, indem er die Argumente beider Seiten abwägt, und das bei jedem Schritt.
Cecilia
Toleranz, du toller Ranzen,
hängst doch etwas schwer am Rücken.
Bist noch längst nicht ohne Zicken
in der heut’gen Welt im Ganzen
anerkannt und durchgesetzt.
Die Ideen der Revolution,
der französischen, lange schon
eingeführt und umgesetzt,
sind nach 222 Jahren
täglich neu und revolutionär.
Denn sie geben die Gewähr,
dass ein Jeder Recht kann wahren,
Menschenrecht, man kann’s nicht schelten.
Darum: Greif mal hinter dich,
zieh den Ranzen vor’s Gesicht,
lebe zwischen Gleichgestellten:
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Denket nach, das ist das Recht.
Alles and’re folget dann :
gleich sind heute Frau und Mann,
Hautfarb’, Religion , Geschlecht.
Und die Toleranz im Ranzen
hilft uns, mit dem Schelm zu tanzen,
mit dem Blinden gar zu sehen,
mit Fremd’n in’s Bett zu gehen.
Naziglatzen, Sarazin
geh’n in der Geschichte hin.
Kochen alten Hexensud,
schüren damit fahle Glut.
Haltet ein und bremset aus
Wind und Sturm, sonst fällt das Haus.
Lasst der Liebe Flamme glühen,
alle uns um Frieden mühen.
Cecilia
Bin ich tolerant mit mir?
Muss man das denn auch sein? frage ich mich, denn ich neige dazu, mit mir selber oft ziemlich unerbittlich umzugehen. Deutlich sehe ich meine Fehler, mein Unvermögen, meine Unzulänglichkeiten und wenn irgendetwas schief läuft, dann suche ich zunächst die Schuld bei mir selber, entschuldige mich und bemühe mich quasi um gut Wetter, selbst wenn auch andere nicht ganz unbeteiligt am Desaster sind.
Hat dieses merkwürdige Gebaren überhaupt mit Toleranz sich selbst gegenüber etwas zu tun? Am Ende ist es nur eine mehr oder weniger unangebrachte Friedfertigkeit für andere zu eigenen persönlichen Lasten. Man könnte auch Rückratslosigkeit, Unsicherheit, mangelnde Persönlichkeit dazu sagen, doch das klingt hart und ob es das ist, ziehe ich schon gleich mal in Zweifel. Ich zweifle sowieso andauernd.
Um des lieben Friedens willen gebe ich nach und beharre nicht auf meiner eigentlichen Auffassung, innerlich und leise mit mir hadernd, wenn ich merke, dass alles nichts nützt. Ich entschuldige auch dieses für mich typische Verhalten nicht, bin nicht tolerant zu mir selber. Das ist oft sehr quälend.
Einfacher wäre es doch, mit sich und seinem Auftreten, mit seinen Entscheidungen stets zufrieden zu sein. Sich auch selber zu tolerieren, heißt zu sich zu stehen, Verantwortung für sich zu übernehmen, egal was man angerichtet hat.
Nein, so einfach kann man es auch nicht sagen. Das wäre der Weg in die Selbstherrlichkeit, der Weg in die Intoleranz auch anderen gegenüber.
Radikale Gruppen übernehmen Verantwortung, indem sie sich zu ihren Taten bekennen. Doch was ist damit dokumentiert? Eigentlich nur der Umstand, dass sie die Täter waren. Egoistisch, selbstherrlich stehen sie zu ihrer Handlungsweise. Sie entschuldigen sich für nichts. Warum auch, sie sehen darin keine Intoleranz anderen gegenüber, sie nehmen genau das in Kauf. Sie wollen oder können nicht tolerant sein, ausge-
nommen sich selber gegenüber aber das Thema Toleranz dürfte bei Radikalen keine Rolle spielen.
Du tolerierst mich nicht, ich toleriere dich nicht. So schaukelt sich alles auf, bis es mörderisch kracht. Der Tod der Menschen ist dabei eingeplant, auch unbeteiligter. Man fragt sich, warum lassen sich Menschen soweit radikalisieren? Wie kommt es dazu? Wie kann man es verhindern?
Es klingt so einfach: durch Toleranz.
Ist es dafür schon zu spät? Ist das Kind schon in den Brunnen gefallen? Ist Toleranz weltweit ein Traum?
Nicht einmal ich kann mir selbst gegenüber tolerant sein.
Helga
Toleranz
Was ich glaube
Muss nicht stimmen
Was ich denke
Ist nur meine Wahrheit
Was du sagst
Könnte stimmen
Ich sollte daran denken,
Meine Wahrheit zu überprüfen
Wir wollen reden
Und den Glauben an eigene Wahrheiten
In Frage stellen
Wir wissen zu wenig
Helga
Dreimal einhundert Wörter zur Toleranz von Signe
Die Kälte – dein Freund und Helfer
Nordische Kälte in Europa. Eine kaputte Heizung und auch das morgendliche Freikratzen der Autoscheiben – jeder hat seine kleinen Schwierigkeiten mit der Kälte. Eine Gruppe der Gesellschaft darf sich nun über erhöhte Aufmerksamkeit freuen. Zugegeben, erst mussten ein paar hundert europaweit sterben, bevor die Altruisten an sie dachten. Aber jetzt werden sie in Kälte-Busse verfrachtet, man gibt ihnen Süppchen und Deckchen. Aber eines geht natürlich nicht: dass ein besoffener Obdachloser oder einer, der Hunde hat und mit diesen sein kärgliches Leben teilt, Einlass findet in die vorgesehenen Unterkünfte. Da kann es draußen noch so kalt sein, Menschenwürde hat auch ihre Grenzen!
Wo liegt Aserbaidschan?
Dieses Land ist Mitglied im Europarat. Die Erdöl- und Erdgasvorkommen machen es zu einem interessanten Wirtschaftspartner. Ob es eine Kausalität zwischen den Ausgaben für das Militär und der über 47 % in Armut lebenden Bevölkerung gibt, darf der Leser selbst entscheiden.
Seit der Unabhängigkeit Aserbaidschans verlief noch fast jede Wahl undemokratisch. Pressefreiheit ist auch in aserbaidschanisch ein Fremdwort. Das jedoch hält niemanden in Europa davon ab, ein Liedchen für Baku zu trällern. Für das dortige Regime eine fantastische PR. Die Menschenrechtler hoffen, dass die Welt auf die Zustände dieses Landes aufmerksam wird. Brot und Spiele: The show must go on!
Das Sterben vor der Tür
In Hamburg, in einem Viertel, in dem Gutbetuchte wohnen, hat das Deutsche Rote Kreuz eine Immobilie gekauft. In dieser Immobilie soll ein Hospiz eingerichtet werden. Der Kauf der Immobilie war von Seiten der Verantwortlichen mit Bedacht ausgewählt worden, denn die künftigen Bewohner sollten für ihre letzten Tage von Ruhe und Grün umgeben sein. So weit, so gut! Ein ganz normaler Vorgang, könnte man meinen. Jedoch weit gefehlt. Die Anwohner laufen Sturm. Man könne ihnen nicht zumuten, dass in ihrer Nachbarschaft ein Hospiz, in dem die Leute wohnen, um zu sterben, eingerichtet wird. Geschlossene Gesellschaft bedeutet: Sterben vor der Tür ausgeschlossen.
Mecklenburg ist ein Land, welches von Touristen, also von "Fremden" lebt. Vielseitig und international die Gerichte, die der Tourist hier wählen kann. Leider schwappt die braune Soße auch über in das Parlament. Ein "kulinarisches" Gedicht von Signe
Die rechte Mahlzeit
Braun die Suppe,
sagst, es ist dir schnuppe.
Nazis nicht kleckern,
sondern klotzen,
um Parlamente aufzumotzen.
Dorfgemeinschaften meckern:
kein Geld, Hartz vier.
Parteien verabschieden sich
aus diesem Revier.
Freie Fahrt für Kameradschaft,
Volksfestjubel mit der NPD.
Hüpfburg aufgebaut, ja fabelhaft,
freundlich’ Nazifrauen in der Näh’.
Nazis nicht kleckern,
sondern klotzen,
um Parlamente aufzumotzen.
Braun, die Soße
ergießt sich aus altem Schoße.
Piep, piep, piep,
der Nazi, der das Geld
in die Gemeinde bringt,
der wird geliebt.
Prost Mahlzeit und Guten Appetit!
Bin ich tolerant?
Wenn ich das Wort Toleranz google, dann sagt mir Wiki, dass es wörtlich Duldsamkeit heißt, ein Gelten lassen oder Gewähren lassen fremder Handlungsweisen. Das hört sich einfach an und ist nicht besonders schwer. Toleranz ist gegenseitiger Respekt und ich respektiere andere Handlungen, andere Lebensweisen und andere Meinungen.
Wenn ich allerdings genau darüber nachdenke, merke ich deutlich, dass das bei mir so auch nicht stimmt. Ärgere ich mich nicht darüber, dass mein Nachbar schon wieder ein neues Auto fährt, obwohl er es sich nicht leisten kann. Mein Bruder immer wieder dieselben Dummheiten macht, über die ich oft nur den Kopf schüttele. Selber würde ich alles anders machen und natürlich besser. Meist wundere ich mich, dass die Menschen viel Geld für Dinge ausgeben, die sie eigentlich nicht brauchen. Meine Eltern hatten nicht viel und ich bin sparsam erzogen. Es ist meine Vorsicht, lieber etwas zurücklegen für lange Durststrecken. Da erlahmt meine Toleranz deutlich.
Ich möchte noch ein anderes Beispiel anzeigen. Der Sohn einer Freundin ist homosexuell. Er hat sich spät geoutet. Er wusste genau, sein Vater würde das niemals akzeptieren. Die Familie ist völlig zerrissen, man versucht es zu vertuschen, niemand darf es erfahren, obwohl es alle wissen. Die Mutter schlichtet, der Vater tobt und die Schwester steht dazwischen. Diese Intoleranz kann und werde ich niemals verstehen. Egal wie man erzogen ist, was man gehört oder gesehen hat, hier muss man ganz klar unterscheiden. Es gibt im Leben wirklich schlimme Dinge, die einem widerfahren können. Verlust eines geliebten Menschen durch eine Krankheit usw.
Der Sohn meiner Freundin ist ein sehr liebenswerter Mensch, feinfühlig und sensibel. Sein Partner extrem hilfsbereit und ich schätze beide sehr. Auch bei meinen Kindern wäre es mir egal. Sie bleiben so wie sie sind und ich akzeptiere, nein ich toleriere es.
Man muss genau unterscheiden. Toleranz ist oft anerzogen. Man hat etwas gelernt und meint nun, alle müssten es so machen. Wenn mein Nachbar sich ein Auto kauft, dann soll er das tun und ich sollte mir keine Gedanken darüber machen. Wenn mein Bruder Unsinn anstellt, dann wird er die Folgen tragen müssen.
Man kann nicht immer tolerant sein, aber man kann versuchen, andere Menschen und ihre Gewohnheiten zu verstehen. Noch besser ist es, wenn man erst einmal vor der eigenen Tür kehrt und sich dann darüber mokiert, wenn andere etwas falsch oder anders machen.
Geli
"Erst wenn ich meine eigenen Fehler erkennen kann,
werde ich lernen tolerant zu sein."
Toleranzgrenze
Nachsicht habe ich geübt,
dich angenommen
in deinem So-Sein,
das Große gesehen,
mich nicht verloren
in Kleinigkeiten,
die Leben erschweren.
Deine Bemerkungen über
den Nachbarn, der
Männer bevorzugt -
unzumutbar, meintest du.
Als ich vorsichtig
Aber-Worte formulierte,
hast du mich um
Toleranz gebeten -
dir gegenüber.
Zu viele Ausländer in
der Stadt, die das
Bild verschandeln -
unzumutbar, meintest du.
Wieder hast du mich
um Toleranz gebeten -
dir gegenüber.
Die alte Frau,die Tauben
auf dem Balkon füttert,
sie hat niemanden -
unzumutbar, meintest du.
Um Toleranz hast du
mich gebeten -
dir gegenüber.
Ich war tolerant.
Meine Duldsamkeit
mündete in Schweigen.
Verstummte Aber-Worte
leisteten deiner
Intoleranz Vorschub.
Meine Nachsicht
hat ein Ende.
Ich verliere mich
nicht mehr in
Kleinigkeiten, die
Leben erschweren.
Ich beginne das Große
zu sehen und ich
nehme dich nicht
mehr an in deinem So-Sein.
Du bist unzumutbar
für mich.
Ab heute werde ich
intolerant sein -
dir gegenüber.
Enya
Tolerante Intoleranz
Der Toleranz zum Gruße
übt mancher sich in Muße,
lässt duldsam das geschehen,
was er nicht gern will sehen.
So manche Nachsicht mündet
in Ignoranz, die kündet
von einem Feuer, das geschürt,
der Toleranz niemals gebührt.
So schweigt man still.
Kann wirklich jeder sagen, was er will?
Auch: Ausländer raus,
das ist ein sauberes Haus?
Auch: Die Schwulen sollen spüren,
das was sie tun hinter verschlossenen Türen?
Auch: Jene, die diesem Glauben schwören
sollen merken, dass sie nur stören?
Schweigt man hier auch still,
lässt jeden sagen, was er will?
Welch "toleranter" Affentanz!
Sein Name ist die Intoleranz.
Enya
Zwei Frauen
nach einer Passage in Canettis 2. Band seiner Autobiographie
Die Freundinnen Anka und Susi treffen sich in einem Boulevardcafé.
Anka, langsam ihre Tasse hebend: „Ich genieße es, dich endlich wieder zu sehen. So lange war es noch nie her.“
Susi greift ebenfalls nach ihrer Tasse: „Stimmt. Man hatte viel zu tun. Du das, ich das.“
Anka: „Sag mal Susi, ist dir eigentlich noch nicht aufgefallen, dass wir nie über unsere Männer gesprochen haben. Meiner will zum Beispiel genau wissen, was für ein Buch du mir empfohlen hast; du weißt, er ist Inspizient beim Theater und steht mit den Autoren auf Du und Du.“
Susi: „Na ja. An Literatur ist der Meine nicht interessiert. Derartiges hält er für reine Zeitvergeudung. Er ist mehr ein ökonomischer Typ, das muss man tolerieren.“
Anka: „Dann kümmert er sich jedenfalls um eure Vermögensverhältnisse, was schließlich wichtig genug ist, gehörst du doch zu den reichsten Familien der Stadt. Das ist allgemein bekannt.“
Susi: „Ja. Ich habe ein beträchtliches Vermögen in die Ehe eingebracht. Aber davon ist nichts mehr vorhanden. Gottfried legte es in die damals ganz neuen Aktien an und er hatte Pech. Es ist alles weg. Ich werfe ihm das nicht vor. Von kaufmännischen Angelegenheiten versteht er eben doch zu wenig, das muss man tolerieren.“
Anka: „Du sagst das so, als sei er dafür auf anderen Gebieten eine Größe.“
Susi: „Er hat alles Mögliche versucht, aber alles ging schief. Mit dem abgebrochenen Studium haben die Malaisen angefangen. Der Arme leidet an fürchterlichem Lampenfieber. Das muss man tolerieren.“
Anka: „Du warst stets die Hübscheste in unserer Klasse. Hast auch den ersten Preis bei einem Schönheitswettbewerb gewonnen. Sicherlich steht dir dein Mann an Attraktivität nicht nach.“
Susi: „Na ja, wie man’s nimmt. Ich lernte ihn während meiner Studienzeit kennen und erinnere mich, dass er wegen seines Aussehens gehänselt wurde. Aber was kann er denn für seine Triefaugen. Und schon gar nichts dafür, dass er einen Kopf kleiner ist als ich. Das muss man tolerieren. Er tat mir leid, da habe ich ihn geheiratet.“
Anka: „Du bist eben ein guter Mensch. Das Aussehen ist bei einem Mann nicht so wichtig. Es geht mehr um andere Werte, wie Treue und Fürsorglichkeit.“
Susi: „Treu ist er nicht. Das muss man bei einem Mann tolerieren. Seit einem Jahr hat er ein festes Verhältnis mit unserem Dienstmädchen.“
Anka: „Du hast sie sicherlich sofort entlassen.“
Susi: „Das kann ich ihm nicht antun. Allerdings arbeitet sie kaum noch was im Haus. Die Hausarbeit bleibt hauptsächlich mir überlassen.“
Anka: „Da machst du mit?“
Susi: „Für mich ist das eine ganz neue Erfahrung. Ich bin darauf richtig neugierig. Die Kleine ist jetzt im achten Monat von Gottfried schwanger. Da muss sie sich natürlich schonen. Das muss man tolerieren.“
Anka: „Wie lange lässt du dir das noch gefallen.“
Susi: „Du kennst mich doch, ich bin tolerant. Es ist jetzt eine schwere Zeit für die Kleine. Ich selbst bekomme keine Kinder. Und Gottfried möchte, dass ich das obere Appartement bewohne, sobald das Kind auf der Welt ist. Ich meine auch, das ist die beste Lösung. Für mich allein brauche ich nicht viel Platz. Meinen Schmuck und die meisten meiner Kleider habe ich sowieso schon der Kleinen geschenkt. Trotzdem haben es die beiden noch schwer genug.“
Anka vorwurfsvoll und besorgt: „An dich denkst du überhaupt nicht.“
Susi: „Was brauche ich denn. Meinem Mann muss ich nicht mehr gefallen, und er soll eine hübsche Frau an seiner Seite haben.“
Anka: „Und wie stellst du dir deine Zukunft vor.“
Susi: „Du weißt, meine Bedürfnisse sind geistiger Natur. Ich liebe die Literatur. Und diesem ‚Laster’ möchte ich mich künftig hingeben. Aber viel Zeit wird mir dafür nicht bleiben. „
Anka: „Was kann dich daran hindern?“
Susi: „Die beiden gehen häufig aus und machen möglichst mehrmals im Jahr Urlaub. Man muss das tolerieren.“
Anka: „Was hast du damit zu tun.“
Susi: „Sie haben mich gebeten, ihr Kind zu übernehmen.“
Anka: „Und darauf willst du dich einlassen.“
Susi: „Man muss das tolerieren.“
Anka, sich erhebend und Susi die Hand hinstreckend: „Den Neid der Götter hast du nicht zu befürchten, Susi.“
Susi: „Du weißt doch, ich bin tolerant.“
Conrad
Es folgt eine kleine Diskussion aus der Gruppe Blickwinkel:
Aus gegebenem Anlass ....TOLERANZ
spukt in meinem Kopfe das Thema "Toleranz" herum.
Nach "Paradies" ein folgerichtiges Thema, finde ich, denn nur durch Toleranz werden wir in's Paradies eingehen; bis dahin werden wir nur durch Toleranz das Paradies auf Erden erlangen.
Was meint Ihr?
Cecilia
Toleranz, das Thema ist stets aktuell und manchmal verstehen die Menschen ganz Unterschiedliches darunter.
Helga
Toleranz ist so wichtig und für viele so schwierig, gute Idee
Geli
Schöne Idee, liebe Cecilia.
Man könnte bestimmt ein Buch daraus machen, aber ebenso diskutieren.
Enya
“Die Toleranz bezeichnet den Zustand eines Systems, in dem eine von einer störenden Einwirkung verursachte Abweichung vom Normalzustand (noch) keine Gegenregulierung oder Gegenmaßnahme notwendig macht oder zur Folge hat. Im engeren Sinn ist Toleranz die Abweichung einer Größe vom Normzustand oder Normmaß, das die Funktion eines Systems gerade noch nicht gefährdet.“ (Wiki)
http://de.wikipedia.org/wiki/Toleranz_%28Technik%29
Damit wir nicht in der Diskussion ausufern, sollten wir die Richtung definieren. Wir meinen vermutlich nicht die technische Toleranz, oder?
Obwohl genau betrachtet, Einiges auch auf die Toleranz zwischen den Menschen, die wir alle so befürworten, übertragbar ist.
Toleranz, auch Duldsamkeit, ist allgemein ein Geltenlassen und Gewährenlassen fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten. Gemeint ist damit heute häufig auch die Anerkennung einer Gleichberechtigung unterschiedlicher Individuen.
Heißt Toleranz, jeder darf machen, was er will und sich ausleben, so wie er es für richtig befindet?
Wie weit sollte Toleranz gehen?
Helga
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit = Menschlichkeit
Mit der Toleranz ist es wie mit der Freiheit:
Meine Freiheit hört auf, wo die Freiheit des Anderen beginnt.
Meine Toleranz sollte aufhören, wo der Andere sie untergräbt.
Gleichheit ist die gelebte Toleranz im Wissen um gleiche Rechte und Pflichten untereinander.
Brüderlichkeit: Alle Menschen sind Brüder. Auch weibliche Menschen. Haben mit denselben Problemen zu kämpfen, mit Glück und Unglück umzugehen, gehen dem Tod entgegen, (sind aus dem Paradies vertrieben).
Menschlichkeit ist das Füllhorn, das allen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.
Diese ist heute weltweit nicht im Mindesten realisiert, es gibt sogar allergrößte Widerstände dagegen.
Cecilia
Toleranz
Sie ist unabdingbar in einer pluralistischen Gesellschaft und wird es mehr und mehr im Zuge der Globalisierung. Dazu gehören Wissen, Offenheit, Kommunikation. Toleranz kann sich nicht im bloßen Dulden erschöpfen. Sie ist eine politisch-rechtliche Notwendigkeit, moralisch verpflichtend und geht hervor aus den unterschiedlichen Ansichten von Interessensgruppen. Sie hält den Rechtsstaat aufrecht, ist unabdingbar für die Einhaltung der Menschenrechte, muss ein wesentliches Bildungsziel sein. Toleranz steht entgegengesetzt zu Fanatismus, Machtausübung, Sektierertum...und gerade hier erfährt sie m.E. aber auch ihre Grenzen.
Toleranz scheint sich oft nur in einer passiven Haltung zu manifestieren. Man duldet, übt Nachsicht. Zuweilen kann Toleranz auch mit einer „Egal-Haltung“ verwechselt werden. Man will einfach seinen Frieden. Aber ist es ausreichend, Toleranz nur auf diese Art zu betreiben? Bietet eine aktive Auseinandersetzung mit der Vielfalt unterschiedlicher meinungen und Lebensformen nicht auch die Chance für mehr "Wahrheit"? Lassen sich dadurch Horizonte und Erkenntnisse erweitern?
Um auf deine Frage einzugehen, wie weit Toleranz gehen darf, Helga, sollte man sich ein Paradoxum der Toleranz vor Augen führen: Sind wir gegenüber allem tolerant, sogar gegenüber der Intoleranz, dann wird Toleranz ad absurdum geführt, sich auflösen. Toleranz heißt nicht alles zulassen, ja es kann sogar eine aktive Intoleranz vonnöten sein. Wenn es um Ungerechtigkeiten, Gewalt usw. geht hört die duldende Toleranz auf und der Begriff kann dann subversiv verwendet werden. Denn Toleranz kann da auch gefährlich werden und Türen öffnen, die sich so leicht nicht mehr schließen lassen.
Wenn ich meiner Toleranz Grenzen setze, da, wo etwas völlig schief läuft, sollte dies in Handeln münden, vielleicht im Sinne von Zivilcourage.
Toleranz ja, wo sie nicht nur Dulden beinhaltet, sondern uns aktiv werden lässt, da, wo sie nicht nur der Bequemlichkeit dient, sondern dazu beiträgt, dass ein menschliches Miteinander sich offen und vorurteilsfrei gestalten kann.
Toleranz nein, da wo sie Räume lässt für Ungerechtigkeiten und Menschenverachtung.
Eine Frage möchte ich noch anschließen.
Wie sieht es aus mit der Toleranz uns selbst gegenüber? Kann sie hinderlich sein im Bekämpfen unserer Schwächen? Ist da Einhalt geboten? Oder läuft man dann Gefahr, sich selbst nicht mehr zu akzeptieren?
Enya
Wenn Einsicht, Weitsicht erzeugen könnte, dann wäre es mit der Toleranz einfacher.
Wir fordern oft Toleranz und sind es selber dann auch nicht. Wenn man sich im eigenen Umfeld umschaut, merkt man oft wie intolerant andere und man selber auch ist.
Ich bin im Moment ein wenig genervt, weil ich es selber gerade wieder erlebe. Hier bei bx erlebt man es ständig.
Beispiel: Eine neue Userin stellt sich vor und gibt dabei den Link von ihrem Blog an. Da sie auch malt, war ich auf ihrer Seite und sehe auf ihrer Pinnwand die Intoleranz einer anderen Userin, die ihr sofort unterstellt nur Werbung zu betreiben.
Dieses Beißen hier finde ich unmöglich.
Geli
"Toleranz" uns selbst gegenüber
scheint mir das falsche Wort zu sein.
Du hast, Enya, da eine gute Frage formuliert.
Diese Frage führt mich zu der Erkenntnis, dass Toleranz offenbar den interpersonellen Umgang betrifft, den Umgang mit anderen.
Intrapersonell sollten wir festgestellte Fehler und Schwächen niemals tolerieren, sonst könnte sehr schnell die Toleranz der Anderen an ihre Grenzen stoßen. Unsere eigenen Fehler und Schwächen können wir anschauen und abwägen, um dann die Entscheidung zu fällen: Ich akzeptiere sie oder ich akzeptiere sie nicht. Ob die Anderen sie dann tolerieren, steht auf einem anderen Blatt.
"Toleranz" bedeutet also eigentlich: Dem Anderen etwas für mich nicht ganz Akzeptables, Fremdes, Ungewöhnliches, Ungewohntes zugestehen.
Cecilia
Ja Geli,
das kann ich verstehen, finde es auch unmöglich.
Sollte man dann demgegenüber auch nachsichtig tolerant sein oder eben nicht dulden, also quasi "intolerant" werden?
Genau die Weitsicht ist es doch, an der es oft mangelt. Wir schauen gerade mal ein winziges Stück voraus und sehen nicht das Ganze. Intoleranz entsteht oft aus Halbwissen und Halbwahrheiten.
@Cecilia: Du hast es auf den Punkt gebracht, sehr gut. Dass das Fazit eher negativ ausfallen muss, ist eine betrübliche Tatsache. Und eben diesen Widerständen gegenüber sollte man nicht tolerant sein.
Enya
Meine Frage war natürlich ein wenig provokatorisch ...
Nur zu dulden, alles zu tolerieren, hieße auch einverstanden zu sein mit Mord und Totschlag, um es einmal auf die Spitze zu treiben. Das liefe den großen Zielen der Menschlichkeit, der Freiheit, der Brüderlichkeit und der Gleichheit entgegen.
Grenzen zu ziehen, "richtige" Grenzen, das macht die Toleranz schwierig. Anarchie bedeutet Chaos. Es muss in einer Gesellschaft Regeln geben, Gesetze, die geschaffen werden durch gewählte Organe. Soweit so gut.
Doch Lobbyisten unterwandern alles, diktieren Gesetze nach ihrer Facon. Hier muss man aufpassen und nichts tolerieren. Politiker gehen dennoch (korrupt) darauf ein. Das Volk fühlt sich machtlos, haben sie doch gerade diese Leute gewählt. Man darf aufbegehren, die Verfassung gestattet es. Doch man lässt sich viel zu viel gefallen und duldet, toleriert äußerlich jedenfalls. Ratlosigkeit herrscht vor. Die Toleranz dieser Machenschaften ist äußerst schädlich.
Wie sieht es aus mit der Toleranz uns selbst gegenüber? Kann sie hinderlich sein im Bekämpfen unserer Schwächen? Ist da Einhalt geboten? Oder läuft man dann Gefahr, sich selbst nicht mehr zu akzeptieren?
Sich selbst zu tolerieren fällt leicht, wenn man sich es leicht machen möchte. "Ich bin ich und fertg!" Das kann Stillstand bedeuten oder sogar Selbstaufgabe. Man entschuldigt alle seine Schwächen (falls man sie als solche überhaupt erkennt), weils einfacher ist. Vielleicht gibt es dem einen oder anderen eine gewisse Zufriedenheit, die Selbstzufriedenheit. Das kann aber gefährlich sein, wenn die eigenen Schwächen Schaden anrichten an Leib und Seele.
Die Frage was richtig ist, ist nicht leicht zu beantworten. Manche Fakten muss man akzeptieren und sich damit arrangieren, anderes muss unbedingt bekämpft werden: die Überwindung des inneren Schweinehundes quasi.
Jeder wird ein Beispiel bringen können.
Fazit: Auch hier hat die Toleranz Grenzen. Die 100 %ige Toleranz des Ichs halte ich für falsch.
Helga
100 % Toleranz
Toleranz ist ein ständiges Tasten und Austarieren. Nie werden wir in dieser Übung Perfektion erreichen, nie die 100 %. Denn wenn wir meinen, wir hätten sie erreicht, tut sich ein neues, weites Feld auf und fordert uns, fordert uns heraus.
Wir meinen sie zu kennen, aber sie erneuert sich ständig. Sie ist und bleibt rätselhaft und undurchschaubar.
Cecilia
Deine Gedanken Cecilia
Hab'sie gelesen, Cecilia ...
Du hast viel gesagt. Ach, wenn doch alle Menschen so oder annähernd so denken würden. Es wird vermutlich nicht zu erreichen sein.
Wir müssen mit wenig zufrieden sein und uns freuen, wenn sich die Fronten nicht verhärten.
Ich möchte, weil es so schwierig ist die notwendige Toleranzen, die im Rahmen der zunehmenden Globalisierung notwendig werden, zu erreichen, lieber über die Toleranz zu sich selber schreiben. Mal sehen, ob ich das einigermaßen objektiv betrachten kann.
Komisch ist immer wieder zu sehen, dass Toleranz von unten nach oben erwartet wird aber der Chef an Toleranzen gegenüber seinen Unterstellten eher weniger denkt.
Toleranz unter Menschen, die sich auf einer Ebene befinden, ist eher möglich als zwischen arm und reich oder auch zwischen den unterschiedlichen Bildungsebenen.
Helga
Das Doppelgebot der Liebe....
für mich ein zweischneidiges Schwert.
Hier könnte man an die Grenzen der Toleranz stoßen.
Sich selbst zumindest so zu lieben wie seinen Nächsten....diese von dir gemachte Umkehrung, Cecilia, hat was.
Wenn ich meinen Mitmenschen gegenüber nachsichtig bin, darf ich das dann auch mir selbst gegenüber sein?
Toleranz in diesem Sinne beinhaltet ja auch, sich in andere hineinversetzen zu können.
Aus diesem Grund übrigens wirken Kinder oft nicht tolerant, denn bis etwa 8 Jahre (manchmal noch später) können sie nicht die Position eines anderen einnehmen.
Enya
Liebe Dich selbst wie Deinen Nächsten! - Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!
Nachsichtig sein gegen jedermann? Ich glaube, dann sind wir zu gut für die Welt.
Das wird sich nicht umsetzen lassen. Wer ist der Nächste, der unsere Nachsicht empfängt? Familie, Freunde, Bekannte oder auch gänzlich Fremde?
Wollen wir wirklich tolerant sein, dann müsste diese Regel für alle gelten. Damit würden wir sicher als völlig komische, weltfremde Käuze angesehen werden, was nicht das Schlimmste wäre, wenn es denn klappen würde.
Ich denke, die absolute Toleranz gibt es nicht. Die Frage ist immer die, wie verhalten wir uns, wenn wir nicht tolerant sind?
Helga
Tag der Veröffentlichung: 20.05.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Helga, Enya, Geli, Signe, Cecilia und Conrad