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"Die Früchte vom Baume der Erkenntnis sind es immer Wert, dass man um ihretwillen das Paradies verliert! Also nur immer fort gefahren und mit äußerster Konsequenz in die letzte Pforte der Erkenntnis vorge-
drungen.“

Ernst Haeckel


Der Garten Eden von Cranach.


Paradies Erde



Es gibt Vorstellungen wie DAS PARADIES einst gewesen sein soll, es gab sie immer, doch sie behagen mir nicht oder besser gesagt, ich folge ihnen nicht.
Es ist mir nicht möglich, an ein religiös geprägtes Paradies zu glauben, dennoch denke ich, dass alle Menschen, so auch ich, sich wenigstens den Schutz der irdischen Paradiese wünschen, nämlich genau in den Augenblicken, wenn sie in das geschundene Gesicht der Erde blicken. Aus den Paradiesen der Welt werden allmählich Wüsten.

Manche Menschen trösten sich damit, dass sie nach Beendigung ihres Lebens in den Himmel kämen. Daran werden unterschiedlichste Bedingungen geknüpft, doch kaum eine führt dazu, unsere welt-
lichen Paradiese zu erhalten.


Haben die Menschen die Erde aufgegeben? Das frage ich mich manchmal erschrocken. Bestimmt nicht alle, tröste ich mich, ruhiger werdend. Kein vernünftiger Mensch würde sich doch, im Vollbesitz seiner gei-
stigen Kräfte, aus dem Leben in ein nebulöses paradiesisches Dasein im Himmel vertreiben bzw. sich darauf vertrösten lassen.

Doch mir scheint, genau das passiert. Die Vertreibung aus dem Paradies Erde ist in vollstem Gange. Durch wen oder durch welche Kräfte geschieht das?
Es passiert durch eine Allmacht, durch die Gier. Sie war immer vorhanden aber vermutlich nie so ausge-
wachsen wie heute. Sie verschlingt den guten Willen, sie frisst die Vernunft, den Verstand, doch sie ver-
spricht alles, sie verspricht das Paradies.
Die Gier verspricht ein Paradies auf Erden, der religiöse Eifer eines im Himmel. Wenn man nur, egal mit welchen Mitteln und Methoden, genügend zusam-
mengerafft habe, dann würde man sich das Paradies kaufen können, ein Scheinparadies der Glückseligkeit für Blinde und Dumme.

Helga


Mein Paradies


In mir
Bei dir
In dir

Was zählt
Bist du

Feuer
Wasser
Wüste

Dunkelheit
Einsamkeit

Das Paradies
Bist du.


Helga


Aus dem Paradies vertrieben,
konnten die Menschen kein Paradies mehr ertragen.
Sie zerstörten alles Paradiesische auf Erden.

Hier steht kein Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen.
Kein Apfel hilft uns bei der Wahl.

Wir aber können
uns Menschlichkeit angewöhnen, in mühevoller Kleinarbeit.
So wie Breivik sich in zwei intensiven Jahren
die Menschlichkeit abgewöhnt hat.

Der Quell ist da.

Cecilia

Ausschnitt aus:
Hieronymus Bosch "Der Garten der Lüste" um 1500



Ein Paradies auf Erden?



Irgendwie war ihr Leben aus den Fugen geraten. Einige Schicksalsschläge hatten sie erstarren lassen und die Zweifel an dem Sinn ihres Lebens waren stärker geworden als je zuvor. Es gab nichts, das sie motivier-
te, nichts, dass ihr Freude machte. So begann sie einer unbestimmten Sehnsucht Raum zu geben, die ihr innewohnte: der Sehnsucht nach dem Paradies auf Erden. Die Alternative schien ihr nur das himmlische Paradies, an das sie aber nicht glaubte. Also wehrte sie dieses unbestimmte Sehnen nicht ab, obwohl sie natürlich wusste, dass es ein Paradies auf Erden nicht geben werde. Dieser Zwiespalt zwischen Sehnen und dem Wissen des Unmöglichen machte ihr beinahe Angst, erfüllte sie zumindest mit Ratlosigkeit und ließ sie in einer bleiernen Lähmung dahinvegetieren. Ihr Weltbild war auch nicht gerade dazu angetan ihr Mut zu machen. Fortschreitende Umweltzerstörung, Globalisierung von Machtausübung, Kriege, Unter-
drückung, Armut und Verarmung an Werten... all das bedrückte sie sehr.
Sollte sie aufgeben, sich resignierend dreinschicken oder sollte sie versuchen, doch ein winziges Stück Leben zu finden, das dem „Paradies auf Erden“ nahe kam?
Sie begann Urlaubsprospekte zu studieren, wühlte sich durch das Internet. Aufbruchstimmung machte sich breit. Irgendwann dann hatte sie sich entschieden. Die Angebote, die dieses „Paradies auf Erden“ versprachen waren ungeheuer zahlreich, so dass die Entscheidung schwer fiel.

Bald darauf jedoch fand sie sich auf einer Insel im Indischen Ozean wieder, in einem Ort direkt am Wasser, der noch viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt hatte. Keine Bettenburgen, sondern kleine Bungalows, die sich wunderbar zwischen den Palmen einfügten. Die spartanische Einrichtung kam ihrem Anliegen nahe. Wozu Luxus, den hatte es im Para-
dies, wie es in der Bibel beschrieben ist, auch nicht gegeben.
Von ihrem Bungalow aus hatte sie einen wunderbaren Blick aufs Meer. Es erstrahlte im Sonnenlicht in zahlreichen Blau- und Grünschattierungen, davor glitzerte der beinahe weiße feine Sand und sie meinte, er sei von winzigen Diamanten durchsetzt. Nur während des Sonnenuntergangs wechselte das Wasser die Farbe, ein sich ständig ändernder orange-roter Teppich in dem langsam schwächer werdenden Licht breitete sich vor dem Auge des Betrachters aus, so lange, bis der Feuerball endgültig am Horizont abgetaucht war und sich schwarze Schatten aufs Wasser legten.
Ja, das hier schien ihr paradiesisch und sie meinte, langsam wieder aufzutauchen aus ihrer Lethargie.
Eines abends saß sie im Dämmerlicht vor ihrem Bungalow und träumte vor sich hin. Plötzlich gewahrte sie einen älteren Mann, den sie in der Ferienanlage schon öfter gesehen hatte, wie er die Wege und Grünanlagen säuberte. Jetzt sammelte er alles Mögliche vom Uferstreifen auf und füllte es in einen Sack, den er mit sich schleppte. Sie konnte nicht erkennen, was es war.
Sein Blick fiel auf sie und sie meinte etwas Anklagen-
des in seinen Augen zu lesen. Sie konnte seinem Blick nicht standhalten und wendete ihre Augen ab. Es wurde dunkel und sie lag im Sand, konnte ihre Augen nicht öffnen. Vor ihrem Inneren sah sie immer den Blick des Mannes und schmerzlich spürte sie Gefühle, die sie eigentlich nicht wahrnehmen wollte.
Als sie auftauchte aus dem Dunkel und sich aufsetzte, erschrak sie. Ihr gegenüber saß der Mann, aber jetzt schaute er eher fragend, abschätzend. Nach dem ersten Schrecken versuchte sie, seinem Blick diesmal nicht auszuweichen und tauchte in die Augen, die so wissend schienen. So schauten sich beide an und schwiegen. Man hörte nur das Geräusch der Wellen, die sanft am Ufer umschlugen.
Schließlich unterbrach er die Stille und sie wunderte sich , dass sie ihn verstehen konnte, dass er ihre eigene Sprache sprach.
„Du suchst das Paradies auf Erden und meinst, es hier gefunden zu haben?“, sagte er ruhig.
Sie konnte nur nicken.
„Ja, so denken viele. Sie zerstreuen sich über den ganzen Erdball, suchen ihr Glück in einer Welt, die frei ist von den Ungerechtigkeiten und Missständen, die sie selbst verantwortet haben, eine Welt, in der die Natur noch so ist, wie sie uns einst geschenkt wurde. Sie suchen nach Abenteuern, nach Ruhe, nach Schönheit, wollen alldem entfliehen, was Leben vernichtet oder schädigt. Dabei vergessen sie, dass sie auch nur in eine Scheinwelt eindringen, die sie mit ihrem Wohlstand für kurze Zeit kaufen können, sie wollen nicht sehen, dass in dieser Scheinwelt das angebliche Paradies auch keinesfalls existiert.“
Sie machte eine hilflose Geste mit der Hand, zeigte auf die unvergleichliche Schönheit der Landschaft.
Er sprach schon weiter: „Was denkst du, wie wird es hier in 50 Jahren aussehen? Du wirst das Paradies auch hier nicht finden. Weißt du, dass ich einst hier glücklich lebte mit meiner Familie, so wir die meisten hier. Wir fuhren hinaus mit unseren Booten zum Fischen, lebten in Hütten, ernährten uns von dem, was die Natur uns gab. Das ist lange vorbei. Die Fischgründe geben uns sogar hier nicht mehr das, was wir benötigen. Ja, wir leben von euch Touristen und es werden mehr und mehr werden, weil die Menschen in ihren Lebensräumen lange nicht mehr das finden, was auch nur annähernd mit einem Paradies zu tun hat. Auch dieses wunderbare Stück Erde hier wird verschandelt werden. Bäume werden sterben, Tiere ihren Lebensraum verlieren. Den Touristen bieten wir noch die heile Welt, doch in Wirklichkeit haben wir hier – wie auch anderswo - den Schlüssel zum Paradies verloren, ja, ihn vielleicht nie besessen.“
Sie war betroffen, sprach er doch nur aus, was sie eigentlich die ganze Zeit über gewusst hatte. Es gab es nicht, das Paradies auf Erden.
„Was können wir tun?“, fragte sie. “Gibt es überhaupt eine Chance?“
Nun lächelte er.
„Die Chance liegt in uns“, meinte er. „Wir Menschen sind ein Teil des Ganzen, des großen Universums, aber gefangen, indem wir uns als abgetrennt von allem betrachten, wir zirkulieren um unsere Winzig-
keit und unser Horizont ist eng. Vielleicht sollten wir aufhören, uns als isolierte Einzelwesen zu betrachten, sondern unser Mitgefühl, das uns doch als Mensch gegeben wurde, ausdehnen und erweitern auf alle Lebewesen und die gesamte Natur.“
„Aber versuchen das nicht schon alle?“, wagte sie anzumerken.
„Warum bist du hier?“, lächelte er. „Du suchst für dich ein kleines Glück, entfliehst deinen Problemen und wirst das doch nicht schaffen. Jedem Erdenbürger gebühren menschenwürdige Daseinsbedingungen. Ihr glaubt, euch das Paradies kaufen zu können. Hast du eine Ahnung, wie viele Menschen nicht mal ihre Grundbedürfnisse befriedigt bekommen?“
„Hör auf!“, rief sie, schloss die Augen und hielt sich die Ohren zu. Sie wusste es ja, immer hatte sie es gewusst. Warum nur war ihr dieses Wissen abhanden gekom-
men in ihrer jämmerlichen Beschäftigung mit sich selbst? Als sie wieder aufschaute, war er verschwunden.

Am nächsten Morgen packte sie ihre Sachen.
Bevor der Bus sie zum Flughafen abholte, ging sie noch einmal durch die Ferienanlage. Sie sah den alten Mann, wie er die Liegen am Pool mit Auflagen bestückte. Ihre Blicke begegneten sich für Sekunden, aber er zeigte kein Erkennen.
Sie flog zurück nach Hause, trug das Bild der paradies-
ischen Täuschung in sich. Sie begann zu schreiben, sie suchte Menschen, denen sie ihre Ideen vermitteln wollte. Viele hörten nicht zu, lasen nicht, was sie schrieb. Aber es gab immer mal wieder den ein oder anderen, der sich ihrer Meinung anschloss.
Sie war nicht mehr eine enttäuschte Einzelperson, die sich ins Private flüchtete.
Nach wie vor wusste sie, dass es kein Paradies auf Erden gibt. Aber dennoch trug sie eine Vision in sich, dass jeder Einfluss hat auf das Schicksal aller. Und sie wusste, dass es noch ein langer Lernprozess sein würde für die Menschheit, bis diese mit der Freiheit verantwortungsbewusst umgehen würde. Es galt, einen winzigen Spalt der verschlossenen Tür zu öffnen.

Enya


Meine Gedanken zum Paradies


Was versteht man unter dem Wort Paradies? Ich denke, es ist das Bedürfnis oder die Vision eines jeden Menschen sich verwöhnen zu lassen, möglichst ohne etwas dafür zu tun oder mit einem sehr niedrigen Aufwand. Eigentlich könnte man es mit dem Schlaraf-
fenland vergleichen.

Zunächst bringt man es mit der Bibel 1. Buch Mose in Verbindung. Der Garten Eden. Alles ist fantastisch, bis Eva Adam verführt und sie diesen so schönen Platz verlassen müssen. Noch heute wird danach vergeblich gesucht. Der Gedanke der Menschheit ist uralt, man sehnt sich danach zurück. Das Weib ist falsch und hat den armen unschuldigen Adam verführt. Hätte sie das nicht lassen können?

Brauche ich wirklich diesen Garten, um mich para-
diesisch zu fühlen? Wenn ich einmal im Jahr Urlaub im Süden mache und meinen Cocktail am Pool schlürfe, fühle ich mich auch so, obwohl ich genau weiß, dass die Infrastruktur des Landes alles andere als optimal ist. Ich genieße es und lasse mich verwöhnen für relativ wenig Geld. Während ich am Strand in der Sonne liege, fackeln sie den Müll im Hinterland ab. Frauen arbeiten bei 40 Grad auf den Feldern und oft haben sie nicht diese Gerätschaften, die für uns in Deutschland selbstverständlich sind. Wir finden nicht mal Arbeiter zum Spargelstechen. Ich meine bei diesem Beispiel die Türkei. Die Menschenrechte werden mit Füßen getreten. Trotzdem fährt der Deutsche dort hin und vergisst für zwei oder drei Wochen alles.

Bei dem Wort Paradies stelle ich mir immer eine einsame Insel vor. Mit einem weißen Sandstrand. Vielleicht auch noch mit Palmen. Kristallklares Wasser und ein wunderschöner azurblauer Himmel. In Norddeutschland ist es oft grau in grau und meine Vorstellung sicherlich verständlich. Zumal ich die Wärme mag und mit Kälte wenig anfangen kann.






Auch ohne Urlaub kann ich mir eine kleine Wohlfühl-
oase schaffen. Am Nachmittag gemütlich auf dem Sofa liegen. Ein Buch lesen, eine Tasse Tee dazu und wenn es draußen kalt ist, zünde ich gern Kerzen an. Jetzt im Frühling genieße ich das Wetter draußen. Die Kirsch-
bäume blühen, die Natur erwacht und der Kreislauf der Jahreszeiten beginnt. Das kostet gar nichts, ich kann es visuell genießen. Träumen kann man immer und überall. In Gedanken verreisen und für eine kleine Weile dem Alltag entfliehen. Mit offenen Augen durch das Leben gehen, dann kann man viel entdecken und sich einen kleinen Freiraum schaffen.



Geli


Ich habe gestern
von meinem Paradies
Abschied genommen.
Heute schmerzt der Gedanke,
aber schon morgen
wird die Erinnerung
mich dorthin zurückbringen.
Alles was ich in mir bewahre,
kann mir niemand nehmen.

 

Geli




Zweiter Weg ins Paradies


von Conrad Cortin

Das Land, in dem du frei sein wirst, frei von all den Bindungen, auf die du dich im Laufe deines Lebens eingelassen hast, liegt im Süden. Um dieses Land zu erreichen, musst du ein unterirdisches Labyrinth durchqueren, über dem sich ein riesiges, unübersteig-
bares Gebirgsmassiv türmt. Ohne einen Führer ist es aussichtslos ans Ziel zu gelangen, und selbst mit einem solchen ist es nicht sicher. Am Tunneleingang warten stets ein Dutzend Leute, die sich als Führer anpreisen.
Der chaplinesk aussehende Mann, den Wanda und Benno sich ausgesucht haben, wirkt zuverlässig. Zudem hält er einen etwa zehnjährigen Jungen an der Hand, was zusätzlich für ihn einnimmt. Er beteuert, er habe schon viele durch den Berg geführt, man könne sich ihm unbesorgt anvertrauen.
Der Weg zieht sich hin, allzu lange, vorbei an zahlreichen Abzweigungen. Der Führer wird sich bestimmt verlaufen haben, befürchtet Benno, hält aber den Mund. Man sieht im Schein seiner Taschenlampe nur wenige Schritte voraus. In dieser Finsternis durfte man es sich mit dem Besitzer der Taschenlampe nicht verderben.
Sie begegnen die ganze Zeit über keiner Menschen-
seele. Endlich sehen sie weit vorne einen Lichtschim-
mer, Polizisten in blauen Uniformen halten Wache an einer Barriere. Die Polizisten wirken bedrohlich und lassen sie erst passieren, als Benno eine Gebühr entrichtet hat. Es ist nun nicht mehr ganz so finster. Im Abstand von etwa fünfzig Metern kommen sie an vergitterten Fenstern vor bei, durch die Licht einfällt, sie blicken in kahle, einsame Schluchten, und halten vergeblich nach einer menschlichen Ansiedlung Ausschau. Der Knabe wird quengelig. Er klagt, es sei ihm übel, und dann erbricht er sich. Zum Glück ist keine Polizei in der Nähe, sonst wäre wohl wieder eine Gebühr fällig.
In der Tat begegnen sie nun oft Polizisten, merkwür-
diger Weise niemals Zivilisten, aber man kümmert sich nicht um sie. Allmählich wird Benno misstrau-
isch, es sieht danach aus, als näherten sie sich eher einem Polizeistaat als dem Paradies. Sie wären also menschlichen Bindungen, die sie seit langem schon als beengend empfanden, entflohen und würden nun erst recht um ihre Freiheit bangen müssen. Ein schlechter Tausch. Am liebsten würden sie umkehren. Wanda und Benno bleiben unschlüssig stehen. Der Mann mit dem Knaben ist vorausgeeilt und außer Sichtweite.
Hallo!

aus "Herr Benno Spazier streift das Leben"

Das Sofa



Adam und Eva saßen auf dem Sofa, mitten im Paradies, das sie sich perfekt eingerichtet hatten.

Da es noch keine Klimakatastrophe gab, wuchsen ihre Bäume in den Himmel.

Öl gab es nicht in ihrem Paradies, die Luft stank nicht, keine Plastiktüte schwamm im glucksenden Bächlein, aus dem die Forellen herausschnellten wie Delphine – nur ohne deren lachendes Gesicht.

Die strahlende Sonne versorgte alle mit Energie; die grünen Chlorophyllträger nahmen ihr Licht gierig auf und verwandelten es in Zucker, die Menschen und Tiere kitzelte es an ihrer Zirbeldrüse und flößte ihnen Mut und Kraft ein.

Friede wehte wie ein Frühlingswind über die Lande.

Eva war von eher zänkischer Art. Der Friedenshauch erstickte jedoch ihre Spitzfindigkeiten, bevor sie ihr über die Lippen kommen konnten. Drinnen in ihrem Munde brandeten sie gegen die Reihe der Zähne an und machten ihr höllische Schmerzen. Das Zahnfleisch wucherte dagegen an und bildete einen Wall gegen deren Säure.

Adam, der Tag für Tag durch das Paradies schlenderte, seine Eva am Arm, hatte dagegen Schulterschmerzen vom vielen Zeigen. Wie ein Feldherr hatte er jahrelang den Arm gehoben und bei seinen Patrouillen auf Dieses und Jenes hingewiesen, das nur er erklären könne. „Alles meins“.

„Alles unsres.“

Und schon blies der Friedenshauch wieder heftiger, um die Flamme der Diskussion und Auseinandersetzung im Keim zu ersticken.

Abends, nach getaner Kurzweil, setzte sich Adam an seinen Computer. Er loggte sich auf dem Literatur-
forum ein. Dort gab es einen Blog über ‚Glauben’. Aber war das nicht Irrsinn, unlogischer Irrsinn:
ein B l o g über G l a u b e n ? Ein Gottesbeweis prallte auf den anderen, missionarische Eiferer spra-
chen den Zweiflern den Kern jeglichen Menschseins ab und bewarfen einander mit Totschlagargumenten, alles lag in Schutt und Asche, auch die kulturelle Errun-
genschaft des Streitgesprächs.

Die Milch der frommen Denkungsart deckte diese seine Erkenntnis alsbald zu und lies seine Pupillen mit überraschter Wendigkeit und übermenschlicher Liebe und Güte über die Zeilen eilen. Jegliches Gegen-
satzpaar aus Begriffen verschmolz in seinem Sinn; sein bisher manchmal kritischer Geist klebte vor Weisheit und konnte sich nicht mehr erheben in die Höhen ewiger Klarheit. Am Boden grundelnd traf er auf den ausgespuckten Tratsch von Eva und vermengte sich mit ihm zu fruchtbarem, wenn auch faulig stinkendem Humus.

So mussten beide, Adam und Eva, wider besseres Wissen den Plan des Ewigen in die Tat umsetzen, ob sie nun wollten oder nicht.




Adam und Eva saßen auf dem Sefa,
Adam und Ova saßen auf dem Sofa.

Wie auch immer, jedenfalls saßen sie mitten im Paradies, das sie sich perfekt eingerichtet hatten.


Cecilia


Namen sind nur Schall und Rauch oder
Wie das Paradies in die Creme kam



von Signe

Das Paradies als Krem
wie angenehm
wie angenehm

verführerisch mit Sahne
wie ich ahne
und dennoch mahne

aus der Tüte
konserviert mit Stoffen
lässt manches offen
mit verstärktem Geschmack
wird der Mensch zum Wrack

Die Krem als Paradies
wie zuckersüß
wie zuckersüß




Nicht immer ist im beworbenen Produkt das drin, was auf der Packung draußen drauf steht oder zu sehen ist. Das ist bei den *Katzenzungen* nicht anders als bei der *Paradiescreme*. Auf einer Seite im Internet wird dem Verbraucher erklärt, dass „Die Bilder auf Lebensmittelverpackungen … einfach eine Orientie-
rung zum Geschmack, zur Verwendung oder zum Inhalt“ [geben]. Ja, das klingt logisch! Und obwohl auf der Verpackung auch eine Katze abgebildet ist, wird wohl niemand beim Kauf von *Katzenzungen*, die eine kleine feine Spezialität aus Schokolade darstellen, Katzen oder Zungen von Katzen erwarten. Bei den *Katzenzungen* nimmt der Hersteller also das Foto einer Katze und setzt diese geschickt mit den schmalen Schokostäbchen ins Bild – fertig ist die perfekte Verpackung! So weit, so gut! Welches Foto nimmt man dann aber für die *Paradiescreme*. Wie sieht denn das Paradies aus? Denn auch hier ist dem Käufer wohl klar, nicht DAS PARADIES zu kaufen. Oder ist mit dem Verzehr dieser Creme das Paradies auf Erden erreicht?

Das Paradies in vollendeter Form konserviert für die Ewigkeit, in der Tüte… Man nehme Dr. Oetker…

In der Kulturgeschichte des Essens stellt das Pudding-
pulver durchaus eine Innovation dar. Am Anfang war jedoch das Backpulver. 1891 werkelte und probierte August Oetker in seiner Apotheke so lange herum, bis die Menge seines Backpulvers, genau passend für ein Pfund Mehl ein problemloses Backen ermöglichte. Bald folgten Vanillinzucker, Puddingpulver und Speisestärke. Die Hausfrauen danken es ihm noch heute. Mittlerweile ist das Unternehmen *Dr. Oetker* ein Imperium, welches in über 35 Ländern mit 332 unterschiedlichen Unternehmen agiert. Dabei ist es vor allem auch in den Branchen *Schiffe*, *Chemiewerke*, *Versicherungen* und *Banken* tätig und erzielt mehrere Milliarden Euro Jahresumsatz. Klingt paradiesisch, oder?

Den Produktdesignern der Lebensmittelindustrie und auch der Gastronomie sind keine Grenzen gesetzt beim Kreieren neuer Produkte und vor allem den passenden Namen dazu. Bei den Getränken an einer Cocktailbar ist Phantasie geradezu ein MUSS, denn diese Getränkegruppe lebt von kreativen Rezepturen und Namen. So findet sich heute auf gängigen Cocktail-Karten durchaus ein *Sex on the Beach* und in meinem Dr.-Oetker-Cocktail-Buch gibt es auch einen *Adam & Eva*-Cocktail. Da sind wir dem Paradies wieder nahe…

Am paradiesischsten (gibt es überhaupt einen Superla-
tiv von *paradiesisch*?) wird es jedoch für die Mitar-
beiter der Gastronomie, wenn ein Gast die ihm fremden Namen von Gerichten, Speisen oder Geträn-
ken nicht auszusprechen weiß. Obwohl ich nicht unerwähnt lassen möchte, dass auch mancher Gastronom die ihm eigentlich vertrauten Begrifflich-
keiten nicht immer korrekt zu handhaben weiß. Bestes Beispiel ist dafür die berühmte englische Würzsoße *Worcestersauce* ['wu:ster-], die gerne und häufig, deshalb aber nicht weniger falsch: *Worschestersoße* ausgesprochen wird. Mein Vater bestellte sich aus lauter Verzweiflung darüber mit dem *Steak aux four* dann *Orchestersoße*… Und auch zum mit Würz-
fleisch und Käse überbackenen *Steak aux four* gibt es eine herrliche Anekdote aus meiner Zeit als Gastrono-
min, die ich dem geneigten Leser nicht vorenthalten mag: Ein Gast, der sehr bemüht ist, vornehm zu wirken, liest interessiert in der Speisekarte. Der Gast entdeckt das *Steak aux four*. Der Kellner kommt, um die Bestellung aufzunehmen. Der Gast sagt mit ernster, wichtiger und würdevoller Miene: „Ich nehme ein *Steak for you*. Der Kellner, ebenfalls mit würdevoller Miene: „Danke, mein Herr. Und was darf ich Ihnen bringen?“…

So mag meine kleine persönliche Reise ins gustato-
rische Paradies enden, wenn auch nicht geklärt ist, wie denn nun das Paradies in die Creme kam. Oder doch?

Verwendete Quellen:



http://www.bll.de/lebensmittelklarheit-bedeutet-kennzeichnung-verstehen/
abbildungen-verpackungen.html

http://www.tagesspiegel.de/zeitung/der-pudding-milliardaer/799676.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Worcestershiresauce

Impressum

Bildmaterialien: Deckblatt von Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 08.05.2012

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