Deine dunklen Augen -
Tore in eine andere Welt.
Ich sehe hinein
und verliere mich selbst darin.
Du hast mein Innerstes
nach außen gekehrt.
Meine Träume erzählen von Dir.
Ich fliege über ein fremdes Land,
dessen Herrscher Du bist.
Dieses Land ist mein Leben,
aber ich bestimme nicht darüber.
Das hast Du übernommen.
Du sitzt auf einem Thron aus Eis
in einem Schloss aus härtestem Stahl,
ein Schloss ohne Türen und Fenster.
Du verwehrst mir den Eintritt,
Du sperrst mich aus.
Ich bin eine Gefangene,
gefangen in mir selbst
und schaffe es nicht,
mich zu befreien.
Einst gab es eine Zeit,
da ich geliebt habe.
Ich liebte Dich.
Doch Du brachtest mich dazu,
mich selbst aufzugeben.
Du befiehlst,
und ich gehorche.
Ich bin Deine Schöpfung.
Doch Du hast mich jetzt verloren.
Eine neue Kraft wächst in mir,
stark, aber dunkel und böse.
Ich kann hassen.
Mein Hass ist das Einzige,
was Du mir nicht genommen hast.
Und so hasse ich Dich,
und ich hasse mich.
Dunkelheit
Die Dunkelheit kommt schleichend
Vorsichtig tastend
Schritt für Schritt
Wie eine Katze
Ein Geschöpf der Finsternis
Schwester der Nacht
Die sie einhüllt
Wie ein warmer Mantel
Hilferuf
Lachende Menschen Gläser klirren
Laute lärmende Musik
Ein Kind weint, die Party kümmert es nicht
Herr Ober, noch ein Bier!
So lustig die Menge, so traurig das Kind
Es weint schreit laut
Die Party kümmert das nicht, die Party geht weiter
Sie tanzen
Lachen
Singen
Feiern
Aber das Kind weint
Keiner fragt warum
Sehen es nicht, sehen den Schmerz nicht
Kein Blick in die traurigen Augen
Kein Blick auf das weinende Kind
So verzweifelt so allein
Sie feiern nur und tanzen
Bemerken nichts, wollen nichts bemerken
Sind dafür blind und taub
Wollen nur Spaß, weil sie nur Spaß kennen
Nichts ist wirklich, nichts ist wahr
Wahrheit ist Lüge
In der Lüge liegt Tod
Die Party ist zu Ende
Kein Lachen mehr
Kein Tanzen
Kein Singen
Verlassen ist alles
Leer und verlassen
Zurück bleibt nur das weinende Kind
Und keiner fragte
Warum
06. Mai 1992
Er ging fort und ließ alles hinter sich zurück,
weil er den Sinn des Lebens suchen wollte.
Aber er fand ihn nie.
Denn überall, wo er war,
war er allein.
18. April 1993
Gottheit
Sie kam vom Anfang der Zeit
Sie konnte Tore öffnen
Tore in andere Welten
Nur mit ihrem Gesang
Sie war unsterblich
Wanderte unerkannt
Durch zahllose Welten
Niemand kannte ihren Namen
Oder ihr wahres Gesicht
Doch jeder wusste von ihr
Sie konnte fliegen
Konnte sich verwandeln
Wenn sie wollte
Sie konnte alles tun
Wenn sie nur wollte
Hielt sich nirgends auf
Ließ Gefühle nicht zu
Gefühle, sagte sie,
sind was für Sterbliche
und für Träumer
Aber sie war eine Göttin
Niemandsland
Irgendwo gibt es einen Ort
Tief unter der Erde vielleicht
Oder über den Wolken
Vielleicht auch im Wald
Oder zwanzigtausend Meilen unter dem Meer
Die Lage ist egal
Der Ort existiert
Und das allein ist wichtig
Denn dieser Ort heilt deine Wunden
Wunden tief in deiner Seele
Die bluten und bluten
Die immer wieder aufgerissen werden
Denen man nicht erlaubt, sich zu schließen
Glaube mir, an diesem Ort dürfen sie es.
Irgendwo gibt es einen Ort
Da schaut man nicht auf das
Was du bist oder was du tust
Da wirst du einfach geliebt
Ohne Vorurteile
Du brauchst dich nicht anzupassen
Du kannst sein, wie du sein möchtest
Du kannst du sein
Glaube mir, keiner dort verlangt mehr.
Irgendwo gibt es einen ort
Da vergibt man dir
Egal, was du getan hast
Da glaubt man dir
Egal, was du sagst
Da akzeptiert man dich
Egal, wer du bist
Glaube mir, der Ort existiert.
Ich suche ihn noch immer
Denn ich bin genauso einsam
Wie du.
18. Juli 1993
Traumreise
Manchmal schließe ich meine Augen
Und stelle mir vor
Dass ich in einem Land bin
Das nie zuvor
Von einem Menschen betreten wurde
Und dieses Land ist nur da
Weil ich es so wollte.
11. August 1993
Die Eine
Augen, so dunkel und unergründlich
Wie ein tiefer Brunnen
Wie ein langer, langer Tunnel
Und am Ende ein Lichtpunkt
Winzig klein, doch hell wie die Sonne
Und genauso warm
Ein Herz, das glänzt wie Gold
Lodernde Flamme, die Liebe gibt
Eine Seele, die vergibt
Die tröstet und verzeiht
Und doch ganz allein ist
In der stummen Welt ihrer Gedanken.
11. August 1993
Sackgasse
Wenn du alles falsch gemacht hast
Und keiner mehr da ist, der dich liebt
Wenn du alles verloren hast
Und niemand mehr zu dir hält
Wenn die Probleme dich verfolgen
Und du ihnen nicht entkommen kannst
Weil sie schneller sind als du
Wenn deine Alpträume wahr werden
Und du spürst, wie der Boden
Unter deinen Füßen weggezogen wird
Dann ist es schon fast zu spät
Den Kampf aufzunehmen
Wenn du glaubst, du könntest fliehen
Liegst du falsch
Du vergisst, dass dies eine Sackgasse ist
Du kannst nicht davon laufen
Dir bleibt keine Wahl
Und wenn es dir noch so schwer fällt
Bleib stehen!
Dreh Dich um!
Und kämpfe!
26. November 1993
Die Tat
Regentropfen fallen auf mich
Als ich draußen stehe
Ich starre an mir herab und sehe
Ein nasses, zitterndes Ding
Zitternd vor Kälte und vor Angst
Ich sehe das Messer in meiner Hand
Der Regen wäscht das Blut daran ab
Und das an meinen Händen
Und auf meinen Kleidern, meinem Gesicht
Um mich herum triefende Dunkelheit
Und in mir ist sie auch
Ich versuche, mich zu erinnern
Doch ich kann nicht
Alles was ich weiß ist
- Tod!
In dem Haus, aus dem ich rannte
Panik. Alles dreht sich. Übelkeit.
Ich spüre keine Schuld, nur
- Erleichterung
Der Schmerz ist jetzt vorbei
Ich drehe mich um und renne davon
Laut lachend
Das Gesicht im Regen
05. Mai 1994
Ursprung
Deine Wurzeln liegen weit zurück.
Viel von ihnen ging verloren
Auf deinem Weg zum Hier und Jetzt.
Es dauerte lange,
bis du zu dem wurdest,
der du bist,
der du vorgibst zu sein.
Dich selbst hast du verloren
So wie den Weg zurück zu deinen Wurzeln.
Lebe nicht mit der Lüge,
belüge nicht dich selbst!
Versuche, dich zu erinnern,
woher du kommst.
Wenn du frei sein willst,
frei von Lüge und Schein,
musst du dich erinnern.
Finde den Weg
Zurück zu deinen Wurzeln
Und sei du selbst.
09. Mai 1994
Mauern
Mauern überall.
Wohin ich sehe,
stehen sie.
Ich versuche,
sie zu überwinden,
und manchmal, ganz selten,
schaffe ich es.
Und alles,
was ich dahinter finde,
sind neue Mauern.
Es ist so schwer,
sie zu überwinden,
eine nach der anderen.
Und alles, was ich habe,
ist die Hoffnung,
dass hinter einer dieser Mauern
ein großes weites Feld ist,
eines ohne Grenzen,
ohne Mauern.
Wo ich frei bin
Und für all meine Mühen
Belohnt werde.
Doch von dieser Hoffnung
Ist nicht mehr viel da,
seit ich aufgehört habe,
die Mauern zu zählen.
12. August 1994
Gedanken an ihn
Irgendwo da draußen bist du.
Ich denke an dich.
Nur dein Name ist kein Geheimnis für mich.
Doch ich weiß nicht, wer du bist,
wo du bist.
Du verwirrst mich.
Sie verwirren mich.
Sie erzählen mir von dir.
Und je mehr ich erfahre,
desto weniger weiß ich.
Bist du wirklich der,
für den ich dich halte?
Ich verstehe mich selbst nicht.
Ich kenne nur deinen Namen
Und weiß nur, was andere
Über dich sagen.
Kann es wirklich sein?
Ich glaube, ich liebe dich.
Aber warum?
Vielleicht, weil du für mich
Ein Fremder bist,
nur ein Name,
irgendwo da draußen.
Dezember 1994
Verlorene Freundschaften
Die Dinge entgleiten mir
An jedem Tag mehr und mehr.
Ich hasse es, die Kontrolle zu verlieren.
Wo ist links, wo rechts?
Wo ist oben, wo unten?
Ist denn niemand mehr da?
Ihr seid alle fort.
Aber ihr wart doch immer da!
Ich habe mich so daran gewöhnt,
und jetzt seid ihr fortgegangen.
Jeder in eine andere Richtung, und mich
Habt ihr in der Mitte zurück gelassen.
Eure Spuren im Sand sind nicht mehr zu sehen.
Der Wind hat sie verweht, und um mich
Baute er eine Mauer aus Sand.
Der Regen kam und machte sie schlammig.
Die Sonne kam und brannte sie hart.
Wie soll ich euch folgen?
Ihr sagtet mir nicht Lebewohl,
nicht wohin ihr geht.
Heimlich wie Diebe
Habt ihr euch davon geschlichen.
Aber ich mache euch keinen Vorwurf.
Ich hätte es voraussehen müssen.
Vielleicht tat ich es auch,
doch ich wollte es nicht wahrhaben.
Mein Fehler? Eure Schuld?
Wer will das beantworten?
Die Mauer um mich ist hart geworden,
hart wie Stein, unzerstörbar.
Der Wind ließ mir keine Lücke, keinen Riss.
Ich sitze fest, doch allein
Habe ich nicht die Kraft auszubrechen.
Ich sitze hier fest und ihr
Merkt es nicht einmal,
so beschäftigt seid ihr.
Ihr seid fort – ich bin allein.
Meine Kontrolle – außer Kontrolle.
23. April 1995
Sehnsucht
Manchmal verspürst du plötzlich
Ein Gefühl, das du als Sehnsucht erkennst.
Du weißt nicht, wonach,
aber es ist stark, es zieht dich,
zeigt dir, wie klein die Welt ist, in der du lebst.
Du spürst Linderung,
wenn du aus dem Fenster schaust,
in die Ferne, weil du weißt,
dass dort draußen das ist,
wonach du dich so sehnst.
Doch du sackst in dir zusammen,
denn du weißt auch,
dass du nie dorthin gelangen wirst,
nie deine Sehnsucht stillen kannst.
Du bist gefangen.
1995
Kleine Mondscheinfantasie
Eines Tages
Folgte ich einem verborgenen Pfad
Er führte mich
In einen geheimen Garten.
Ich fand wilde Rosen
Und war gefangen von ihrem Duft.
Weiches grünes Moos war mein Kopfkissen
Meine Decke war der Himmel voller Sterne.
Die Nebel der Nacht trugen mich fort
Und ließen die Zeit zurück.
Ich wachte auf und erkannte,
dass ich noch immer schlief.
So begann meine Traumwanderschaft
Durch magische Dunkelheit
Vorbei an sprühenden Fontänen
Kristall-kalten Wassers
Begleitet von jenen,
die man nicht sehen kann,
umgeben von der Aura
des alten Waldes.
Ich entkam dieser verzaubernden Schönheit nie.
Aber hätte ich es denn jemals gewollt?
Juli 2003
Zwischen 1992 und 1995 entstanden diese "Gedichte", die ich damals noch in ein Notizbuch schrieb. Diese Kladde entdeckte ich jetzt beim Aufräumen wieder, ich hatte gar nicht gewusst, dass ich sie noch besaß. Die Qualität und die Themen haben mit meinen heutigen Ambitionen rein gar nichts mehr zu tun. Doch zu jener Zeit waren diese Texte mir sehr wichtig. Ich war ein Teenager: jung, verwirrt, unglücklich verknallt und erfüllt vom Weltschmerz. So empfand ich es zumindest. Heutzutage hätte ich meinen Zustand wohl als "emo" bezeichnet.
Das letzte Gedicht entstand erst 2003 und ist wesentlich reifer. Ich hatte es ursprünglich in Englisch verfasst und nach der Übersetzung festgestellt, dass es sich auch auf Deutsch sehr schön liest. Die englische Originalversion findet man in meinem zweiten auf Bookrix veröffentlichten Gedichtbüchlein "Two Poems".
Texte: Texte © Jana Oltersdorff
Bildmaterialien: Cover © Jana Oltersdorff
Tag der Veröffentlichung: 05.03.2012
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