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Lebens-GeDicht

Geflochten und gewebt
ein dichtes Leben durch gelebt
auf breiten Straßen, engen Pfaden
schwach und Energie geladen,
getrauchelt und getragen,
wenig Antwort, viele Fragen,
auf Blumenwiesen, schmalen Graten,
oft alleine und verraten,
manchmal geführt und mit genommen,
Vieles selbst zurecht gesponnen...

Sorgsam den roten Faden NEU gelegt,
verdichtet, farbig, haltbar, bewegt!




Schwarz

Die Türklingel aus -
ich könnt' es nicht haben.
Das Telefon aus -
was sollt' ich auch sagen.

Schwarz tropft mir
Angst in den Kopf vom Herz
schwarz Fenster und Tür,
Essen schwarz vor Schmerz.

Angst tropft schwarz aus
meinen Händen und Fingern,
Schwarz mein Gedankenhaus,
Füße kommen ins Schlingern.

Schwarz drückt mir Gefühl
gegen Schläfen und Ohr
sitze regungslos still,
mir kommt Schwarz ewig vor.


Nichts kann ich tun
und nichts hilft mir auf,
schwarz ist schlafen und ruh'n,
fast gebe ich auf.

Nach ungewiss langer Zeit
kommen die Tränen in Fluss
Schwarz wird ein bisschen weit,
Denken denkt wieder: "ich muss..."

Das schwarze Gefängnis zehrt,
laugt aus zu all meinen Rändern,
hilft nicht, wenn man sich wehrt,
Wille kann das nicht ändern.

Nach Stunden und Tagen oft,
im Rückschau'n nichts zu erkennen,
als "Schwarz" das nichts hofft.
Kann es anders nicht nennen.


Lernen, mit meinem "Schwarz" zu leben
muss ich und will es doch nicht...
Wird Schwarz immer weiter geben,
die Zeit dazuwischen habe ich Licht!

Juli 2010


waidwund

Waidmanns Heil!
zum abschuss frei
gegeben bin ich, ist
eine wie ich,
frei - wild ist
eine wie ich
nur nicht frei!
wild werde ich langsam
je mehr sie mich wund
schießen und doch
nicht töten,
zuletzt mein Bestes
wollten, was mich aus-machte,
nicht frei -
wild aber und DAS wollten
sie nicht
Waidmanns Dank!


Waidmanns Dank?
damit aber hätten sie
rechnen müssen, als
sie zielten -
schossen und mir den
lebensnerv trafen nicht
aber mein herz,
dass
Angeschossenes wild wird!
angeschossenes Wild wird
vielleicht nicht sterben sondern
scheinbar gesund aber
der lebensnerv vernarbt bitter
und das ist
schlimmer als tödlich
getroffen - - - und nicht
Waidmanns Heil!

Juli 2010


Schwerpunkte

zwischen Leben und Raum
liegen Punkte schwer
auf dem Küchentisch -

trennen, ordnen - lassen -
Nächte schlafen darüber,
Wege laufen darüber,

frische Winde atmen, dann
Raum haben für Leben und
den Küchentisch wischen

2009 für Inga mit auf den Weg nach Norwegen




Gebrochen

eine gebrochene seele mit
einem gebrochenen bein
zu vergleichen
fügt der seele einen
neuen riss zu
und gips hilft der seele nicht!

aus "was ist schon gesund" Juni 2010


Aus-Therapiert

wenn die wunde heil ist
die verbände entfernt
die fäden gezogen -
dann kannst du nach hause
und sie sagen: gesund
und die all-tage spülen dich
wieder mit und wer dabei ist
funktioniert bis zum nächsten infarkt,
der spült dich vielleicht unter
die erde und sie werfen mit ernster
mine ein schäufelchen erde
und eilen aus der verlängerten
mittagspause an den schreibtisch
zurück und legen mit der schwarzen
krawatte ihre zaghaften gedanken
in die schreibtischschublade:
mich wird es doch sicher nicht treffen - - -

aus "was ist schon gesund" Juni 2010


Schubladen-Denken

die nicht betroffen sind
kennen sich genau aus
und wissen, wann seelen
wieder heil sind! nämlich
am tag der entlassung.
wenn nicht, dann
war eben die klinik nicht
gut genug oder sonstwas.
dass seelen gesund wachsen
lassen fast so lang dauert wie
krank werden passt nicht
in die kleine schublade und
größere sind nicht vorgesehen
für ein menschenleben...
und ohne schublade geht schon mal
gar nicht weil weite angst macht und
nicht mehr überschaubar ist.

aus "was ist schon gesund" Juni 2010


abhängig

wer alte seilschaften ab hängt
und allein weiter geht, hängt
vielleicht bald in den seilen ab

vielleicht ist auch nur ein
anderes seil dran weil deine
gewichtigkeit verändert ist

oder die zeit ist reif für
knoten lösen und üben mit
der freiheit lockerer zu leben

oder die zeit ist reif für
handreichungen aus der
nähe und auf augenhöhe

ohne abhängigkeiten
an seilen über dem abhang
in unterschiedlicher höhe

aus "was ist schon gesund" Juni 2010


Für mich zum Geburtstag

Wach auf mein Herz!
Laß Dir von niemandem sagen,
du hättest nur Mühe zu tragen
und das Leben sei Schmerz!

Nimm nicht täglich aus dem Regal
ein Kostüm für die Wünsche der Welt,
spiele nicht, was "man" so gefällt,
jedermanns Puppe, allen egal...

Nicht wie Bajazzo im Rampenlicht:
das Rot auf den Lippen zu grell
die Weiß-Schminke totenhell - !
Zeige der Welt DEIN Gesicht.

Wach auf und sei ich -
empfindsam und weich
an Herzlichkeit reich
und schütze dich


wenn's sonst keiner tut
vor dem Wörtchen "man",
weil keiner ALLES kann,
sei dir selber gut

aus dieser Kraft
knüpfe Bande zum DU
hör' erst dir, DANN anderen zu!
Mein Herz: du hast es geschafft!

Mai 2010


Kritische GeDichte


Solange sie noch…

Solange sie noch sauber spülen
Ihre Mülltonnen vor dem Haus,
Solange sie nach Unkraut wühlen
Ist es mit ihren Sorgen noch aus!

Vielleicht lenkt es ab vom eigenen Müll
Der unter der schein-weißen Weste hockt
Da schießt man lieber über das Ziel,
wenn irgendwo fremder Mist lockt.

Wenn vor anderen Türen fertig gekehrt
mit unerklärbarem Zorn man verbissen
den Laubsauger durch den Herbst gezerrt
und im Triumph einen Löwenzahn ausgerissen


dann vielleicht ist es nicht zu spät
sich zu trennen vom alten spießigen Zopf!
wer Veilchen neben Löwenzahn sät,
trägt noch Hoffnung in Herz und Kopf…

Einmal aber war’n wir zu lange bequem!
Zu spät für alles verschieben auf morgen
Dann möchten wir gern von irgendwem
Einen friedlichen Löwenzahn borgen.

Wenn wir um viertel nach Mitternacht
Noch denken können und handeln,
Gesprächsrunden und Gipfelmacht
In letzten Chancen zu Taten zu wandeln -

Dann werden wir immer noch
Zu träge sein, zu feig und zu faul –
“Computerprogramme entwickeln wir doch!”
sie machen aber Saul nicht zu Paul -

Oktober 2009


Till Eulenspiegel

Wo sind die Eulenspiegel
Die mit den Flöten
Der Narrenfreiheit
Den Großkotzen
Die Töne beibringen?

Wo sind die Eulenspiegel
Die mit den Spiegeln
Der Possen
Den Machterstarrten
Ihr verzerrtes Bild zeigen?

Wo sind die Eulenspiegel
Die mit leichtem Schritt
Die Vulkantänze
Der Wirtschaftsbosse
Zu Fall bringen?

Wo sind die Eulenspiegel
Die im grell-bunten Gewand
Die Deckmäntelchen


Der Politiker
In den Reißwolf werfen?

Wo sind die Eulenspiegel
Die mit der Narrenkappe
Dann alle nackten Kaiser
Neu einkleiden und
Wahrheiten ans Licht bringen?

Wo sind die Eulenspiegel
Die mit Schellen und Glöckchen
Ein Lied singen
Der Lust am reinen Klang
Des echten Lebens

Wo sind die Kinder und Narren
Die die Wahrheit sagen dürfen
Und gehört werden
Und mit denen wir alle ein Ensemble
Bilden auf der Bühne des Lebens?

Januar 2010


Verspätung

Ein Mensch
Muss am Besitz des Autos sparen
Und seine Wege mit dem Zug erfahren.
Damit er mitgenommen werden kann
Kommt er beizeit am Bahnhof an.

Da steht er nun, guckt auf die Uhr
Denkt sich: “wann kommt der nur?”
Steht mit Herbstes kühler Blässe
Und den Schuhen in der Nässe.

Oder dreht in Sommerhitze
Mit den Fingern seine Sonnenmütze
Trampelt in Winterkälte hin und her
Putzt die Nase und friert sehr…

Hört wie monoton gesittet
Die Stimme um “Verständnis” bittet.
Des Menschen Stirne wird nun rot
Er droht der Bahn AG mit Tod!


Die warme Halle ist Betrug,
denn geht er hin, kommt grad der Zug!
Damit er diesen nicht verpasst,
bleibt er am Bahnsteig, was er hasst!

Nimmt sein Handy und ruft an,
dass er nun doch nicht kommen kann.
Bittet um Verständnis seinerseiten
Der An’der hat es nicht bei weitem!

Nach einer Stunde Wartezeit
tut der Mensch sich selber leid.
Er rechnet sich Verluste aus
Und geht frustriert zu Fuß nach Haus.

An 5 von 7 Tagen ist das so!
Der Mensch wär’ um ein Auto froh
Er reißt das Ticket kurz und klein
Und wirft es in den Restmüll ein…


Er hat fortan Abgas verpustet
Und der Bahn etwas gehustet…
Im Sinn der Umwelt war das nicht –
Im Sinn des Menschen schon – ganz schlicht.
Frei nach Eugen Roth



Wahl-Plakate

Freundlich strahlende Passfoto-Gesichter
Über teuer bezahlten Worthülsen
Sollen das Wahlvolk für mündig erklären
Und alle laden ein zum kollektiven Tanz
Auf der Titanic

Wenn später die Mündigen nichts mehr
Zu sagen haben werden und die Passfotos
Im Regen stehen, sagen sie bis zu letzt:
Niemand hat die Absicht, die Titanic sinken zu lassen!
Und gehen heimlich als Erste vom Schiff.


Und sagen: Die Löcher hätten SIE
nicht gemacht sondern die vor Ihnen und die danach.
Und die Statistik lächelt wissend über
den Prozentzahlen nicht stimmender mündiger Bürger
in Rettungsbooten

August 2009


Humor-GeDichte


Marienkäfer

Morgens früh beim Putzen
der Badewanne lässt mich
ein dunkler Knorpel stutzen...
"Nanu", denk' ich...

Ich rück' die Brille richtig
und beuge mich vornüber:
Marienkäfer sitzt dort wichtig
"Na, willst Du einen Nasenstüber?

So frech mitten im Februar
Du Käferchen im Glück!
Wünschst mir verspätet "Neues Jahr?!"
Danke! Ich setze es zurück

in den Geranientopf am Boden,
mit dem es wohl einreiste,
entrann den Wintertoden
und Blumenläuse speiste.

Februar 2010


November-Biene

Am Früh-Novembertag in meiner Sonnenecke
Sitz’ ich auf dem Balkon mit einer Decke…
halt in die Sonnenwärme mein Gesicht
Balkonien im November – warum nicht.

Wer sagt, dass es sich nur gut draussen sitzt,
wenn man bei 40 Wärmegraden schwitzt?
Mit Sonnenschirm und –hut noch auf die Haare,
das ist für jeden nicht das Wahre.

Verschmitzt probiere ich es aus:
Nehm’ Stuhl und Kissen und geh’ raus.
„so was macht keiner außer ich“ –
Bin richtig stolz und freue mich:

Auf dem Tablett heißen Kaffee
Und Kuchen auf dem Teller – nee, jetz’ nee!
Es setzt sich auf den Kuchen keck
Ne Biene! Weg jetzt – WEG!!

Wo ist denn JETZT die Biene her,
Sie rennt auf meinem Teller quer
Und hat den Kopf voll Sahne,
sie sitzt vergnügt im Sonnenwahne,

Hat sichtlich von November keine Ahnung,
überhört glatt jede Mahnung,
ist sicherlich im Kopf verwirrt
und ihr Naturkalender irrt

Ich stöhne, nehm’ die Kuchengabel:
„Weg jetzt, ich kitzel’ dich am Nabel!
Alles mein’s! Geh’ heim, Ihr esst!
Hier ist kein Bienen-Sommerfest.

Die Biene stützt sich mit dem Arm auf einen Brösel,
sie guckt mich an und sagt: „du Schnösel!
Schau’ DU auf DICH und sag mir dann
Warum ich nur im Sommer auf Kuchen sitzen kann!?“
November 2009



Sprachunfall

Auf einem Schild am Straßenrand
steht: setze Unfälle instand -
Staunend denk' ich: was der Mann,
dem diese Werkstatt is', doch kann!
Unfallinstandsetzung, wie kreativ!
Ob der Laden bisher lief?
Oder er hat noch nicht entdeckt,
dass die Tücke in der Sprache steckt.
So hat der Arme engagiert
Unfälle statt Autos repariert

November 2009






Winternachmittag

Mit blässlichem Gesicht sitzt auf dem Rand
Die Sonne einer schneegefüllten Wolkenwand
Mit mattem Lächeln lässt sie grüßen:
“ich bin noch wacklig auf den Füßen!”
Ihr Winken schluckt nun gelblich-grau
Das Schneegestöber, dicht und rau…
Bei Hühnerbrühe, Sonne, ruh dich aus…
Ich mach mir nicht so viel daraus,
und hätt’ zum Sonnen eh nicht Zeit:
Schnee muss ich kehren, weil’s so schneit!

Februar 2010


Jahreszeiten-GeDichte

Herbst

Mit spirrlig-kahlen Fingern
Deutet die Trauerweide mir an,
wie ich von nun an
frösteln werde und weiß nicht, dass ich
meinen Gedanken schwedischen Tee gekocht habe

meiner Seele ein paar Ohrenschützer
aus Schokolade aufgesetzt,
und einen Schal aus bunten Sommerfarben
gestrickt habe und dass
ich traurige Gedanken zwischen Hundeohren vergrabe

Sie glaubt mir nicht,
die Alte und zischt blattlos und faucht
und bläst mir ins Gesicht
wenn ich jeden Tag wieder vor die Haustür
trete, um frischen Atem zu holen für mein Leben

November 2009





Schneezauber

so ganz berückend schön und zart
wie Silberpuder, Flittergold
im Licht der Straßenlampe so apart
als hätte einer Sternenstaub gewollt,
fällt sprühend, glitzernd Pulverschnee
um drei Uhr morgens aus der Nacht…
als hätte eine Zauberfee
ihr Puderdöschen rein gemacht…

Nach drei Stunden hat mit Schaufeln und Walzen
der Scheepflug braunen Matsch d'raus gesalzen - - -
Alles “praktisch“, “sicher“ und auch nass,
und alle fahren sie und gucken ohne Spaß…
Ein Lächeln hat nur im Gesicht,
der des Zaubers Sprache hört und spricht.
Nun weiß ich auch, warum die Welt
mir besser in der Nacht gefällt…

Jänner 2010


Frühling

Mit grünem Übermut tupft mir der Frühling
Eine Melodie ans Fenster
Und ich öffne höflich

Und lasse mich überrumpeln, als er
Mir einen frischen Strauß warmer Osterglocken
In den Schoß legt, und lachend fordert: Sing mit!

April 2009




Lebens-GeDichte - Auszüge aus der Dichtheit des Lebens


zum Geleit...
das Leben hat zumeist eine derartige Dichte, dass es leichter in GeDichte zu fassen ist, als es seitenweise in Prosa übers Papier wabern zu lassen.
Verseweise also Lebens-GeDichte - ich hoffe, das eine oder andere trifft...

Kitzingen, im Oktober
Alexandra Heinrich 2010

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.10.2010

Alle Rechte vorbehalten

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