Aruns Herz raste so schnell wie er es in seinem ganzen Leben noch nie verspürt hatte, es schien ihm beinahe so, dass es ihm gleich aus der Brust springen würde wenn er seinem geschundenen Körper nicht bald etwas Ruhe gönnte, doch es blieb keine Zeit zum Rasten er wurde verfolgt, wie ein Kaninchen und er wurde nicht von irgendwem verfolgt, nein, es war sein eigener Vater, der Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hatte und nun höchstpersönlich mit einer Scharr Männer hinter ihm her jagte! Arun hatte sich tausendmal für sein falsches Verhalten entschuldigt, er war auf die Knie gefallen und hatte geheult wie ein kleines Kind als sein Vater ihm mit der Verstoßung aus der Familie gedroht hatte. Doch dieser war hart geblieben, Arun konnte keine Regung in dessen Gesicht sehen, als er die Worte aussprach, vor denen er sich so gefürchtet hatte ,, Du bist nicht mehr mein Sohn!" mit diesen Worten hatte sein Vater ihn so fest ins Gesicht geschlagen, dass seine Lippe aufgeplatzt war und Blut sein schönes Gesicht schändete. Arun fuhr sich noch einmal über die nun dick angeschwollene Wunde, er zog seine Hand jedoch sofort wieder zurück als ein brennender Schmerz an der berührten Stelle entstand. Arun schüttelte seinen Kopf um die wirren Gedanken die ihn in dieser Situation zu sehr ablenkten zu verbannen, das wütende Gebrüll der Männer hinter ihm ließ sein Herz einen weiteren schmerzvollen Hüpfer machen. Er wagte es sich im Sattel umzudrehen und was er sah steigerte die Angst die immer mehr Besitz von ihm ergriff fast ins unermessliche, der kleine Trupp war nur noch etwa hundert Meter von ihm entfernt und die Ersten zogen schon ihre Messer und Bögen. Arun richtete seinen Blick hastig wieder nach vorne, und zwang sich klar zu denken. Verzweifelt schaute er sich nach einem Versteck oder irgendetwas um, dass ihm zur Flucht verhelfen könnte, da! Ein paar tausend Galoppsprünge entfernt zog eine lange Karawane seiner Wege. Mit neuem Mut trieb er sein schwer atmendes Pferd an, schneller zu laufen tätschelte ihm entschuldigend den schweißnassen Hals und machte sich innerlich zum Absprung bereit. Die Karawane kam rasend schnell näher, doch auch seine Verfolger rückten auf, die Männer, welche die schwer beladenen Kamele hinter sich her zogen blickten ihm schon voller entsetzen entgegen. Sie bildeten so wie er es voraus gesehen hatte eine kleine Schleuse durch die Arun im vollen Tempo durch preschte, doch während er hindurch ritt zog er seinen mit silbernen Schnörkeleien verzierten Dolch und rammte ihn in das Hinterteil eines bei der Aktion besonders nervös gewordenen Tiers. Es schlug sofort aus, so wie Arun es beabsichtigt hatte. Es tobte und brüllte wie am Spieß, doch es war dem jungen Flüchtling vergönnte sich am weiteren Verlauf des aus seiner Sicht genial improvisierten Planes zu amüsieren. Stattdessen verlangte er seinem braunen Reittier, dem er zu tiefsten Dank verpflichtet war noch einmal alles ab, was es noch zu bieten hatte. Etwa ein halbe Stunde später suchte er Schutz in einer der Höhlen, die sich tief in die sich vor ihm aufbauende Felsenfront fraßen. Als er in das kalte, feuchte von Mutter Natur selbst geschaffene Gemäuer eintrat und er sich dem Blick des glühend heißen Auges der Sonne entzogen hatte, fiel plötzlich ein unglaublicher Druck, der sich seit Tagen in ihm aufgebaut hatte von ihm ab. Nun konnte er sich nicht mehr halten, er fiel aus dem Sattel, kroch auf die Wand des Tunnels zu, lehnte sich so bequem wie es hier irgend möglich war gegen sie... und schlief auf der Stelle ein...
Sie hatte ihn beobachtet... es passte ihr nicht.... nein sie wollte das nicht! War er gut... oder böse...? Warum war er alleine...? Warum war er so erschöpft...? Sie sollte ihn töten! Schnell und Schmerzlos! Nein... nein.... nein kein Tod mehr... sie hatte ihn satt... diesen Tod.. sie sollte ihm zu essen geben, ihn pflegen. Ein kurzes ungeschicktes Lächeln huschte über ihr Gesicht, vielleicht würde er nicht fragen wer sie war... oder warum SIE hier war. Aber was wäre wenn er sie fürchtete? Ja, sie würde sich töten lassen! Eine Erlösung, endlich würde sie gehen dürfen. Aber was währe, wenn er sie mochte? Würde er eventuell... bei ihr bleiben? Nein... nein... nein... sie durfte keine Erwartungen haben... das hatte sie früh gelernt. Das unbekannte Mädchen schlich etwas näher an den Schlafenden heran und sagte leise zu sich selbst ,, Er wird mich töten... er wird es tun..." Kurz vor seinem ausgestreckten rechten Bein machte sie halt und musterte den jungen Mann vor ihr, er sah ganz anders aus, als die Männer die sie bisher gesehen hatte. Er hatte relativ kurzes schwarzes Haar, außerdem noch von der Sonne braun gebrannte Haut, was in dieser Gegend nicht unüblich war. Aber er war doch anders, er hatte ein schön geschnittenes Gesicht, seine Hände waren nicht so abgenutzt wie diese die sie sonst sah, der Mann vor ihr hatte schöne zarte Hände, mit langen, schlanken Fingern. Das unbekannte Mädchen fuhr mit ihrem Zeigefinger an den Umrissen seines Gesichtes entlang berührte sie jedoch nicht ,, Nein... nein... nein viel zu schön führ einen Krieger" sagte sie zu sich selbst und schüttelte bei den Worten nachdrücklich den Kopf. Plötzlich drang ein scharrendes Geräusch an ihr Ohr, welches sie aus ihrem tranceartigen Zustand aufweckte. Sie fuhr herum und erblickte ein braunes Pferd, mit weit aufgerissen Augen, so das man das weiße darin sah. Sie atmete vor Erleichterung hörbar aus und ging mit langsamen Schritten auf das Tier zu, als sie nah genug an es heran getreten war, streckte sie ihre Hand nach den Zügeln des Pferdes aus, die achtlos vor den Vorderbeinen des braunen Reittieres baumelten, sie zog das bockende Tier etwas näher an sich heran und strich ihm nun über den Hals. Nachdem sich das Pferd noch etwas mehr beruhigt hatte öffnete sie sanft den Sattelgurt und zog den schweren Sattel von dem Rücken des Braunen und warf ihn auf den Boden, noch in der selben Bewegung drehte sie sich wieder dem Schlafenden jungen Mann zu und kam erneut näher...
Als Arun erwachte und die Augen öffnete lag er auf einem braun-weißen Ziegenfell, führ einen Moment dachte er, er sei zu Hause, läge in seinem Bett, welches aus mindestens fünf solcher Felle bestanden hatte, und wäre diesem schrecklichen Alptraum durch sein Erwachen entkommen. Doch er hatte nicht geträumt! Er war vor seinem Vater geflohen... zwei Tage lang hatte er ihn mit einer Gruppe Männer gejagt, die es auf sein Kopfgeld abgesehen hatten. Es war Arun unmöglich gewesen sie abzuschütteln, bis sie auf die Karawane gestoßen waren, die ihm letztendlich zur endgültigen Flucht verholfen hatte. Dann war er in eine der Höhlen eingedrungen und.... nein er konnte sich nicht erinnern ein Lager aufgeschlagen zu haben... er war aus dem Sattel gestürzt und...
Arun fuhr hoch, ein flaues Gefühl machte sich in seiner Magengrube breit, er schaute sie verängstigt um, er lag in einem rundlichem "Raum" allerdings war er sich ziemlich sicher, dass er sich noch in der Höhle befand in die er geritten war, oder zumindest in irgendeiner der vielen tausend Höhlen, die sich in dieser Steinaufhäufung befanden. Er sank wieder zurück und wickelte sich wieder in das Fell ein. Er schämte sich, was hatte ihn dazu bewogen diese Frau zu verführen? Hätte er doch bloß auf seine innere Stimme gehört, die ihm damals, als er das Antlitz der schönen Frau erblickte schon gesagt hatte, dass er genau DIESE schöne Frau lieber in ruhe lassen sollte. Doch wie fast immer hatte er nicht auf sie gehört. Arun wälzte sich missmutig in seiner Schlafstätte herum, schloss die Augen, und gab sich nun vollends seinen quälenden Gedanken hin. Er hatte sie am Arm festgehalten, und sie mit dem geheimnisvollsten Lächeln erfreut, dass er zu bieten hatte. Sie trug blaue Seidentücher um ihren Kopf gewickelt, sodass man nur ihre Augen sehen konnte. Er hatte sie in seinen Bann gezogen, ihr die schönsten Komplimente gemacht und sie dabei immer wieder scheinbar unabsichtlich an den Händen oder den Hüften berührt. Außerdem hatte er ihr immer genau das gesagt, was sie hören wollte. So machte er es mit jeder Frau die seine Aufmerksamkeit erregte...
Schließlich war sie ihm völlig verfallen und lud ihn ein mit ihr nach Hause zu kommen, er nahm das Angebot natürlich an, Arun hatte sich nicht mal die Mühe gemacht nach einem möglichen Ehemann zu fragen... es hätte ihn sowieso nicht aufgehalten!
Als sie in ihren Gemächern ankamen, war Arun sofort zu Sache gekommen, und während er ihr die vielen Schichten von dunkelblauer Seide vom Körper schälte entfernte sie die Tücher, die ihr Gesicht verborgen hatten und als er es erblickte, wurde ihm beinahe schwarz vor Augen. Die Gestalt vor ihm war eine der Frauen von dem obersten Berater des Dorfältesten. Arun war aufgesprungen und zur Tür gehastet, doch als er diese öffnete, stand hinter ihr Farim (der Ehemann der Frau und der Berater des Ältesten) Arun war an ihm vorbei aus dem Haus gestürmt und während er die Straße entlang hechtete, konnte er noch das Gebrüll Farims und das aufschreien seiner Frau hören, als er sie schlug. Jeder ehrenhafte Mann währe dem wehrlosen und nebenbei auch völlig unschuldigen Geschöpf zur Hilfe geeilt, doch Arun war zu feige... er hatte sich nur gedacht, dass sie ihm hätte widerstehen können... und ihn selbst keine Schuld traf. Doch tief in seinem innersten wusste er auch schon damals, dass er unrecht hatte.
Arun hatte Schutz bei seiner Mutter gesucht, und naiv wie er war erzählte er ihr von seinem Missgeschick, so wie immer, er hatte seiner Mutter alles erzählt, egal worum es ging. Allerdings vergas er, dass seine Mutter auch eine treue Ehefrau war, und keine Geheimnisse vor ihrem Angetrauten hatte. Doch diesmal retteten ihn die schonende Art seine Ausrutscher ihrem Mann mitzuteilen nicht. An diesem furchtbaren Tag hatte Arun das Fass seines Vaters zum überlaufen gebracht. Und die Folgen davon bekam er jetzt mehr als jemals zuvor zu spüren. er war geflohen, er war verstoßen, er hatte keine Familie mehr, doch das was ihm am meisten zu schaffen machte, war die Einsamkeit... diese niederschmetternde Einsamkeit, die all diese Umstände mit sich brachten. Arun seufzte noch einmal tief, bevor er seine Augen öffnete, er war scheinbar immer noch alleine. Er stand auf, anfangs konnte er noch nicht richtig laufen und torkelte etwas benommen durch die Gegend, bis er einen schmalen Gang entdeckte, Arun schlich nun so leise wie es ihm nur irgend möglich war auf ihn zu, er konnte je weiter er in den Tunnel eindrang immer lauter werdende Geräusche wahrnehmen, allerdings wusste er nicht, ob sie von einem Tier, einem Menschen oder vielleicht von etwas ganz anderem herrührten. Doch die Neugier trieb ihn weiter voran. Plötzlich mündete die steinerne Schleuse in einem etwas größerem "Raum" der Höhle, Arun wagte noch nicht sich ihm weiter zu nähern, doch er war davon überzeugt, dass dort ein Feuer brannte, da er das prasseln der Flammen hörte und sein Schein bizarre Lichtspiele an die Wand, die ihm gegenüberstand zauberte. Er beobachtete den Schattentanz noch eine Weile, bis er genug Mut gesammelt hatte, sich seiner Angst zu stellen. Aruns Hals war trocken, und es hatte sich ein dicker Klos dort gebildet, doch er tat es trotzdem, drehte sich um und späte an der Wand vor ihm vorbei in den Raum. Er sah ein Mädchen, welches dicht am Feuer kauerte und langsam vor und zurück wippte. Sie hatte ihn scheinbar noch nicht bemerkt und starrte gedankenverloren auf den kalten Felsboden. Arun beobachtete noch eine Weile ihr Verhalten, bis ihm as zu langweilig wurde und er damit begann das seltsame Mädchen zu mustern. Sie hatte schulterlanges dunkelbraunes, welliges Haar, allerdings hatte sie für die Verhältnisse in denen sie leben musste ziemlich blasse Haut. Ihre zierlichen Hände umklammerten etwas, dass Arun noch nicht ausmachen konnte, ab und zu blitze es bedrohlich, doch er versuchte das bis auf weiteres zu ignorieren, da er unweigerlich zugeben musste, dass ihn das Mädchen faszinierte, ihm fiel bei genauerem Hinschauen auf, dass sie sehr tiefe und dunkle Augenringe hatte, doch er fand, dass dieses kleine Makel ihrem Gesicht einen noch geheimnisvolleren und verwegeneren Ausdruck verlieh, außerdem trug sie ein etwa knielanges weißes Leinengewand und um ihre schmalen Schultern hatte sie eine schwarze Wolldecke gelegt. Der durchaus merkwürdige Anblick dieses Mädchens wurde noch durch die Tatsache unterstützt, dass sie keine Schuhe anhatte und ihre nackten Füße sich in die feuchte Erde gruben. Arun konnte sich einfach nicht von ihr lösen und gaffte sie weitere unendlich scheinende Minuten einfach nur an, als sie sich plötzlich bewegte schrak er so sehr zurück, dass er einen ungeschickten Schritt nach hinten machte, wobei er ein schleifendes Geräusch erzeugte, und als er sich wieder gefasst hatte sah er wie das seltsame Mädchen langsam aufstand, sie bewegte sich sehr geschmeidig und bedacht, was Arun kalten Schweiß auf die Stirn treten ließ, er versuchte rückwärts davon zu kriechen, doch es war bereits zu spät.
Das Mädchen hatte sich einfach nur umgedreht, ihr Kopf lag in einer skurrilen Haltung, sie schaute ihn aus dunklen, kalten Augen an, sie verzog keine Miene ihr Gesichtsausdruck blieb starr und ausdruckslos. Nun wendete sie sich ihm vollkommen zu sie schaute ihm immer noch durchdringend in die Augen, Arun konnte ihrem Blick nicht standhalten, er blickte zu Boden, er hatte aufgegeben, er war sich sicher, dass er diesem bedrohlichen Wesen nicht entkommen konnte, es hatte also keinen Sinn zu fliehen, außerdem würde er in Würde sterben wenn er es nicht tat. Er erschrak trotzdem als er sie näher kommen hörte, ihre Schritte hallten durch die nassen Steinhallen und er schloss die Augen.
Sie ging auf den jungen Mann zu, den sie gefunden hatte. Er schien Angst zu haben, das Mädchen wusste nicht was sie tuen sollte, vielleicht wäre es besser ihn zu töten, nein... sie wollte ihn immer noch nicht umbringen, warum lag er so armselig vor ihren Füßen, er war doch ein Mann. Sie hatte noch nie einen Mann gesehen, der sich einer Frau vor die Füße geworfen hätte.
Tag der Veröffentlichung: 16.03.2009
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