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Mein Weg


Langsam gehe ich durch den Wald und steuere schon fast auf die letzten Bäume zu. Hab ich den gesamten Wald wirklich schon durchquert? Anfangs schien mein Weg endlos, doch nun ist er fast vorbei. Es erscheint mir eine Ewigkeit, seit ich den Wald betreten habe. Er war dunkel und unheimlich. Unheimlicher als alles, was ich bis dahin gesehen habe. Doch ich ging weiter meines Weges. Was hatte ich auch für eine andere Wahl gehabt? Ich musste weitergehen... ein Zurück gab es nicht mehr. Ich hatte mich für diesen Weg entschieden. Darum musste ich ihn gehen. Ich musste einfach. Komme was da wolle.
Viele Blumen säumten meinen Wegesrand. Einige kannte ich. Ich blieb kurz stehen, um sie mir genauer anzusehen. Sie dufteten nach Freiheit. Sie hatten die Schönheit der Welt. Beschwingt wogen sie im Wind, der auch zaghaft über meine Haut streifte. Ihre Blüten lächelten mich an und machten mir Mut, weiter meines Weges zu gehen. Aber wollte ich das überhaupt? Manchmal wollte ich mich umdrehen und zurück rennen, zurück an den Anfang. Ich wollte den Weg um den Wald herum nehmen, einfach, um dieser Dunkelheit zu entfliehen. Die Finsternis drohte mir immer wieder. Und mit ihr die Kälte. Ich war allein. Einsam und allein. Was sollte ich hier? Warum bin ich hier her gekommen? Um eine Abkürzung zu nehmen? Um den Wald zu entdecken? Was hatte ich mir nur dabei gedacht?
Doch die Blumen am Wegesrand schienen mir Mut machen zu wollen. Sie wollten mich nicht alleine lassen. Sie deuteten mir, weiter zu gehen. Sie gaben mir die Kraft dazu. Und ich schaffte es. Jedes mal stand ich auf und ging weiter. Ich lief und lief, bis ich vor Erschöpfung nicht mehr konnte. Und dennoch musste ich weitergehen. Warum tat ich das alles? Was hatte das für einen Sinn? Doch die Blumen am Wegesrand vertrieben diese Gedanken und brachten Sonne in mein Gemüt. Mittlerweile gesellten sich neue Blumen hinzu. Mit jedem Schritt sah ich eine neue, wunderschöne Blüte auftauchen und alle sprachen mir Mut zu. Damit ich weiter laufen konnte. Damit ich meinem Weg weiter folgen konnte, der mich immer tiefer in den Wald hinein führte. Wo sollte das enden?
Oft dachte ich, dass es hinter dem nächsten Stein endete, über den ich stolperte. Es wurden immer mehr. Ich konnte sie kaum noch zählen. Sie waren einfach da, um mir den Weg zu erschweren. Warum nur? War es nicht schon schlimm genug, allein in der Finsternis unterwegs zu sein? War es überhaupt schlimm? Warum rege ich mich eigentlich so auf? Oft liebe ich es, allein durch die Welt zu spazieren und einfach nur das Leben zu genießen. Doch konnte ich es hier genießen? So allein und weit weg von jeder Zivilisation? Glauben konnte ich es nicht. Nein, wahrhaben wollte ich es nicht.
Jedes mal, wenn ich über einen neuen Stein stolperte, war da wieder eine Blume, die mich anlachte, und mir deutete, aufzustehen und weiterzugehen. Ich tat es, ohne zu wissen warum. Ich ging weiter, um mich kurz darauf einem neuen Stein gegenüber stehen zu sehen. Doch die Blumen gaben mir Kraft. Ich schaffte es jedes Mal, die Stärke zu finden, um der Herausforderung gewachsen zu sein.
Und nun stehe ich hier. Hier, nahe am Rand des Waldes und blicke dem Ausgang entgegen. Ich den ersten Lichtstrahl, der meine dunklen Augen streift und blendet. Aber warum bleibe ich stehen? Warum zögere ich? Ist es die Ungewohntheit? Ist es, weil ich mich bereits an die Finsternis und Einsamkeit gewöhnt habe und mich für immer darin verkriechen will? Warum nur?
Da plötzlich dringt ein leises Klingeln an mein Ohr und reist mich aus meinen Gedanken. Wie war das? Ja, ich hatte mich auf den Weg gemacht, um das Ende des Waldes zu sehen. Um zu sehen, was dahinter liegt, was dort auf mich wartet. Und nun zögere ist? Langsam setzen sich meine Füße in Bewegung. Gemächlich, setze ich einen Fuß vor den anderen, bis mich die Sehnsucht ergreift. Die Sehnsucht nach dem Licht. Meine Schritte werden schneller, unaufhörlich schneller laufe ich auf den hellen Schein zu und stehe auf einmal am Rande des Waldes. Ich habe es geschafft. Ich habe ihn durchquert. Wie lange habe ich dafür gebraucht? Unwichtig. Wie habe ich es geschafft? Unwichtig.

Ganz allein wichtig ist: Wer wartet dort auf mich?!


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Tag der Veröffentlichung: 20.10.2012

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