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Mein Bruder ist das allerletzte! Nie lässt er mich das tun was ich will! Immer muss ich nach seiner Pfeife tanzen! Wie lange muss ich mir das alles eigentlich noch anhören? ´Tu dies nicht`, `Tu das nicht´ Ich habe es so satt!
Nicht einmal meine Eltern halten zu mir. Sie sind immer der gleichen Meinung mit ihm!
Es ist unfair! Nur weil er der Ältere ist, heißt das noch lange nicht, dass er auch der Klügere von uns beiden ist!
Ich wollte doch nur auf diese Party! Aber mein ehrenwerter Herr Bruder sagte zu mir immer wieder ich wäre zu jung und ich hätte dort nichts zu suchen! Außerdem könnte mir alles Mögliche passieren! Natürlich waren meine Eltern wieder seiner Meinung. Ich bin die einzige aus meiner Clique, die nicht dort ist! Diese Party wird das Gesprächsthema Nummer Eins in der Schule sein. Na toll! Und ich werde dann in irgendeiner Ecke hocken und zuhören dürfen!
Warum immer ich?
Mein Bruder darf alles machen, was er will!

Ich bin auf dem Weg zum Krankenhaus. Noch immer steht mir der Schock ins Gesicht geschrieben. Gerade hat mich meine Mutter angerufen und gesagt, dass mein Bruder einen schweren Autounfall hatte!
Endlich bin ich angekommen. Voller Sorge stürme ich zu einer Krankenschwester und frage, wo er ist.
Sie will mir keine Auskünfte geben und ich werde fast hysterisch! Was bildet sich diese Frau eigentlich ein? Er ist mein Bruder! Ich muss ihn einfach sehen!
Schließlich gibt sie nach und führt mich zur Intensivstation. Dort entdecke ich meinen Vater.
„Wo ist er?“, frage ich nur. Doch er sieht mich nur stumm an. Sein Gesicht ist totenblass.
Gott noch mal! Will mir hier denn niemand etwas sagen? Habe ich denn nicht einmal mehr das Recht zu erfahren, wie es ihm geht?
Plötzlich geht eine Tür auf. Ein Arzt kommt heraus, begleitet von meiner Mutter. Sie hat geweint. Meine sonst so starke Mutter hat geweint!
Hinter ihnen wird ein Krankenbett herausgeschoben. Mein Bruder liegt darin!
Ich will zu ihm gehen, doch mein Vater hält mich zurück. „Noch nicht.“, flüstert er, „warte, bis er auf sein Zimmer gebracht wurde.“
Warten? Ich will nicht warten! Ich will sofort zu ihm!
Ich reiße mich aus dem Griff meines Vaters los und eile der Schwester, die meinen Bruder auf sein Zimmer bringt, nach.
Als wir ankommen, lächelt sie mir aufmunternd zu und lässt uns allein.
Langsam nähere ich mich ihm. Plötzlich sieht er nicht mehr so groß und stark aus, sondern klein und verletzlich. Tränen stehen in meinen Augen, als ich sein Gesicht erkenne, oder das, was davon noch übrig geblieben ist. Sein so hübsches Gesicht ist zerstört. Es ist nun einer Fratze gleich.
Auf seiner Stirn hat er eine riesige Platzwunde, eines seiner Augen ist mit Verband abgeklebt. Seine Nase ist gebrochen. Noch dazu ist sein Gesicht von vielen tiefen Schrammen versehen.
Seine Arme sind beide gebrochen, so wie eines seiner Beine. Bei näherem hinsehen fällt mir auf, dass das andere nicht mehr vorhanden ist!
Vergessen sind die bösen Worte, mit denen ich meinen Bruder so oft bedacht habe.
Vergessen die Verwünschungen, dass er in die Hölle fahren soll!
Ich fange an zu weinen. Ich will in berühren, über seine Wangen streichen, doch ich habe Angst ihn dabei zu verletzen.
Ich traue mich nicht einmal seine Hand zu nehmen.
Das Schluchzen zwingt mich in die Knie. Ich weine bitterlich und wiege mich selbst hin und her.
Was würde ich nicht alles dafür geben, wenn er jetzt bloß aufstehen würde und alles wieder gut wäre! Wenn das alles nie passiert wäre!
Denn auch wenn ich meinen Bruder immer wieder verfluche, so liebe ich ihn doch von ganzem Herzen!

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Tag der Veröffentlichung: 06.01.2012

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