"Einen Vorsprung im Leben hat, wer da anpackt, wo die anderen erst einmal reden."
John F. Kennedy
Ich ging über die Straße. Es war schon spät und nur noch wenige Leute eilten über den Asphalt. Die Straßenbeleuchtung war auch schon angeschaltet worden und beleuchtete den Bordstein. An mir hetzte ein junger Mann vorbei, schwarze Kapuzenjacke, verwaschene Bluejeans. Sie schien teuer zu sein und obwohl er bei meinem ersten Blick verlottert aussah konnte ich feststellen, dass sein ganzes Outfit vielleicht so viel gekostet hatte wie mein halber Kleiderschrank. Sein Schuhwerk hatte ihn bestimmt einiges gekostet. Seine Schritte wurden schneller und sein Blick ging nach hinten. In seinen Augen konnte ich etwas erkennen was ich eigentlich nur von der Jagt kannte. Eine gewisse Angst sprühte förmlich aus ihnen heraus. Ich schüttelte meinen Kopf, was auch immer diesen Mann voran trieb es konnte mir egal sein.
Ich blieb kurz an einem Schaufenster stehen und warf einen Blick auf meine Uhr. Ich hätte mich beeilen müssen, aber in dem Schaufenster erweckte etwas meine Aufmerksamkeit. Es war ein kleiner silberner Colt, aber der Preis ließ meinen Magen verkrampfen. Da rempelte mich jemand an und ich wurde gegen die Scheibe gedrückt. Etwa ein halbes Dutzend Männer rannten an mir vorbei.
„Da ist er“, brüllte einer und sie johlten auf. Die restlichen Leute auf der Straße schauten sich an.
„Was ist denn da los?“, fragte eine ältere Dame eine junge Frau.
„Ich glaube sie sind hinter diesem Mann dahinten her.“ Sie streckte eine Hand aus und deutet auf den Mann der zwei Blocks weiter in eine Gasse rutschte.
„Mh, sollte man die Polizei rufen?“, fragte die ältere Dame weiter.
„Ich finde, wir sollten uns daraus halten, Liebes“, entgegnete ein alter Herr der neben ihr gestanden hatte. Er stütze sich auf seinen Stock und schüttelte seinen Kopf. „Wir wissen nicht was dort vorgefallen ist.“
„Aber vielleicht ist er in Gefahr“, warf die Frau ein und wirkte ziemlich ängstlich. Ich blickte zu der Männerhorde die jetzt auch in der Gasse verschwand. Ihre Schritte verhalten und bald war nichts mehr zu hören.
„Jetzt sind sie ja eh weg“, murmelte der alte Herr und die Dame, wahrscheinlich seine Ehefrau – sie hatte einen rotgoldenen Ring an der linken Hand – harkte sich in seinem Arm ein und sie gingen davon. Die Frau wendete ihren Kopf noch einmal nachdenklich in die Richtung in der die Männer verschwunden waren und lief dann ebenfalls davon ihne etwas zu tun.
Wie kann man nur darüber reden zu helfen?, dachte ich mir und rannte los. Irgendetwas in mir sagte mir, dass dieser Mann in Gefahr war. Seine Augen hatten sich in meine Gedächtnis gebrannt.
Ich rannte über den Asphalt und war in kürzester Zeit an der Gasse angelangt. Meine Schritte wurden langsamer und ich schlich zu dem Eingang der Gasse, ich schob meinen Kopf etwas vor und drückte meinen Rücken an die kalte Wand. Ich konnte die Männer dort stehen sehen, sie hatten sich in einem Halbkreis aufgestellt. Sie hatten den jungen Mann umzingelt. Ich atmete tief durch, nahm die P8 aus dem Seitenhalfter unter meinem linken Arm und entsicherte sie. Sie hatte neun Schuss und hatte mir schon meherer Male das Leben gerettet. Nicht nur mir, auch den Personen die ich in meinem Beruf beschützen musste.
Ich hielt sie sicher in meiner rechten Hand und trat leise in die Gasse. Ich versteckte mich hinter einem Müllcontainer.
„Tja da hast du dir was eingebrockt!“, rief einer laut. Seine Stimme war rau und ich konnte ein leichtes Kratzen erhören. Ich nahm an, dass er sehr viel rauchte, also wahrscheinlich keine gute Kondition hatte. Ich beobachtete die anderen. Einer hatte sein ganzes Körpergewicht auf dem rechten Bein, also musste das linke verletzt sein, denn er hielt es in einer Art Schonhaltung. Einer hatte ein Messer und der andere hatte offensichtlich auch eine Waffe. Sein rechter Arm war leicht ausgestreckt, aber angewinkelt.
„Was wollt ihr von mir?“, heulte der junge Mann viel zu hoch und panisch.
„Du hast dir die falsche Freundin gesucht.“ Der Mann mit der rauchigen Stimme zog seinen rechten Arm zurück und schlug zu. Ein lautes Knacken ertönte, dann ein dumpfer Knall. Ich konnte erkennen, dass er junge Mann zu Boden gefallen war. „Einfach meine Tochter flachlegen, du Bürschchen!“ Jetzt trat er zu.
Ich nahm mein Handy heraus und wählte die Nummer eines guten Freundes. Er ging nach drei Klingen dran.
„Hey Olivia“, rief er aus und klang erfreut.
„Psch“, machte ich und atmete tief durch. „Homesstreet, eine kleine Gasse gegenüber des Inders. Sechs Männer. Einer mit einem Messer, einer hat wahrscheinlich eine Waffe. Sie bedrohen einen jungen Mann. Vielleicht willst du mir ja helfen und deine Mitarbeiter benachrichtigen“, flüsterte ich und er murmelte etwas zustimmendes.
„Du kannst auch nicht einfach so die Polizei rufen oder?“ Er wartete. „Okay, mach keine Dummheiten. Warte lieber bis wir da sind, ansonsten tust du dir noch was.“
„Ja, ja!“ Ich legte auf und schob das Handy zurück in die Hosentasche.
Ich machte meine Lederjacke zu und atmete tief durch, dann trat ich aus dem Schatten wohl bedacht darauf, dass ich die Waffe hinter dem Rück hielt. Ich stolperte etwas künstlich und schrak dann gespielt zusammen.
„Oh Entschuldigung“, rief ich aus und beobachtete die Männer. Der Raucher schaute mich schockiert an.
„Was haben sie gesehen?“, fragte er schnell und schaute auf dem blutenden Mann zu seinen Füßen.
„Ganz und gar… Alles!“, antwortete ich mit fester Stimme. Die Männer tauschten schockierte Blicke. „Und ich finde sie sollten den Mann in Ruhe lassen.“
„Finden sie das, ja?!“ Er nickte zu dem Mann mit dem Messer. „Sei so nett“, murmelte er zu ihm und er ging auf mich los. Er hielt das Messer zum Angriff bereit und wollte zustechen. Ich wich dem Messer aus und schlug ihm meinen Unterarm gegen die Kehle. Sofort brach er zusammen und ließ das Messer fallen, er atmete keuchend und hielt sich den Hals. Ich nahm das Messer auf und warf es in den Müllcontainer.
„Wenn sie jetzt gehen sollten die Konsequenzen nicht ganz so massiv sein.“ Ich machte mir jetzt keine Mühe mehr die P8 zu verstecken und hob sie an. Ich zielte auf die Männer und hob eine Augenbraue.
„Ich habe nicht das Gefühl, dass sie schießen werden. Ist bestimmt eine Attrappe“, lacht einer und die anderen vier stimmen mit ein.
„Ach?“ Ich musste grinsen. Der Mann auf dem Boden musste husten und spuckte Blut. Entweder hatte er Blut ihm Mund oder innere Verletzungen. Ich zielte weiter. Da hörte ich die Polizeisirenen und legte den Kopf leicht schief. „Na endlich“, flüsterte ich.
„Scheiße“, entfuhr es dem mit der rauchigen Stimme und er machte einen Satz nach vorne.
„Stehen bleiben“, rief ich laut aus und zielte auf ihn. „Und Hände in die Luft!“
„Kindchen, lass uns durch. Du könntest dich ernsthaft verletzen“, grinste wieder einer, diesmal der mit dem kaputten Bein, aber die anderen waren nicht mehr so locker und stimmten in das Lachen ein.
Da hörte ich Bremsgeräusche hinter mir und lauschte den zugeschlagenen Autotüren. Christopher stellte sich neben mich, seine Waffe auch im Anschlag.
„Hinknien und Hände so dass ich sehen kann“, befahl er und lächelnte mich kurz an. „Danke für den Anruf.“
„Kein Thema.“ Ich steckte meine Waffe weg und drehte mich um.
Nachdem die sechs Männer festgenommen worden waren und der junge Mann mit einem Krankenwagen davon gefahren wurde lehnte ich mich an die Wand. Christopher stellte sich vor mich und lächelte warm.
„Du bist wohl immer noch eine Frau der Tat.“
Ich nickte. „Wie immer halt. Wenn dein Vater dir jeden Tag John F. Kennedy vorbetet als Kind, nimmst du irgendwann etwas davon an.“
Tag der Veröffentlichung: 07.04.2012
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