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1.0.


Die Füße taten ihm weh als er um die Ecke bog und endlich die Lichter eines kleinen Dorfes sah. Es war nicht weit weg und er konnte sogar Männerstimmen hören. Er blieb einen Moment stehen und dachte an die vergangenen Tage.
Er war vor einem Monat aufgebrochen um sich selbst zu finden, aber alles was er gefunden hatte waren schmerzende Blasen an seinen Füßen und Mückenstiche. Sah die Selbstsuche so aus? Schmerzend und juckend? Nein, sie sah bestimmt ganz anders aus und er machte etwas falsch. Aber um zu wissen was er falsch machte musste er ja erst einmal sich selbst finden. Es war ein verdammter Teufelskreis. Also, er war vor einer Woche aufgebrochen und stand jetzt vor einem kleinen Dorf, es war ein Zwischenstopp in seiner Reise. Dort wollte er ein paar Tage verweilen. Es lag hoch in den Bergen und er hatte eine sehr schöne Aussicht über das Tal in dem er noch vor sechs Tagen gestanden und die hohen Berge bewundert hatte.
Er lief in das Dorf und suchte sich einen Gasthof. Er aß etwas und ging dann auf sein spartanisch eingerichtetes Zimmer. Ein Bett, ein kleiner Schrank, ein Stuhl und ein Tisch, denn er nicht wirklich als Tisch bezeichnen konnte. Er war viel zu klein. Er legte sich auf das kleine Bett und streckte die müden Beine aus.
Er war über seine Grenzen gestoßen bei der Wanderung. Er hatte zwar etwas über sich Selbst heraus gefunden, aber sich Selbst hatte er nicht gefunden. Er atmete tief durch. Er hatte seine großräumige Wohnung verkauft, sein Vermögen zum größten Teil abgehoben - den anderen hatte er auf Grund seines schlechten Gewissens gespendet - und seine langjährige, feste Freundin verlassen. Nein er war nicht in der sogenannten Midlifecrisis. Er war einunddreißig und hatte nur ein einfaches Buch gelesen. Es handelte über einen Mann der sich selber bei einer langen Reise gefunden hatte und dem es danach besser ging, er sage sein Leben fiele ihm viel leichter.
„Schwachsinn“, spuckte er aus als er noch einmal darüber nachdachte. Wie konnte man sich denn besser fühlen mit Blasen an den Füßen und schmerzenden Oberschenkeln?
Warum war er eigentlich zu dieser langen Reise aufgebrochen? Der Grund ist eigentlich einfach, aber für andere vielleicht schwer nachzuvollziehen. Er wollte einfach nur mehr! Er fühlte sich nicht wohl in seiner eigenen Haut und deshalb war er aufgebrochen um das leere Gefühl zu füllen. Aber bis jetzt war er noch nicht sehr weit gekommen mit dem füllen!
Er fühlte sich wie eine leer gesoffene Bierflasche die auf irgendeiner großen Straße lag und nicht beachtet wurde. Er wollte nicht länger diese Bierflasche sein, er wollte ein ganzes gefülltes Fass werden.
Er hatte lange überlegt diese Reise zu machen und hatte sogar extra etwas mehr trainiert - er war zweimal anstatt einmal joggen gegangen. Ein, zwei Bücher übers Wandern hatte er auch gelesen, aber sie hatten ihn nicht darauf vorbereitet, dass er so fertig sein würde. Er wollte nicht mehr weiter laufen, am liebsten würde er zurück gehen und wieder arbeiten. In den Fluss des Alltags springen und einfach wie alle anderen Richtung großes Meer getrieben werden.
Dann schaltete er. Bei der Wanderung ging es genau darum. Er musste gegen den Flusslauf schwimmen. Er musste gegen die anderen schwimmen um dann an das Reinste zu kommen. Die Quelle. Darum ging es also, es ging darum anders zu sein. Das hatte der Wanderer gemeint! Jetzt verstand er die ganzen Quallen. Er hatte sich selbst darin gefunden einfach weiter zu gehen. Er hätte gar nicht so weit laufen müssen, sondern einfach nur etwas mehr nachdenken. Aber ohne die Schmerzen hätte er nie daran gedacht, dass das ganze ja doch einen Sinn hat und der Wanderer recht gehabt hatte…

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Tag der Veröffentlichung: 04.04.2012

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