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Personen der Geschichte

 

Die Menschen:

Robert, der Vater, fünfundvierzig Jahre alt

Judith, Mutter, fünfzig Jahre alt

Karin, achtzehn Jahre alt

Olivia, genannt Olly, 15 Jahre alt

Ricky, 11 Jahre alt

 

Die Elfen:

Waran, Anführer der Elfen

Maron, sein Sohn

Raja, seine Tochter

Zita, seine Frau

Soldan, sein bester Freund

 

Die Zwerge:

Krit, Anführer der Zwerge

Kato, Zwergen-Hauptmann

Mato, Zwergensoldat

 

Die Kobolde

Rundbert, Fürst der Kobolde

Berthold, erster Kobold

Gerold, zweiter Kobold

Thiele, Kobold

 

außerdem

Roderich, der Bär und Freund von Rundbert

 

Kasimir, Mensch und Sohn der ehemaligen Herrscher

 

Antoinette und Eloise, Hexen

 

und

 

Ich, Sammy, ein Mischlingsrüde

 

 

Menschen sind ja komische Wesen

 

Menschen sind ja komische Wesen. Schon das Aussehen ist außerordentlich merkwürdig, sie laufen auf zwei Beinen, haben nur Fell auf dem Kopf und verständigen sich mit mehr als mit nur „Wau“.

Manchmal glaube ich, ich werde mich nie an diesen merkwürdigen Anblick gewöhnen. Aber einige sind ganz schön nett. Aber es gibt auch fiese Menschen. In meinem bisherigen Leben habe ich schon beiden Rassen erlebt. Am besten ich erzähle meine Geschichte von Anfang an.

Meine Geburt war ein ungewollter Vorfall. Meine Mutter, eine reinrassige Airedale-Terrier-Hündin hatte sich unsterblich in einen Straßenköter unbekannter Herkunft verliebt. Und wenn sich Hunde so richtig verlieben, kommen meistens Welpen auf die Welt. In meinem Fall waren es drei weibliche Babys und ich, ein ganzer Kerl.

Die Familie von meiner Mutter war ganz schön sauer. Ohne uns richtig anzusehen, stopften sie uns in eine kleine Kiste, fuhren mit uns in so einem viereckigen Karton mit Rädern, der so ein unheimliches Brummgeräusch machte, irgendwo hin und stellten die Kiste einfach ab. Das Letzte, was ich von meiner Mama hörte, war ein herzzerreißendes Jaulen. Sie wollte immer wieder zurück zu unserer Kiste, aber ihre Menschen zerrten sie an der Leine hinter sich her und zwangen sie in den Karton auf Rädern. Wir schauten ihr nach und sahen, wie sich das wunderschöne Gesicht unserer Mama immer weiter von uns entfernte. Bald konnten wir sie nicht mehr sehen. Aber ich werde sie nie vergessen. Sie war die schönste Hündin, die ich je in meinem Leben gesehen habe, eben meine Mama.

Wir schauten also aus dem Karton hinter der Kiste auf Rädern her, irgendwann konnten wir sie nicht mehr sehen. Aber wir warteten und waren ganz sicher, dass unsere Mami uns bald wieder holen würde. Zuerst war es sehr warm, und wir hatten schrecklichen Durst, unsere Zungen halfen auch nicht mehr, so lang wir sie auch aus unseren Schnauzen hängen ließen. Dann wurde es dunkel und kalt, aber zu dem Durst kam dann auch noch der Hunger. Es hatte uns zwar keiner gesagt, aber wir wussten, wenn wir schliefen, würden wir Durst und Hunger nicht so spüren. Dann wurde es wieder hell, inzwischen weiß ich, dass, wenn es hell wird, ein neuer Tag beginnt. Wann wollte uns eigentlich unsere Mutter wieder abholen? So lange Zeit warteten wir schon in unserem Karton. Langsam bekamen wir Angst. Meine Schwestern fingen leise an zu jaulen, und auch Hunger und Durst wurden immer schlimmer. Ich hätte am liebsten auch geheult, aber ich war ja ein richtiger Rüde und deshalb rollte ich mich in der Ecke unserer Kiste zusammen und versuchte mich vom Gejaule meiner Schwestern nicht anstecken zu lassen. Irgendwann hatten auch meine Schwestern keine Kraft mehr zum Weinen. Wir drückten uns ganz eng aneinander, so waren wir wenigstens nicht so einsam, und kalt wurde uns auch nicht.

Die Stunden vergingen, irgendwann hielt an unserer Kiste wieder so ein Kasten mit Rädern, meine späteren Menschen nennen diese Dinger Autos. Wir dachten alle, unsere Mutter sei zurückgekehrt. Aber ein wildfremder Mensch schaute in unsere Kiste. Wir hörten, wie eine Stimme bellte: „Hallo Anna, schau mal, was ich hier gefunden habe.“ Ein Weibchen schaute kurz darauf auch in unseren Karton und knurrte: „Was sollen wir denn mit vier Mischlingen, die können wir nicht gebrauchen!“ Das Männchen runzelte sein Gesicht: „Aber wir müssen ihnen mindestens helfen.“ „Na klar“, antwortete das Weibchen schon etwas freundlicher, „nimm die Kiste mit, wir bringen die Welpen ins Tierheim. Behalten können wir sie wirklich nicht, so süß sie auch sind, wir haben doch keine Zeit, den ganzen Tag sind wir nicht zu Hause.“ „Tierheim ist gut“, das Männchen schaute traurig in die Kiste, „den kleinen Rüden, den hätte ich gern behalten, aber du hast ja recht, besser das Tierheim sucht jemanden, der mehr Zeit hat als wir. Schade!“

Vorsichtig trugen die Menschen die Kiste ins Auto und fuhren los. Nach einer Weile hielten sie an. Dann schauten wieder andere Menschen in unsere Kiste. „Bring die Welpen in Zwinger 14“, rief eine laute Stimme „und gib ihnen ganz schnell zu essen und zu trinken.“ Die Kiste wurde genommen und weggetragen. Dann wurde sie auf den Boden gestellt, und wir wurden ausgekippt.

Wir landeten auf einem harten, kalten und glatten Boden. Und da standen dann auch der Napf mit dem Wasser und ein Napf mit Essen. Wir stürzten uns aufs Wasser. Meine Schwestern waren ebenso durstig wie ich und so kämpften wir um den besten Platz. Ich als ganzer Kerl habe natürlich gewonnen, war doch klar, aber nachdem ich getrunken hatte, ließ ich dann doch meine Schwestern auch ran. Man muss ja immer ein anständiger Hund bleiben.

Nachdem wir dann noch gefressen hatten, rollten wir uns in einer Ecke zusammen, eng aneinander gekauert. War das schön und warm. Was mich nur störte, war das bedrohliche Gebell von überall her. Aber wir waren so müde, dass uns das schnell nicht mehr störte.

Am nächsten Tag wurde ich durch ein leises Gebell aus der Nähe aufgeweckt. Ich hörte, wie sich zwei Hunde unterhielten: „Wer hat wohl so süße Welpen ausgesetzt? Das war sicher ein Mensch, der Mischlinge nicht mag.“ „Senta, du hast bestimmt recht, was wird nun aus ihnen werden?“ „Ich denke, wir müssen den Kleinen erst mal sagen, was wirklich mit ihnen geschehen ist.“

Langsam wurde ich richtig wach und blinzelte die beiden an: „Nun erzählt mal, was ist mit uns passiert?“ Unsicher schauten sich die Hunde an. Keiner wollte den Anfang machen. Inzwischen waren auch meine Schwestern erwacht. „Die wollen uns was erzählen“, rief ich den dreien zu. Wir setzten uns hin und spitzten die Ohren.

„Also das ist so mit den Menschen. Die meisten von ihnen möchten sogenannte reinrassige Hunde haben. Wenn dann eine reinrassige Hündin und ein nicht dazu passender Hund sich verlieben und Welpen bekommen, wollen die Menschen diese zusammengemischten Hunde nicht. Die Menschen haben Blätter, auf denen steht, wie ein reinrassiger Hund aussehen muss. Und da es für euch kein Blatt gibt und euer Herr keine Mischlinge mag, hat er euch ausgesetzt. Aber ihr hattet ja Glück, manche Mischlingswelpen landen sogar auf dem Müll oder werden im Wasser ertränkt.“

Nun wussten wir also, was geschehen war. Aber wie sollte es mit uns nun weiter gehen. Bonzo erklärte es uns: „ Wir sind hier in einem Tierheim, fast jeden Tag kommen Menschen her und schauen uns an. Manche nehmen einen von uns mit.“ Irgendwas konnte aber nicht stimmen: „Wieso seid ihr denn noch hier?“ fragte ich die beiden.

Senta erzählte, dass ihre Herrin gestorben sei und die restliche Familie nichts mit einem Hund anfangen konnte und, Bonzos Familie musste umziehen und durfte keinen Hund mit in die neue Wohnung nehmen. „Na, ja, und die Menschen wollen lieber niedliche kleine Welpen haben.“ Bonzo seufzte: „Aber wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben.“

„Wann kommen denn die Menschen wieder Hunde anschauen?“, meine Schwester mit dem hellen Fell war ganz aufgeregt. „Ich glaube heute Nachmittag, aber nicht zu traurig sein, wenn es heute mit der neuen Familie nichts wird, wirklich interessierte Menschen kommen nur selten.“

Ich schaute mir meine Schwestern mal etwas genauer an. Ich war ein schlauer kleiner Rüder und erkannte, dass die Menschen den niedlichsten Welpen zuerst nehmen würden. Meine Schwestern waren, wenn ich ehrlich sein sollte, sehr niedlich. Hell mit braunen Flecken und niedlichen braunen Ohren. Eine von ihnen hatte sogar ein weißes und ein braunes Ohr. Wie sollte ich da eine Chance haben, schnell einen neuen Menschen zu finden.

Aber wie wir merken sollten, saßen in den anderen Zwingern noch viele andere nette Hunde, die eine neue Familie suchten, und außerdem nahm nicht jede Familie, die uns anschaute, auch einen Hund mit. Die Tage vergingen, fast jeden Tag kamen Menschen, aber wir blieben zurück. Oft überlegten wir, wie es mit uns weitergehen sollte, manchmal hatten wir Angst, dass wir hier in diesem Zwinger immer leben müssten. Wir wünschten uns so sehr einen Menschen oder eine Familie, die uns lieb hätte. Ganz schlimm wurde es, als nacheinander Bonzo und Senta eine neue Familie bekamen. Wir gönnten ihnen ihr neues Zuhause, aber jetzt waren wir vier allein, die anderen Hunde sahen uns nur als Konkurrenten, keiner tröstete uns oder gab uns einen Rat. Wir wurden immer trauriger und mutloser.

An einem späten Nachmittag kurz vor Schluss der Besuchszeit stand eine Familie vor unserem Zwinger. Wir machten es wie immer und wie die anderen auch, wir bellten, um auf uns aufmerksam zu machen. Die jungen Menschen, vor allem das kleine Männchen, blieben vor unserem Käfig stehen und sahen uns an. Sie fanden besonders meine Schwestern niedlich, ich wurde weniger beachtet. Die Mädchen waren ganz aufgeregt. Endlich sah es so aus, als hätte eine von uns eine Chance, wegzukommen. Da kam das große Männchen, machte ein ernstes Gesicht und sagte: „Kommt, lasst uns gehen, dieses Gebell ist ja nicht zu ertragen, mir tut der Kopf weh.“ Der Junge war sehr traurig, sah lange in unseren Zwinger und trottete dann mit hängendem Kopf hinter seinen Menschen her. Wir waren wieder zurückgeblieben.

Zwei dunkle Zeiten später, kamen wieder Menschen. Inzwischen war viel geschehen. Meine Schwestern waren weg. Alle fand eine neue Familie. Toll für sie, aber ich blieb allein. Die Mädchen schauten nur kurz zurück und riefen: „Du findest auch bald einen netten Menschen!“ Hoffentlich. Aber im Moment war ich ganz allein im Zwinger. Ich lag in der Ecke und war einsam.

Während ich so vor mich hin döste, hörte ich auf einmal eine Stimme, die ich schon einmal gehört hatte: „War der schon am Freitag da? Ich kann mich gar nicht erinnern.“ Die Familie mit dem großen Männchen mit den Kopfschmerzen und dem kleinen Männchen, dass mich so traurig angesehen hatte, stand nun mit drei Weibchen, zwei jungen und einem alten, vor meinem Zwinger und schauten mich an. Das alte Weibchen lächelte: „Lass uns den Kleinen mal an die Leine nehmen, mal sehen ob der uns mag. Ich könnte mir vorstellen, ihn zu mögen.“

Das eine jüngere aber größere Mädchen maulte: „Lass uns doch lieber zu den Katzen gehen, ich will eine Katze!“ Das kleinere Mädchen sagte: „Aber ich will doch einen Hund und Ricky und Papa und Mama auch.“ „Aber ich nicht.“ Das alte Weibchen meinte: „Es ist doch noch nichts entschieden, ich will ihn doch erst mal aus der Nähe und nicht im Zwinger sehen.“

Ich hörte ihr Gespräch und bellte nicht das kleinste „Wau“. Das alte Männchen bekam davon Kopfschmerzen was immer das sein mochte. Wenn ich mir die Familie genau betrachtete, war sie eigentlich sehr nett. Was das eine Weibchen von Katzen wollte, konnte ich mir zwar nicht vorstellen, aber ich wusste auch nicht so genau, was eine Katze war. Ich saß und schaute ganz lieb. Eine andere Frau kam, öffnete den Zwinger und machte mir so ein Band um den Hals. Dann ging es nach draußen. Irgendwie verstand ich nicht, was die Menschen von mir wollten. Ich lief also an dem Band neben dem Männchen mit den Kopfschmerzen her und versuchte zu begreifen, was da mit mir geschah. Wir gingen draußen auf und ab, dann sahen sich die Menschen an und überlegten, ob ich der geeignete Hund für die Familie sei.

Das alte Weibchen meinte: „Also ich würde es versuchen, was meinst du?“ Das Männchen überlegte: „Na, ja, das ist eine ganz schöne Verpflichtung, und wer geht dann mit dem Hund spazieren?“ Das jüngste Mädchen und der kleine Junge versicherten, dass auch sie mit einem Hund nach draußen gehen würden. Die ganze Zeit machte ich das netteste Gesicht, das ich konnte. Ich saß brav neben den Menschen und wartete.

Alle sahen die älteren Menschen an. Die beiden Kleinen bittend, das große Mädchen beleidigt. Nach einer endlos erscheinenden Zeit sagte das Weibchen: „Komm lass es uns mit ihm versuchen, ich glaube, er ist ein richtig netter Hund. Er hat so sanfte Augen.“ Hatte ich richtig gehört: Die wollten mich mitnehmen, mich den ausgesetzten kleinen Mischlingsrüden, den hässlichsten aus dem Wurf. Ich hielt die Luft an und konnte es kaum fassen. Der Mann war nicht begeistert: „Wenn du meinst, hoffentlich geht das gut.“

Ich hätte vor Freude in die Luft springen können, die wollten mich. Die Kinder fielen dem Weibchen um den Hals, das Männchen lächelte mich zögernd an: „Na dann wollen wir es mal mit dir versuchen; das kann ja lustig werden, wir hatten nämlich noch keinen Hund.“ Das ältere Mädchen maulte wieder: „Ich will aber viel lieber eine Katze, ich gehe nicht mit dem Hund spazieren.“

„Ist ja gut, Karin, wer würde dich denn schon fragen, du übernimmst doch sehr ungern Verpflichtungen“, das ältere Weibchen hörte sich ärgerlich an. „Aber ich will den Hund trotzdem haben, ich lass mir das von dir jetzt nicht verderben.“

Hieß das, dass die mich wirklich wollten. Ich war endlich erlöst. Ich nahm mir fest vor, dass ich der netteste, treueste und liebste Hund sein würde, den eine Familie jemals gehabt hatte. Wir gingen ins Haus zurück. Dort sagte „meine“ Familie einer Frau, dass sie mich mitnehmen würden. Ein Korb, nur für mich allein, wurde auch noch eingepackt, etwas Futter, ein Halsband und so ein Band, Hundeleine sagten die Menschen dazu, ergänzten meine Ausstattung.

Im Rausgehen hörte ich noch, wie neue Menschen, die ich noch nie gesehen hatte, nach mir fragten. Da wollte mich doch tatsächlich noch eine Familie haben. Was interessierte es mich, ich hatte eine Familie und dann auch noch mit Kindern, und die, die immer nach einer Katze schrie, die würde mich auch schon lieben lernen. Ich liebte meine Familie sofort. Meine Menschen, wie sich das anhörte.

Mein neuer Mensch nahm mich auf den Arm und wir verließen das Tierheim. Einige Menschen sagten: „Oh, ist der niedlich, das ist aber ein netter Hund.“ Aber viele Besuche lang hatte mich keiner gewollt und nun fanden sie mich alle niedlich. Komisch war das.

Wir gingen zu einem Auto und das Weibchen legte mich langsam auf eine Decke bei ihren Füßen. Später hörte ich, dass die Decke nicht mir gegenüber nett gemeint war, sondern mein Pippi nicht an das Auto heran lassen sollte. Weil ich noch so klein war, hatten sie Angst, ich könnte ins Auto machen. Schwach erinnerte ich mich an das Gesicht meiner Mutter, als sie im Auto davon gefahren wurde. Ob sie wohl wieder Junge bekommen hatte. Und waren die diesmal reinrassig. Aber eigentlich interessierte es mich überhaupt nicht. Ich hatte jetzt Menschen.

Anfangs hatte ich vor all dem Neuen schreckliche Angst und zitterte. Das Weibchen, alle nannten sie Mama nur das Männchen nannte sie Judith, sprach ganz ruhig und streichelte mich sanft. Kann man da anders, nein, als Hund kann man da nur leise brummend einschlafen. Irgendwann wurde ich wieder sanft aufgehoben und aus dem Auto in einen Menschenzwinger getragen.

Mein neuer Korb - im Tierheim schlief ich auf dem Fußboden - wurde in eine gemütliche Ecke neben ein geripptes Ding gestellt, das ganz schön warm war. Meine Menschen legten eine Decke hinein und setzten mich einfach drauf. Am liebsten wäre ich liegen geblieben, aber ich war viel zu neugierig und wollte mir mein neues Zuhause genauestens ansehen. So leben also die Menschen. In dem Raum, in dem mein Korb stand und auch heute noch steht, waren meine Menschen am meisten.

Aber da war auch noch ein kleinerer Raum, der so gut nach Essen roch. Den hatte ich ganz besonders gern. Das hat sich bis heute nicht geändert. Wenn einer meiner Menschen da hineingeht, schleiche ich mich immer hinterher. Fast immer gibt es hier etwas Leckeres für mich. Meine Menschen nennen diesen Raum „Küche“.

Aber schön ist auch der Raum, in dem meine Leute am meisten leben, „Wohnzimmer“ heißt er. Ich mag es sehr, wenn alle zusammen sind und ich im Korb liege und fühle, dass alle bei mir sind. An diesem ersten Tag musste ich das Wohnzimmer erst mal in allen Einzelheiten erschnüffeln. In jeder Ecke roch es nach meinen Menschen. Es war toll, einfach nur toll. Ich hätte in die Luft springen können, stattdessen pinkelte ich auf den Teppich. Ängstlich schaute ich alle an, aber keiner schimpfte. Judith sagte nur: „Der arme kleine Kerl, wir sollten mal schnell mit ihm aufs Klo gehen.“ Ich war irritiert, was bedeutete das?

Ich merkte schnell, dass das etwas ganz Tolles ist, manche Menschen nennen es „Gassi gehen“ mit mir geht man eben „aufs Klo“. Ich darf Pippi machen, mein großes Geschäft verrichten und überall schnüffeln. Beim ersten Mal war ich sehr erstaunt, wie viele Hunde hier lebten. Und dann waren da noch so viele andere Gerüche, die ich noch nicht kannte. Uff, war das spannend. Und Bäume, so viele wie ein Hundeherz begehrt. Ein Paradies für Hunde, besonders für Tierheimhunde.

Danach gab es was zu fressen, brr, Tierheimfutter, wie ich das hasste. Aber dass konnten meine Leute ja nicht wissen. Dann wurde es dunkel, ich war auch schon schrecklich müde und legte mich, nachdem ich noch mal auf dem Klo war, in meinen neuen Korb. Ich hörte, wie meine Menschen sich unterhielten und schlief ein. Irgendwann wurde ich wach und keiner war mehr da, alle waren weg. Ich war sehr erschrocken. Nachdem ich richtig wach geworden war und feststellte, dass ich nur allein, aber doch noch in meinem neuen Menschenzwinger war, beruhigte ich mich langsam und beschloss zu warten.

Als es hell wurde, hörte ich von oben Geräusche. Dann waren da noch die Stimmen meiner Menschen. Ich ging dahin, von wo ich alles am besten hören konnte. Ein ziemlich steiler und eckiger Weg führte nach oben. Ich habe mich damals nicht getraut, dort hinauf zu gehen und traue mich das heute noch immer nicht. Ich setzte mich davor und wartete. Es dauerte nicht lange und meine Leute kamen herunter.

„Hallo Sammy“, riefen sie. Da begriff ich erst, dass ich nicht mehr der namenlose, ausgesetzte Mischlingshund war, nein, ich hatte endlich einen Namen. Am Vortag hatte ich das wohl offensichtlich vor Aufregung und Müdigkeit gar nicht bemerkt. Ich war ab sofort Sammy, der Hund meiner Menschen. Ich hörte genau zu, wenn sie sich unterhielten, und wusste bald ihre Namen. Da waren Robert, das alte Männchen und Judith, das alte Weibchen, die Eltern von Karin, Olly und Ricky.

Olly und Ricky benahmen sich ganz komisch, es schien, als könnten sie nicht begreifen, dass sie einen Hund hatten. Sie machten den Eindruck, als ob sie sich unglaublich freuen würden. Aber wieso freuten die sich so, ich hatte doch allen Grund glücklich zu sein. Irgendwann am Tag setzten die beiden sich zu mir auf den Fußboden und erzählten: „Sammy, wir hätten nie geglaubt, dass wir eines Tages einen Hund bekommen würden. Mama war immer dagegen. Und nun bist du da. Ist das nicht toll?“ Klar war das toll, aber wie sollte ich ihnen das sagen. Zur Bestätigung leckte ich ihnen die Hände ab. „Du freust dich also auch“, Olly strahlte mich glücklich an. „Weißt du was, du bist auch mein Bruder, genau wie Ricky.“

Nur Karin machte mir Kummer. Manchmal saß sie da und schaute mich nur an, und ich schaute, solange ich es konnte, zurück. Das ist bei Hunden gar nicht so einfach und für junge Hunde fast unmöglich. Aber ich wollte unbedingt, dass sie mich auch mochte und nicht ewig an Katzen dachte. Am Morgen hatte ich eine Katze gesehen, zumindest hatte mir Olly gesagt, dass das eine Katze gewesen sei. Irgendwie roch sie komisch, nein, es war kein Geruch, der in mir freundschaftliche Gefühle weckte.

Und so ein Tier wollte Karin haben. Unmöglich! Ich war zwar noch jung, aber ich wollte diese Konkurrenz ausstechen.

Am nächsten Tag waren auf einmal alle weg, nur Judith war noch da. Und an diesem Tag begann eine Unzahl von Spaziergängen mit ihr. Außerdem lernte ich meine Freundin Mücke kennen, eine Dackeldame in den besten Jahren, klein, niedlich, etwas zickig und hatte manchmal überhaupt keine Lust, spazieren zu gehen.

Aber sie war meine erste Freundin und durfte deshalb auch zickig sein.

Von da an wurden meine Tage gleichmäßiger, spazieren gehen mit Judith, Frühstück, schlafen, spazieren gehen mit einem der Kinder, Leckerli, schlafen, spazieren gehen mit einem anderen Kind, Abendessen, schlafen, aufs Klo mit Robert, schlafen. Und zwischendrin wurde ich gestreichelt, spielte meine Familie mit mir, lernte ich wichtige Dinge wie „bei Fuß“ gehen, „Sitz machen“, „Platz“ und anderes. Aber irgendwie muss mein Vater ein ziemlicher Dickkopf gewesen zu sein, denn ich hatte nicht immer Lust zu tun, was ich sollte. Na, ja, ich glaube viele Hunde sind so wie ich.

Ich hatte mich gerade an das gleichmäßige Leben gewöhnt, da wurde es bei uns wieder aufregend. Auf einmal stand auf der Straße vor unserem Haus ein großer Kasten mit zwei Rädern, der ans Auto gehängt werden kann. Zu Hause wurden die Felle meiner Menschen zusammen gesucht und in den Kasten getan, Futter kam dazu und zu meinem großen Kummer auch noch mein wichtigstes Eigentum, mein Korb. Und ich, ich armer Kerl, musste hinten ins Auto und das auch noch angeleint.

Autofahren war für mich damals noch sehr schlimm. Ich weiß nicht, ob es meine üblen Erfahrungen mit diesem Ding waren oder einfach nur die Tatsache, dass ich mich nicht auf meinen eigenen Beinen fortbewegen konnte, jedenfalls habe ich mich hinten ins Auto gesetzt und gejault.

Nach einer mir unheimlich lang vorgekommenen Fahrt kamen wir endlich an unserem Ziel an. Zu meinem großen Entsetzen wohnten wir von da an in diesem komischen Kasten, der an unserem Auto hing. Meine Leute sagen Wohnwagen dazu. Dieses Ding war mir vielleicht unheimlich. Ich verkroch mich zunächst unterm Tisch. Am tollsten war, das alle Füße meiner Menschen unter dem Tisch standen und ich aufgrund des Geruchs ein ganz gutes Gefühl hatte.

In der ersten Nacht habe ich kaum geschlafen, immer war etwas Unbekanntes zu hören. Ich war froh, dass ich mit meinem Korb so nahe bei meinen Menschen stand. Dabei stellte ich das erste Mal in meinem Leben fest, dass ich ein ganz schön ängstlicher Hund war. Alles, was unbekannt war, machte mir Angst und ich muss mich auch heute noch hinter meinen Menschen verstecken.

Mit der Zeit gewöhnte ich mich an das Leben im Wohnwagen. Von Zeit zu Zeit erinnerte ich mich noch an das Tierheim, und ich liebte meine Menschen mehr als je

zuvor. Ich war sicher, auch Karin würde mich lieben lernen. Vielleicht würde sie mich vermissen, sie war ja nicht mit dabei.

Als wir nach einer Woche wieder zu Hause waren, habe ich Karin ganz toll begrüßt. Ja, und ich war sicher, sie hatte mich vermisst. Von da an begann sie, mich zu mögen.

Die nächsten Monate nahm unser Leben seinen gewohnten Gang. Ich ging spazieren, aufs Klo, schlief, wurde verwöhnt und mit der Zeit lernte ich, was es heißt, in einer sportlichen Familie zu leben. Meine Menschen laufen irgendwo schneller, als ich es kann und dafür muss ich stundenlang geduldig „Sitz“ machen oder allenfalls mit Robert ein bisschen spazieren gehen.

Meine Menschen und ich hatten nur ein Problem, wenn sie mich von der Leine machten, musste ich einfach weglaufen, nichts hielt mich zurück. Anfangs hatte vor allem Judith immer wieder versucht, mich ohne Leine laufen zu lassen, aber irgendwann war sie so sauer, dass sie mich nicht wieder von der Leine ließ. Viel später versuchte sie es dann wieder, aber irgendwas in mir ließ mich einfach abhauen. Natürlich wäre ich immer wieder zurückgekommen, aber wie konnte ich das meinen Menschen nur erklären. Das Weglaufen war wie ein innerer Zwang.

Aber sonst war und ist alles toll mit meinen Menschen, sie lieben mich und ich liebe sie. Nur wenn Ricky sich zu mir in den Korb legt, werde ich etwas ärgerlich. Ach übrigens, inzwischen habe ich einen größeren Korb mit einem tollen weichen Kissen bekommen. Ich bin ein glücklicher Hund.

Die Ferien beginnen

 

Eines Tages wurde ich wach und alles war in heller Aufregung. Am Tag vorher waren die Kinder mit großen weißen Zetteln mit schwarzen Strichen drauf nach Hause gekommen. „Wir haben tolle Zeugnisse“, riefen sie. Robert und Judith setzten sich mit jedem Kind hin und konnten den schwarzen Strichen irgendeinen Sinn entnehmen, lesen nennen sie das.

Ja, und sie lasen und redeten, und alle freuten sich. Hier und da meinten Judith und Robert: „Das muss aber im nächsten Jahr besser werden“, aber eigentlich machten sie einen sehr zufriedenen Eindruck. Erst als sich Karin und Olly stritten, wer denn besser sei, wurden die Eltern ärgerlich und meinten, dass Vergleiche doof wären. Irgendwie verstand ich das Gestreite der Kinder nicht. Jeder hatte ein Stück Papier, also sollten doch alle zufrieden sein, keiner kam zu kurz.

Ricky kam zu mir in den Korb und maulte: „Die doofen Mädchen, bloß weil die eine besser sein will als die andere, streiten sie und machen die ganze Urlaubsstimmung kaputt.“ Ich machte ein fragendes Gesicht in der Hoffnung, dass Ricky das verstehen würde, aber er streichelte mich nur und sprach nicht weiter. Was hatte das wohl mit dem Papier auf sich?

Eine Weile später kam Olly beleidigt wieder ins Wohnzimmer und meckerte: „Immer will Karin das bessere Zeugnis haben, immer will sie alles Lob und für mich soll nach Möglichkeit nichts mehr übrig bleiben.“ Judith tröstete sie: „Dein Zeugnis ist so gut wie Karins, jeder ist auf einem anderen Gebiet spitze, ich bin stolz auf euch. Und nun hört endlich auf zu streiten. Bei so einer schlechten Laune habe ich gar keine Lust mehr, den Wohnwagen zu packen.“

Karin stürmte aus ihrem Zimmer: „Ich will auch mal gelobt werden und außerdem habe ich keine Lust mitzufahren, ich finde euch alle doof und besser bin ich in der Schule auch.“ Judith antwortete ganz ruhig: „Hört jetzt endlich auf mit dem Theater, ich habe keine Lust auf solchen Kinderkram.“

Ich saß da im Wohnzimmer und sah meine Kinder schlecht gelaunt und wütend. Ich verstand die Welt nicht mehr, dass die drei einmal laut wurden und sich stritten, war mir ja schon klar, aber das hier schien ja etwas anderes zu sein. Olly und Karin gifteten sich an und keiner wollte den besänftigenden Worten von Judith zuhören oder Glauben schenken. Karin verließ total sauer den Raum und stürzte in ihr Zimmer, Olly hockte da rum und sagte gar nichts mehr.

Ich legte mich hin, brummte leise und beschloss einfach nur zu dösen. Ich war sicher, dass sich alle wieder beruhigen würden, aber verstehen konnte ich das alles nicht. Wie kann man sich nur über ein Stück Papier mit schwarzen Strichen drauf so aufregen?

Im Unterbewusstsein hörte ich, wie Judith tief atmete und zu Robert sagte: „Es ist doch immer das Gleiche, jeder will besser sein als der andere, aber keiner versteht,

dass alle unterschiedlich sind. Ich bin richtig ärgerlich, eigentlich haben doch alle Grund, stolz auf sich zu sein, die Zeugnisse sind wirklich toll, aber durch diese Stänkerei ist die ganze Stimmung dahin.“ Robert zuckte mit den Schultern: „Lass uns einfach den Wohnwagen packen, die werden sich schon beruhigen.“

Judith rief nach oben: „Wenn ihr schon in euren Zimmern vor euch hin schmollt, könnt ihr dabei ja auch eure Koffer packen, wir wollen doch morgen losfahren.“ Olly und Ricky riefen: „Ja gut, machen wir!“ Ihre Stimmen hörten sich irgendwie erleichtert an. Ich glaube, sie waren froh, einen Grund zu haben, wieder normal miteinander zu reden. Von Karin hörte man nichts.

Aber damit fing das Chaos erst richtig an. „Mam, wo sind meine Socken?“ Verzweifelt hockte Olly inmitten des Inhaltes ihres Kleiderschrankes und fand nicht einen einzigen Strumpf. „Wo sie hingehören“, rief Judith von unten. Wütend sprang Olly auf: „Hättest du mir das nicht früher sagen können, jetzt kann ich alles wieder einräumen.“

Aus dem Nebenzimmer erklang schadenfrohes Gelächter. Olly stürmte mit hochrotem Gesicht in Rickys Zimmer. Schon wollte sie sich wütend auf ihn stürzen, doch mitten in der Bewegung stoppte sie und fing schrecklich an zu lachen. Ihrem Bruder ging es nicht besser als ihr, auch er suchte vergeblich Socken.

Ich hörte sie kichern. Die Stimmung war also wieder besser geworden. Ich traute mich wieder aus meinem Korb und ging in den Flur, um zu sehen, was da so los war. Robert kam mit den komischen Dingern in der Hand, die sie Koffer nennen, die Treppe herunter. Er rutschte aus und sauste auf seinem Hinterteil die Stufen runter, die Koffer polterten vor ihm her und begruben mich unter sich. Ich konnte nur noch leise und ängstlich jaulen.

Unter dem Kofferberg hörte ich, wie Olly und Ricky die Treppe herunter gestürmt kamen und sich auf den Kofferhaufen stürzten, um mich zu retten. Sie nahmen mich in den Arm und trösteten mich. Robert brummte nur: „Typisch, Mischling müsste man sein, dann kümmern sich alle um einen, aber als Vater.....!“ Nach einer Weile befreite ich mich aus den Armen von Olly und Ricky, schüttelte mich und stellte fest, dass mir eigentlich nichts weiter passiert war, ich hatte mich nur furchtbar erschreckt.

Meine kleinen Menschen wollten sich nun wieder auf Sockensuche

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 10.02.2014
ISBN: 978-3-7309-8282-2

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