Schnaufend wie eine in die Jahre gekommene Dampflok und schwitzend wie ein Schwein trug Milow eine Kiste nach der anderen in die Wohnung. Wie er die Möbel in den dritten Stock bekommen sollte, war ihm noch nicht ganz klar. Aber irgendwie würde er es schon schaffen, bis jetzt konnte er noch jede Herausforderung meistern.
Wer brauchte schon Freunde? Auf seine Clique, seine sogenannten Freunde, die sich schon ewig nicht meldeten, konnte Milow gut verzichten. In den vergangenen zwei Jahren entfernten sie sich immer mehr von ihm, ertrugen wohl nicht ihn zu sehen.
Seit diesem verdammten Unfall war sein ganzes Leben eine einzige Katastrophe.
An viel konnte er sich nicht mehr erinnern, er wusste nur noch, das sein bester Freund und er losfuhren. Das nächste, was er bewusst wahrnahm, war Sammy, der neben ihm leblos in seinem Sicherheitsgurt hing, überall war Blut. So laut Milow auch schrie, der andere rührte sich nicht, zeigte nicht die kleinste Reaktion. Heute wusste er, dass Sammy da schon nicht mehr lebte, er war sofort beim Aufprall gestorben.
Der Innenraum des Wagens füllte sich mit Rauch, der Motorraum stand in Flammen. Es war so heiß, Milow bekam kaum noch Luft. Panisch versuchte er die Beifahrertüre zu öffnen, doch diese musste sich verklemmt haben, bewegte sich nicht einen Millimeter.
Immer näher kamen die Flammen, erreichten ihn schließlich. Die Schreie, die er ausstieß, waren ihm unglaublich laut erschienen, als der Ärmel seiner Jacke Feuer fing und dieses sich bis auf seine Haut vorarbeitete. Bevor er das Bewusstsein verlor, sah er noch einen Feuerwehrmann durch die Seitenscheibe, dann wurde alles schwarz.
Im Krankenhaus wurde er eine Woche später wach. Um ihn zu behandeln und ihm Schmerzen zu ersparen, legten ihn die Ärzte in ein künstliches Koma.
Immer wieder fragte er nach Sammy, wie es ihm ginge, bis ihm seine Eltern endlich reinen Wein einschenkten und ihm gestanden, das sein bester Freund nicht mehr lebte.
Für Milow fühlte sich dieser Verlust an, als würde er selbst sterben. Sammy war wie sein Bruder, sie kannten sich schon immer, ihre Mütter entbanden sie mit nur einem Tag Unterschied, lagen im selben Zimmer des Krankenhauses. Sammy und er lebten in derselben Nachbarschaft, besuchten den gleichen Kindergarten und gingen auf dieselben Schulen.
Ihn nun nie wieder zu sehen, nie wieder mit ihm sprechen zu können, erschien ihm so unwirklich.
Alle sagten ihm, das er wahnsinniges Glück gehabt habe, noch am Leben zu sein, was Milow nicht so sah. Alles um ihn herum verwandelte sich in ein einziges, schwarzes Loch.
Seine Verletzungen waren ihm egal. Keiner schien zu begreifen, das er den wichtigsten Menschen in seinem Leben, neben seinen Eltern, verlor, das ihn diese Tatsache innerlich zerriss.
Seine Freunde besuchten ihn zu Beginn, was jedoch immer weniger wurde. Ihm war nicht nach Lachen, er wollte keine sinnlosen Gespräche über Stars und Sternchen führen. Auch wurde ihm klar, das sie den Anblick seiner verbrannten Haut nicht ertrugen, sich davor ekelten. Deshalb unternahm er auch nichts, als der Kontakt immer mehr einschlief, meldete sich nicht und irgendwann waren es nur noch seine Mutter und sein Vater, die ihm Besuche abstatteten.
Die Ärzte taten alles, damit er sich gut erholte. Ihm würden aber großflächige Narben am linken Oberarm und der Schulter bleiben. Früher war er bei den Männern sehr beliebt, jeder sagte ihm, wie schön er sei. Nun war das nicht mehr der Fall, wer wollte schon einen, der mit solch hässlichen Narben gestraft war.
Mit jeder Woche, die verstrich, versank er immer mehr in einer Depression, bis er, nachdem er sich dabei erwischte wie er darüber nachdachte, sich das Leben zu nehmen, selbst einsah, dass er Hilfe brauchte. Seitdem war er in Behandlung, würde sich nun, nach dem Umzug, auch hier einen Psychologen suchen. Dank den wöchentlichen Sitzungen seit gut eineinhalb Jahren konnte er wieder normal leben, funktionierte, genoss an den meisten Tagen sogar sein Leben. Nur sein Liebesleben war seit dem Tag, der alles veränderte, so gut wie nicht mehr existent. Zu unsicher war Milow, wie er auf andere wirkte, seit ihn ein Typ einfach stehen ließ, nachdem er es ihm auf dessen Drängen hin zeigte. Wie angewidert der Kerl ihn ansah, würde er nie vergessen.
In der kleinen Stadt, in der er bis vor kurzem lebte, kannten ihn zu viele, deshalb wollte er hier, in der Anonymität der Großstadt, einen Neuanfang wagen.
Sein Blick glitt nach oben. Noch ein Stockwerk, dann konnte er sich etwas ausruhen.
Auf dem Treppenabsatz ließ er sich nieder, den Umzugskarton neben sich abgestellt und griff nach seinem Arm. Nach dieser Anstrengung schmerzten seine Narben, würden noch tagelang empfindlich sein. Er schob den Ärmel seines langärmligen Shirts nach oben und massierte den Bereich vorsichtig.
Plötzlich erklangen Schritte hinter ihm. Nur einen Moment später lief eine Person in ihn hinein, fiel fast über ihn. Nur durch Milows beherztes Zugreifen verhinderte, das der andere stürzte.
Milow sah auf und blickte in sanfte braune Augen, die ihn besorgt musterten.
»Entschuldige, ich habe nicht darauf geachtet, wohin ich laufe«, sagte er leise und deutete auf das Buch in seiner Hand. »Man sollte währenddessen nicht lesen. Habe ich dir wehgetan?«
Wie gebannt starrte Milow den anderen an. Vor ihm stand ein asiatischer Mann, wahrscheinlich nur wenige Jahre älter als er selbst. Sein schwarzes Haar war kurz geschnitten, stand ihm gewollt wirr vom Kopf ab, sein eng anliegendes T-Shirt betone die trainierte Brust, ein Sixpack zeichnete sich darunter ab. Der Kerl war genau seine Typ.
Abwartend legte sein Gegenüber den Kopf schief. Erst da wurde ihm klar, das dieser eine Antwort erwartete. Milows Wangen begannen zu glühen und in seinem Hals bildete sich ein Kloß.
»Ich...alles okay, nichts passiert«, brachte er stockend hervor und kam sich dabei so dämlich vor. Na super, das war mal ein wundervoller erster Eindruck.
»Sicher? Ich habe dich schließlich in vollem Lauf erwischt.«
»Ganz sicher. Mach dir keinen Kopf.« Er stemmte sich hoch. »Ich sollte weitermachen, sonst werde ich heute nicht fertig und ich möchte meine Sachen nicht über Nacht im Umzugswagen lassen«, erklärte er dem Fremden, nahm die Kiste hoch und wollte um die Ecke gehen, nur weg von diesem Traum von einem Mann, vor dem er sich sicher gerade vollkommen zum Affen machte, als dieser ihm die Hand auf die Schulter legte, um ihn aufzuhalten.
Gegen den Impuls ankämpfend, sich ihm zu entziehen, blieb er stehen, hoffte, das der andere durch den Stoff nicht die vernarbten Stellen wahrnahm.
»Brauchst du Hilfe?«, fragte der Mann unvermittelt. »Ich bin übrigens Luc.«
»Ich heiße Milow. Bist du dir sicher? Du kennst mich doch gar nicht und hast sicher etwas besseres vor, als mir bei dieser Hitze beim schleppen zu helfen.«
Lucs Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen.
»Schön dich kennen zu lernen, Milow. Und ja, ich bin mir sicher, sonst hätte ich es dir ja nicht angeboten, oder? Ich wollte mich im Park unter einen Baum setzen um zu lesen, das kann ich morgen auch noch machen. Du scheinst niemanden zu haben, der dir hilft und ich habe Zeit. Also, soll ich dir helfen?«
Verblüfft sah er Luc an, nickte dann, ohne weiter darüber nachzudenken.
»Super, dann bring ich meine Sachen schnell zurück in meine Wohnung«, sagte er und war schon in der Tür verschwunden, die seiner gegenüber lag.
Keine Minute später war er wieder bei Milow und gemeinsam liefen sie die Treppen nach unten.
Die wenigen Kisten, die noch im Transporter standen, brachten sie innerhalb kürzester Zeit nach oben.
Obwohl sie beide dank der Temperaturen, die sich während des Sommers in den Häuserschluchten einer Großstadt noch heißer anfühlten, schnell vollkommen durchgeschwitzt waren, widmeten sie sich den Möbelstücken.
Die Sonne ging schon unter, als sie die letzten Teile seines Kleiderschranks im Schlafzimmer ablegten.
Erledigt ließen sie sich anschließend auf Milows Couch sinken.
»Danke, Luc, ohne dich hätte ich echt nicht gewusst, wie ich das alles hätte schaffen sollen.«
Sich den Schweiß von der Stirn wischend sah ihn sein Nachbar an und grinste. Verdammt, sah dieser sexy aus.
»Habe ich gern gemacht. Als ich vor zwei Jahren hierher zog, halfen mir nur zwei Freunde, daher weiß ich, wie es ist, wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.«
»Die einzigen, die mir helfen könnten, sind meine Eltern, aber die sind gerade auf Reisen, sehen sich Europa an. So etwas wie zweite Flitterwochen oder etwas in der Art.«
»Und Freunde gibt es keine, die dir helfen würden?«
»Nein, da gibt es niemanden. Es ist...kompliziert«, antwortete Milow, betrachtete dabei intensiv seine Finger.
»Jetzt machst du mich aber neugierig.« Luc setzte sich auf, drehte sich mehr zu ihm. »Darf ich fragen, was los ist?«
Offen und ehrlich interessiert blickten ihn Luc an.
»Ich hatte nie wirklich viele Freunde. Vor zwei Jahren waren mein bester Freund Sammy und ich unterwegs, als wir in einen Unfall verwickelt wurden. Sammy...er hat es nicht überlebt, war auf der Stelle tot. Mich haben sich aus dem Autowrack geholt, doch ich trug schwere Verbrennungen davon. Das alles hat mich depressiv gemacht. Die wenigen Leute in meinem Freundeskreis haben es nicht verstanden, ertrugen den Anblick meiner verbrannten Haut nicht, zogen sich zurück. Mir war es damals egal, wollte ihnen nicht hinterherrennen. Es kostete mich schon genug Kraft, am Leben bleiben zu wollen, da konnte ich nicht auch noch um etwas kämpfen, das in meinen Augen sinnlos war. Wie meine Mutter immer sagt: Wer im Sturm nicht zu dir steht, den brauchst auch nicht im Sonnenschein.«
Als Luc nichts sagte, wagte es Milow, aufzusehen. Sein Gegenüber betrachtete ihn mitfühlend, seine Augen glänzten.
»Das...es tut mir leid. Es war sicher nicht einfach, sein Leben nach so einem einschneidenden Ereignis wieder in den Griff zu bekommen.« Er legte eine Hand auf Milows miteinander verschränkte, lächelte sanft.
Diese Berührung kam so unvermittelt, das Milow sich nicht darauf einstellen konnte. Doch sie tat so gut. Seine Nerven schickten kleine elektrische Impulse durch seinen Körper. So fühlte er sich schon lange nicht.
Milows Augen füllten sich mit Tränen, die sich einen Weg über sein Gesicht bahnten. So sehr er auch versuchte, sich zu beruhigen, es klappte nicht.
Luc musste ihn für verrückt halten, würde sicher die Flucht ergreifen. Wer wollte schon ein heulendes Elend um sich haben, das er nicht einmal kannte.
Doch sein neuer Bekannter überraschte ihn, als er näher an ihn heran rutschte, die Arme um ihn legte und ihn tröstete. Nun brachen alle Dämme, laute Schluchzer entkamen ihm, während er sich an Luc presste.
Selbst als er sich beruhigte, hielt ihn der andere immer noch, streichelte beruhigend über seinen Rücken.
»Danke«, war alles, was Milow sagen konnte.
»Nicht dafür, jeder braucht mal jemanden, der einem eine Schulter zum anlehnen und ausweinen bietet.«
Als sie sich löste, fühlte sich Milow tatsächlich besser, auch wenn ihm das Ganze peinlich war.
»Normalerweise ist das aber niemand, den man erst kennenlernte.«
»Das stimmt wohl, doch manchmal ist es einfacher, sich bei einem Fremden gehen zu lassen, als bei jemandem, der einen in und auswendig kennt. Meine Tür steht dir immer offen, wenn du reden möchtest. Ich würde dich nämlich gern besser kennenlernen.«
»Gern, es kann nicht schaden, neue Freundschaften zu knüpfen.«
Bis kurz vor Mitternacht redeten sie, lachten viel. Mit Luc fühlte sich Milow wohl, fast so wie damals bei seinem besten Freund Sammy. Am meisten beeindruckte Milow, das ihn Luc nicht einmal danach fragte, ob er seine Narben sehen dürfe, es war, als wäre es ihm nicht wichtig.
Die halbe Nacht lag Milow nach diesem arbeitsreichen, langen und aufwühlenden Tag wach auf seiner Matratze. Sein Bett würden sie erst morgen aufbauen. Sofort bot sich sein Nachbar dafür an, ohne das er ihn darum bitten musste.
Einen wie ihn traf er noch nie. Luc war freundlich, unvoreingenommen, offen und einfach nur ein netter Kerl, der sich scheinbar in den Kopf setzte, sich mit Milow anzufreunden. Grinsend schüttelte er den Kopf. Er würde ihn davon sicher nicht abhalten. Erst jetzt, da da einer war, der sich um ihn bemühte, bemerkte er, wie sehr er sich nach Gesellschaft sehnte. Und das dieser Mann aussah wie einer seiner wahr gewordenen feuchten Träume war ein zusätzlicher Pluspunkt.
Erst als er seine Finger auf seinem Schwanz spürte, merkte er, das seine Hand in seiner Boxershorts verschwunden war. Er schloss die Augen, stellte sich automatisch, ohne es zu wollen Luc vor, wie dessen Muskeln sich beim tragen von Milows Sachen anspannten. Dann veränderte sich das Bild, Lucs Arme umschlangen ihn, berührten Milow überall. Fest umfassten sie Milows Härte, bereiteten ihm Lust. Je deutlicher diese Vorstellung wurde, desto intensiver wurde die Sehnsucht in ihm nach Erlösung.
Leise stöhnend kam er schließlich über seine Hand, atmete schnell.
Rasch säuberte er sich und schlief bald darauf mit einem Lächeln im Gesicht ein.
Trotz der kurzen Nacht war Milow am nächsten Morgen fit, sprang unter die Dusche und zog sich gerade an, als es klopfte.
Vor der Tür stand sein Nachbar, hielt ihm einen Kaffee im Pappbecher und eine Tüte mit Brötchen hin.
»Wir sollten uns erst stärken, bevor wir loslegen.«
»Danke, das nächste Mal geht es aber auf mich. Komm rein.«
Sie ließen sich am kleinen Tisch in der Küche nieder und verspeisten die herzhaft belegten Gebäckstücke.
»Sobald alles eingerichtet ist lade ich dich ein und koche für dich«, verkündete Milow, woraufhin in Lucs Gesicht ein breites Grinsen erschien.
»Darauf freue ich mich schon.«
Die nächsten Stunden kamen sie sehr gut voran, so das nur noch der Schrank und das Bett im Schlafzimmer aufgebaut werden mussten.
Draußen stand die Sonne schon hoch am Himmel, brannte unnachgiebig auf die Erde nieder und ließ den Schweiß nur so fließen.
»Asiatisch oder italienisch?«, fragte er Luc, der ihn etwas verwirrt ansah. »Möchtest du eher etwas vom Asiaten oder vom Italiener?«, wiederholte er grinsend die Frage.
»Ach so...eine Pizza wäre super, ich habe richtig Kohldampf«, gab er zurück und lachte leise.
»Okay, dann besorge ich uns welche? Spezielle Wünsche?«
»Schinken und ne extra große Portion Käse für mich bitte.«
»Bekommst du.« Milow griff nach seiner Geldbörse, steckte sie ein. »Bin gleich wieder da.«
Er eilte die Stufen hinunter und trat vor das Haus. Die Hitze traf ihn für einen Moment wie ein Vorschlaghammer. Der Straßenbelag hatte sich aufgeheizt und gab einem das Gefühl, sich am Eingang der Hölle selbst zu befinden. Milow beschleunigte seine Schritte, wollte so schnell es ging wieder zurück nach Hause. Zum einen, weil Luc auf ihn wartete und er sich, so komisch es klang, schon nach ihm sehnte, obwohl sie sich erst kennenlernten und zum anderen, weil es in seiner Wohnung erträglicher war, als hier in der prallen Sonne.
Nur wenige Häuser weiter erreichte er eines der besten italienischen Restaurants der Gegend, zumindest stand das in dem Stadtführer, den er sich zulegte, als klar war, das er hierher ziehen würde.
Ein wenig musste er warten, denn ein paar Leute waren vor ihm dran. Milow ließ den Blick schweifen, nahm die rustikale, romantische Atmosphäre, die das Restaurant verströmte, in sich auf. Die vielen kleinen Nischen gaben einem das Gefühl von Privatsphäre, obwohl man sich unter unzähligen anderen Menschen befand. Vielleicht konnte er Luc ja mal hierher einladen. Sogleich fragte er sich, wie er darauf kam. Sie begannen Freunde zu werden, doch das was ihm vorschwebte war ein Date. Kurz verdüsterte sich sein Gemüt, den die Erinnerungen an diese eine katastrophale Verabredung kamen wieder hoch. Nein, er ertrug es nicht, wieder diese Art der Ablehnung zu erfahren, weshalb er den Gedanken so schnell wieder verwarf wie er gekommen war.
Als er an der Reihe war, straffte er sich und trat an den Tresen, hinter der eine junge Frau stand und die Kundenwünsche entgegen nahm und sofort abkassierte.
Er gab die Bestellung auf und wartete auf die beiden Teigfladen, die ihm die Bedienung mit einem freundlichen Lächeln in zwei Pizzakartons reichte.
Mit den beiden Pizzen und zwei gekühlten Flaschen Cola trat er schließlich den Rückweg an.
Schwer atmend kam er in seiner Wohnung an und sah sich suchend nach Luc um. Er entdeckte ihn im Wohnzimmer, wo er vor dem Bücherregal stand, das Milow zuvor schon teilweise einräumte, interessiert die Buchrücken betrachtete und dabei eine leise Melodie vor sich hin summte.
Für einen Moment wünschte sich Milow jemanden wie Luc an seiner Seite, schüttelte dann jedoch leicht den Kopf, um diese Vorstellung wieder zu vertreiben. Mit ihm befreundet zu sein musste ihm genügen. Alles andere bedeutete Enttäuschung und von der gab es in den vergangenen Jahren mehr als genug.
Als er sich wieder im Griff hatte, räusperte er sich.
Luc drehte sich zu ihm um und schenkte ihm ein erfreutes Lächeln.
»Lieferservice frei Hause«, verkündete er fröhlich und hielt Luc das Essen hin.
Während sich Luc schon setzte, suchte Milow nach Gläsern, gab dann jedoch resigniert auf.
»Wir können ja aus den Flaschen trinken.«
Milow nickte.
»Stimmt, ich habe nämlich keinen Nerv, nun alle Kartons zu durchsuchen. Bevor ich etwas finde, ist unser Essen kalt.«
Schmunzelnd sank er auf seinen Stuhl.
»Guten Appetit«, sagte Luc, was Milow erwiderte.
Schweigend ließen sie sich ihre wirklich leckere Mahlzeit schmecken. Die kalte Cola tat gut, erfrischte Milow. Sich zurücklehnend sah er Luc dabei zu, wie dieser die letzten Bissen verspeiste.
»Nun bin ich mehr als pappsatt, aber Pizza kann ich doch nicht verkommen lassen. Wenn man mich zwingen würde, mir ein Gericht auszusuchen, das ich bis ans Ende meines Lebens essen müsste, dann wäre es mit Sicherheit diese italienische Spezialität in all ihren Variationen«, meinte er zwinkernd und strich sich wohlig seufzend über den Bauch.
Milow betrachtete den anderen und grinste. Luc war manchmal schon ein Quatschkopf, aber gerade die Tatsache, das er sich selbst nicht zu ernst nahm, machte ihn in Milows Augen sehr sympathisch. Seine Art erinnerte ihn manchmal an Sammy, auch wenn sein bester Freund nie so offen war wie Luc. Dieser ging auf Leute zu, Leute wie ihn, machte es einem leicht, sich mit ihm anzufreunden. Für einen wie ihn, der sich nach all der Zeit schwer tat, Freundschaften einzugehen, war Luc ein Geschenk des Himmels.
»Hat es einen Grund wieso du mich so durchdringend ansiehst?«, fragte Luc schmunzelnd, was Milow auf der Stelle erröten ließ. Er merkte nicht einmal, das er sein Gegenüber anstarrte.
»Ähm...ich...also, ich dachte nur, das ich froh sein kann, dass du anscheinend mit mir befreundet sein willst«, gab er schließlich zu, wollte den anderen nicht anlügen.
»Ich bin auch froh, das wir beide uns so gut verstehen. In einer Stadt wie dieser findet man meist schnell Anschluss, doch selten eine Person, der es wirklich ehrlich mit einem meint und der es wert ist, das man sich näher mit ihr beschäftigt. Viele sind nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Bei dir habe ich ein gutes Gefühl«, sagte Luc und das Lächeln, das er Milow daraufhin schenkte, bescherte diesem ein warmes Gefühl, das sich in seinem Körper ausbreitete.
Den Nachmittag verbrachten sie damit, die restlichen Möbel aufzubauen und die restlichen Kisten auszuräumen.
Als sich Luc von ihm verabschiedete, wirkte seine neue Bleibe schon sehr wohnlich, fühlte sich fast wie ein richtiges Zuhause an.
In den folgenden Tagen verbrachten sie ihre freie Zeit meist zusammen. Luc zeigte ihm interessante Ort in ihrem Viertel, die Milow mit Hilfe des Reiseführers so sicher nie entdeckt hätte.
Da Milow seine Arbeit, die Entwicklung neuer Computerprogramme, von zu Hause aus ausüben konnte, musste er bei der brütenden Hitze, die seit einer Weile über der Stadt lag, die Wohnung nicht verlassen. Ihm tat Luc leid, der jeden Tag seine seine Schicht im Café um die Ecke antreten musste. Zusätzlich hetzte er regelmäßig quer durch die Metropole, um als Model zu arbeiten, was ihm mehr Geld einbrachte als der Kellner Job, jedoch immer variierte und ein festes Einkommen unabdingbar war.
Als er bei Luc in der Wohnung war, sah er dort einige der atemberaubenden Aufnahmen von seinem neuen Freund. In seinen Augen war dieser eine Augenweide und er wunderte sich nicht im Geringsten, das er regelmäßig für Fotoshootings gebucht wurde.
Aufgrund der vielen, zum Teil äußerst erotisch angehauchten Bilder, war es für Milow nicht verwunderlich, dass Luc regelmäßiger Protagonist seiner Träume war.
Dass er sich alles mögliche mit ihm vorstellte, konnte ihm niemand vorwerfen. Er hatte aber nicht vor, sie in die Tat umzusetzen, denn er wollte die Freundschaft, die sich entwickelte, nicht gefährden, dafür tat ihm diese viel zu gut.
So wartete er gegen Abend, so wie jeden Tag in den letzten vier Wochen darauf, das Luc Feierabend machte und sie zusammen essen konnten. Sein Leben ohne ihn konnte sich Milow schon nicht mehr vorstellen.
Die selbstgemachte Tomatensoße köchelte bei schwacher Hitze auf dem Herd vor sich hin, die Spaghetti würde er erst zubereiten, wenn Luc ankam, schließlich sollten sie noch genießbar sein und nicht vollkommen verkocht. Normalerweise trank er kaum Alkohol, doch für heute besorgte er eine Flasche Rotwein, denn er wollte feiern, das sie nun schon vier Wochen befreundet waren und ihre Verbindung zueinander immer stärker wurde.
Immer wieder war in dieser Zeit in Milow der Wunsch aufgekommen, Luc zu küssen, sich an ihn zu schmiegen und das nicht nur dann, wenn sie auf der Couch faulenzten und sich dabei einen Film ansahen. Doch die Angst davor, wie er reagieren könnte, versetzte ihm und seinen Wünschen jedes Mal eine eiskalte Dusche. Am Ende saß er wieder alleine da und das wollte Milow unter keinen Umständen riskieren. Lieber unterdrückte er die wachsenden Gefühle für den anderen, begnügte sich damit, in ihm einen Freund gefunden zu haben, auf den er sich schon nach diesen wenigen Wochen immer verlassen konnte, als wieder zu einem Einsiedler zu werden.
Es klopfte an der Tür.
Mit einem breiten Lächeln im Gesicht, das er nicht verhindern konnte, öffnete er diese und ließ Luc herein.
»Das duftet schon himmlisch. Was hältst du davon, wenn wir das Essen und etwas zu trinken mit hoch aufs Dach nehmen? Es hat etwas abgekühlt und von hier aus sieht man sogar ein wenig auf die Upper Bay. Wie sieht es aus? Bist du dabei?« So enthusiastisch wie Luc den Vorschlag hervor brachte, konnte Milow nur nicken.
Die rasch gekochten Nudeln und die Soße verpackten sie sicher und trugen die Speisen und den Wein in einem Korb nach oben.
Hier war Milow noch nie, jedoch gefiel es ihm auf Anhieb. Überall gab es Sitzgelegenheiten und an einer Seite sogar einen kleinen Garten. Am gemütlichsten jedoch wirkte eine Sitzgruppe, die wie ein Pavillon überdacht war. Auf den gemütlichen Sitzsäcken ließen sie sich nieder.
»Bist du oft hier oben?« Fragend sah er Luc an.
»Ab und zu, meist um nachzudenken. Hier ist es ruhig, nur selten ist hier jemand, obwohl man es so schön herrichtete. Die Leute wissen es nicht zu schätzen.«
»Danke das du es mir gezeigt hast, es ist wirklich schön hier oben und dank der leichten Brise heute sogar richtig angenehm.«
»Ich hätte dich zuvor schon mitgenommen, aber dafür war es viel zu heiß, hier oben hätten wir es nicht ausgehalten.«
»Das verstehe ich, ist auch besser gewesen, zu viel Sonne tut meinen Narben nicht gut.«
Die nun angenehm warmen Spaghetti und die Soße, die Milow wirklich gut gelungen war, verteilten sie aus der mitgebrachten Schüssel auf die Teller und Luc bestreute diese mit einer großzügigen Portion Parmesan. Sein Gegenüber bekam extra viel, da Milow wusste, wie sehr Luc Käse liebte.
»Du kennst mich scheinbar schon viel zu gut«, rief er leise lachend aus.
»Egal was wir bis jetzt aßen, du wolltest immer Käse dazu. Daher war dein Wunsch nicht schwer zu erraten«, erklärte Milow grinsend. »Lass es dir schmecken.«
»Du dir auch.«
Während sie aßen trafen sich immer wieder ihre Blicke, was Milow ein Lächeln entlockte, ihn jedoch gleichzeitig traurig machte. So gut er konnte verbarg er seine Gefühle. Das Glas mit Rotwein hielt er in der Hand, nachdem er mit dem essen fertig war und ließ die rote Flüssigkeit darin kreisen.
Im Moment war ihm Luc so verdammt nahe, der Duft seines Aftershave stieg Milow in die Nase.
»Hast du was?«, fragte ihn der andere unvermittelt, was Milow dazu brachte aufzusehen.
»Nein, es ist alles okay. Wieso fragst du?«
»Ich weiß auch nicht, in den letzten Tagen bist du immer wieder so merkwürdig still. Du weißt doch, dass du mit mir über alles reden kannst, oder?«
»Ja, dessen bin ich mir bewusst. Aber es ist nichts. Manchmal, wenn mir viel durch den Kopf geht, ziehe ich mich in mich selbst zurück.«
»Okay, ich glaube dir. Du bist mir wichtig, Milow.«
»Du mir auch. Es ist ein gutes Gefühl, endlich wieder jemanden neben meiner Familie zu haben, dem ich etwas bedeute.«
Über den Rand seines Glases betrachtete ihn Luc, seine dunklen, leicht schräg gestellten Augen waren förmlich auf ihn geheftet.
»Oh ja, du bedeutest mir etwas. Viel mehr als ich je für möglich hielt.« Er setzte sich mehr auf, sein Blick löste sich jedoch nicht von Milow. »Keine Ahnung ob ich gleich eine Grenze überschreite und unsere Freundschaft in den Sand setze, aber ich muss dich das fragen. Gefalle ich dir nicht?«
Milow, der gerade trank, verschluckte sich, hustete und verschüttete dabei den Wein auf sein helles T-Shirt.
»Was? Ich...du, natürlich gefällst du mir,...«, begann er, brach dann aber einfach ab.
»Aber es ist wohl nicht so intensiv wie bei mir. Entschuldige, das ich davon angefangen habe, vergiss es bitte«, sagte er leise und starrte in sein Glas, das er nun so fest umklammert hielt, das seine Knöchel weiß hervortraten.
Nervös zupfte Milow an seinem nassen T-Shirt, zog es dann aus, weil er dieses feuchte Gefühl auf der Haut nicht mochte. Seine Narben vergaß er vollkommen, sie traten in den Hintergrund. Viel wichtiger war, das Luc ihm scheinbar gerade sagte, das er ihm gefiel, also so richtig, denn nur so ergab Lucs momentanes Verhalten einen Sinn.
»Doch, Luc, ich mag dich, sehr sogar.«
Der andere sah ihn nun stirnrunzelnd an.
»Warum bist du dann nie auf meine Annäherungsversuche eingegangen? Ich dachte die ganze Zeit über, das du mich nicht anziehend finden würdest.«
Errötend lachte Milow auf, seine Ohren glühten so sehr, als würden sie gleich in Flammen aufgehen.
»Luc, ich habe mir in meiner ersten Nacht hier bei der Vorstellung einen runtergeholt, das du derjenige bist, der mich berührt. Ist das eindeutig genug?« Selbst für ihn hörte sich seine Stimme so rau an wie ein Reibeisen.
Nun überzog ein sanfter Rotton auch Lucs Wangen.
»Wirklich? Du bist nie auf etwas eingegangen, deshalb ließ ich es sein.«
»Ja wirklich. Ich wusste nicht, ob es Versuche waren, mir näher zu kommen oder nur deine Art, mit deinen Freunden umzugehen. Hätte ich es falsch interpretiert und du hättest nur nett sein wollen, dann wärst du wahrscheinlich abgehauen. Dann wäre ich wieder allein gewesen.« Er senkte den Blick, sah auf seine Hände. »Schon zu viele sind aus meinem Leben verschwunden, bei dir hätte ich es nicht auch noch ertragen. Vor allem bin ich nicht gut genug für dich. Luc, du bist wunderschön, ein Model, du könntest doch echt jeden haben. Ich habe die Bilder von dir und deinen Kollegen gesehen, die sind durch die Bank hinweg perfekt, nicht so wie ich.«
Als er sich erheben wollte, griff Luc bestimmt nach Milows Handgelenk und hielt ihn so davon ab.
»Ich verstehe deine Gedanken, die Gründe, wieso du dich zurückgehalten hast. Aber ich bin nicht wie die anderen, die dich hängen ließen, als es schwierig wurde, als du eine Zeit lang nicht mehr so funktioniertest wie sie es von dir erwarteten. Mir bist du wichtig. Ich mag alles an dir.« Langsam hob er die Hand, legte sie ganz bewusst sanft auf Milows Oberarm, direkt auf die vernarbte Haut. »Für mich bist du, genauso wie du jetzt bist, perfekt. Schönheit hat nicht nur etwas mit Makellosigkeit zu tun. Es gibt viel mehr, was für mich zählt. Ein gutes Herz zum Beispiel oder ein wacher Verstand, gehören ebenso dazu. Einen herzlosen oder dummen Menschen möchte ich ungern um mich haben, egal wie perfekt er auch nach außen erscheinen mag. Ja, du hast diese Verletzungen erlitten, doch sie entstellen dich in meinen Augen nicht, sie sind einfach ein Teil von dir wie deine atemberaubenden grünen Augen, deine vollen sinnlichen Lippen.« Zärtlich streichelten die Finger über den Teil von Milow, den dieser am Liebsten vor der ganzen Welt verstecken wollte und verpassten ihm eine wohlige Gänsehaut. Für Luc schien es tatsächlich so zu sein wie er es sagte. Wieso sollte er ihn sonst auf diese Art berühren?
»Du...du bist unglaublich«, stieß Milow atemlos aus und bemerkte erst jetzt, das er die Luft anhielt.
»Das sehe ich nicht so, aber es ist toll zu wissen, dass du mich so siehst.« Luc ließ seine Hand weiterwandern, bis sie schließlich auf seinem Hals zum liegen kam. »Hättest du etwas dagegen, wenn ich dich küssen würde?«
Wie von selbst wanderte Milows Blick bei dieser Frage zu Lucs Lippen, die ihn förmlich dazu einluden, sie zu küssen.
Anstatt zu antworten beugte er sich vor, kam Lucs Mund immer näher. Als sich dieser lasziv darüber leckte, war es für Milow zu viel. Er legte Luc eine Hand in den Nacken, zog ihn zu sich und presste seine Lippen auf ihre Gegenstücke.
»Das nenne ich mal einen Kuss«, brachte Luc schnell atmend hervor und grinste von einem Ohr zum anderen, als sie sich voneinander lösten.
»Ich habe es mir vier Wochen lang vorgestellt, ich musste nun einfach wissen, wie du schmeckst.«
»Und, ist es so, wie du es dir vorgestellt hast?« Mit schief gelegtem Kopf wartete Luc auf eine Antwort.
Milow schüttelte den Kopf.
»Nein, bei weitem nicht, es war viel besser.«
»Dann sollten wir es gleich nochmal tun«, sagte er und schon schmiegten sich Lucs Lippen wieder auf seine. Seine vorwitzige Zunge verlangte bald nach Einlass, den ihr Milow nur zu gern gewährte. Ein leises Stöhnen entkam ihm, als Luc ihn auf diese Weise eroberte. Sein leichter Dreitagebart kratzte über Milows Haut, ließ ihn erschaudern.
Wenn das alles nur ein Traum war, dann wollte er daraus niemals wieder aufwachen. Das hier war, was er sich ersehnte, seitdem er hierher zog und Luc kennenlernte.
Selig lächelnd lehnte er sich später an den Mann vor sich, als sie den Kuss beendeten. Lucs Arme legten sich um ihn und zum ersten Mal seit dem Unfall berührte ihn jemand auf diese Weise und es machte ihm nichts aus, er schämte sich nicht für die Brandnarben, denn dieser unglaubliche Typ machte ihm klar, das es keinen Grund gab, sich deshalb zu verbergen. Zumindest vor ihm gelang es Milow und das fühlte sich gut an.
Noch lange kuschelten sie miteinander auf dem Dach, genossen es, beieinander zu sein.
Als es dann dunkel wurde, verzogen sie sich wieder in Milows Wohnung und landeten am Ende in dessen Bett. Obwohl sie beide, wegen der immer noch vorherrschenden Wärme, nur ihre Boxershorts trugen, passierte außer zaghaften, sanften Streicheln und süßen Küssen nichts. Für mehr blieb ihnen ja noch Zeit, sie wollten nichts überstürzen.
In den folgenden Tagen und Wochen bewies ihm Luc, das er das, was er oben auf der Dachterrasse sagte, auch tatsächlich so meinte, das er in seinen Augen schön war, das er immer mehr für Milow empfand.
Ende August, die Temperaturen waren mittlerweile auf ein erträgliches Maß gesunken, bereitete Milow alles dafür vor, Luc zu überraschen. Für ihn fühlte es sich schon eine Weile so an, als wären sie zusammen, deshalb wollte er ihn während des Abendessens fragen, ob er sein fester Freund sein wollte. Heute war ein besonderer Tag, denn Luc wurde 25 Jahre alt.
Deshalb deckte Milow den Tisch so festlich wie möglich und stellte den von ihm selbstgebackenen Kuchen dazu. Auf Lucs Kuchenteller legte er ein kleines Geschenk, in dem sich ein breites silbernes Armband befand, das dem anderen beim letzten Stadtbummel, den sie unternahmen, so gut gefiel. In die Innenseite ließ er die chinesischen Schriftzeichen für Ich liebe dich eingravieren. Es war das erste Mal, dass er es ihm gegenüber so klar ausdrückte, war gerade in den ersten Wochen noch zu unsicher, zu verletzlich, konnte es nicht sagen, nur um dann doch noch enttäuscht zu werden. Doch nun wollte er, das Luc wusste, was er fühlte.
Die Minuten bis zum klopfen an der Tür zogen sich unnatürlich in die Länge, immer wieder wanderte sein Blick zur Uhr an der Wand. Als er das ersehnte Geräusch dann vernahm, erschrak er so, das er fast aus der Haut fuhr.
Leise über sich selbst lachend trat er zur Tür, öffnete diese und zog Luc, bevor dieser überhaupt etwas sagen konnte, an sich und küsste ihn stürmisch.
»Ich habe dich auch vermisst«, raunte der andere an Milows Lippen, als sie sich lösten, um Luft zu holen.
»Noch einmal alles gute zum Geburtstag«, erwiderte er lächelnd, nahm seine Hand, schloss die Tür und führte Luc zum Tisch.
»Du bist so süß. Danke, Milow, das ist perfekt«, sagte er bewegt, als er den liebevoll gedeckten Tisch wahrnahm.
»Es ist doch dein Ehrentag, da wollte ich etwas besonderes für dich machen. Setz dich, ich schneide den Kuchen an.«
Milow nahm das große Messer aus dem Messerblock und machte sich ans Werk.
Lächelnd sah Luc ihm dabei zu und griff dann nach dem Päckchen.
»Darf ich?«, fragte er leise.
»Natürlich, ist ja dein Geschenk.«
Während Luc das Band und das Papier vorsichtig löste, verteilte Milow den Kuchen auf die Teller und sah dann gebannt zu, wie sein Gegenüber die Box öffnete.
Unsicher biss er sich auf die Unterlippe.
Luc betrachtete das Schmuckstück gerührt, sah dann die Gravur und hob den Blick.
»Ich liebe dich auch, Milow.« Strahlend griff er über den Tisch hinweg nach Milows Hand und nahm sie fest in seine. »Mein Süßer, ich genieße die Zeit mit dir so sehr, das ich mir im Augenblick nicht vorstellen kann, wieder ohne dich zu sein. Ich wäre gerne mit dir zusammen, so richtig.«
Milow erwiderte den Druck der Hand, die seine hielt.
»Das wäre ich auch sehr gerne, wünsche es mir schon einige Zeit, aber wusste nicht, ob es dafür noch zu früh war. Heute während des Abendessens wollte ich dich dasselbe fragen wie du mich eben.«
Innerhalb von Sekunden begriff Luc, was Milow sagte, riss ihn förmlich in seine Arme und küsste ihn leidenschaftlich.
Dem Kuchen widmeten sie sich etwas später, da sie sich schwer taten, sich wieder voneinander zu lösen. Nun waren es nicht die Außentemperaturen, die sie heiß machten.
Hätte man Milow vor einigen Monaten gesagt, das er hier diesen wundervollen Mann kennenlernen würde, er sich verliebte und sie nun ein Paar sein würden, er hätte es nicht geglaubt. Zu sehr versteifte er sich darauf, wegen der Narben nicht mehr begehrenswert zu sein. Luc zeigte ihm jedoch immerzu, auf die unterschiedlichsten Arten, das das nicht stimmte, dass er ihn begehrte und ihn wollte, ganz genauso wie er war.
Kaum zu glauben, was ein Sommer in der Stadt so alles hervorbringen konnte. Milow freute sich schon auf das, was in Zukunft noch auf sie zukommen würde.
Texte: © Ann Salomon
Bildmaterialien: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 18.07.2020
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