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Prinzenkuss

Die Sonne ging gerade über dem Silvama-See auf, als Lilas sich auf einem großen Stein am Ufer niederließ und seine Tasche neben sich stellte.

Die hohen Berggipfel auf der anderen Seite spiegelten sich im klaren Wasser.

Tief atmete er die noch so angenehm kalte Luft des Morgens tief ein.

Nur am Sonntag entkam er den ihn so einengenden Mauern der Burg, in der er seit seiner Kindheit lebte.

Seine Eltern gaben ihn dort ab, kamen mit seinen Fähigkeiten, die immer stärker wurden, nicht klar. Die Leute, die dort lebten, waren wie er, besaßen Kräfte, vor denen sich viele Menschen fürchteten, die aber auch diejenigen auf den Plan riefen, die sie für sich nutzen und missbrauchen wollten.

Aus diesem Grund hielten sie sich alle nur selten draußen auf, blieben eher unter sich. Doch genau das war Lilas nicht mehr genug. Er wollte mehr erleben, neue Freunde oder sogar die große Liebe finden.

Diese regelmäßigen Ausflüge zum größten See in ihrer Provinz gaben ihm zumindest die Möglichkeit, am Leben von Wesen Anteil zu nehmen, die nicht Teil seines engeren Kreises waren.

Seit einer Weile schon sehnte er sich nach jemandem, der ihn um seinetwillen mochte und nicht, weil er mächtig war und er so von nutzen war. Das Sehnen in seiner Seele wurde von Tag zu Tag stärker, ließ ihn an manchen Tagen kaum zur Ruhe kommen.

Ein abgrundtiefes Seufzen entkam ihm, während sein Blick über die glatte Wasseroberfläche glitt.

Nur ein paar Enten und Insekten leisteten ihm um diese Uhrzeit Gesellschaft.
Später würde es hier von Menschen wimmeln, die ihren freien Tag an diesem friedlichen Platz verbrachten, picknickten und im kühlen Nass schwammen.

Unter denen, die Woche für Woche hierher kamen, fand er sicher nie den Einen. Würde ihm einer von ihnen gefallen, würde sich dieser sicher vor ihm fürchten oder ihn und seine Gaben ausbeuten wollen.

Innerhalb der Burg gab es auch niemanden, mit dem er sich auf diese Art verbunden fühlte, sie waren für ihn gute Freunde, fast wie Brüder, ersetzen ihm bis zu einem gewissen Maße die Familie, die er noch immer vermisste.

In den Büchern ihrer großen Bibliothek las er viel über die Liebe, was sie mit einem machte. All das und noch viel mehr wollte er spüren, was aber wohl ein Wunschtraum bleiben würde.

Zumindest könnte er sich, wenn er wollte, mit Männern vergnügen. In diesem Reich war die Liebe in all ihren Formen akzeptiert, gehörte für jeden ganz selbstverständlich dazu.

Hinter dem großen Gebirge lag ein weiteres Königreich und dort war alles anders. Nur die Beziehung zwischen Mann und Frau galt als schicklich. Die Schriften aus Tywan berichteten von schrecklichen Verbrechen an Männern wie ihm, die meisten landeten für den Frevel, als Mann einen anderen Mann zu lieben, auf dem Scheiterhaufen, die Glücklicheren, wenn man sie so nennen wollte, fristeten ihr Dasein im Kerker. Gehörte man dann auch noch zu den von den Göttern gesegneten, so wie Lilas, waren sie noch grausamer, tödlicher, wollten verhindern, das sie Zeit fanden, ihren Zorn gegen ihre Mörder zu richteten.

Lilas war zwar einer der Begabtesten, wusste, wie er seine Kraft einsetzen konnte, um sich und ander zu beschützen, doch er verabscheute das töten, würde es nur als letzten Ausweg tun. Aus diesem Grund war er froh, dass seine Heimat ihm nicht solche Steine in den Weg legte.

Nachdenklich streifte er die Schuhe von den Füßen, stellte sie neben den Stein und watete ins flache Wasser des Ufers. Die Kälte ließ ihn zusammenzucken, doch schnell gewöhnte sich sein Körper daran. Der See erhitzte sich auch im Sommer nicht wirklich, blieb immer erfrischend, worüber er sehr dankbar war, da diese Monate immer sehr heiß wurden, oft kaum zu ertragen.

Er bewegte seine Zehen im sandigen Untergrund, genoss, wie es sich anfühlte.

Langsam wanderte die Sonne höher, gewann mit jeder Minute an Kraft, schon jetzt spürte er die wärmenden Strahlen der glühenden Himmelsscheibe auf seiner Haut.

Bald würde er eine Runde schwimmen, doch dafür sollte es noch etwas angenehmer werden.

Die Augen geschlossen ließ er die Energien, die alles um ihn herum durchdrangen, auf sich wirken. Ihr alter Meister, der sie unterrichtete, erklärte ihnen, das sie, wenn sie sich für die Energiewellen öffneten, ihren Körper und so auch ihre Fähigkeiten stärken konnten.

Die, die Magie wirkten, waren mit dem Land, allen Lebewesen und Pflanzen, auf gewisse Weise verbunden. Nur wenige von ihnen waren böse, da das allem widersprach, an was sie glaubten und wussten. Ihre Taten blieben nie ungesühnt, es fiel alles auf sie zurück. Damit zu leben musste schrecklich sein und Lilas würde niemals diesen Weg einschlagen.

Im nun warmen Sand ließ er sich nieder, beobachtete wie die Wasseroberfläche vom Wind bewegt wurde, so das die kleinen Wellen, die an Land schwappten, etwas größer wurden.

Dank der Sonne öffneten sich die Blüten aller Blumen und Bäume im Umkreis, verströmten einen unvergleichlichen Geruch, von dem Lilas nie genug bekam.

Langsam knöpfte er sein Hemd und die Hose auf, legte alles ordentlich zusammen auf einen erhöhten Felsen, damit sie trocken blieben.

Nur mit seiner Unterhose bekleidet lief er nun soweit in den See, so dass das Wasser ihm bis zur Hüfte ging, ließ sich nach hinten fallen und tauchte unter. Die Kälte war mittlerweile erträglich.

Gemütlich schwamm er eine Weile, ehe er das feuchte Nass wieder verließ und sich im Gras niederließ.

Schnell war sein Körper trocken. Das Sonnebad tat Lilas gut, entspannte ihn.

Er musste wohl eingenickt sein, denn das laute wiehern eines Pferdes ließ ihn hochschrecken.

Alarmiert blickte er sich um und sah dann auch das Tier.

Sein Reiter stieg gerade von ihm ab, klopfte dem edlen Hengst sanft gegen den Hals. Ruhig, ohne Anstalten zu machen wegzulaufen, begann dieser zu grasen.

Der blonde Mann, dem er gehörte, wirkte auf Lilas wie ein edler Herr, wie seine Kleidung ihm verriet. Auch er selbst trug keine Lumpen, jedoch war seine nicht so hochwertig wie dessen. An seinem Gürtel war, soweit er dies erkennen konnte, eine sehr hochwertige Schwertscheide befestigt, in der sich eine Waffe befand, die mit Sicherheit von einem der besten Schmiede des Landes gefertigt worden war.

Der Fremde kam ihm nicht bekannt vor, eigentlich sollte er deshalb auf der Hut sein, doch das war nicht der Fall.

So interessiert wie er sich umsah, war dies sein erster Besuch an diesem See, jedoch schien er jemanden zu suchen.

Noch war Lilas der Einzige, der sich hier aufhielt, weshalb seine Suche wohl erfolglos bliebe.

Schulterzuckend wandte er sich ab, machte es sich wieder bequem und blickte hoch zum blauen Himmel, über den nur vereinzelte kleine Wölkchen hinweg zogen, obwohl er schon früh lernte, einem Unbekannten nie den Rücken zuzukehren, da man dies sehr schnell bereuen konnte. Diesen Gedanken drängte Lilas beiseite, der Mann wirkte nicht gefährlich auf ihn.

Einige Minuten lag er so da, hörte dann Schritte. Die Lider nur halb geöffnet sah er hoch und dort stand der Mann, betrachtete ihn mit einem Lächeln.

Dieser Anblick jagte ihm heißkalte Schauer durch den Körper.

Sein blondes Haar fiel ihm in sanften Locken bis in den Nacken, die eng anliegende Bekleidung zeigte Lilas, wie durchtrainiert der Kerl war. Jedoch waren es die überirdisch erscheinenden strahlend blau-grauen Augen und die vollen Lippen, die es ihm unmöglich machten, den Blick abzuwenden.

Nach Luft japsend atmete Lilas ein. Warum hielt er den Atem an?

Der andere schien zu merken, das er ihn aus dem Konzept brachte und ein süßes Grinsen erschien in seinem Gesicht.

»Hallo. Kann ich mich etwas zu dir setzen? Ich bin seit Tagen unterwegs und da war Gesellschaft Mangelware.«

Obwohl ihn diese Frage verwirrte und er nicht wusste, wie er reagieren sollte, nickte er und setzte sich auf.

»Natürlich, setz dich nur«, erwiderte er, nahm das du von seinem Gegenüber auf.

»Danke.« Ohne sich Gedanken um seine edle Hose zu machen, setzte er sich in Lilas Nähe im Schneidersitz ins Gras. »Mein Name ist Isca«, teilte er ihm mit, lächelte noch immer.

»Lilas, ich heißte Lilas.«

Die Nähe des anderen Mannes machte ihn nervös, den Grund kannte er nicht. Normalerweise war er nie um ein Wort verlegen, wenn ihm jemand gefiel. Und das Isca ihm gefiel, das würde wohl jeder sehen.

»Schön dich kennen zu lernen.« Als Lilas schwieg, räusperte sich Isca. »Dieser Ort ist wundervoll. So friedlich und doch spürt man die Kraft, die diesem Ort innewohnt.«

Stirnrunzelnd sah er Isca an. Es war selten, das ein Mensch die Energien spüren konnte, für die meisten war es Humbug und selbst, wenn sie etwas wahrnahmen, taten sie es als unmöglich ab, wollten mit nichts in Verbindung gebracht werden, was auch nur entfernt nach Magie aussah.

»Das ist er, ich bin regelmäßig hier«, sagte er und wunderte sich darüber, wie redselig er auf einmal war. Menschen gegenüber hielt man sich besser zurück, erfuhren sie zu viel, verwendeten sie es gegen einen.

»Ich komme nicht oft raus, daher ist mir diese Schönheit dieses Sees bis jetzt entgangen.« Obwohl er die Natur um sie herum meinte, sah Isca ihn direkt an, die wunderschönen Augen bohrten sich in Lilas, ließen sein Herz schneller schlagen, da er sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, das der andere über ihn und sonst nichts sprach.

Unwirsch schüttelte er den Kopf über sich selbst. Als ob einer, der ihn nicht kannte und der wie es aussah zum Adel oder zumindest zur oberen Schicht gehörte, hier auftauchen würde, um ihm schöne Augen zu machen.

Ob das ein Trick war? Gehörte Isca zu denen, die Leute wie ihn mit Stumpf und Stiel ausrotten wollten, sie deswegen in die Falle lockten und ihrem Dasein ein Ende setzten? Auf ihn wirkte er nicht bedrohlich, doch man konnte nie wissen. Er sollte auf der Hut bleiben.

Während er noch grübelte, begann Isca, sein Hemd aufzuknöpfen. Dann stand er auf und streifte seine Beinkleider ab.

»Leistest du mir Gesellschaft?«, fragte er fröhlich, lachte leise auf und rannte dann ins Wasser.

Der Anblick dieses erwachsenen Mannes, der sich amüsierte wie ein kleines Kind, entlockte Lilas ein Lächeln.

Womöglich gab es wirklich nicht viele Möglichkeiten für Isca, die Natur auf diese Weise zu genießen und dieser war nun einfach dankbar, das er hier nicht alleine war.

Etwas unsicher erhob er sich und lief langsam zum Ufer. Der andere stand mittlerweile bis zur Mitte der Oberschenkel im Wasser. Seine Unterwäsche klebte an ihm, zeigte Lilas deutlich, was der attraktive Kerl sonst unter den teuren Stoffen verbarg.

Lilas musste schwer schlucken und den Blick abwenden, denn nach und nach begann sich bei ihm etwas zu regen, sein Schwanz zuckte. Um sich nicht vollkommen lächerlich zu machen, begab er sich ebenfalls ins Wasser, bis dieses seine beginnende Erektion vor Iscas Blick verbarg.

Wieso brachte er Lilas nur so aus der Fassung? Als habe er noch nie einen gutaussehenden, gut trainierten, nackten Mann gesehen. Verflucht, sie kannten sich noch keine Stunde. Irgendetwas stimmte mit Lilas ganz und gar nicht.

Sollte er besser verschwinden?

Sehnsüchtig sah er zu seinen Sachen, die immer noch auf dem Stein lagen. Seine innere Stimme drängte ihn zur Flucht, doch eine neue Stimme, eine die nicht wollte, das er sich auch nur einen Zentimeter von Isca weg bewegte, hielt ihn zurück.

Der, der ihn gerade wahnsinnig machte, kam langsam, Schritt für Schritt, auf ihn zu, hob die Hand und legte sie Lilas auf seine Brust, strich sanft darüber.

Das konnte nicht real sein, wahrscheinlich war er eingeschlafen und träumte noch immer.

Die zarten Finger zeichneten jeden seiner Muskeln nach, verpasste Lilas damit eine Gänsehaut vom Feinsten. Ein leises Stöhnen entrang sich seiner Kehle.

»Wieso...tust du das?«, brachte er gepresst hervor, verfluchte sich selbst dafür, die aufgeladene Stimmung zwischen ihnen zunichte zu machen, doch wenn er nun nicht handelte, würde er sich bald mit Isca im Gras wälzen und Dinge tun, die nur für die heimischen vier Wände bestimmt waren und nicht für die Augen derer, die noch auftauchten und den Tag hier verbringen würden.

»Gefällt es dir nicht?« Fast schon schüchtern sah ihn sein Gegenüber an, nahm die Hand weg. Sofort vermisste er die Berührungen.

»Nein...ich meine doch, es gefällt mir. Aber ich...wir...wir kennen uns doch gar nicht. Ich könnte ein Gewalttäter sein, ebenso wie du. Du gefällst mir, sehr sogar, doch ich frage mich, wieso das so ist. Normalerweise bin ich nicht so forsch, lasse mich nicht so intim berühren, wenn ich denjenigen nicht kenne.«

Isca senkte den Blick.

»Es tut mir leid...ich habe dich nur schon so lange gesucht, da konnte ich mich nicht zurückhalten«, gab er zu. Verwundert über diese Aussage verengte Lilas die Augen.

»Wie meinst du das, du hast mich gesucht? Wir haben uns noch nie gesehen.«

Isca verzog das Gesicht, wirkte nun traurig.

»Wenn ich dir sage, was ich damit ausdrücken will, wirst du sicherlich verschwinden. Meine Großmutter wurde mit einer seherischen Gabe geboren, war eine der von den Göttern Gesegneten, die ihre Fähigkeit an mich weitervererbte. Seit einem Jahr träume ich immer wieder von dir, wollte dich suchen, doch mein Vater ließ es nicht zu, es sei zu gefährlich für mich, allein durchs Land zu streifen. Doch vor einigen Tagen hielt ich es nicht mehr aus, musste dich endlich finden. Deshalb bin ich jetzt hier. Lilas, du bist mein Seelenverwandter, wir gehören zusammen, die Götter selbst bestimmten es. Aus diesem Grund fühlen wir uns auch so voneinander angezogen. Du spürst es doch auch, oder nicht?«

Ihm klappte die Kinnlade herunter. Von verwandten Seelen las er, wünschte sich, das ihm eine solche Verbindung bestimmt sei, doch er rechnete nie und nimmer damit, das es eintreffen könnte. Doch das wäre eine Erklärung für das, was mit ihm gerade geschah, wieso er sich mit einem Mann verbunden fühlte, den er kaum kannte.

Unglaublich, da wusste ein Mensch besser Bescheid als er. Na ja, er war genau genommen kein reiner Mensch, sondern wie er selbst.

Scheinbar deutete Isca sein erneutes Schweigen falsch, straffte sich und machte sich daran, an ihm vorbei Richtung Ufer zu gehen.

Das würde Lilas jedoch nicht zulassen. Beherzt griff er nach Iscas Handgelenk, hielt ihn fest, bis sich der andere zu ihm umdrehte.

»Ja, ich spüre etwas, das ich so noch nie zuvor fühlte.« Tief durchatmend hob er seine frei Hand, legte sie an die Wange des anderen. »Für mich gibt es keine Veranlassung zu gehen, vor allem nicht aus diesem Grund. Ich bin ein Gesegneter, Isca, so wie du. Meine Macht ist groß. Leider fürchte ich, dass deine Familie sich für dich jemand anderen wünscht, nicht einen wie mich.«

Isca legte seine Hand auf Lilas Brust, direkt auf die Stelle, unter der sein Herz gerade heftig schlug. Jede Berührung schien das Feuer in ihm noch mehr zu entfachen.

»Wir gehören zusammen, Lilas, sie werden diese Tatsache akzeptieren müssen. Nun, da ich dich endlich gefunden habe, werde ich dich nicht mehr gehen lassen.«

Seine Augen huschten hin und her, als er sich zu Lilas beugte und ihn hauchzart küsste.

Der Moment, in dem seine Lippen sich auf Lilas legten, explodierte in dessen Körper ein Feuerwerk, es war so gut wie noch nie zuvor. Das hier mit Isca fühlte sich richtig an und er wusste, das er um ihn, um das was aus ihnen werden konnte, kämpfen würde.

Gefühlte Stunden küssten sie sich, alles um sie herum wurde unwichtig. Als es ihnen im stehen zu unbequem wurde, legten sie sich ins Gras, nur um sich dort weiter zu küssen.

Dieser Tag entwickelte sich zum besten Sonntag seines Lebens.

Das laute wiehern des Hengstes holte sie in die Wirklichkeit zurück.

Als sie die Köpfe hoben sahen sie, das sich zwei Fremde dem Tier näherten. Ihre Kleidung war robust, wirkte abgetragen und schmutzig. In ihren Händen hielten sie lange Messer.

Sofort waren Isca und er auf den Beinen, traten den beiden Gaunern entgegen.

»Verschwindet!«, rief Isca aus, wirkte wütend. »Weg mit euch, sonst lernt ihr mich kennen.«

Ihre Gegner schienen keine Angst vor Isca zu haben, der nun nach seinem Schwert griff, das im Gras lag.

Gehässig lachten die Kerle auf.

»Junge, leg es lieber weg, ehe du dir wehtust«, rief einer von ihnen amüsiert aus.

Sie wandten sich nun Isca und ihm direkt zu, hielten die blutbefleckten Waffen vor sich, wirkten, als wären sie zu allem bereit.

Lilas Wut wuchs immer mehr an, wurde so intensiv, wie er sie noch nie zuvor spürte. Wie konnten diese Männer es wagen, sie zu bedrohen.

Seine Hände kribbelten, die kraftvollen Energien in ihm sammelten sich in seinen Handflächen. Wenn sie nicht bald aufgaben, würden sie es bitter bereuen.

Einer der Angreifer trat entschlossen nach vorne, ließ das Messer gekonnt kreisen. Isca hieb mit dem Schwert nach ihm, verfehlte ihn jedoch, da er zurück sprang.

Nun bewegten sich beide, konzentrierten sich hauptsächlich auf Isca, der nicht zurückwich. Mutig führte er einen Angriff nach dem anderen aus, bis der eine einen Gegenschlag an täuschte, sich jedoch fallen ließ und schnell von unten nach Isca ausholte. Was für ein Feigling!

Schmerzhaft stöhnte dieser auf, als das Messer ihm eine lange Schnittwunde am Arm zufügte. Nun rastete etwas in Lilas ein.

Niemand bedrohte seinen Mann, denn das war er, auch wenn sich sich gerade erst fanden. Niemals würde er zulassen, dass ihm jemand dieses neu gefundene Glück raubte.

Langsam hob er die Hände, er spürte, wie seine Gabe in ihm arbeitete, sich seine ganze Kraft in seinen Händen konzentrierte. In seinen Ohren rauschte es. Er musste handeln, die Wut kanalisieren, beschützen, was sein war.

Mit einem Schrei ließ er die Welle frei, die die beiden Kerle traf, sie zu Boden riss, wo sie leblos liegen blieben. Schwer atmend taumelte Lilas einen Augenblick, musste sich sammeln.

Sofort war er bei Isca, der sich die stark blutende Wunde hielt. Lilas besah sich die Verletzung.

»Warte, ich bin sofort zurück«, raunte er ihm zu. Im Augenwinkel bemerkte er, das mehrere Menschen sie beobachteten, doch das war ihm egal, nun zählte nur, das er Isca half.

Bei seiner Kleidung stand auch seine Umhängetasche, in der er immer einige Dinge für den Notfall mitnahm, man konnte schließlich nie wissen, was einen erwartete. Diese Umsicht brachte ihm ihr Meister bei, worüber er nun sehr dankbar war. Nur aus diesem Grund konnte er Isca helfen.

Mit diesen Utensilien lief er, so schnell er konnte, zurück.

Isca verlor viel Blut, war ziemlich blass um die Nase und wankte selbst im sitzen.

Sanft nahm er Iscas Hand von der Wunde und machte sich daran, alles zu säubern und die Blutung zu stoppen. Am Ende gab er eine Tinktur in den Schnitt, die die Heilung fördern und Entzündungen verhindern würde.

Gerade als er alles verband, hörte er das Geräusch von vielen Hufen, die hart auf dem Weg, der hierher führte, aufkamen. Keine Minute später waren sie von dutzenden schwer bewaffneten Männern umgeben. Einer sprang behände von seinem Pferd und zerrte Lilas grob von Isca weg. Sie alle trugen ein großes goldenes Emblem auf der Brust, das sie als persönliche Kämpfer des Königs kennzeichnete.

Was wollten sie von Isca und ihm? Wobei sie den anderen, wie er bemerkte, zuvorkommend behandelten, ihm halfen.

»Bringt ihn zu mir!«, rief eine tiefe Männerstimme.

Dem Befehl wurde sofort Folge geleistet. Energisch zwang man ihn in die Knie.

»Nein...lasst ihn!«, rief Isca, löste sich von den Wachen um ihn und trat schwankend neben Lilas, zog ihn mühsam auf die Füße. Seine gesunde Hand griff nach Lilas, drückte sie fest.

»Bist du nun vollkommen des Wahnsinns? Jemand der den Prinzen verletzt ist des Todes!«

Die Worte sickerten sehr langsam in seinen Verstand. Prinz? Von wem redete der Mann nur? Irgendwie kam ihm dieser so vertraut vor, auch wenn er ihn noch nie zuvor sah.

Der König! Verdammt, vor ihm, auf einem schwarzen Hengst, saß der Herrscher dieses Landes. Überall, im ganzen Reich, hingen seine Porträt. Und Isca war sein Sohn.

Oh je, das konnte niemals ein gutes Ende nehmen. Sie würden ihn töten und wenn er nichts zum Königsmörder werden wollte, konnte er sich nicht einmal gegen ihn und die Krieger, die ihn begleiteten wehren. Der Tod des Königs durch die Hand eines Gesegneten würde sie alle zu Freiwild machen. Und Isca würde ihn sicher hassen. Beides konnte er nicht riskieren.

»Da hast du Recht, Vater, so ist das Gesetz. Aber er war es nicht. Diese beiden dort, die griffen uns an und verletzten mich. Er war es, der mich rettete. Er ist mein Seelenverwandter, Vater, nur er kann mich glücklich machen. Du weißt, das ich meinem Schicksal nicht entgehen kann.«

Misstrauisch musterte der König ihn.

»Wie will er das bewerkstelligt haben? Ich sehe keine Wunden an ihnen und er ist unbewaffnet«, fragt er stirnrunzelnd, ignorierte scheinbar Iscas Erklärung.

»Ich bin ein Gesegneter. Diese beiden wollten Isca töten, das konnte ich nicht zulassen«, erklärte Lilas. »Deshalb handelte ich, würde es immer wieder tun.«

Iscas fester Griff gab ihm Kraft und den Mut, sich dem König selbstsicher zu zeigen, auch wenn er das nicht wirklich war.

Die Männer um sie zogen scharf die Luft ein, begannen zu tuscheln.

»Nicht genug, das du wegen einem einfachen Mann dein Leben riskiert hast, nein, es muss auch noch ein Gesegneter sein. Ich frage mich, wieso Mutters Sehergabe nicht noch eine Generation überspringen konnte?«

»Weil die Götter wissen, wann sie handeln müssen. Sie wussten, das ich ohne Lilas niemals zu dem zukünftigen König werden kann, den das Volk verdient. Mit ihm an meiner Seite kann ich alles meistern, er wird mich niemals im Stich lassen«, rief Isca im Brustton der Überzeugung aus.

Lächelnd sah er den anderen an.

»Ich hätte wissen müssen, das du sturer Esel am Ende deinen Willen durchsetzen würdest, egal auf welche Weise und egal was ich mir für dich auch wünschte.« Nun stieg der König vom Pferd, kam zu ihnen und betrachtete Lilas eingehend. »Wie es aussieht bist du mein Schwiegersohn. Willkommen in der Familie. Wenn ich es mir recht überlege, könnte er es nicht besser treffen. Du besitzt scheinbar eine große Macht, du wirst ihn immer beschützen können, was mir als Vater am wichtigsten ist.«

»Ich...ich danke euch«, brachte er erleichtert hervor. Er sah, das Isca schwankte. Bevor er fallen konnte, fing er ihn auf. »Isca braucht etwas zu trinken und Ruhe, er hat viel Blut verloren.« Nun galt seine ganze Aufmerksamkeit Isca.

Eine der Wachen trat vor, neigte vor Lilas respektvoll den Kopf, der erst jetzt begriff, das er nun zur königlichen Familie gehörte.

»Lasst ihn mich tragen«, bat er und widerwillig nickte Lilas. Der Mann war kräftiger als er.

Nachdem er sich ankleidete und Iscas Sachen holte, trat er wieder zu der Gruppe, die auf ihn wartete.

Einer der Krieger zog Lilas, nachdem er zusah, wie der Mann mit Isca aufstieg, hinter sich aufs Pferd.

Nach einem Abstecher zur Burg, während dem er den anderen erklärte, was geschehen war, wo er ab nun leben würde und nebenbei seine wenigen Habseligkeiten zusammenpackte, ritten sie weiter.

Nach einem Tag Rast in einer Herberge, erreichten sie die Hauptstadt und kurz darauf das Schloss selbst. Der Prunk überwältigte Lilas, so etwas sah er noch nie.

Von Iscas Mutter und seiner Schwester wurde er warmherzig empfangen. Sie schienen sich ehrlich darüber zu freuen, das ihr Sohn beziehungsweise ihr Bruder den für ihn bestimmten Mann fand.

Nach einem reichlichen Essen ließen sie ihn zu Isca, der schlafend in seinem Bett lag. Mittlerweile war er nicht mehr so blaß und erholte sich auch sonst gut. Der Heilkundige war beeindruckt von dem, was Lilas tat, um Isca zu helfen. Nicht die kleinste Entzündung war aufgetreten.

Er setzte sich auf die Bettkante, nahm die Hand des Mannes in seine und streichelte liebevoll über dessen Handrücken.

Endlich, nach einer ganzen Weile, hob Isca die Lider, sah Lilas an und ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

»Hey... .«

»Hey... . Wie geht es dir heute?«

»Viel besser, vor allem weil du hier bist, bei mir.« Mit mehr Kraft als er ihm in diesem Zustand zutraute, zog er Lilas zu sich und küsste ihn innig.

Grinsend löste sich von Isca.

»Ist es immer so überwältigend, wenn man einen Prinzen küsst?«

»Ich weiß es nicht, ich habe bis jetzt noch nie einen anderen Prinzen geküsst, aber man sagt mir nach, das ich ein außergewöhnlich guter Küsser sein soll«, antwortete er zwinkernd, ehe er leise lachte.

Lilas legte sich zu Isca auf die Bettdecke und kuschelte sich an ihn.

»Das kann ich nur bestätigen, dich werde ich wohl auf ewig küssen wollen.«

»Na, das will ich aber auch hoffen. Du wirst mein Prinzgemahl. Und wenn ich einmal König werde, bist du bei mir, als Königsgemahl an meiner Seite. Wir werden ein unglaubliches Leben haben, daran glaube ich fest. Wir beide können großes erreichen, das Leben aller in diesem Reich verbessern.«

»Das werden wir. Weißt du, was auch unglaublich ist?«

»Nein, was ist es?«

»Ich hätte nie erwartet, das sich an einem gewöhnlichen Sonntag am See mein ganzes Leben zum besseren verändern würde.« Schmunzelnd sah er Isca an. »Bekomme ich noch einen dieser süßen Prinzenküsse?«

»So viele du auch immer möchtest«, erwiderte der Prinz, sein Prinz, lächelnd.

»Das ist gut, denn ich kann unersättlich sein.«

Lachend umschlang ihn sein Liebster, legte seine Lippen sanft auf Lilas und so versanken sie in einen Kuss, denn er bald überall spürte.

Oh man, wie er sich auf das freute, was noch kam. Endlich fand er das Glück, das er sich so sehr wünschte.

Isca würde ihn immer lieben, ebenso wie er ihn, das stand unverrückbar fest.

Impressum

Texte: © Ann Salomon
Bildmaterialien: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 13.05.2020

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