Traurig, wütend und enttäuscht, das alles war Robert in diesem Moment.
Die wärmende Sonne um ihn konnte nicht bis in sein Innerstes vordringen, während er in gebührendem Abstand dem Mann folgte, den er schon am kommenden Freitag heiraten würde. Na, vielleicht gab es nach diesem Sonntag keine Hochzeit mehr, die man feiern konnte.
Seit fünf Jahren waren Noa und er schon ein Paar, seit einem Jahr verlobt.
Lange wartete Robert ab, ehe er seinem Freund die wichtigste aller Fragen stellte, wollte nichts überstürzen.
Die Beziehung, die ihrer voran ging, endete unschön. Robert erwischte seinen Partner, wie dieser seinem besten Freund das Hirn raus vögelte, in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer.
Nach und nach erfuhr er, dass das schon fast zwei Jahre lang lief, also die gesamte Zeit, die sie zusammen waren. Alles, was ihm sein Ex erzählte, waren Lügen.
Und nun schien es, als sei er wieder an jemanden geraten, der es nicht ehrlich mit ihm meinte.
Seit Wochen fand Noa Ausreden, um an den Wochenenden alleine etwas zu unternehmen. Zu Beginn dachte Robert sich nichts dabei, schließlich besaßen sie beide einen großen Freundeskreis und keiner wollte den anderen zu sehr einengen, jeder brauchte zwischendurch auch seinen Freiraum.
Doch es war nicht nur das, er telefonierte heimlich, beendete Gespräche, wenn Robert den Raum betrat. Und nun musste er feststellen, das Noa ihn ganz bewusst belog, ganze Nachmittage mit jemandem verbrachte, den er Robert verheimlichte.
Deshalb war er ihm gefolgt.
Normalerweise gehörte er nicht zu den Männern, die so unsicher waren und ihre Partner stalken mussten, jedoch wusste sich Robert keinen Rat mehr, schließlich stand bald ihr großer Tag an und er würde niemandem das Ja-Wort geben, der es mit anderen trieb. Offene Beziehungen in all ihren Formen mochten für andere funktionieren, doch nicht für ihn. Er wollte seinen Partner nicht teilen.
Ob er den anderen und Noa gleich auf frischer Tat erwischen würde? Er verzog das Gesicht, sein Herz fühlte sich an, als würde es jemand in seiner Brust zerquetschen.
Dieses Mal würde er es nicht so einfach wegstecken können. Sein Vertrauen in die Liebe war auf ein kaum existentes Maß gesunken.
So starke Gefühle wie für Noa verspürte er nie zuvor. Mit ihm wollte er bis ans Ende ihrer Tage glücklich sein, vielleicht sogar eine Familie gründen. All diese Träume lösten sich, während er das Ufer entlang ging, auf, glitten ihm wie feinster Sand durch die Finger.
Um ihn herum hörte er Kinderlachen, Hunde bellten, Menschen amüsierten sich in größeren und kleineren Gruppen, genossen diesen angenehmen Sommertag.
Als Vorbereitung auf das Unvermeidliche zog er schon jetzt eine Mauer um sein Herz hoch, obwohl er wusste, das es nichts nützen würde, dieser Verrat würde ihm es ihm brechen.
Wieso konnte der andere nicht ehrlich sein? Warum zog er es mit ihm durch, wenn er sich scheinbar doch nach etwas anderem sehnte? Oder war es der Kick, etwas verbotenes zu tun?
War es womöglich das Geld, das Robert als leitender Angestellter mit nach Hause brachte, auf das Noa nicht verzichten wollte? Bis jetzt dachte er immer, das dem Jüngeren materielle Dinge nicht wichtig waren, aber man konnte niemandem in den Kopf schauen, man sah nur das, was einen das Gegenüber sehen lassen wollte.
Die Fröhlichkeit der anderen um ihn herum stand in krassem Gegensatz zu seiner eigenen Traurigkeit, war für ihn wie blanker Hohn. Womöglich endete heute etwas, das Robert für unzerstörbar hielt, würde ihn zerbrochen zurücklassen, doch davon konnten sie alle nichts ahnen.
Seufzend erinnerte er sich an den Tag, an dem Noa in sein Leben gerauscht war, im wahrsten Sinne des Wortes. Er und ein Freund waren mit Inlinern unterwegs. Noa überschätzte sich, wurde, als er einen Hügel herunter fuhr, immer schneller. Auf dem Split, der auf dem Boden verteilt war, verlor er vollkommen die Kontrolle und stürzte. Direkt in Roberts Arme. Zusammen landeten sie im weichen Gras. Die weit aufgerissenen braunen Augen waren das erste, das Robert von seinem Gegenüber bewusst wahrnahm. Sie schlugen ihn sofort in seinen Bann.
Noa war es sichtlich peinlich, ihn so umgerissen zu haben und ließ sich nicht davon abbringen, ihn daraufhin zum Essen einzuladen. Selbstverständlich sagte Robert zu. Noa entsprach mit seinen dunklen, fast schwarzen Locken, den braunen Augen, seinem durchtrainierten aber nicht übertrieben gestählten Körper und dem breiten, gewinnenden Lächeln genau seinem Typ.
Während des Essens wurde Robert klar, das der jüngere Mann nicht nur wunderschön, sondern auch intelligent war, wusste was er im Leben erreichen wollte. Sie teilten einige grundlegende Überzeugungen.
Aus dem einen Treffen entwickelte sich mit den Wochen immer mehr. Noa ließ es, ebenso wie er, langsam angehen. Für seinen Freund war es die erste richtige Beziehung, da wollte er alles richtig machen. So wuchs das Vertrauen zueinander, von Tag zu Tag verliebte er sich mehr und mehr. Bis Noa es ihm sagte, wartete Robert, wollte nicht wieder enttäuscht werden.
Als sie gemeinsam ein Wochenende in den Bergen verbrachten, alleine auf einer abgelegenen Hütte, lagen sie unterm Sternenhimmel auf einer Wolldecke zusammen. Noa beugte sich über ihn, sah ihn eine kleine Ewigkeit nur an.
»Ich liebe dich«, sagte er leise, fast so, als würde ein zu laut ausgesprochenes Wort die romantische Stimmung zerstören.
»Ich liebe dich auch«, erwiderte er ebenso leise, konnte es nicht zurückhalten, denn es war das, was er fühlte.
An die Küsse von damals erinnerte er sich auch heute noch gern zurück. Sein ganzer Körper entflammte. Unter freiem Himmel liebten sie sich. Robert fühlte sich frei und Noa gleichzeitig so verdammt nah. Bei seinem Partner spürte er zum ersten Mal, was es hieß, wahrlich zu lieben. Auch jetzt noch spürte er das Kribbeln im Bauch, wenn er Noa auch nur ansah, Robert mit diesem süßen Lächeln bedachte, das nur allein für ihn bestimmt war.
Mit hängenden Schultern blieb er stehen, fühlte sich so elend. Sein Blick glitt über den See. Zu gern wäre er weggelaufen, wollte nichts mehr sehen oder hören, doch er musste wissen, woran er war.
Bevor er heute Morgen das Haus verließ, packte er eine kleine Tasche, nur das Nötigste für die nächsten Tage, denn es schien ihm unmöglich, mit Noa unter einem Dach zu leben, wenn sich das, was er so fürchtete, bestätigen sollte.
Diese nahm er mit, als er vor gut einer Stunde das Haus verließ, um Noa zu folgen. Sie lag im Kofferraum seines Wagens.
Er schüttelte über sich selbst den Kopf. Es war sein Haus, in dem sie lebten, normalerweise sollte er Noa vor die Tür setzen, doch das brachte er nicht übers Herz, denn auch wenn sein Verlobter ihn anscheinend nicht mehr liebte, er tat es, bedingungslos. Nie könnte er so herzlos sein und ihn auf die Straße setzen. Noas Eltern würden ihn nicht aufnehmen, andere Familienmitglieder gab es nicht. Seit Noa mit ihm zusammen war, brachen seine Erzeuger mit ihm, konnten es nicht ertragen, einen schwulen Sohn zu haben, der auch noch mit jemandem zusammen war, der zehn Jahre älter war als er selbst.
Sie würden nicht zur Hochzeit kommen, obwohl Noa sie einlud. Auf die Einladung erhielt sein Verlobter nur einen kurzen Brief, in dem sein Vater schrieb, das er mit Sicherheit nicht an einer dermaßen lächerlichen Veranstaltung teilnehmen würde. Es sei eine Schande, das Schwule überhaupt heiraten dürften. Sie hätten nun kein Kind mehr.
So enttäuscht er gerade auch wegen Noa war, er konnte ihm nicht den Boden unter den Füßen wegziehen.
Seine Stimmung sank immer mehr, als er über die Wiese lief, auf die Hütte zu, in der Noa zuvor verschwand. Die Sekunden wurden zu Stunden, Robert war, als käme er nicht von der Stelle. Das unvermeidliche geschah und er stand vor der Tür, wollte eigentlich nicht hineingehen, wusste sich aber keinen anderen Rat. Den Atem anhaltend lauschte er, ob er von drinnen eindeutige Geräusche vernahm.
»Gut das er noch immer nichts gemerkt hat. Ich habe keine Lust, ihn anzulügen. Komm, lass uns anfangen«, hörte er Noa, der fröhlich klang. Es versetzte Robert einen Stich ins Herz. Noa wirkte nicht so, als habe er ein schlechtes Gewissen.
»Gern Süßer, ich muss heute schon früher los, Daniel wartet auf mich.« Die Stimme des anderen erkannte Robert nicht, fand es nur erschreckend, das dieser offenbar ebenso kaltblütig wie Noa seinen Partner betrog.
Nach einigen Augenblicken, in denen er nichts vernahm, erklang Musik.
Als er es erkannte, zerbrach etwas in Robert. Mussten sie sich ausgerechnet zu Noas und seinem Lieblingssong lieben?
Die Tränen nur mühsam zurückhaltend griff er nach der Türklinke, drückte sie nach unten und öffnete leise die Tür.
Dort stand Noa, in inniger Umarmung mit einem ihm fremden Kerl.
Lächelnd griff dieser nun nach der Hand seines Tanzpartners, begann sich mit ihm gemeinsam zur Musik zu bewegen. Nein, es waren nicht nur Bewegungen, sondern eine einstudierte Schrittfolge, die er selbst kannte, da er früher gern und oft tanzen ging. Dieses Hobby gab er auf, denn sein Verlobter konnte nicht tanzen, hielt sich für zu unbegabt, um es zu lernen.
Scheinbar lag das aber nur an Robert, denn mit diesem Typen schien ihm das alles sehr viel Freude zu machen.
Beide bemerkten ihn nicht, waren zu vertieft in das was sie taten.
Als das Lied zu Ende war, beugte sich Noa vor und hauchte dem anderen ein Küsschen auf die Wange.
Das war zu viel. Aufschluchzend machte er auf dem Absatz kehrt, lief so schnell er konnte über die Wiese in Richtung des Schilf, brauchte einen Ort, an dem er sich für einen Moment verstecken konnte, um sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
Dort sank er auf den Boden und ließ seinen Tränen freien Lauf.
Alles, was ihm wichtig war, entglitt ihm. Zumindest bemerkte er es, bevor sie verheiratet waren. Mit jemandem zusammen zu sein, der ihn so hinterging, wäre die Hölle und würde unweigerlich dazu führen, das es ihm immer schlechter ging.
Am Besten er blieb alleine, suchte sich jemanden, mit dem er ab und zu, wenn er Druck verspürte, unverbindlichen Sex haben konnte.
Die plötzliche Berührung einer Hand an seiner Schulter riss ihn aus seinen wild kreisenden Gedanken. Dort, vor ihm, stand Noa, mit weit aufgerissenen Augen und blickte schuldbewusst drein.
»Robert, was machst du hier?«, fragte er atemlos, war wohl bis zu ihm gerannt.
Ernsthaft?! Noa fragte ihn allen ernstes was er hier wollte.
»Ich habe mich davon...überzeugt, dass das, was ich vermutete, tatsächlich...wahr ist. Ich habe euch gesehen. Seit Wochen bist du...so komisch...ich wollte es nicht wahrhaben. Doch es ist so. Gut, das ich es...vor...vor der Hochzeit...herausgefunden habe. Wie könnte ich...jemanden heiraten, der mich...betrügt?«, warf er Noa an den Kopf, rappelte sich auf, sah den Mann, denn er trotz allem immer noch liebte, todunglücklich an und wandte sich dann zum gehen. »Ich ziehe...ins Hotel...bis du etwas gefunden hast.«
Er bemühte sich darum, sich zu beruhigen, wollte nicht jedem hier zeigen, wie sehr ihn das alles traf, doch es tat einfach zu weh. Normalerweise war er stark, zeigte seine sensible Seite in diesem Ausmaß nur äußerst selten, doch das alles war gerade zu viel für ihn.
Noa griff nach seinem Unterarm, hielt ihn fest. Seine Hand auf seiner Haut fühlte sich an als würde er verbrennen. Deshalb riss er sich los, wollte weiter, musste hier weg.
»Bleib stehen! Bitte. Robert, lass mich erklären. Es ist nicht so wie du denkst. Der Mann, mit dem du mich gesehen hast, ist ein Arbeitskollege, der seit seiner Kindheit tanzt. Er hat sich bereit erklärt, mir Unterricht zu geben. Ich wollte dich doch überraschen. Dir ist der erste Tanz so wichtig und es sollte nicht nur ein zusammenstehen und sich ein wenig hin und her bewegen sein. Seit Wochen treffe ich mich mit ihm und ob du es glaubst oder nicht, er hat selbst mir, mit meinen zwei linken Füßen, etwas beibringen können. Mit Alex läuft nichts, er ist seinem Mann Daniel zu hundert Prozent treu, so wie ich dir. Du musst mir glauben, Robert, bitte, ich liebe dich so sehr und würde dir nie wehtun. Das du mich heiraten wirst ist das Beste, was mir je passierte. Wieso sollte ich nach einem anderen Mann suchen, wenn ich meinen Traummann schon an meiner Seite habe?«
Zuerst versuchte er sich loszureißen, doch dann hörte er zu.
»Ist das wahr?«, brachte Robert leise hervor, klammerte sich an diesen kleinen Hoffnungsschimmer, der in seinem Herzen aufkeimte.
»Ja, alles was ich eben sagte entspricht der Wahrheit. Du kannst Alex fragen und auch Daniel, er weiß, das sein Ehemann und ich uns regelmäßig treffen. Mit dir bin ich so unendlich glücklich, glaub mir, das würde ich nie aufs Spiel setzen. Betrug ist unverzeihlich. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass meine Gefühle für dich verschwinden, dann würde ich mit dir darüber offen und ehrlich reden und versuchen, es wieder hinzubekommen. Bevor ich fremdgehen würde, würde ich eher Schluss machen. Das wäre auch für beide hart, aber fairer als hinter dem Rücken von jemandem Sex zu haben.«
Die ganze Zeit, während er sprach sah Noa ihn unverwandt an. Obwohl er noch immer Angst verspürte, sich zu täuschen, wollte er seinem Schatz glauben.
Unschlüssig stand er vor Noa, der einen Schritt auf ihn zumachte und ihn in seine Arme zog. Robert schmiegte sich eng an den Körper des anderen, brachte die Nähe. Dieser ganze Tag war zu aufwühlend für ihn, die Anspannung fiel von ihm ab und er schluchzte leise. Lange standen sie so beisammen, Noa streichelte sanft über Roberts Rücken.
Als er sich schließlich von seinem Zukünftigen löste, sah er diesen ernst an.
»Können wir mit diesem Alex reden, ich will nicht, das er denkt, ich sei vollkommen hysterisch?«
Mit einem sanften Grinsen nickte Noa.
Hand in Hand liefen sie zurück. Der Arbeitskollege von Noa saß vor der Hütte im Gras und sah ihnen entgegen.
»Gut, du hast ihn noch erwischt. Hi, ich bin Alex. Keine Sorge, ich habe Noa nur tanzen beigebracht, mehr lief nicht zwischen uns. Versteh mich nicht falsch, er ist ein Sahneschnittchen, aber ich bin glücklich vergeben und selbst, wenn ich das nicht wäre, ich mache mich an vergebene Männer nicht ran. Er liebt dich ohnehin viel zu sehr, um dir untreu zu werden. Für andere Männer ist er blind«, sagte Alex frei heraus und grinste Robert breit an.
Roberts Arm legte sich um Noa, hielt ihn dicht bei sich.
»Hallo, ich bin Robert. Freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin normalerweise nicht eifersüchtig, aber jetzt, so kurz vor der Hochzeit, da passiert so viel und als ich merkte, das Noa mir etwas verheimlicht, da gingen alle Warnzeichen in meinem Kopf an und ich konnte irgendwie nur noch daran denken was sein könnte, obwohl ich es ihm eigentlich nicht zutraute.«
»Kein Ding, es zeigt doch nur, wie viel dir Noa bedeutet. Meinen Mann kann sonst kaum etwas aus der Ruhe bringen, doch die Woche vor unserer Trauung war er zu nichts zu gebrauchen«, erklärte er leise lachend. »Er war ein emotionales Wrack.«
Noa schmiegte sich an ihn, sein ihm so eigener Duft stieg Robert in die Nase. Genau hier, an seine Seite, gehörte er. Robert würde sich bemühen, nie wieder an seiner Liebe zu zweifeln.
»Es ist ja auch eine emotionale Zeit. Früher dachte ich nie, das ich einmal heiraten würde und nun, da es bald soweit ist, macht es mir schon fast Angst. Es ist eine große Verpflichtung.« Seine Hand legte sich behutsam in Noas Nacken, strich zärtlich über die weiche Haut. »Man übernimmt Verantwortung für den Menschen, den man am meisten liebt.«
Mit einem glücklichen Lächeln drehte sich Noa ganz zu ihm, reckte sich etwas, da er ein Stück kleiner war als Robert, um ihn zu küssen. Als Noas Lippen die seinen berührten seufzte dieser genießend auf.
»Ich möchte euch Turteltauben nicht unterbrechen, aber ich muss dann los, Daniel wartet auf mich«, sagte Alex und erhob sich. »Für Freitag wünsche ich euch alles gute. Bis dann, wir sehen uns.« Kurz umarmte er Noa, schüttelte Robert die Hand und war dann auch schon in der Menge verschwunden, die nun die Wiese bevölkerte.
»Lass uns etwas spazieren gehen. Ich hole nur schnell meinen Rucksack aus der Hütte.«
Schnell war Noa wieder bei ihm.
Händchenhaltend liefen sie den Weg am See entlang. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel, heizte alles um sie herum auf.
»Es tut mir leid, das ich dachte, du würdest mich betrügen«, brachte Robert etwas später leise und zerknirscht hervor. »Ich hätte dir vertrauen müssen. Du gabst mir nie einen Grund, an deiner Liebe zu mir zu zweifeln.«
Noa blieb stehen, sah ihn direkt an.
»Mach dir deswegen keinen Kopf, mein Schatz. Du hast überreagiert, weil du mich so sehr liebst. Das schmeichelt mir. In Zukunft hoffe ich aber, das du, wenn etwas ist, direkt zu mir kommst und mit mir darüber sprichst, denn vorhin, als du das mit dem ausziehen und all dem sagtest, bekam ich echt Angst, das ich dich verloren haben könnte.«
Roberts Hand legte sich an Noas Wange.
»Das schwöre ich dir, ich möchte das, was wir haben, nicht gefährden.«
Eine Weile schlenderten Händchenhaltend sie weiter am See entlang, ließen sich dann an einer ruhigen, etwas verborgenen Stelle auf einem Holzsteg nieder.
»Wollen wir eine Runde schwimmen?« Noa sah ihn fragend an.
»Wir haben keine Badesachen dabei und nacktbaden ist hier nicht erlaubt«, antwortete Robert ihm grinsend.
»Wir haben doch Boxershorts an. Das reicht doch, außer uns ist hier ja keiner, der uns sehen könnte.« Schon war er aufgestanden und zog sich bis auf das eben erwähnte Kleidungsstück aus. Diesen Anblick genießend sah er seinem Verlobten zu.
Mit einem Schrei sprang dieser vom Steg ins Wasser.
Nachdem er wieder auftauchte, sah er zu Robert.
»Komm schon! Sei kein Feigling!«, rief er ihm zu, versuchte ihn aus dem Wasser heraus nass zu spritzen.
Leise lachend schüttelte Robert den Kopf, stand dann aber doch auf und zog sich bis auf die Unterwäsche aus.
Bald befand er sich bei seinem Liebsten, zog ihn an sich und küsste ihn kurz, tauchte ihn dann jedoch unter.
Lachend stürzte sich Noa, als er wieder auftauchte, auf ihn und es entbrannte eine regelrechte Wasserschlacht.
So ausgelassen waren sie lange nicht.
Auf den von der Sonne erwärmten Steg legten sie sich, um zu trocknen, was dank der Hitze innerhalb kürzester Zeit geschah.
Noas Kopf lag auf Roberts Bauch. Gedankenverloren kraulte dieser ihm durchs Haar.
»Ich kann es gar nicht mehr abwarten bis endlich Freitag ist«, gestand Noa, drehte den Kopf so, das er Robert ansehen konnte. »Dann sind wir endlich Ehemann und Ehemann, eine richtige Familie.«
In Noas Augen konnte er die Traurigkeit sehen, die immer dann aufflammte, wenn er daran dachte, das kaum einer seiner Verwandten zur Hochzeit kommen würde. Nur eine seiner Tanten und deren teilweise schon erwachsenen Kinder würden teilnehmen.
»Es tut mir so leid, dass deine Eltern nicht kommen werden.«
»Schon gut, ich habe es akzeptiert. Sie halten an ihren verbohrten Vorstellungen fest, sind nicht bereit, auf mich zuzugehen. Es tut weh, das sie so sind, aber ganz ehrlich, ich brauche sie nicht mehr. Mein Leben soll schön sein, mit dir und irgendwann vielleicht sogar einem Kind. Negativität soll nicht Teil unseres Alltags werden und das wäre der Fall, wenn ich zulassen würde, dass sie sich einmischen. Ich habe dich, die Liebe meines Lebens und unsere Freunde. Manchmal ist die Familie, die man sich selbst aussucht stärker und bedeutender als es die leibliche je sein kann.«
»Wir werden glücklich sein, soviel steht fest. Und ich werde immer dafür sorgen, dass du weißt, wie sehr ich dich liebe.« Robert beugte sich nach vorn, um Noas Lippen zu erreichen und küsste seinen Liebsten innig, legte all seine Liebe für diesen Mann in den Kuss.
Die Sonne wanderte über den Himmel, während sie es sich an einem etwas schattigen Plätzchen auf dem Steg bequem machten.
Sie redeten so lange über all das, was sie bewegte, das die Sonne, als sie wieder aufsahen, am Horizont unterzugehen begann.
»Oh sieh mal, wie wunderschön«, rief Noa aus, kuschelte sich noch etwas mehr an Robert.
»Es ist wirklich atemberaubend«, erwiderte dieser leise, hielt seinen Verlobten fest bei sich. Zusammen genossen sie das Naturschauspiel, bis die rotglühende Scheibe ganz verschwunden war.
Nur langsam begaben sie sich zurück zu ihren Wagen. Bevor sie beide jeweils in ihr Auto stiegen, küssten sie sich leidenschaftlich, was sie für Robert wie ein Versprechen auf mehr anfühlte.
»Wenn wir zuhause sind, werde ich dich in unser Bett tragen und dann ausgiebig dafür entschädigen, das ich heute so neben mir stand«, raunte er nah an Noas Lippen.
»Darauf freue ich mich schon. Komm, lass uns fahren. Je früher wir hier wegkommen, desto schneller haben wir Zeit für uns.« Sanft glitten Noas Finger durch Roberts Haar. »Aber fahr vorsichtig, mein Schatz. Lieber warte ich auf dich, als das etwas passiert.«
Noa war immer wieder um ihn besorgt, was Robert gefiel, denn es zeigte ihm, was er seinem Mann bedeutete.
»Mach dir keine Sorgen, ich fahre ganz normal. Ja, ich bin scharf auf dich und kann es nicht erwarten, mich mit dir in den Laken zu wälzen, aber ich werde nichts riskieren, denn das würde bedeuten, dich nie wieder zu sehen und dieser Gedanke ist so erschreckend, das ich eine Gänsehaut der unangenehmen Art bekomme. Ich liebe dich und das will ich noch sehr sehr lange tun.«
»Ich liebe dich auch, für immer«, flüsterte Noa, kuschelte sich noch einmal an ihn, ehe er seinen Wagen aufschloss und einstieg. Robert sah ihm nach, wie er vom Parkplatz fuhr, das Lächeln auf seinen Lippen wollte nicht verschwinden.
Glücklich stieg er in sein Auto und machte sich ebenfalls auf den Weg nach Hause.
Robert ging es im Moment richtig gut, seine Ängste waren verschwunden, das Glück, das er in seinem Herzen verspürte, durchströmte seinen ganzen Leib.
Mit Noa an seiner Seite würde er alles schaffen, denn nur er machte ihn auf diese Weise vollständig.
Zuhause angekommen erwartete ihn Noa und führte ihn in ihr gemeinsames Schlafzimmer.
Schon auf dem Weg dorthin begannen sie sich zu küssen und sich unter stetigem Streicheln auszuziehen. Doch diese fast keuschen Berührungen wurden bald zu mehr, waren nur der Auftakt einer sehr befriedigenden Nacht. Mit ihm würde Roberts Leben niemals langweilig werden.
Texte: © Ann Salomon
Bildmaterialien: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 10.08.2020
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