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Love is love is love

Seine Finger zitterten, als er die letzten Knöpfe seines Hemdes schloss.

Nun fehlte nur noch die Anzugjacke, dann wäre sein Outfit komplett.

Schief lächelnd betrachtete Rasmus sein Spiegelbild.

Den Moment, wenn er Jonne später zum ersten Mal sah, im Anzug und umgeben von all ihren Lieben, konnte er kaum erwarten.

So lange schien es für sie unmöglich, einander das Ja-Wort zu geben.

Für ihre Beziehung mussten sie kämpfen, so viele legten ihnen Steine in den Weg. Allen voran ihre eigenen Familien.

Seine Gedanke wanderten in der Zeit zurück.

Jonne und er waren schon als kleine Kinder unzertrennlich.

Ihre Eltern waren befreundet, bevor sie überhaupt geboren wurden. Rasmus und Jonnes Väter kamen vor vielen Jahren aus Finnland nach Deutschland um zu arbeiten und verliebten sich, blieben, heirateten und gründeten Familien.

So wohnten sie in derselben Straße, ihre Söhne gingen in den gleichen Kindergarten, besuchten die gleiche Schule.

Für Rasmus war Jonne immer wie der Bruder, den er nicht hatte, ihm vertraute er alles an. Wenn es ihm schlecht ging, konnte nur Jonne ihn aufmuntern.

Egal wann man einen von ihnen suchte, man fand sie zusammen vor.

In diesen ersten Jahren fühlte es sich für Rasmus seltsam an, Jonne einmal nicht um sich zu haben, er konnte die Gründe dafür aber noch nicht benennen.

Dann kam die Pubertät und änderte alles, denn er fühlte sich schuldig, von Jonne zu träumen, ihn sich vorzustellen, wenn er sich selbst Lust bereitete, konnte sich jedoch nicht davon abbringen. Für Rasmus war der andere das Schönste, das er je sah.

Die anderen Jungs in der Schule gaben mit all ihren Freundinnen an, Rasmus hingegen blieb ruhig, hielt den Mund, wollte niemandem sagen, das ihn die Mädchen nicht interessierten.

Als er dreizehn wurde rang er sich dazu durch, mit einem der Mädchen, von dem er wusste, dass diese an ihm interessiert war, zu gehen.

Sofia gab ihm seinen ersten Kuss, war die erste, die ihn intim berührte, doch Rasmus empfand nicht das, von dem alle immer erzählten. Da waren keine Schmetterlinge im Bauch oder ein Kribbeln, das den ganzen Körper erfasste, wenn einen die Auserwählte streichelte. Schnell machte sie wieder Schluss mit ihm.

Nun jedoch redete Jonne kein Wort mehr mit ihm, kam ihn nicht mehr besuchen und wollte auch nicht, das er zu ihm kam.

Was war nur los? Wieso wollte er nun von ihm nichts mehr wissen? Gerade zu diesem Zeitpunkt hätte er ihn so sehr gebraucht, musste mit jemandem reden.

Fast eine Woche verging, in der sie nicht miteinander sprachen, selbst in der Schule nicht, obwohl sie nebeneinander saßen.

Freitag ergriff er dann die Gelegenheit und fing Jonne ab, der nach einem Gespräch mit dem Lehrer als letzter das Klassenzimmer verließ.

Am Fahrradständer, der im hinteren Teil des Schulhofes lag, wartete er auf ihn.

»Kannst du mir mal verraten, wieso du dich wie das größte Arschloch benimmst? Was habe ich dir getan?«, fragte er aufgebracht, als er sich ihm in den Weg stellte, seinen Fahrradlenker festhielt.

Mit versteinerter Miene sah ihn der andere an.

»Wieso willst du das wissen? Du hast doch Sofia und all die anderen Weiber, die mit dir gehen wollen. Mich brauchst du da doch nicht mehr.«

»Wieso? Vielleicht weil du mein bester Freund bist, du Idiot? Mit Sofia ist Schluss, das... sie war nicht die Richtige. Bist du etwa eifersüchtig, weil ich mit ihr zusammen war? Willst du sie? Wenn ja, dann kannst du ja jetzt dein Glück versuchen.«

Jonnes Kiefermuskel mahlten, sein ganzer Körper war angespannt.

»Wir waren beste Freunde...das können wir nicht mehr sein. Und nur damit du es weißt, ich will nichts von Sofia.«

Noch heute wusste Rasmus, wie sehr ihn die Aussage traf, das sie keine Freunde mehr seien.

»Wieso? Bitte, erkläre es mir, ich versteh nicht, was plötzlich los ist.« Er war auf ihn zugegangen, stand nun dicht vor ihm.

Jonnes Atem ging schnell, er blinzelte heftig, war scheinbar kurz davor, in Tränen auszubrechen.

»Ach...es ist sowieso egal...«, stieß er hervor, wollte an Rasmus vorbei, doch dieser packte seine Arme, würde seinen besten Freund nicht eher gehen lassen, bis er wusste, was mit ihm los war.

»Du haust jetzt nicht einfach ab. Ich habe eine Erklärung verdient. Verdammt, Jonne, du bist der wichtigste Mensch in meinen Leben und das weißt du auch«, schrie er ihn an.

»Wieso?! Weil ich mich in jemanden verliebt habe, in den ich mich nicht verlieben sollte, es ist falsch. Und...und die Person erwidert meine Gefühle nicht.«

Diese Erklärung verpasste Rasmus einen Schlag in die Magengegend. Jonne war verliebt, nun würde er daneben stehen müssen und ihm zusehen, wie er glücklich wurde.

»Wer ist es? Eine aus unser Klasse?« Seine Frage brachte er gerade noch so heraus.

»Kein Mädchen...«, flüsterte er so leise, dass Rasmus nur mühsam verstand, was der andere sagte.

»Ein Junge?«, fragte er, kam sich dämlich vor, denn mehr Auswahl gab es ja nicht. »Kenne ich ihn?«

Der Knoten in seinem Magen vergrößerte sich, ihm wurde schlecht, als er begriff, das Jonne, sein bester Freund, für den er schon so lange Gefühle hegte, sich in einen anderen Jungen verliebte. Diese Vorstellung war noch schlimmer, als ihn sich mit einem Mädchen vorzustellen.

Jonne nickte, eine Träne rann über seine Wange.

»Du kennst ihn sehr gut.« Er senkte den Blick, schniefte leise. Rasmus sah, wie schwer es seinem Gegenüber fiel, darüber zu sprechen. »Jeden Morgen siehst du ihn im Spiegel«, sagte er, sah nicht auf.

Die Worte sickerten damals nur sehr langsam in seinen Verstand. Wie vom Donner gerührt stand er da, brachte nicht ein Wort über die Lippen, starrte Jonne nur an.

Als er nichts sagte, machte sich sein bester Freund frei, stieg auf sein Fahrrad und war weg, ehe Rasmus reagieren konnte.

Kurz darauf riss er sich zusammen, holte sein eigenes Rad und folgte dem anderen.

Auf halber Strecke holte er ihn in dem kleinen Wäldchen, das die Wohnsiedlung umgab, in der sie lebten, ein.

Jonne stand an der Seite, über seinen Lenker gebeugt und weinte. Ein Weinkrampf schüttelte den ganzen Körper.

Rasmus stieg schnell ab, stieß seinen fahrbaren Untersatz zur Seite und eilte zu Jonne, zog ihn in seine Arme.

Zu Anfang wehrte sich dieser, wollte sich von ihm lösen, doch Rasmus ließ nicht locker. Dann gab er allen Widerstand auf, presste sich an ihn.

»Wieso tröstest du mich? Ich bin doch nicht normal.«

»Weil du mein bester Freund bist. Und weil...weil ich, wenn du nicht normal bist, es auch nicht bin. Denn ich...ich habe mich auch in dich verliebt«, gestand er leise, nah an Jonnes Ohr, so das nur er ihn verstehen konnte.

»Was? Verarscht du mich jetzt?« Mit weit aufgerissenen Augen sah er ihn an.

»Nein, tue ich nicht. Ich träume von dir, immer. Wenn ich mich...na ja, dann muss ich immer an dich denken. Und wenn du nur eine Badehose oder ne Boxershorts anhast, dann kann ich mich kaum auf irgendetwas konzentrieren, weil ich immerzu hinsehen muss«, sagte er und spürte, wie seine Wangen ganz heiß wurden. All diese Dinge sprach er zum ersten Mal laut aus.

Jonnes Lippen zitterten, als er ihn weiter betrachtete. In seinen Augen blitzte Sehnsucht auf.

»Kann ich...ich meine, darf ich...dich küssen?«

Bei diesen Worten flatterten plötzlich hunderte Schmetterlinge in seinem Bauch, so aufgeregt war er. Wie man sprach wusste er nicht mehr, konnte nur nicken.

Zaghaft legte Jonne seine Hände in Rasmus Nacken, kam auf ihn zu und legte schließlich seine Lippen auf ihre Gegenstücke.

Es war nur ein einfacher Kuss, nichts wildes oder unanständiges und doch entflammte Rasmus vollkommen, drückte sich an Jonne, wollte, das sich ihre Münder niemals voneinander lösten.

Ab diesem Nachmittag waren sie zusammen. Jedoch nur heimlich, keiner durfte es wissen.

Der Ort, in dem sie lebten, war nicht unbedingt für sein fortschrittliches denken bekannt, schwul galt auf dem Schulhof als Schimpfwort. Immer wieder wurden Leute verprügelt, weil man dachte, sie seien anders, auch wenn das gar nicht stimmte.

Am meisten sorgten sie sich aber über die Reaktionen ihrer Eltern.

Jeden Sonntag besuchten sie die Kirche, waren in der Kirchengemeinde aktiv und mehr wie einmal mussten Rasmus und Jonne hören, wie der Priester sich über Homosexualität ausließ, sagte, wie schlimm sie sei, unnatürlich, abartig, eine Sünde.

Deshalb behielten sie es für sich.

Fast ein Jahr klappte es gut, doch dann überraschte Jonnes Mutter sie in dessen Zimmer, als sie sich küssten. Normalerweise waren sie immer aufmerksam, doch dieses Mal genossen sie es zu sehr, achteten nicht auf die Geräusche vor der Zimmertür.

Sofort warf sie Rasmus aus dem Haus, rief bei diesem zuhause an und berichtete, was vorgefallen war.

Ab diesem Zeitpunkt verboten sie ihnen den Kontakt außerhalb der Schule, nahmen ihnen ihre Computer und Mobiltelefone weg.

Rasmus Mutter brachte ihn zu einem Psychiater, einem Mitglied derselben Kirche, die auch seine Familie besuchte, der versuchte, ihm einzureden, das er eigentlich hetero sei. Mit jedem Tag verzweifelte er mehr, wollte nichts lieber, als sich in Jonnes Arme flüchten.

Er aß kaum noch etwas, seine Schulnoten wurden immer schlechter. Zu nichts Lust verlor er bald allen Lebensmut.

Auch Jonne litt, konnte aber ebenso wenig wie er etwas gegen seine Eltern tun, sie saßen am längeren Hebel.

Heute wusste Rasmus, dass das, was er dann tat, falsch war, doch zu der Zeit sah er keinen anderen Ausweg mehr, fühlte sich alleine, nicht wert weiterzuleben.

Aus dem Medizinschrank im Badezimmer seiner Eltern nahm er sich eine fast volle Schachtel Schlaftabletten und nahm eine handvoll davon.

An das, was danach geschah, konnte er sich nicht mehr erinnern. Er wachte im Krankenhaus auf, seine Eltern an seinem Bett, beide weinten.

Rasmus war wütend, das er immer noch lebte, in diesem Leben gefangen war, mit Eltern, die ihm niemals zugestehen würden, der zu sein, der er nun mal war. Niemals würde er wirklich glücklich sein dürfen.

Er sprach nicht, verweigerte das Essen, sah die beiden, wenn sie bei ihm waren, nur tieftraurig an.

Irgendetwas musste es in ihnen ausgelöst haben, denn am dritten Tag nachdem er aufwachte, stand plötzlich Jonne in seinem Zimmer.

Überglücklich fielen sie sich in die Arme, wollten einander gar nicht mehr loslassen.

Jonne erzählte ihm, das Rasmus Eltern bei seinen waren und diese sich sehr lange miteinander unterhielten.

Anschließend kamen sie zu ihm und erlaubten ihm, Rasmus zu besuchen, sagten ihm, das alle Verbote aufgehoben wurden.

»Akzeptieren sie es nun?«, fragte er Jonne, sah ihn ungläubig an.

»Na ja, ich würde nicht sagen, das sie es akzeptieren, aber sie haben wohl eingesehen, das es keine Phase ist, das wir wirklich Gefühle füreinander haben. Wir sollen es nicht öffentlich machen, aber Zuhause ist es okay, solange wir nicht vor ihnen herumknutschen. Sie wollen uns wohl nicht verlieren, auch wenn sie es nicht verstehen.«

»Das ist mir erst mal genug. Ich habe dich in den letzten Monaten so sehr vermisst, denn auch wenn wir uns in der Schule sahen, ist es nicht dasselbe, wie davor, als wir den ganzen Tag miteinander verbringen konnten.«

Jonne setzte sich auf das Bett neben ihn, legte die Arme um Rasmus.

»Mach aber nicht noch einmal so einen Mist, ich bin fast gestorben vor Sorge um dich, als ich hörte, das du versucht hast, dir das Leben zu nehmen. Rasmus, ich liebe dich und könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren.«

»Versprochen, ich will nicht, das du dich um mich sorgst.«

Die Jahre bis zum Abitur schafften sie es, ihre Beziehung nicht an die große Glocke zu hängen, wenngleich viele wohl etwas ahnten und sie beide deshalb das Ziel von Mobbing wurden.

Sobald sie konnten, verließen sie ihre Kleinstadt um in einer Großstadt zu studieren.

Anders als bei vielen Paaren, die sich so jung kennenlernten, war es bei ihnen etwas dauerhaftes. Natürlich gab es auf und abs, Streit ließ sich nicht vermeiden, vor allem da sie zusammenlebten.

Das Verhältnis zu ihren Eltern war meist freundlich, hin und wieder angespannt, denn weder Jonne noch er waren bereit, ihr Leben auf Dauer heimlich zu leben.

Viele Leute in ihrer Gemeinde sprachen ihre Eltern darauf an, was sie auf Rasmus und Jonnes Social-Media Seiten sahen.

Als er Jonne vor zwei Jahren einen Heiratsantrag machte, gratulierten sie ihnen, freuten sich aufrichtig für sie.

Das sie heute nun mit ihnen gemeinsam feiern und ihrer Trauung beiwohnen würden, war nichts, das er je erwartete, auch wenn er es sich mehr als alles andere wünschte.

Die vollkommene Ablehnung und der Hass auf das Anderssein ihrer Söhne war dem gewichen, was Eltern für ihre Kinder empfinden sollten, bedingungsloser Liebe.

Dazu trugen sicher auch Rasmus jüngerer Bruder Erik und Jonnes kleine Schwester Aino bei, für die es ganz normal war, das ihre Brüder einander liebten. Mehr wie einmal hörte er, wie ihnen die beiden ins Gewissen redeten.

Heute wusste er, dass ihn seine Familie liebte, das sie ihn glücklich sehen wollten und verstanden, dass er das nur mit Jonne an seiner Seite sein konnte.

Unglaublich, was einige Jahre für Veränderungen mit sich bringen konnten.

Trotz all der Tränen war Rasmus froh, ihnen diese Zeit gegeben und den Kontakt nicht abgebrochen zu haben. So waren an diesem so wichtigen Tag alle anwesend, die ihm etwas bedeuteten. Auch Jonne war dankbar, das seine Eltern ihn nun vollkommen verstanden, hinter ihnen und ihrer Beziehung standen.

Ihre Mütter gründeten sogar eine Jugendgruppe für LGBT Jugendliche der Umgebung, leisteten Aufklärungsarbeit.

Grinsend wandte Rasmus den Kopf, als seine Mutter den Raum betrat. Mittlerweile war er richtig stolz auf sie und den Weg, den sie gegangen war.

»Bist du fertig? Dein Zukünftiger wartet schon ungeduldig auf dich.«

Schnell schlüpfte er in die Anzugjacke, richtete ein letztes Mal seine Frisur.

»Ja, ich bin fertig.« Nervös lachte er auf. »Mir schlägt das Herz bis zum Hals, ich hoffe ich kriege das hin, ohne umzukippen.«

Liebevoll sah sie ihn an, legte eine Hand an seine Wange.

»Aufregung ist ganz normal, mir ging es damals bei deinem Vater ebenso. Denk einfach daran, das ihr danach für immer verbunden seid.«

Er schmiegte seine Wange an ihre Hand.

»Du hast Recht, nach diesem Tag sind wir Ehemann und Ehemann. Unglaublich wie die Welt sich veränderte. Vor einigen Jahren wäre das so noch nicht möglich gewesen.«

»Wir alle lernen dazu. Heute weiß ich, das Liebe keine Unterschiede macht. Wie sagt ihr immer so schön: Love is Love.«

»Ich bin so glücklich, dass ihr und auch Jonnes Eltern hier seid, dass ihr uns unterstützt, uns liebt.«

»So sollten Eltern handeln. Rasmus, es tut mir immer noch so leid, das wir so verbohrt waren, nicht sehen wollten, wie falsch wir lagen. Ich kann nur hoffen, das du uns eines Tages verzeihen kannst.«

Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

»Ich habe euch schon längst verziehen, denn ihr zeigt mir nun, wie sehr ihr euch für Jonne und mich freut.«

Lächelnd zog sie ihn an sich.

»Danke, mein Junge. Und nun komm, bevor Jonne noch denkt, das du ihn versetzt«, stieß sie grinsend hervor.

Gemeinsam gingen sie zu dem prunkvollen Saal der Burg, in der seit jeher Hochzeiten veranstaltet wurden und in dem all ihre Gäste und auch sein Zukünftiger warteten. Anschließend würden sie im angeschlossenen Restaurant feiern und es sich gutgehen lassen. Sie, ihre engsten Freunde und die Familie würde die Nacht in diesem altehrwürdigen Gemäuer verbringen.

Je näher er dem Raum kam, desto heftiger hämmerte sein Herz in seiner Brust.

Jonne stand schon vorne beim Standesbeamten und begann zu strahlen, als er ihn erblickte.

Sein Partner war mit den Jahren immer attraktiver geworden, sah in dem schwarzen Anzug zum Anbeißen aus.

Langsam lief er auf den Beamten und Jonne zu, musste sich zusammenreißen, um nicht einfach kopflos auf ihn zu zustürzen.

So sehr sich genau diesen Augenblick herbei sehnte, nun zog sich sein Magen vor lauter Aufregung und ja, auch Angst, unangenehm zusammen. Er wusste, das es keinen Grund gab, nun in Panik zu verfallen, doch das hielt seinen Verstand trotzdem nicht davon ab, die Gedanken wie Gewehrkugeln durch sein Hirn zu schießen.

Neben Jonne kam er zum stehen und so plötzlich wie die Sorgen kamen, verschwanden sie auch wieder. So wie früher war dieser Mann auch heute noch Rasmus Ruhepol, bei ihm fand er Frieden. Nur wenn er mit ihm zusammen war, fühlte er sich wie zuhause.

Diesen wundervollen Kerl liebte er mehr als alles andere, tat dies schon immer und er konnte sich nicht vorstellen, das es einmal anders sein würde.

Nun sah er auch die Gäste, die auf ihren Stühlen um sie herum Platz nahmen. Die meisten gehörten zu ihren Familien oder waren sehr gute Freunde, aber es gab auch ein paar, die sie noch von früher aus der Kirchengemeinde kannten. Diese Leute hier zu sehen, war verblüffend, doch Jonne und er freuten sich, das sie, ebenso wie ihre Eltern, verstanden, das jemand der schwul oder lesbisch war, nicht unnormal war, das es zum Leben gehörte wie die Heterosexualität. Nur wenn sie das anderen verständlich machen konnten, würde sich auf lange Sicht gesehen etwas verändern.

Sein Liebster griff nun nach seinen Händen, hob eine an und hauchte einen Kuss auf Rasmus Handrücken, was diesen zum strahlen brachte.

Um sie herum erstarben auch die letzten leisen Gespräche, als sie sich auf die beiden Stühle vor dem Tisch des Standesbeamten setzten.

Immer heftiger pochte sein Herz in seiner Brust, fast als wollte es hervorbrechen.

Als habe Jonne gespürt, was in Rasmus vorging, griff er sanft wieder nach seiner Hand, hielt sie mit leichtem Druck in seiner, gab ihm so die Sicherheit, die er brauchte.

Mit einem Blick auf sie begann der Mann vor ihnen zu sprechen, nachdem er sie begrüßte.

»Lieber Jonne, lieber Rasmus, wir feiern heute den für euch größten Tag. Wie ich von euch erfuhr, kennt ihr euch schon euer ganzes Leben, wart immer unzertrennlich. Ihr musstet einander nicht erst finden, sondern wusstet von Beginn an, das es diesen einen besonderen Menschen für euch gab. Um dieses wundervolle Geschenk beneiden euch viele. Ihr zeigt anderen, was es bedeutet wirklich glücklich zu sein. So lebt ihr die Liebe nicht nur, sondern gebt sie weiter, sorgt dafür, das sie immer mehr an Kraft gewinnt. Liebe ist ein Geschenk, das wir immer in Ehren halten sollten. Niemals darf man sie als selbstverständlich hinnehmen, muss sie hegen und pflegen. Bekam man sie einmal, sollte man sie festhalten. Viele erleben nie das Wunder, den oder die Eine kennenzulernen, jemand einmaligen in ihrem Leben zu haben. Wenn man verliebt ist, erscheint es einem, als würde man auf Wolken schweben und könne alles erreichen, was man sich nur wünscht. Aus dieser Verliebtheit erwächst, wenn man sie sorgsam behandelt, etwas noch Schöneres...die Liebe! Niemand, der einmal verliebt war, wird dieses überwältigende Gefühl jemals vergessen. Bis zum heutigen Tag bin ich jedes Mal aufs Neue davon ergriffen, wenn ich die ehrenvolle Aufgabe erhalte, zwei sich liebende Seelen auch vor dem Gesetz miteinander zu verbinden.«

Nun erhob er sich. Sie und alle Anwesenden taten es ihm gleich.

Sie hielten weiterhin die Hand des anderen. Beide zitterten sie, waren nervös, denn nun würde es nicht mehr lange dauern und sie wären verheiratet.

»Ich frage Sie, Herr Jonne Paikkala, ist es ihr freier Wille, mit dem hier anwesenden Rasmus Sikanen die Ehe einzugehen, so antworten Sie mit einem Ja.«

»Ja.«, antwortete Jonne auf die Frage, die der Standesbeamte ihm stellte. Seine Stimme bebte.

»Nun frage ich auch Sie, Herr Rasmus Sikanen, ist es ihr freier Wille, mit dem hier anwesenden Jonne Paikkala die Ehe einzugehen, so antworten Sie mit einem Ja.«

Sein Herz hämmerte wie wild. Nun zählte es.

»Ja.«, brachte er das eine, aber so bedeutende Wort, hervor.

Lächelnd nickte der Beamte vor ihnen.

»Nachdem Sie nun beide meine Fragen übereinstimmend mit einem Ja beantwortet haben, erkläre ich Sie kraft Gesetzes zu rechtmäßig verbundenen Eheleuten. Auf eigenen Wunsch werden die Eheleute noch persönliche Gelübde vortragen, anschließend werden sie dann den Tausch der Ringe durchführen.«

Am Rande bekam Rasmus mit, wie ergriffen viele ihrer Gäste waren. Seine eigene Mutter weinte leise und auch Jonnes war tief bewegt, lehnte schniefend an ihrem Mann. Die beiden Männer waren weniger emotional als ihre Frauen, zeigten jedoch mit einem strahlenden Lächeln, wie sehr sie sich für ihre Söhne freuten.

Auch in den Gesichtern der anderen konnte man erkennen, wie bewegt sie alle waren.

Doch nun, da ihm Jonne direkt in die Augen sah, war nichts anderes mehr wichtig, nur er zählte. Sein Blick war so intensiv, transportierte so viel Gefühl, das es Rasmus fast den Atem nahm.

»Rasmus, du weißt, das ich niemals jemanden mehr geliebt habe als dich, denn du bist und bleibst die Liebe meines Lebens. Ich kann mich nicht daran erinnern, je ohne dich gewesen zu sein, du warst immer in meiner Nähe. Ohne dich leben zu müssen kann und will ich mir nicht vorstellen. Du bist, was ich will. Von Kindesbeinen an wusste ich, das wir zusammengehörten, auch wenn ich damals dafür noch keine Worte hatte, um diese Gefühle zu beschreiben. Auch wenn man uns und unsere Liebe nicht immer verstand und akzeptierte, uns das Leben schwer machte, ich konnte mir deiner Zuneigung immer sicher sein. Mit dir war ich nie alleine, konnte immer auf dich, meinen Fels in der Brandung, zählen. Das Schönste für mich ist, morgens in deinen Armen aufzuwachen und abends darin einzuschlafen. Das erste, das mir in den Sinn kommt, wenn ich die Augen öffne, bist du und du bist mein letzter Gedanke, bevor ich einschlafe. Egal wie schwierig und kompliziert ich manchmal auch sein kann, du bist bei mir, liebst mich uneingeschränkt. Wenn ich lachen möchte, dann tust du es mit mir, wenn mir danach ist, in Tränen auszubrechen, dann bietest du mir eine Schulter zum anlehnen und tröstest mich. Niemals verlangst du von mir, mich zu verstellen, jemand anders zu sein. Bei dir kann ich sein, wie ich bin. Du bist das Beste, was mir je widerfahren ist. Danke, das du mich liebst. Nichts macht mich glücklicher als die Tatsache, das ich ab heute dein Mann sein werde. Rasmus, ich liebe dich so sehr, werde es immer tun.«

In Rasmus Hals saß nach Jonnes Worten ein riesiger Kloß, in seinen Augen sammelten sich Tränen, die er krampfhaft zurückdrängte. Zitternd holte er Luft, schluchzte leise auf. Am liebsten würde er sich nun gern in Jonnes Arme flüchten, sich an ihn pressen, doch noch musste er sich zusammenreiße.

Der andere schien ebenso bewegt zu sein, wischte sich schnell über die Augen.

Tief durchatmend stand Rasmus da, brauchte einen Augenblick, um die Kraft zu finden, nun sein eigenes Gelübde vorzutragen.

»Jonne, du bist meine große Liebe, das warst du immer und wirst es bis in alle Ewigkeit sein. Viele konnten nicht verstehen, das ich immer wusste, das du der Eine für mich bist, das ich niemand anderen kennenlernen wollte, denn den, dem mein Herz gehörte, gab es ja schon in meinem Leben. Wenn es so etwas wie Seelenverwandte gibt, dann bin ich mir sehr sicher, das du der meine bist, das unsere Liebe etwas vorherbestimmtes ist. Durch dich weiß ich, das es die wahre Liebe tatsächlich gibt. Wenn du bei mir bist, dann ist jeder Tag voll Sonnenschein, egal was auch geschehen mag. Man machte es uns nicht immer leicht und manchmal traf ich die falschen Entscheidungen, tat etwas Dummes, doch du bist bei mir geblieben, hast mir gezeigt, das es immer einen Weg gibt, auch wenn man diesen oft nicht gleich erkennen kann. Das ich heute hier mit dir stehen kann, macht mich zum glücklichsten Menschen auf der Welt. Seit so vielen Jahren zeigst du mir jeden Tag, durch kleine Gesten, liebevolle Worte oder auch nur einen verliebten Blick, was du für mich empfindest. Mir kamen niemals Zweifel an deinen Gefühlen für mich, denn bei dir, in deinen Armen, fühle ich mich immer, als wäre ich etwas Besonderes für dich. Jonne, ohne dich kann ich nicht leben. Ich kann ja nicht einmal alleine, ohne dich einschlafen, nur mit dir in meinen Armen fühle ich mich vollständig und kann zur Ruhe kommen. Du bist und bleibst mein Leben. Ich fühle mich geehrt, das du nun als mein Ehemann an meiner Seite sein wirst. Ich liebe dich so sehr, Jonne, kann es kaum mit Worten ausdrücken, wie sehr.«

Nun, da er das, was ihm auf der Seele lag, laut aussprach, brachen bei ihm alle Dämme und er konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Sanft lächelnd hob Jonne die Hand und wischte diese weg, ehe er nach dem Ring griff und diesen an Rasmus Finger steckte. Dieser tat es ihm gleich, schob das äußerliche Zeichen ihrer Liebe über den Ringfinger seines Mannes. Innig küssten sie sich, wollten sich eigentlich gar nicht mehr voneinander lösen.

Immer noch leise weinend schmiegte sich Rasmus an Jonne, der die Arme um ihn legte und ihm sanft über den Rücken strich, bevor sie sich wieder setzten.

»Eure Worte füreinander zeigen deutlich, wie viel ihr einander bedeutet. Jeden hier, einschließlich mich, haben sie tief bewegt. Jedem, der euch begegnet, ist sofort klar, wie tief und rein die Liebe ist, die ihr füreinander empfindet. Jeder von uns möchte das Glück, das ihr beiden ausstrahlt, ebenfalls erleben. An diesem Tag habt ihr vor uns allen laut und deutlich ja zueinander gesagt, öffentlich kund getan, das ihr auch künftig euren Lebensweg gemeinsam bestreiten wollt. Für diesen und für euch und eure Liebe wünsche ich euch beiden alles erdenklich Gute. Diese Ehe mag, wie alle Ehen vor ihr, nur ein kleines, privates Ereignis sein, das nur das Leben der Menschen verändert, die sich dazu entschlossen haben, Verantwortung füreinander zu übernehmen, doch es ist viel mehr. Nämlich ein deutliches Zeichen dafür, das sich unsere Gesellschaft positiv verändert. Etwas, das zuvor verboten war, gehört nun ganz selbstverständlich zu unserem Alltag. Genauso sollte es sein. Heute können zwei Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, die sich lieben, den Bund fürs Leben eingehen. Liebe ist Liebe ist Liebe ist Liebe. Liebe ist etwas wundervolles, das wir immerzu feiern sollten. Auch wenn es Tage geben wird, die dunkel und schwer zu überstehen sind, wird uns die Zuneigung und die Geborgenheit, die wir füreinander empfinden, einen Weg aufzeigen, wie wir darüber hinweg und gestärkt daraus hervor kommen können. Ihr zwei habt bewiesen, das ihr solche Zeiten ohne Zweifel gut überstehen könnt, denn ihr seid in guten wie in schweren Tagen füreinander da. Jeder wünscht sich Liebe, die so stark ist wie die eure.« Die gesamte Zeit, während der Standesbeamte sprach, hielt Jonne Rasmus Hand fest in seiner. Dieser konnte nicht aufhören, seinen frisch angetrauten Ehemann anzustrahlen, hatte nur noch Augen für ihn.

»Lieber Jonne, lieber Rasmus. Heute habt ihr vor uns allen hier ja gesagt, habt euch zu eurer Liebe bekannt. Ich möchte nun der erste sein, die euch zu diesem Schritt herzlichst gratuliert.«

Dankbar nahmen sie die Gratulation entgegen.

Im Anschluss unterzeichneten sie die Heiratsurkunde, was sie ganz offiziell zu Ehepartnern machte. Wie sie zuvor entschieden, würden sie ab heute den gemeinsamen Nachnamen Paikkala tragen. Es war zwar ungewohnt, nun mit diesem Namen zu unterschreiben, aber auch ein unglaublich tolles, wohltuendes Gefühl, den so würden sie noch mehr zusammenwachsen, zu einer Einheit werden.

Auch ihre beiden Trauzeugen gaben ihre Unterschriften ab. Für diese Aufgabe wählten sie zwei ihrer ältesten und besten Freunde aus, die sich freuten und sich sofort dazu bereit erklärten.

Nachdem der bürokratische Teil erledigt war, kamen ihre Eltern und die restlichen Gäste zu ihnen, gratulierten ihn überschwänglich.

Alle wirkten fast ebenso glücklich wie Rasmus sich fühlte. Dieser Tag war der schönste in seinem Leben. Es würde lange nichts geben, was dieses Glücksgefühl würde übertreffen können, das er augenblicklich empfand, da war er sich sicher.

Vieles von dem, was gesagt wurde, kam nur verschwommen bei ihm an, so gefangen und überwältigt war er noch von dem Ganzen.

Erst als sie später zusammen im Restaurant saßen und sich das köstliche Essen schmecken ließen, kam er dazu, das alles Revue passieren zu lassen. Sein Blick wanderte über ihre Gäste, die sich miteinander unterhielten, viel lachten und sich mit ihnen zusammen am Leben und der Liebe erfreuten.

Immer wieder stießen sie alle auf Jonne und ihn an, hielten kurze Reden, in denen vor allem ihre Freunde lustige Geschichten aus ihrem Leben zum Besten gaben. Die Stimmung war ausgelassen.

Als nächstes folgte ihr erster Tanz. Da sie beide nicht unbedingt sehr begabt waren, was das Tanzen betraf, wiegten sie sich zu einem ihrer Lieblingstitel leicht hin und her, hielten einander eng umschlungen und küssten sich immer wieder.

Hier, umgeben von all jenen, die ihnen nahe standen, die sie bedingungslos liebten, wurde Rasmus klar, wie glücklich sich Jonne und er schätzen konnten, so viele Menschen in ihrem Leben zu haben, denen sie die Welt bedeuteten.

So war es nicht für alle. Auch in ihrem Freundeskreis gab es Menschen, die seit ihrem Coming out vollkommen allein dastanden, weil sich ihre Familien von ihnen lossagten, mit dem gewählten Lifestyle, wie sie es nannten, nicht klarkamen.

Aus diesem Grund würde er jedem Anwesenden zeigen, wie dankbar er war, sie bei sich zu haben und das er ihre Zuneigung nicht als gegeben hinnahm.

»Was geht dir durch deinen hübschen Kopf?«, fragte Jonne ihn leise, als sie wieder an ihrem Tisch saßen und Rasmus sich an seinen Ehemann kuschelte.

»Daran, das ich ein Glückspilz bin. Du bist bei mir, ebenso wie unsere Familien und unser Freunde. Auf jeden einzelnen können wir uns verlassen. Ich könnte nicht glücklicher sein, denn ich weiß, das unser gemeinsames Leben jetzt so richtig beginnen wird.« Mit tränenfeuchten Augen sah er auf seine Hand, betrachtete den Ring, der aus schlichtem Weißgold war und in den ein kleiner Diamant eingearbeitet wurde. Jonne trug das Gegenstück zu seinem. »Gerade ist mir, als könnte ich Bäume ausreißen, als würde ich vor Glück aus der Haut fahren müssen. Endlich, nach so vielen Jahren, sind wir wirklich miteinander verheiratet. Jonne, ich liebe dich so sehr, mit jedem Tag wird es noch intensiver und ich kann es kaum erwarten zu sehen, was die Zukunft noch alles für uns bereithalten wird.«

»Für mich ist auch schwer, das alles zu verstehen, denn es fühlt sich noch so unwirklich an, fast als würde ich träumen. Wenn es ein Traum sein sollte, dann möchte ich nicht daraus erwachen.«

Zärtlich legten sich Jonnes Lippen auf seine, verwickelten ihn in einen trägen Kuss, dem sich Rasmus nur zugern hingab.

»Während unseren Flitterwochen haben wir genug Zeit, alles wirklich zu begreifen. Und wir werden unsere Liebe ausleben. In jedem einzelnen Raum des Hauses, das wir gemietet haben. Hoffentlich finden wir auch einen versteckten Strandabschnitt, an dem ich dich nach allen Regeln der Kunst vernaschen kann«, raunte er ihm ins Ohr, als sie den Kuss lösten, zwinkerte zweideutig. Als Jonne leicht errötete und sein Gesicht an Rasmus Hals verbarg, lachte dieser gelöst auf.

»Das kannst du doch hier nicht sagen«, kam es gedämpft durch den Stoff von Jonne.

»Wieso denn nicht? Jeder hier weiß, das wir keine Mönche sind, die im Zölibat leben.«

Schmunzelnd knuffte er Rasmus gegen den Arm.

»Du bist echt unmöglich. Aber verdammt, dafür liebe ich dich gleich noch etwas mehr.«

Den restlichen Abend genossen sie in vollen Zügen, feierten mit den anderen bis tief in die Nacht hinein. Diesen Tag, den besten Tag seines Lebens, würde es sicher so schnell nicht vergessen.

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Texte: © Ann Salomon
Bildmaterialien: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 13.10.2020

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