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Kann ich Paps zu dir sagen ?



Jeder der meine Bücher verfolgt hat, weiß schon das sich die jungen Mädchen ihren Traummann nach dem eigenen Vater aussuchen. Doch was ist wenn man ihn gar nicht kennt und eine Vorstellung, wie er denn nun sein könnte, nein die gab es in den ersten Lebensjahren nicht.

Ich wuchs mit meiner Schwester, die ein Jahr jünger wie ich war, gemeinsam in dem eigenen Haus meiner Großeltern auf. Meine Mutter konnte zu der Zeit sehr sehr schlecht sehen und später erblindete sie ganz. Ich konnte mich somit nie an eine sehende Mutter erinnern.

Mein Vater war da schon nicht mehr bei uns, wo er war, das wußten wir Kinder nicht.
Es wurde auch kaum über ihn gesprochen. Vielleicht war es ja doch wahr, das die Kinder der Storch brachte?

Doch wenn Eltern so wichtig für die Kinder sind, warum lies er uns als Baby´s einfach zurück?

Meine Großmutter war damals 58 Jahre und mein Opa 55 Jahre alt. Wenn man in diesem hohen Alter noch "Kinder " bekommt ist das eine Menge arbeit. Zusätzlich war da ja noch die schwer sehende Tochter, meine Mutter, später kam noch die schizophrenie meiner Mutter dazu.

Doch irgendwie ging es. Um dem Zwei- Familienhaus war ein sehr großer Garten, mit vielen obstbäumen und die Beete die meine Oma bepflanzte waren immer sehr akurat und wir halfen, wo wir älter waren.

Jeder der einen Garten hat, weiß was es heißt zu säen, pflanzen und ernten. Doch das ganze wurde noch eingekocht, in großen Einmachgläsern und auf einem großen Gasofen, der zusätzlich im Keller stand.

Ich war viel lieber im Garten wie in der Wohnung und auf den Obstbäumen durften wir auch klettern, schließlich mußte das Obst ja runter vom Baum und Fallobst fand ich damals ekelig, faulend und ab und zu eine Made, nein das war nicht mein Fall.

Tiere gab es übrigens auch bei uns, nein nicht einfach nur eine Katze oder so. Nein es liefen Enten und Gänse in den Garten und besonders die Gänse paßten auf.
Doch so ganz mochten meine Schwester Christel und ich die Gänse nicht, nirgens konnte man sich auf die Wiese legen, weil die Gänse doch nicht so auf Toilette gehen, wie wir Kinder es wollten. So scheuchten wir die armen Tiere immer in der einen Ecke des großen Gartens. Gefallen hat denen das überhaupt nicht. Doch alle Tiere durften nie lange bei uns bleiben. Das änderte sich erst als ich selber eigene Tier hatte.

So vergingen die Jahre. Mein Opa verstarb als ich knapp elf Jahre alt war. Damals war die Trauerhalle noch neben der Kirche und die Tür war offen. Ich bin dann zu ihm hingelaufen und hab meinen Opa angeschaut. Er hatte ein Auge ein klein bißchen offen und so dachte ich mir damals" Wibke, sei immer schön lieb, der Opa sieht dich".
An die Beerdigung erinnere ich mich noch heute, sehr viele Menschen waren gekommen und es war kalt. Mir fehlte mein Opa sehr, doch verstanden habe ich den Tod damals nicht.

Von meinem Vater wußte ich immer noch nichts. Nur ab und an hörte ich, das man, wenn ich mal nicht im Raum war, das ich meinem Vater ähnlich sehen sollte und auch seine Art hätte.

Doch was hieß das für mich, war ich nun schlecht oder gut. Getraut zu fragen, das habe ich mich allerdings nie.

So vergingen die Jahre. Ich heiratete in jungen Jahren einen neun Jahre älteren Mann, der auch der Vater meiner drei Mädels wurde.

Irgendwann ging ich in meiner Stadt zum Arzt und las in den Illustrierten. Auf einmal wurde eine ältere Frau aufgerufen, die meinen Mädchennamne hatte. Spontan war ich früher schon und so ging ich auf diese ältere Frau zu und sagte ihr" Entschuldigen Sie, doch ich hatte den selben Familiennamen wie Sie und ich heiße mit Vornamen Wibke".

So kam es raus, das sie die Mutter meines Vaters war und in der Innenstadt wohnte.
Ich gab ihr meine Telefonnummer und erzählte zuhause, was passiert war.
Meine Schwester wollte es erst gar nicht glauben. Doch Tag´s darauf ging das Telefon, die Halbschwester meines Vaters war am Telefon und wir verabredeten uns bei meiner Großmutter.

Ich hatte ein komisches Gefühl im Magen und doch siegte die Frage, wo war mein Vater und was machte er und warum kam er uns nie besuchen?

Zuerst war meine Großmutter väterlicherseits unsicher, schließlich lebten wir von der Fürsorge und mein Vater zahlte nie Unterhalt. Es kamen häufig Briefe an, wo gefragt wurde ob wir den Aufenthalt wußten.

Meine Tante zeigte mir dann Fotos von meinem Vater, er war schlank ,groß und hatte auch eine Ähnlichkeit mit mir. Eben ein junger Mann, der in Hamburg geboren war. Jetzt war mir auch klar, warum ich schon als Kind das Meer und die See so liebte.

Doch so einfach hinfahren das konnte ich nicht, es gab einen einfachen Grund. Er war in die damalige DDR gegangen so wie auch meine Großmutter, Großvater und seine Geschwister.
Nur meine Tante ging nicht mit. Sie blieb im Westen, was sie auch nie bereut hat.

So ein Quatsch dachte ich damals, wie kann man freiwillig in die DDR gehen?
Im Fernsehen liefen Berichte das unser Staat Menschen aus der DDR freikaufen konnte und es auch tat. Politischer Menschenhandel.

Meine Großmutter ist dann irgendwann wieder zurück nach dem Westen, so wie man es früher sagte. Und wir beide planten in die DDR zu fahren, damit ich ihn, meinen Vater kenenlernte konnte.

Mitlerweile wußte ich, das er auch dort vier Kinder hatte. Ich war neugierig auf ihn und auf meine Halbgeschwister.

Schließlich hatte ich durch meine Schwiegermutter gelernt, das Patchworkfamilie etwas sehr normales sein kann. Dafür danke ich ihr heute noch...danke Mama, du bist die beste Schwiegermama für mich.

So fuhr ich also das erste Mal zur DDR. Wir fuhren mit dem Zug. Ungläubig sah ich mir die Wachtürme an, Menschen mit Schäferhunden kamen in den Zug und kontrollierten die
Papiere und man brauchte damals noch eine Aufenthaltsberechtigung und bekam ein Visumstempel in den Reisepass. Mir war da alles sehr neu und gut fand ich das auch nicht. Irgendwie war es für mich düster und ich fühlte mich unwohl.

So kamen wir dann auf dem Bahnhof an. Doch ich habe keine genaue Erinnerung mehr an dem ersten Treffen, ich weiß nur das er mich in der Bahn immerzu anschaute und ich unsicher wurde. So sprach ich lieber mit meinem Halbbruder, der mitgekommen war um mich kennen zu lernen.

Später hatten wir etwas Zeit miteinander zu reden. So kam heraus ,das mein Vater nie ein Familienmensch war. Damals lernte ich auch die zweite Frau von ihm kennen. Doch auch von der war er schon geschieden und so lernte ich gleich die dritte Ehefrau kennen. Auch sie hatte drei Kinder, doch die waren nicht von meinem Vater, so waren es angeheiratete Geschwister.

Ich lernte etwas den Osten kennen, doch zuerst mußten wir uns noch in einem Büro anmelden, das wir auch angekommen sind. In den Geschäften hingen große Schilder, mit dem ungefähren Wortlauf..."wir arbeiten und etwas mit dem Volk". Mein Vater schien das alles nicht zu interessiern. Er kannte das ja wohl auch schon zu genüge.

Irgendwann kamen mein Vater und seine dritte Frau uns auch in Dortmund besuchen. Meine Mädels waren alle schon größer und freuten sich auf den Opa und der neuen Oma.
Damals ging es nur auf eine Einladung. Die Konfirmation meiner Mädels war ein Anlass, ansonsten mußte meine Großmutter hinhalten. Der Grund war, sehr simpel..altersbedingt ging immer.

Meine Schwester sah unseren Vater, doch sie konnte keinen Kontakt mit ihm aufbauen. Wenn ich von ihm sprach, das ich ihn wieder angerufen hatte, so interessierte es sie nicht. Sie sagte nur immer "er hat sich ein Leben lang nicht um uns gekümmert und er soll wegbleiben" Diese Einstellung hat sie bis zu ihrem Tode nie geändert.

Mein Vater und ich telefonierten öfters und unterhielten uns über Politik, Fussball und auch über die Vergangenheit.

Eines Nachts hatte ich einen Traum. Ich träumte wenn ich zu meinem Vater fahre, dann stirbt er, das wollte ich natürlich nicht und so vermied ich es hinzufahren. Mein Vater hat übrigens nie den Grund erfahren.

So ging die Zeit ins Land, mein Vater war seid sehr vielen Jahren krank und er wollte das ich ihn besuche. Damals war ich mit einem Mann zusammen, der zu seiner Ex zurück wollte, aus Therapiegründen, wie es sich im nachhinein herausstellte. Er sah in ihr die Mutter, die er so wohl nicht hatte. Ich ließ den Mann damals gehen und fuhr zu meinem Vater. Doch auf dem Bahnsteig stand nur meine Stiefmutter, mein Vater war mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gekommen. Und schon wieder war er nicht da.

Bei ihm Zuhause packte ich die Tasche aus und rief meinen Vater sofort in die Klinik an.
Ich sagte zu ihm" Paps, das ist ja wie immer, immer wenn ich komme bist du fort".
Er erwiderte das dass wohl so sei. Allerdings hatten wir beide bei dieser Wortspielerei ein lächeln im Gesicht. Am nächsten Tag fuhr ich mit meiner Stiefmutter, mitlerweile hatte ich erfahren, das er diese Frau schon zum zweiten Male geheiratet hatte
zum Krankenhaus. Ja, da lag mein Vater, etwas älter geworden, die Haare lichter, doch sein reden war immer noch offen und herzlich.

In den nächsten Tagen war ich jeden Tag im Krankenhaus. Ich sah wie liebevoll meine Stiefmutter meinen Vater versorgte, ich konnte mit ihr über sehr vieles reden, auch über die Vergangenheit. So wußte sie bis zur ersten Hochzeit mit meinem Vater gar nicht, das wir existierten. Sie bewunderte immer meinen Familiensinn, das ich trotz allem zu meinem Vater hielt.

Ja, dann kam der Abschied und mein Vater wollte das ich im Sommer mit ihm zur Ostsee fahre. Mit einem lächeln sagte ich ja, doch es wurde nichts daraus. Zwei Tage bevor er daheim verstarb, telefonierten wir noch miteinander.

Zu der Beerdigung bin ich nicht gefahren, mein Abschied war damals im Krankenhaus.

Mein angeheiraterer Bruder hatte mit meinem Vater noch eine CD im Krankenhaus aufgenommen, wo er uns mit seiner Stimme Lebewohl sagte und das er mit Petrus jetzt die Krabben zählt. Wenn er im nächsten Leben wieder Kinder hat, sollten wir es alle wieder sein.

Ich weiß bis heute nicht, wie ein richtiger Vater zu seinen Kindern ist, der immer bei einem lebt. Doch habe ich meinen leiblichen Vater kennengelernt, mit all seinen Ecken und Kanten und etwas aus seinen Genen ging auch bestimmt an meine Kinder und wieder einige von uns an die Enkel.

Nicht jeder Mensch kann ein Familienmensch sein, denn er selbst wußte nie wer sein leiblicher Vater war.

Und ich konnte Paps zu ihm sagen.

Impressum

Texte: Wibke Rekla Danckert
Bildmaterialien: bookrix
Tag der Veröffentlichung: 21.12.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
an meine Kinder

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