Heute will ich euch über ein Leben erzählen, was von Liebe über den Tod hinaus geprägt ist.
In den letzten Wochen und Monaten wurde sehr viel über Transplantation geschrieben und im Fernsehen berichtet.
Der Organskandal, wer viel an Geld hat kauft sich einfach ein neues Leben.
Doch mal ehrlich, wenn ihr so krank seid und ihr habt genügend Geld, würdet ihr es nicht genauso machen?
Doch in meinem Buch geht es um eine Frau, die sich darüber keine Gedanken machte.
Ich lernte diese Frau, vor sehr sehr vielen Jahren kennen. Meine mittlere Tochter befreundete sich mit dem Sohn dieser Familie.
Wir in unserer Familie fanden diesen jungen Mann sehr nett und Jugendfreundschaften, die bis heute halten, gibt es leider nicht so oft.
Unsere Kinder wurden älter, die ersten engen Freunde tauchten auf und irgendwann wurde mir mit 45 Jahren mitgeteilt "Mutschka, du wirst Oma". Hmm, wollte ich das nicht erst mit 60 Jahren werden?
Doch ich freute mich sehr über den Zuwachs, der auch mit einigen Schwierigkeiten, das Licht in unsere Welt erblickte. Bald darauf kam der zweite Junge in unserem Leben, auch dieser wurde mit großer Freude aufgenommen.
Meine Tochter schenkte mir beim ersten Jungen einen Schlüsselanhänger,darauf stand *beste Oma*.
Sehr zaghaft wurde er mir überreicht, wie reagiert denn jetzt die neugebackene Oma darauf.
Stolz nahm ich den Anhänger an und er pendelte am Schlüsselbund. Irgendwann ging das silbrige am Anhänger ab, doch noch heute liegt er im Kästchen.
Gisela, so hieß die Mutter des jungen Mannes, verstand sich sehr gut mit meiner mittleren Tochter Janine. So das die Buben nicht nur zu mir Oma sagten, sondern auch zur Gisela.
Oma Gisela und Oma Mutschka, das hörten wir sehr sehr oft. Nach den zwei Buben kam noch ein dritter Junge an und die Taufe aller drei Jungen stand an.
Jeder der Oma nahm einen Jungen als Patenkind an. Die drei Jungen wurden in Anzüge gesteckt, standen mit dem Kerzen vor dem Taufbecken und empfangen die Taufe. Auch der junge Mann wurde Taufpate, zusammen mit meinen anderen Mädels.
Wir dachten an die Taufe unserer Kinder zurück und wie schnell sich das Rad des Lebens dreht. Sehr feierlich ging der Gottesdienst zu Ende und wir trafen uns bei sehr viel Kaffee und noch mehr Kuchen.
Dann kam die Einschulung vom ersten und zweiten Jungen. Natürlich waren wir als Oma dabei.
Gisela und ich standen im Schulflur und warteten auf die Jungen. Flachsend schauten wir uns an, wir hatten unsere Kinder in sehr jungen Jahren bekommen, doch hier sah das anders aus. Viele Mütter bekamen heute ihre Kinder sehr viel später.
Doch das Leben hatte noch mehr schöne Überraschungen für uns. Miri, die ihr schon aus meinem Buch *Julchen* kennt, verliebte sich in den jungen Mann.
Jetzt war Gisela nicht nur eine Oma in unserer Familie sondern sie wurde auch eine zukünftige Schwiegermutter.
Mich freute das besonders, denn ich wußte das sie eine liebevolle Mutter ist und auch Schwiegermutter werden würde.
So wie ich damals eine sehr tolle Schwiegermutter bekam und bis heute noch habe,obwohl die Ehe nicht hielt.
Es gab viele schöne Erlebnisse, mit all den Kindern und Enkelkindern.
Irgendwann feierten wir Miris Geburtstag. Wir alle waren dort und freuten uns auf Kuchen, Kaffee und schöne Gespräche. Die kleinen Jungen, spielten um uns und wir sprachen über den Job, Urlaub und was halt so noch geplant war.
Wir alle wollten uns einen Monat später auf Janines Geburtstag treffen.
Frohgelaunt machten wir uns alle auf dem Heimweg und wollten am nächsten Tag, einem Sonntag, einfach nur ausschlafen. Was wir auch wirklich taten.
Doch der Job rief am Montag und die Woche fing wieder an. Am Dienstag ging bei meinem Chef das Telefon. Meine Tochter Miri war am Telefon " Mutschka, komm schnell. Gisela ist im Krankenhaus und sie liegt im Koma". Ich schaute meinen Chef fragend an. Doch er verstand und ich konnte den PC ausmachen, mich vom Telefon abmelden und schon war ich aus der Tür.
Sorgenvoll fuhr ich zum Krankenhaus. Koma, so schnell? Vor drei Tagen haben wir doch noch alle fröhlich zusammen gesessen. Jetzt schon wieder eine Intensivstation !!!
Miri und ich trafen uns am Krankenhaus und gingen sofort zur Intensivstation hin.
Wir zogen einen Krankenhauskittel an, desinfizierten unsere Hände und durften zur Gisela hin.
Jeder der schon mal in einer Intensivstation war, weiß das dort sehr viele Geräte sind, die den Menschen helfen soll. Doch wenn man um einen geliebten Menschen Angst hat, hilft das Wissen auch nicht viel weiter.
Bei Gisela war ein Aneurysma geplatzt, eine Ader im Gehirn. Laut den Ärtzen hatte sie noch eine 50% Funktion.Eine Operation war in dem Krankenhaus bei Gisela schon gemacht worden. Gut, dachte ich mir, was 50 % noch ist, läßt sich aufbauen.
Es regnete draußen und ich erzählte Gisela, das es draußen regnet und sie erstmal nichts verpasst. Ruhig ging der Herzschlag weiter.
Dann sagte ich ihr "Meine Süsse, zur Hochzeit der Kinder mußt du aber wieder fit sein, schließlich soll das Brautkleid, mit von uns beiden ausgesucht werden und ein Sekt darauf,ist uns allen auch gegönnt".
Unglaublich was dann geschah, der Herzschlag erhöhte sich. Konnte Gisela uns hören?
So erzählten Miri und ich abwechselnd, was uns gerade einfiel, immer ein Blick auf den Anzeiger von dem Herzschlag.
Doch die Minuten gingen um und Miri und ich verließen das Zimmer. Jede von uns beiden gab Gisela noch einen Kuss auf die Stirn und wir beide meinten" Bitte schaff es".
In dem Eingangsbereich standen jetzt schon die anderen Kinder von Gisela und der Lebensgefährte.Sie gingen immer zu zweit zur Mama hin.
Der Lebensgefährte erzählte uns was auf der arbeit geschah.Sie ist einfach zusammen gebrochen. Auch das 50% nicht so viel sind wie ich dachte. Doch auch das wollte ich so gar nicht hören.
Wieder daheim setzte ich mir vor dem PC und fing über das Aneurysma zu lesen. Es gab tasächlich Menschen, die das überlebten. Sie mußten sich zwar sehr schwer wieder in das Leben einfinden und alles neu lernen, doch die Hoffnung war da. Ist optimismus nicht das halbe Leben?
Tags darauf ging wieder das Telefon. Gisela hatte in der Nacht einen Gehirninfarkt erlitten, jetzt war die Leistung des Gehirns nur noch 10%. 10% besser wie nichts.
Doch der Lebensgefährte von Gisela erklärte mir, das es sehr schlimm aussieht.
Hoffnung, unsere Engel anflehen, 3 junge Menschen sollten ihre Mutter verlieren?
Abends war ich dann bei Janine. Unsere Enkel wußten das Oma Gisela im Krankenhaus liegt.
Die beiden Großen fragten nach " Oma, wie geht es Oma Gisela, können wir sie besuchen?"
"Was hält ihr davon, wenn ihr Oma ein Bild malt.Sie freut sich bestimmt darüber und im Moment schläft sie viel".
Wie sollte man den Kindern das Wort Koma erklären?
Damian, der kleinste von den Jungen fragte mich" Oma, ist Oma Gisela tod?" Erschrocken schaute ich Damian an. Haben kleine Kinder ein Gefühl, über das Erwachsene nicht reden wollen oder in dem Moment nicht können.
Ich beruhigte alle Jungen mit den Worten," Nein, Oma Gisela ist sehr krank und muß sich jetzt gesund schlafen".
Doch es ging leider nicht so auf, wie wir uns das alle gewünscht haben. Die Gehirnleistung erhöhte sich nicht mehr und da geschah etwas unglaubliches.
Die drei Kinder von Gisela wollten das die Organe,weitergegeben wurden. Herz, Leber, Nieren alles sollte in anderen Menschen weiterleben dürfen.
Die Maschinen blieben an, die Ärzte versammelten sich um Gisela und im Hintergrund fing die Suche nach geeigneten Menschen an.
Selbst jetzt bekomme ich noch eine Gänshaut, über den Mut, die Kraft und die Liebe die diese Familie über den Tod zu Gisela hatten.
Die Organe wurden Gisela entnommen und die Beerdigung stand an. Wie sollte man Jugendliche trösten, die doch schon so eine Stärke in sich trugen.
Mit Giselas Organe konnten vier Menschen gerettet werden. Leider hat es der Patient, mit dem Herzen nicht überlebt. Die Kinder von Gisela wußten, was in diesem schweren Augenblick das richtige war. Es gab kein Organspendeausweis, es wurde nicht von der Politik gesagt,Spenden ist Pflicht.
Wenn ihr jetzt fragt und hat Wibke jetzt auch einen Spendeausweis, so verneine ich das.
Ich habe keinen. Doch meine Kinder wissen, das wenn es geschiet ich meine Organe abgebe.
Texte: Wibke Rekla Danckert
Bildmaterialien: google
Tag der Veröffentlichung: 19.12.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für eine liebevolle Frau,
die alles im Leben und im Tod gab.