Cover

Joshua und Cassandra


Auf dem verwitterten Feld saßen die drei Jugendlichen auf dem kaputten Holzzaun. Es war ein wunderschöner Abend gewesen. Vor ihnen ein leerer Kasten Bier. Das schlanke, kleine Mädchen mit dem strubbeligen, roten Haaren, wippte hin und her und versuchte ihr Gleichgewicht zu halten auf dem nassen Zaun. Lautlachend hielt sie Joshua an den Händen fest, gerade noch im richtigen Moment, sonst wäre sie hinten über in das Feld gefallen. Nun ging er auf sie zu, seine Hände strichen von den Händen aus über ihre Arme und er packte sie an der Hüfte. Das Lächeln verschwand von ihren Lippen, diese Berührung war sie nicht gewohnt von ihm. „Ich glaube ich hätte besser die letzte Flasche getrunken!“, sagte Joshua zu ihr. Das Lächeln kehrte auf ihre Lippen zurück. Vom Feld her ertönte nun Jonas lautes Schnarchen. Er weilte nun schon lange nicht mehr unter ihnen. Sie lachte und wandte ihren Blick den weiten Feldern zu. Dahinter erstreckte sich ein riesiges Waldstück . Die Bäume lagen im Dunkeln. Es dämmerte bereits. „Ich weiß nicht wieso, aber es ist einfach wunderschön hier.“ Kein Mensch würde ihr beipflichten. Es war nicht schön, es war Oktober. Das Wetter war nass und kalt. Die Bäume trugen keine Blätter. Das Holz war feucht und das Gras matschig. Nebel erstreckte sich über die Felder, es verbarg die kleine Hütte, in der Joshua lebte. „Diese Stille hier tut so gut. Die kalte Luft belebt mich. Ich fühle mich so frei heute.“ Mit weit ausgebreiteten Armen balancierte sie über ein Stück des kaputten Zaunes. Ihre schwarzen Stiefel und ihre Netzstrumpfhose waren mit Gras und Matsch übersät. Ihre schwarzgeschminkten Augen waren geschlossen. Sie atmete die feuchte Luft so tief sie konnte in ihren Körper ein. Joshuas Lachen war verschwunden und seine Augen starrten ins Leere. Cassandra spürte seine Abwesenheit und trat zu ihm rüber. Nun nahm sie seine Hände in ihre. Ein Kribbeln durchfuhr seinen Körper. „Wieso fühle ich keine Kälte hier. Wieso ist es hier so viel wärmer als dort unten.“ Mit einem Blick verwies sie auf die Lichter der Stadt. Wie fern sie in diesem Augenblick waren. So weit weg. Als wären die Freunde auf einer anderen Welt. „Warum fühle ich, wenn deine Hände meine berühren, während ich unten nichts als Trauer empfinde. Warum haben deine Worte so viel mehr an Bedeutung?“ Joshua schüttelte den Kopf. „Cassandra, du darfst so nicht denken! Das dort unten ist dein Zuhause. Verliebe dich nicht in etwas, was gar nicht da ist! Es ist keine Wärme hier oben leben zu müssen. Du musst zufrieden sein mit dem, was dir gegeben wurde.“ Nun ließ sie seine Hände los „Wie kannst Du so etwas bloß sagen?“. Kälte durchfuhr Joshua. Während Cassandra ihn böse anfunkelte, stieg seine Sehnsucht sie wieder zu greifen, sie in den Arm zu nehmen, ihre Hände in seine zu schließen. „Du weiß genau wie es ist dort unten zu sein. Wie es ist Anforderungen gestellt zu bekommen, denen man nicht gerecht wird. Wie es ist, wenn die Eltern einen nicht mal dann beachten, wenn man sich selbst schadet. Wie die Menschen dort unten sind, alle so anders als wir. Niemand versteht mich. Niemand. Und du sagst, ich soll zufrieden sein.“ Sie wand sich von ihm ab. Der Wind wehte durch ihre Haare. Joshua näherte sich ihr. Von hinten nahm er ihre Hände und umarmte sie lang. Cassandra schloss die Augen legte ihren Kopf zurück, auf seine Schulter. Ein leichtes Stöhnen entfuhr ihr als seine Hände ihren Körper entlang strichen. Er ging unter ihren Mantel und berührte ihren dünnen Bauch. Ihr Körper war glühend heiß, er spürte das Blut in ihren Adern pochen. Er schloss die Augen und genoss diese wohltuende Wärme, die von diesem kleinen Körper ausging und nahm sie auf. „Warum ich, Cassandra, warum ich?“ Cassandra blickte ihm tief in die Augen. „Das Leben dort unten war der Tod. Ich entschied mich für das Leben. Ich entschied mich für dich.“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.07.2012

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /