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Es war bereits dunkel geworden, als ich nochmals kurz das Haus verließ, um einkaufen zu gehen. Wie erwartet bekam ich mal wieder nur die Hälfte von dem, was ich eigentlich besorgen wollte. So ging ich leichter bepackt als erwartet nach Hause und schaute nochmal kurz in den Briefkasten. Seltsamerweise befand sich tatsächlich noch etwas darin und ich nahm die Post mit nach oben. In meiner Wohnung angelangt, sortierte ich erst einmal meine Einkäufe in den Kühlschrank und setzte mich dann hin, um die Post näher zu begutachten. Es war allerdings nur ein Werbeprospekt und ich warf es unbeachtet in den Müll. Dabei jedoch fiel ein kleiner unscheinbarer Zettel heraus, direkt vor meine Füße. Ich hob ihn auf und las die wenigen Zeilen, die sich darauf befanden.
"Bitte dringend um Rückruf!" Darunter noch ein Name und eine Handynummer.
Ich wusste im ersten Moment nicht, was ich davon halten sollte. Ich kannte weder den Namen, noch die Nummer. Auch mit der Nachricht konnte ich nicht wirklich etwas anfangen. Was sollte denn geschehen sein, dass jemand unbedingt meinen Rückruf erwartete? Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen. Und ich war mir auch nicht sicher, ob ich einfach eine fremde Telefonnummer anrufen wollte. Andererseits machte mich die Nachricht schon neugierig. Um ehrlich zu sein, bekam ich es sogar leicht mit der Angst zu tun. Wenn nun doch irgendetwas geschehen war? Irgendetwas, womit ich nicht rechnete? Ich hatte zwar keine Ahnung, was das sein sollte, aber man weiß ja nie. Dennoch, ich räumte mir erst noch etwas Bedenkzeit ein.
Somit machte ich es mir auf meiner Couch gemütlich und nahm mein neues Stephen King Buch zur Hand. Ich hatte es zwar erst vor drei Tagen gekauft, aber obwohl es ein fast 600 Seiten dicker Wälzer war, hatte ich ihn schon zur Hälfte gelesen. Doch schon nach zwei Seiten merkte ich, dass es keinen Sinn hatte. Immer wieder kreisten meine Gedanken um den merkwürdigen Zettel und ich grübelte, was es damit auf sich haben könnte. Als ich dann einen Abschnitt zum vierten Mal gelesen hatte und immer noch nicht wusste, worum es eigentlich ging, legte ich das Buch zur Seite. Vielleicht könnte ich mich mit Fernsehen besser ablenken. Ich schaltete kurz durch das Programm, bis ich bei einer Dokumentation hängen blieb. Es ging um den Wahrheitsgehalt einiger Horrorfilme. Vorwiegend um solche, die von Flüchen und ähnlichem handelten. Sie zeigten größtenteils Ausschnitte von japanischen Horrorfilmen, die sich ja bekannterweise am meisten mit solchen Themen befassten. Filme wie "The Ring", "The Grudge" oder auch "Uzumaki". Nach einiger Zeit jedoch fand ich das Thema zu beklemmend und schaltete weiter. Denn in meinem Verstand nistete sich langsam der Verdacht ein, dass dieser Zettel etwas damit zu tun haben könnte. Natürlich war das lächerlich, aber irgendwie konnte ich diese fixe Idee einfach nicht abschütteln. Mir war schon bewusst, das es so etwas wie Flüche, Rachegeister und seltsame Telefonanrufe mitten in der Nacht nicht gab. Aber gerade diese Telefonszene aus "The Ring" ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Sicherlich, ich hatte die Aufforderung bekommen, jemanden anzurufen, und im Film wurde der Betroffene ja selbst angerufen. Dennoch, dieser Gedanke beschäftigte und ängstigte mich gleichermaßen. Auch das düstere und beklemmende Wetter, welches draußen herrschte, tat sein übriges. In der Zwischenzeit hatte es nun auch noch angefangen zu schneien und die Welt draußen färbte sich weiß. Aber das alles bewies nur mal wieder, was für seltsame Richtungen die Gedanken eingehen, wenn man sich allein in einer großen Wohnung befindet.
Ausgerechnet ich dachte in solch abstrusen Gedankengängen, ich als Psychologin. Ich ging in die Küche, um mir eine heiße Schokolade zu machen, vielleicht konnte diese mich beruhigen. Als ich jedoch nach der Tüte mit dem Schokoladenpulver griff, fiel mein Blick wieder auf diesen kleinen, unscheinbaren Zettel. Irgendwie schien er mich beinahe magisch anzuziehen und ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. Erneut las ich mir die Botschaft durch, aber ich wurde immer noch nicht schlau daraus. Also legte ich den Zettel beiseite und machte mir erst einmal meine heiße Schokolade. Als diese fertig war, ging ich zurück ins Wohnzimmer und machte es mir erneut auf der Couch bequem. Irgendwie hatte ich ein wenig Entspannung dringend nötig und somit suchte ich meine Cantus Buranus-CD raus, um ein wenig zur Musik die Seele baumeln zu lassen und meine Gedanken auf andere Wege zu leiten. Und um dem ganzen noch den passender Rahmen zu geben, ließ ich mir ein heißes Bad ein. Als die Wanne mit dem heißen Wasser gefüllt war und der Badspiegel schon langsam beschlug, zog ich mich aus und ließ mich langsam in die wohltuende Wärme gleiten. Genau das, was ich gebraucht hatte. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf die Musik. Für einen Augenblick vergaß ich sogar den Zettel komplett und als ich nach einiger Zeit die Augen wieder aufschlug, ging es schon auf Mitternacht zu. So stieg ich aus der Wanne, trocknete mich ab und kuschelte mich in meinen Bademantel. Obwohl ich noch nicht müde war, beschloss ich, mich ins Bett zu legen. Vielleicht könnte ich ja doch wider Erwartens einschlafen und bis zum Morgen hätte ich den Zettel sicherlich vollständig vergessen und verdrängt. Als ich mich jedoch gerade hinlegen wollte, klingelte plötzlich das Telefon. Ich schaute auf die Uhr: sie schlug Punkt Mitternacht. Für einen kurzen Augenblick setzte mein Herz aus und ich wurde von nackter aber unerklärlicher Panik ergriffen. Dann schaltete sich jedoch mein rationaler Verstand wieder ein und ich ging ins Wohnzimmer. Ich war schließlich Psychologin und legte meinen Patienten immer wieder ans Herz, mich jederzeit anzurufen, wenn es dringend sei. Auch zu solch später Stunde. Also lag es ja nahe, dass es sich hier um einen meiner Patienten handelte, und wenn derjenige meine Hilfe bräuchte, dann sollte ich mich jetzt zusammenreißen. Denn ich könnte schlecht einem psychisch angeknacksten Menschen mit meiner rationalen Meinung kommen, wenn ich gerade selbst total durch den Wind war. Also atmete ich ein paar Mal tief durch und nahm dann den Telefonhörer ab. Obwohl ich mich innerlich soweit beruhigt hatte, zitterte meine Hand unkontrolliert. Ich hasste mich in diesem Moment für dieses unbegründete Verhalten und diese überzogene Reaktion meines Körpers, aber ich konnte einfach nichts dagegen tun. Ich nahm den Hörer an mein Ohr und meldete mich.
"Hier bei Perkins, mit wem spreche ich bitte?" Einen Moment lang glaubte ich, im Hintergrund ein leises Kichern zu hören. Es war jedoch so schnell verschwunden wie es gekommen war und somit tat ich es als Einbildung ab. Jedoch meldete sich niemand am anderen Ende. Ich versuchte es erneut: "Hallo, wer ist denn da?"
Nichts. Am anderen Ende regte sich absolut nichts. Gerade wollte ich wütend den Hörer aufknallen, als plötzlich doch jemand zu sprechen begann:
"Hallo Anne...". Nichts weiter.
"Wer sind Sie?" versuchte ich, den Anrufer zum erneuten Sprechen zu bewegen, um ihn so vielleicht an der Stimme erkennen zu können. Denn der Anrufer schien mich ja zu kennen, schließlich hatte er meinen Vornamen gewusst. Als ob er meine Gedanken lesen könnte, sprach der Anrufer erneut.
"Sparen Sie sich die Mühe, mich identifizieren zu wollen. Sie kennen mich nicht. Aber ich kenne Sie." Jetzt war ich leicht beunruhigt. Die Stimme konnte ich tatsächlich nicht identifizieren. Was konnte der Anrufer nur wollen? Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich mich wieder auf die Couch gesetzt hatte, denn meine Knie waren weich wie Butter und ich hatte einfach keine Kraft mehr in den Beinen. Tausend Gedanken strömten gleichzeitig durch meinen Kopf, einer abstruser als der nächste, doch ich konnte sie nicht aufhalten. Diese Stimme, allein ihr Klang verschaffte mir eine Gänsehaut vom Feinsten und ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich versuchte krampfhaft, endlich wieder rational zu denken und diese zugegebenermaßen seltsame Situation mit Logik anzugehen. Sicherlich würde es hierfür eine vernünftige Erklärung geben, das war die einzig mögliche Schlussfolgerung. In meinen Gedanken versunken hatte ich kaum bemerkt, dass die Stimme erneut zu sprechen begonnen hatte.
„...bleiben Ihnen nun weniger als zwei Stunden, um Ihr jämmerliches Dasein zu fristen. Dann ist Ihre Zeit abgelaufen. Bereiten Sie sich vor.“
Und dann Stille. Die Leitung war tot. Gab keinen Mucks mehr von sich. Und ich auch nicht. Viel zu sehr verwirrten mich die letzten Worte des anonymen Anrufers. Das konnte nur ein schlechter Scherz sein. Irgendjemand trieb da seinen Schabernack mit mir. Ich wusste zwar beim besten Willen nicht, wer das sein sollte und außerdem war heute weder der erste April noch Halloween oder irgend ein anderer besonderer Tag, an dem man anderen Streiche spielt, aber so musste es einfach sein. Schließlich konnte ich einen solch absurden Anruf doch nicht ernst nehmen, oder? Nein, ganz und gar nicht. Nur ein dummer, wenngleich auch sehr makaberer Streich. Und eins wusste ich: sollte ich jemals herausfinden, wer hinter diesem Anruf steckte -und das war meine feste Absicht-, würde derjenige nichts mehr zu lachen haben. Dafür würde ich schon sorgen. Ich bin ja eigentlich ein sehr humorvoller Mensch und kann auch gut über mich selbst lachen, wenn es die Situation erfordert, aber irgendwo hat alles seine Grenzen und dieser Scherz ging definitiv über den guten Geschmack hinaus. Weit hinaus sogar.
Ich beschloss also, die Sache vorerst auf sich beruhen zu lassen und ins Bett zu gehen. Schließlich hatte ich das schon vorgehabt, bevor dieser Anruf mich aus dem Konzept gebracht hat. Ich entledigte mich meines Bademantels und schlüpfte in meinen Pyjama, löschte das Licht und kuschelte mich in mein Bett. Und kaum hatte mein Kopf das Kissen berührt, fiel ich auch schon in einen unruhigen Schlaf.

~*~

Mitten in der Nacht erwachte ich. Auf meiner Wanduhr war es kurz vor ein Uhr. Erst nach einigen Sekunden fiel mir auf, dass ich die Uhr eigentlich gar nicht hätte erkennen können, aber die Nachttischlampe war eingeschaltet. Hatte ich nicht vorhin sämtliche Lichter in meinem Schlafzimmer ausgeschaltet? Wahrscheinlich war ich so müde gewesen, dass ich die Nachttischlampe vergessen hatte. Als ich erneut zur Uhr sah, war es bereits halb zwei. Aber wie konnte das sein? Ich hatte nur einen Moment lang weggesehen, dass konnte unmöglich eine ganze halbe Stunde gedauert haben! Irgendetwas stimmte hier nicht. Plötzlich sah ich, wie sich die Wanduhr veränderte. Es war, als ob sie sich in die Länge ziehen würde. Nein, um genau zu sein, schien es, als würde sie sich verformen, verflüssigen. Die Zeiger liefen nach unten, so dass es jetzt halb sechs zu sein schien und der Rahmen wandelte sich von der ursprünglichen Kreisform in ein längliches Oval. Aber das war doch nicht möglich! Ich schloss die Augen und als ich wieder hinsah, war alles normal. Die Uhr war wieder kreisförmig und die Zeiger standen auf halb zwei. Ich tat das alles als eine Halluzination ab und schrieb es meinem übermüdeten Verstand zu. Schließlich hatte ich kaum zwei Stunden geschlafen gehabt. Außerdem verspürte ich einen unbändigen Durst und somit ging ich in die Küche, um mir ein Glas Milch zu holen. Ich öffnete den Küchenschrank, holte mir ein Glas heraus und goss die Milch aus dem Kühlschrank ein. Dann fügte ich noch einen großzügigen Schuss Rum hinzu, welchen ich in Anbetracht der letzten Geschehnisse dringend nötig hatte. Ich leerte das Glas in einem Zug und als ich mich umdrehte, um zurück in mein Schlafzimmer zu gehen, war der Flur erfüllt von einem unheimlichen roten Lichtschein. Verwirrt und auch ein wenig ängstlich näherte ich mich der Küchentür. Als ich auf den Flur trat, blieb mir beinahe das Herz stehen. Vom anderen Ende des Ganges blickte mich ein wildes Augenpaar an. Keine menschlichen Augen, denn sie leuchteten in einem beängstigenden rot, welches auch den Lichtschein im Flur bewirkt hatte. Mehr konnte ich nicht erkennen, nur diese furchtbaren Augen und ihr wildes Funkeln. Ich wollte davonlaufen, doch meine Beine wollten mich nicht tragen. Ich konnte mich keinen Millimeter rühren. Plötzlich sprang das Etwas auf mich zu und reflexartig drehte ich mich zur Küche um und duckte mich, die Arme schützend über den Kopf erhoben. Doch nichts geschah. Kein Laut war zu hören. Verunsichert drehte ich mich wieder zum Flur und da war nichts. Kein roter Lichtschein und keine argwöhnisch blitzenden Augen. Einzig und allein der Mond beleuchtete spärlich den Gang. Langsam wurde mir das wirklich zu viel. Erst dieser Anruf, dann die Sache mit der Wanduhr und jetzt das. Das war selbst für Halluzinationen etwas zu heftig und ich fragte mich erneut, warum mich mein rationaler Verstand ausgerechnet in dieser Situation im Stich ließ. Und unvermittelt blieb mein Blick wieder an diesem seltsamen Zettel hängen. Vielleicht war das ja der Schlüssel zur Lösung dieser seltsamen Begebenheiten. Vielleicht war das sogar die Telefonnummer des Anrufers. Oh, dem würde ich aber gehörig die Leviten lesen, das stand fest!
Ich nahm also den Zettel in die Hand und ging ins Wohnzimmer. Dort setzte ich mich auf das Sofa neben dem Telefon, nahm den Hörer ab und wählte die Nummer von dem kleinen, quadratischen Notizzettel. Mehrere Male läutete es am anderen Ende und ich dachte schon, es würde niemand abnehmen, als sich doch noch eine Stimme meldete.
„Anne Perkins? Sind sie das?“ Schon wieder ein Fremder, der meinen Namen kannte, denn es handelte sich definitiv nicht um den vorherigen Anrufer. Dessen Stimme war rau und unerbittlich gewesen, klang beinahe wie ein Reibeisen. Aber die jetzige Stimme war sanft und fast beruhigend.
„Ja, ich bin es. Es tut mir leid, wenn ich Sie geweckt haben sollte, aber ich habe vorhin diesen Zettel in meinem Briefkasten gefunden. Da ich weder Ihren Namen noch die Nummer zuordnen konnte, habe ich nicht gleich angerufen. Aber in den letzten Stunden ist einiges geschehen, dass ich mir nicht erklären kann und ich hatte plötzlich das seltsame Gefühl, dass es etwas mit dieser Nachricht zu tun haben könnte. Wenn das für Sie jetzt völlig unverständlich klingt, kann ich das verstehen, aber...“
„Nein, nein, das tut es nicht. Es ist gut, dass Sie angerufen haben. Auch wenn ich nicht weiß, ob ich Ihnen noch helfen kann. Oder ob es schon zu spät ist.“
„Zu spät? Wie meinen Sie das?“
„Haben Sie denn schon den Anruf erhalten? Den Anruf des Anderen?“
„Ja, ich erhielt einen Anruf, aber was...“
„Was hat Er zu Ihnen gesagt? Was genau hat Er gesagt?“
„Ich weiß es nicht mehr, ich habe nicht so genau hingehört. Nur irgendetwas von wegen, mir blieben noch zwei Stunden oder so.“
„Wann kam der Anruf? Um Punkt Mitternacht, oder?“
„Ja, auf die Sekunde genau. Aber was zur Hölle bedeutet...“
„'Zur Hölle', das trifft es ganz gut...hören Sie zu, es ist jetzt kurz vor zwei Uhr, das heißt, ihre Zeit ist fast abgelaufen. Haben Sie Ihn schon gesehen?“
„Gesehen? Wen?“
„Na Ihn. Sie erkennen Ihn an Seinen Augen. Jeder erkennt Ihn an Seinen Augen.“
„Die roten Augen? Aber das war doch nur eine Halluzination, oder?“ Verzweifelt klammerte ich mich an diese Erklärung.
„Oh nein, das war keine Halluzination. Mit so billigen Tricks arbeitet Er nicht. Es tut mir sehr leid für Sie, aber ich kann Ihnen nicht mehr helfen. Sie haben mich zu spät angerufen. Ich kann nichts mehr für Sie tun. Es ist zu spät. Wenn Sie seine Augen schon gesehen haben, kommt jede Hilfe zu spät. Es tut mir leid.“
Und dann war die Leitung wieder tot. Ich verstand immer noch nicht genau, was der Fremde mir da eben gesagt hatte. Was war das nur für ein Spiel, das man hier mit mir trieb? Dafür musste es doch irgendeine logische Erklärung geben. Wahrscheinlich träumte ich das alles bloß. Ja, natürlich, dass musste es sein. Ein Alptraum. Das war doch die logischste Erklärung von allen. Ich war nach der Arbeit erschöpft nach Hause gekommen und ohne es zu merken, war ich auf der Couch eingeschlafen. Oder sogar in der Badewanne. Und dieser Zettel hatte mich so sehr beschäftigt, dass er mich bis in meinen Traum verfolgt hat. Das musste es sein, ganz gewiss.
Ich sah zur Uhr. Zwanzig Sekunden vor zwei Uhr. Wenn es ein Alptraum war, würde ich sicher bald erwachen. Und wenn nicht...nein, in diesem Fall gab es kein 'wenn'. Es war alles nur ein Traum.
Noch zehn Sekunden. Mein Herz schlug schneller und meine Atmung beschleunigte sich. Ich hätte mich für diese unbegründete Reaktion Ohrfeigen können. Nur ein Traum!
Fünf Sekunden. Der Zeiger ging unerbittlich auf die zwölf zu und schien mich zu verhöhnen. Unwillkürlich drehte ich mich zum Flur um. Hinter mir hörte ich, wie die Standuhr zweimal schlug. Das war das letzte Geräusch das ich hörte, bevor ich für immer in dem roten Licht Seiner Augen versank.

~*~

„He, Johnny, was ist denn hier vorgefallen?“
„Die Ärzte sagen, es war vermutlich Herzversagen. Schlimm genug, wenn es unsere Generation auf diese Weise dahinrafft, aber wenn es so junge Menschen trifft...sie war erst neunundzwanzig. Ich möchte zu gerne wissen, was den Herzstillstand verursacht hat. Sieh dir nur ihre Augen an. Vor Schreck geweitet. Also wenn du mich fragst, war das keine natürliche Todesursache, Herzversagen hin oder her. Irgendjemand oder irgendetwas hat sie eher zu Tode erschreckt.“ Johnny sah seinen Kollegen mit unheilvollem Blick an. Jetzt arbeiteten die beiden schon so lange zusammen im Polizeidienst und dennoch nahm es sie immer wieder mit, wenn junge Menschen auf so unerwartete Weise dahin schieden.
„Was hat sie denn da in der Hand? Sie klammert sich ja regelrecht daran.“
Jetzt sah auch Johnny das Stück Papier aus ihren verkrampften Fingern heraus schauen. Er zog sich die Gummihandschuhe über und zerrte den Papierfetzen aus ihrer Hand. Er las die Notiz kurz durch und zückte dann sein Telefon.
„Hey, was machst du denn da? Wen rufst du an?“
„Die Nummer auf dem Zettel. Ich würde meine rechte Hand darauf verwetten, dass der Typ was mit der Sache zu tun hat.“
Johnny wählte die Nummer und hielt sich das Telefon ans Ohr. Nur wenig später ertönte eine bekannte Stimme:
„Kein Anschluss unter dieser Nummer. Kein Anschluss unter...“

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Tag der Veröffentlichung: 19.12.2008

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