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Kapitel 1

 

 

„Und das hier ist dein Zimmer- wir hoffen es gefällt dir…“ unsicher schaute sie erst mich und dann ihren Mann an, der ihr aufmunternd zunickte. Dann öffnete sie vorsichtig die braune Holztüre, die sich mit einem leichten knarren öffnete und den Blick auf das Zimmer frei gab. Ich wusste nicht wie die beiden, oder eher Susan so vermutete ich, es geschafft hatten, aber ich fühlte mich auf Anhieb wohl in diesem Zimmer. Vielleicht lag es an der gemütlichen Einrichtung mit den weichen Kissen und Decken, dazu noch die bunte Lichterkette und das Bett, das zu Hälfte unter einer Dachschräge stand. Vielleicht lag es auch an den anderen etwas älteren, fast antik wirkenden Möbeln wie dem dunkelroten Ohrensessel der förmlich „setz dich“ zu betteln schien. Vielleicht war es aber auch das Zusammenspiel von alledem. Obwohl das Zimmer wunderschön war, überkam mich wieder diese Traurigkeit. Ganz versunken in die Betrachtung des Raumes hatte ich völlig vergessen, dass wir drei noch immer in der Tür standen. „Elaine, was ist los? Wenn dir etwas nicht gefällt…“ Zu meinem Entsetzen bemerkte ich, dass mir die Tränen die Wangen hinunter liefen, die ich sofort mit dem Handrücken wegwischte. Ich unterbrach sie schnell bevor sie diesen Satz beenden konnte. Natürlich gefiel mir das Zimmer, es war ein Traum. „Doch, es ist wunderschön.“ erwiderte ich schnell bevor sie sich weiter Sorgen machen konnten. „Aber es…“, ich schwieg. Ich wusste einfach nicht was ich sagen sollte, wie ich das ausdrücken konnte, was ich fühlte. Auch sie schienen nicht die passenden Worte oder den Mut zu finden, um das auszusprechen was sie dachten. 

Aber Ich musste etwas sagen, sie hatte sich so große Mühe gegeben bei diesem Zimmer. Ein „Danke“ war jedoch alles, was ich zustande brachte. Als ich Susan anschaute lächelte sie, doch  ich sah auch die Traurigkeit und das Mitgefühl in ihren Augen. „Ich glaube wir sollten Elaine erstmal  Zeit geben, sich hier ein wenig einzuleben.“ Sie schien mit dem, was ihr Mann gerade von sich gegeben hatte  nicht ganz einverstanden zu sein, ließ sich jedoch von ihm mitziehen, „ist gut Mark, aber wenn du irgendetwas brauchst, Kind, sag einfach bescheid.“. Mit diesen Worten gingen sie die Treppe hinunter, vermutlich in die Küche, und ließen mich allein. 

Tja, hier war ich also. Eine neue Stadt, ein neues Zuhause und vielleicht auch eine neues Leben- oder zumindest ein Neuanfang? Nach alldem was passiert war, vielleicht keine so schlechte Idee. Aber konnte man wirklich neu anfangen mit seinem Leben? Alles auf Null zurückschalten und vergessen was passiert ist? Natürlich wollte ich meine Vergangenheit hinter mir lassen, all den Schmerz und die Traurigkeit. Aber Erinnerungen kann man nicht löschen, zumindest nicht so einfach.

Ich hatte in der Therapie mit Melanie einige Male darüber geredet, wie es sei würde, hier in der Pflegefamilie zu leben, wieder zu Schule zu gehen und neue Freunde zu finden. Sie hatte gesagt, mit der Zeit werde es besser, oder zumindest einfacher. Doch ich hatte trotzdem Angst davor. Sicher die Summers waren nett, sie gaben sich alle mühe, dass ich mich hier wohl fühlte. Richtige Eltern konnten sie jedoch nicht ersetzen und das wollte ich auch gar nicht. 

Als ich mir die nächsten Tränen aus dem Gesicht wischte, fiel mir ein, dass ich ja noch immer in der Tür stand. Also trat ich ein, um mir die Einrichtung etwas genauer anzusehen. Sie hatten sogar einen kleinen Schreibtisch in das Zimmer gestellt, der vor allem in Verbindung mit dem Drehstuhl so gar nicht zur restlichen Einrichtung passten. Das war mir jedoch egal, wenn ich mich überhaupt dazu durchringen konnte, etwas für die Schule zu lernen oder Hausaufgaben zu machen, so tat ich das meistens im Bett. Aber vielleicht sollte ich jetzt, wo ja ein neuer Teil meines Lebens begann meine Einstellung zur Schule etwas ändern. Schließlich waren gute Noten ein Teil meines Führungszeugnisses und schlechte Zensuren konnte ich mir bei meiner jetzigen Situation wirklich nicht erlauben. 

Ich musste lächeln als ich den Zettel las, den Susan auf den Schreibtisch gelegt hatte. Ich mochte ihre feine verschnörkelte aber dennoch ordentliche Handschrift. Liebe Elaine, dieser Schreibtisch wird bei deiner Prüfungsvorbereitung hoffentlich treue Dienste leisten. Alles Wichtige zum Lernen, sowie Schreibzeug, Hefte und Blöcke findest du in den Schubladen. Wenn du noch etwas brauchst, sage mir Bescheid. Dein Stundenplan liegt in der ersten Schublade obenauf. Alles Liebe. Susan

P.S. mach dir keine Sorgen wegen der Schule, ich habe meinen Abschluss auch erst beim 2. Versuch geschafft.

P.P.S Das sollte jetzt aber kein Freifahrtschein fürs Faulenzen sein ;)

 

Jetzt musste ich schmunzeln, Susan war mit ihrer liebevoll strengen Art einfach ein Mensch zum gernhaben. Man muss wirklich von Glück reden, um bei einer Familie wie dieser zu landen, da hatte ich schon ganz andere Geschichten gehört. 

Ich ging weiter zur Kommode, die zwischen dem Schreibtisch und dem Bett stand. Sie war aus dunkelbraunem Holz, wie die meisten Möbel hier im Zimmer und hatte an manchen Stellen kleine hübschen Schnitzereien. Ich zählte, insgesamt zwei große und vier kleine Schubladen, das würde genug sein für die wenigen Klamotten, die ich noch besaß.   

Das Bett war ähnlich gemacht wie die Kommode und die vielen Kissen und Decken schienen mich geradezu aufzufordern, mich in sie hinein zu kuscheln. Doch erstmal sollte der Rest des Zimmers erkundet werden. Ich ging weiter zu meinem neuen Lieblingsmöbelstück, dem roten Ohrensessel. Das Licht fiel durch das große Fenster hinter, ein gutes Licht zum lesen dachte ich mir. Und um genau das auszuprobieren setzte ich mich, schloss aber sofort die Augen. Federn, oder nein, Wolken, schoss es mir durch den Kopf, ich sitze auf einer großen, weichen, dunkelroten Wolke. Aber genau in dem Moment, als ich dachte ich würde ganz in der unglaublichen Weichigkeit - gab es das Wort überhaupt? -versinken, klopfte es an der Tür und ich schreckte hoch. „Darf ich herein kommen?“ schallte es von draußen herein, ich nickte nur, wobei ich ganz vergessen hatte, dass Susan mich ja gar nicht sehen konnte. Sie öffnete trotzdem die Türe, mein Schweigen wurde scheinbar als Einverständnis interpretiert. „Wir wollen gleich rüber zu den Millers. Möchtest du vielleicht mitkommen?“ Wollte ich das? Ich musste überlegen. Eigentlich war es mir für heute genug an neuen Eindrücken und Personen, die ich kennenlernen musste. Andererseits wollte ich Susans Annäherungsversuche nicht komplett abblocken, Sie sah mein Zögern und begriff schnell. „Du musst natürlich nicht mit, es war nur eine Idee...“ Sie überlegte „Wie ich sehe hast du Norbert schon kennengelernt“ Verwirrt schaute ich sie an. Wer um alles in der Welt war Norbert? Außer mir und ihr war doch niemand in diesem Zimmer. „ N-Norbert?“ fragte ich nur. „Na, du sitzt doch drauf“. Erschrocken sprang ich auf. Hatte ich mich etwa auf ein Haustier gesetzt, ohne es zu merken? Jetzt musste sie lachen, und das tat sie aus vollem Hals. Oh nein, ich musste wohl ziemlich dumm aus der Wäsche geschaut haben. „Norbert ist der Sessel. Schon meine Oma hat ihn so genannt.“  Erleichtert atmete ich auf, also kein Haustier das ich versehentlich platt gesessen hatte, es war der Sessel. Und irgendwie, ja der Name passte zu ihm. Jetzt musste ich auch lächeln „Wie kommt man denn auf so einen Namen?“ Susan zuckte nur mit den Achseln „Ich weiß es auch nicht mehr, irgendwann war er einfach da, als hätte er schon immer so geheißen. Als Kind habe ich Stunden auf ihm gesessen und gelesen“. Kaum vorzustellen, Susan als kleines Mädchen mit einem dicken Buch in der Hand in diesem roten Sessel, der ihrer zierlichen Kinderfigur fast in seinen großen weichen Polstern verschlang. „Wenn du willst kannst du dir in der Bücherei ein paar Bücher ausleihen,  sie liegt hier gleich um die Ecke.“, fuhr sie fort. Eine Bücherei, hier? Ich möchte ja nichts sagen aber ich hätte nicht gedacht dass es in diesem Kaff eine Bücherei geben würde. Aber zu meinem Glück lag ich mit meiner Vermutung falsch. Eigentlich war ich nie ein besonders großer Fan von Büchern gewesen aber in den letzten Monaten war ich zum absoluten Bücherwurm mutiert. „Wie weit ist es denn zu dieser Bücherei?“ fragte ich vorsichtig, denn es beschlich mich die leise Vermutung dass „um die Ecke“ für sie nicht unbedingt das gleiche bedeutete wie für mich, einer typischen Großstadtbewohnerin. „Nur ein paar hundert Meter die Straße entlang, du müsstest sie auf der Herfahrt eigentlich gesehen haben“ fuhr sie fort und eigentlich wollte sie noch weiter reden, doch dann schallte Marks Stimme von unten zu uns herauf „Schatz, kommst du? Es wird Zeit“. Ein Blick auf ihre Uhr verriet Susan, dass er recht gehabt hatte, aber anstatt zu fluchen oder hektisch aus dem Zimmer zu laufen, um sich noch schnell fertig zu machen, wendete sie sich wieder mir zu. „Wir sind nicht lange weg und falls etwas sein sollte sind wir gleich nebenan…“ und ging dann aus dem Zimmer. Als ich keine Anstalten machte noch etwas zu sagen, drehte sie sich in der Tür noch einmal zu mir um und lächelte freundlich „Ruh dich erstmal etwas aus, es war bestimmt ein harter Tag für dich“. Ich  konnte wieder nur nicken, was war denn bloß heute los mit mir? Ich war doch sonst nicht so schüchtern und schweigsam. Vielleicht hatte sie ja recht und ich war einfach nur müde. Es war zwar erst früher Nachmittag, doch ich hatte die Nacht und den halben Tag  im Auto auf der Fahrt hierher verbracht. Dementsprechend hatte ich nicht viel geschlafen und fühlte mich jetzt wie am Morgen nach einer Übernachtungsparty. Zudem war ich ab heute offiziell das Pflegekind von Susan und Mark Summer. Natürlich kannte ich die beiden schon von Besuchen aber es war doch etwas völlig anderes jetzt wirklich hier zu sein in ihrem Haus, meinem neuen Zuhause. Ich stand also auf und beschloss, mein neues Bett bei einem kleinen Mittagsschlaf schon mal auszuprobieren.

Als ich wieder wach wurde musste es fast Abend gewesen sein, da die Sonne nun schon tief am Himmel stand und ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag. Ich stand auf und wollte eigentlich mit dem Auspacken meiner Sachen beginnen, da grummelte es mir im Magen- ich hatte Hunger, aber was für einen. Also machte ich mich auf den Weg in die Küche. Mussten Mark und Susan inzwischen nicht längst wieder zurück sein? Ich schaute mich um, doch weder im Wohnzimmer im Bad noch in der Küche war etwas von ihnen zu sehen. Nur einen kleinen bunten Zettel auf der Kühlschranktür strahlte mir freundlich entgegen, ich würde mir nun selbst etwas zu essen zu machen. Sind noch kurz einkaufen, etwas Auflauf ist noch im Backofen. Bis später. Mark

Ich musste wohl ziemlich tief geschlafen haben wenn mich nicht einmal das Essen geweckt hatte. Schnell holte ich den Auflauf aus dem Backofen und befürchtet schon fast auf der Suche nach Teller und Besteck die halbe Küche auseinandernehmen zu müssen. Doch wie in weiser Voraussicht stand alles schon auf dem kleinen hölzernen Esstisch. Keine Ahnung wie viele Bäume für die Möblierung dieses Hauses draufgegangen waren, aber es müssen etliche gewesen sein. 

Kochen konnte ich zwar ein wenig, aber das hier, oh das spielte in einer ganz anderen Liga. Er bestand aus Nudeln, verschiedenem Gemüse unter anderem Erbsen und Karotten mit einer Soße, vielleicht irgendetwas mit Käse? Ich genoss jeden Bissen des Auflaufes, so als hätte ich jahrelang nichts Richtiges zu essen bekommen. Was ja auch irgendwie stimmte. Der Kantinen-Fraß war, wie soll ich sagen, genauso wie in jeder Kantine eben, zum kotzen. 

Nachdem ich meine Portion auf dem Teller leer war, hatte ich zwar immer noch Hunger aber ich wollte auch nicht, dass sie mich für einen Vielfraß hielten. Also weg mit dem Teller in die Spüle und den restlichen Auflauf zurück in den Backofen. Und was sollte ich jetzt machen? Mark und Susan waren scheinbar immer noch Einkaufen und eigentlich hatte ich keine Lust hier im Haus herum zu hocken, der Mittagsschlaf hatte mir neue Energie gegeben. Die Bücherei- fiel es mir ein, da könnte ich hingehen, Susan meinte, es sei nicht weit und ich würde zur Sicherheit auch einen Zettel hinterlassen. Getrieben von der Vorfreude, endlich neue Bücher in die Finger zu bekommen, zog ich mir im Eiltempo Schuhe und Jacke an, es war mittlerweile doch etwas kühl geworden. Schnell kritzelte ich eine Nachricht auf einen kleinen Zettel und legte ihn auf den Küchentisch. Als letztes schnappte ich mir noch den Hausschlüssel, den mir Susan schon vor vier Wochen zu meinem Geburtstag übergeben hatte. Offenbar als Symbol für ihr Vertrauen und dass ich ein neues Zuhause haben würde. Mich wundert es immer noch, dass sie einer nahezu wildfremden Person einfach vertrauten und alleine in ihrem Haus ließen. Sicher, ich würde nie auf die Idee kommen hier etwas zu stehlen oder dergleichen, aber ich weiß nicht ob ich selbst dieses Vertrauen aufbringen könnte. Sich ein Pflegekind ins Haus holen, sich darum zu kümmern und dafür zu sogen dass es zumindest seinen Abschluss schafft. Aber so waren die Summers eben, freundlich, liebevoll und selbstlos. Die absoluten Traum-Pflegeeltern. Ich glaube fast ich habe in letzter Zeit  einen kleinen Schutzengel, der auf mich aufpasst und mir zu Seite steht. Ich hätte ihn damals schon gebraucht, dann wäre vielleicht alles anders gekommen.

Mist dachte ich, jetzt bin ich vor lauter Nachdenkerei doch in die falsche Richtung gelaufen. Ich war in der Zwischenzeit ein ganzes Stück gegangen und hatte die „Stadt“ oder wie auch immer man….. nennen sollte, fast verlassen. Der Waldrand lag kurz vor mir und ich wollte gerade wieder umkehren. Doch dann erschrak ich, was waren das für Geräusche im Gebüsch? Zweige knackten, Blätter raschelten und dann kam zuerst eine schwarze Nase, dann der braune Kopf mit den großen braunen Dropsaugen, schließlich dann der ganze zottelige, karamellfarbene Körper eines Hundes zum Vorschein. „Oh, wer bist du denn?“ fragte ich ihn. Keine Antwort. Oh man ich redete mal wieder mit einem Hund und wunderte mich dann, warum ich keinen Antwort bekam. Vorsichtig näherte ich mich dem Hund, man konnte ja nie sicher sein, was in diesen Tieren vorging. Doch meine Sorge schien unbegründet zu sein, freudig wedelnd stand er vor mir und beschnüffelte neugierig meine Hand. Wie er wohl heißen mochte? Und was machte er überhaupt hier im Gebüsch? Sicherlich vermisste ihn jemand. Also nahm ich ihn vorsichtig am Halsband und zog ihn langsam in Richtung des Gebüsches. Neugierig folgte er mir. „Was will denn die Tante von mir?“, musste er sich wahrscheinlich denken. Wir waren inzwischen am Wald angekommen. Wenn der Hund aus dieser Richtung gekommen war, so könnte sein Besitzer vielleicht noch immer hier sein, überlegte ich. Dann schrie ich „Haaaaaallllloooooooooooo- ist hier jemand?“ Nichts. Also noch mal ein lautes Hallo. Ich hörte wieder nichts, doch der Hund neben mir begann zu winseln und gleichzeitig vor lauter Freunde mit dem Schwanz zu wedeln. Offenbar hatten seine feinen Ohren etwas gehört, wozu meine, durch die Dauerbeschallung fast zerstörten Ohren, nicht in der Lage waren. Und tatsächlich, kurze Zeit später entdeckte ich eine Gestalt, die durch den Wal auf uns zu rannte. Sie musste mich ebenfalls entdeckt haben, oder den Hund. Denn ich konnte ein breites lächeln auf ihren Zügen erkennen, die mir immer näher kamen. Bei uns angekommen warf sie sich um den Hals des Hundes, dass ich dachte sie würde ihn zu Boden reißen. „Ohhh, Muffin. Was machst du denn immer für Sachen“ schimpfte sie in sein Fell und schlang ihre Arme, wenn möglich, noch enger um den brauen Hundekörper. Das ging noch einige Zeit so weiter, bis sie sich zu erinnern schien, dass sie ja nicht alleine hier war. Verlegen rappelte sie sich auf und schaute mich an. „Ehm Entschuldigung, wegen Muffin, er rennt mir immer davon. Danke dass  du ihn festgehalten hast.“, sie lächelte, doch dann kniff die die Augen zusammen und musterte mich mit leicht schief gelegtem kopf „Ich hab dich hier noch nie gesehen“ Mist, das musste ja gleich auffallen wenn jemand neues in dieses 100-Seelen Dorf zog. „Ja, bin neu hier“ gab ich zu. Jetzt lächelte sie wieder „Endlich passiert hier mal wieder etwas. Hier in …… ist es sonst sterbenslangweilig. Und alle anderen in  meinem Alter sind entweder absolute Vollidioten oder Oberzicken. Ach ja ich bin übrigens Corry. Und mein Hund heißt Muffin, aber den hast du ja schon kennen gelernt.“ Dieses Mädchen konnte plappern, ein Wasserfall war nichts dagegen. Aber sie schien nett zu sein, also was solls. Früher oder später musste ich ja die Bekanntschaft mit den anderen Bewohnern machen. „Ich heiße Elaine, aber alle nennen mich Elli“ Außer mein Vater er hatte mich immer bei meinem richtigen Namen genannt. Aber das sagte ich ihr natürlich nicht. Das ging niemanden etwas an. Corry schien ungefähr in meinem Alter zu sein, also fragte ich „In welche Klasse gehst du? Und bis du auch auf der n…“ weiter kam ich nicht. „nnn  natürlich. Ist ja die einzige Schule hier in der Nähe. Und ich geh in die 12. du müsste schon in der 13 sein oder?“ Betreten schaute ich zu Boden, „Nein, auch 12“  Sie hatte einen Nerv getroffen. Nach alldem was passiert war hatte ich erst einmal andere Sorgen gehabt als die Schule. „Ehrenrunde“ fügte ich kleinlaut hinzu. „Ach ist doch halb so wild, das kann jedem mal passieren“ natürlich, aber sie verstand nicht warum. Was ich in der letzten Zeit durchgemacht hatte, um jetzt so vor ihr stehen zu können. Ich war nicht einfach zu faul gewesen, aber ich hatte mir fest vorgenommen, niemandem der nicht sowieso schon davon wusste, wie den Summers, die Wahrheit zu erzählen. Wusste es einer, wussten es alle. Das galt besonders für Schulen und kleine Käffer, in denen es von lästernden Hausfrauen nur so wimmelte. Ich wusste, wie die Leute reagieren würden und das war das letzte, was ich wollte. Nein, was passiert ist mein Geheimnis und wird es auch bleiben. Also zuckte ich nur mit den Schultern. „Wollen wir zurück gehen? Es wird langsam Zeit…“ fragte ich. Corry nickte und wir machten uns nun zu dritt auf den Heimweg „Ich kann es kaum erwarten, deinen Familie kennen zu lernen“ Ich zuckte zusammen. Autsch, sie hatte es drauf, meine Schwachstellen zu treffen. Aber anstatt auf meine Reaktion zu achten plapperte sie nur fröhlich weiter „Komisch, ich habe keinen Umzugswagen oder so gesehen, aber ich bin ja auch schon seit Stunden mit Muffig unterwegs gewesen. Egal. Ich wohn hier mir meiner Familie, ach ja und Muffin natürlich auch.“ Als könnte man dieses lieben aufgedrehten Fellknäuel vergessen. Sie deutet auf das Haus und ich dachte zuerst, sie meinte das der Summers, mein neues Zuhause. Doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen, sie war die Tochter der …… „Und wo wohnst du?“ Es half nichts, innerhalb der nächsten fünf Minuten würde sie es wissen. Mist, so war das eigentlich nicht geplant, aber es hätte sich sowieso relativ schnell rumgesprochen. Zögerlich deutete ich mit dem Kopf auf das Nachbarhaus und ihre Augen wurden groß, ich meine wirklich groß. „Du-du bist das neue Pflegekind der Summers?!?“. Ihre Frage war wohl eher rhetorisch gemeint, denn nun war Corry völlig aus dem Häuschen. „Das ist ja soooooo cool! Endlich habe ich eine Nachbarin in meinem Alter, nie wieder langweilige Schulwege und Nachmittage. Meine Gebete wurden erhört!“ Meine aber offensichtlich nicht, denn ebenso wie sein Frauchen begann Muffin schwanzwedelnd hin und her zu wuseln und freudige „Wuffs“ von sich zu geben. 

„Was ist den hier los?“ 

Diese unbekannte Stimme war offensichtlich /kam es nun auch noch aus Richtung des Hauses. In der Dämmerung sah ich jedoch nur unscharf vier Silhouetten in der Tür, war mir aber sicher, Mark und Susan erkannt zu haben. Offenbar hatte sie der Lärm oder genauer gesagt Corrys Freudengeschrei und Muffins Gebell aufgeschreckt. Es war ein komisches Gefühl, sie einmal leise zu erleben, obwohl ich sie erst seit einigen Minuten kannte.

Da wir, perplex durch das Auftauchen der Erwachsenen, keine Anstalten machten, uns zu bewegen kamen sie auf uns zu. Im Schein der Laterne erkannte ich neben den Summers noch ein anderes Paar. Die Frau mit kurzen lockigem haar wie Corry, leichte Fältchen um Augen und Mund verrieten dass war wahrscheinlich im selben Alter wie Susann doch der Mann neben ihr sah etwas älter aus Seine grauen Schläfen glitzerten im licht kopf wirkt kahl  doch sein Gesicht war freundlich. Er hielt mir auch gleich seine Hand entgegen

„hallo ich bin Mr. … kannst mich auch Tom nennen. Du bist Elaine, nicht wahr?“

Ich nickte nur und vorsichtig Strecke ich ihm meine Hand entgegen. „keine Angst er beißt nicht“ kam es nun von der älteren Version von Corey „Ich bin ….. herzlich willkommen in… ich hoffe du gewöhnst dich schnell sein.“ Doch statt mir wie erwartet die Hand zu schütteln schritt sie auf mich zu und nahm mich in die Arme. Irgendwo musste Corry ihre offene und naja auch etwas aufdringliche Art herhaben. Aber lieber solche Nachbarn als totale Streithähne oder… weiter kam ich gar nicht, denn Susanns Stimme riss mich aus meine Gedanken.

„Es ist schön dass ihr euch schon kennengelernt habt aber es ist spät wir sollten uns langsam auf den Nachhauseweg machen“ 

„Aber besonders weit ist das ja nicht“, fügte s/M mit einem Zwinkern hinzu.. „Aber du hast recht, Für Elayne war es bestimmt auch ein anstrengender Tag“

Und trotz des ausgiebigen Mittagsschlaf konnte ich ihr nicht widersprechen. Ich fühlte mich plötzlich hundemüde.„Also dann, gute Nacht ihr Lieben“ 

Mit einem „Gute Nacht“ verabschiedeten wir uns und Corry umarmte mich zum Abschied.

Nach unseren Kinderfernsehtaglichen Verabschiedung nahmen wir die Abkürzung, einen kleine Sprung durchs Blumenbeet das an einer Stelle schon ganz abgetreten war. Im Haus entschuldigte sich Mark für einen Moment, er hatten wahrscheinlich einiges getrunken.

„Schön dass du Corry schon kennengelernt hast, sie ist ein nettes Mädchen aber leider oft allein. Ich hoffe ihr versteht euch?“ Ich war mir nicht sicher, was ich antworten sollte, schließlich kannte ich sie kaum. Aber es war zumindest schon einmal ein guter Anfang auch wenn ich nicht unbedingt geplant war neue Freundin die ich vermutlich als neue beste Freundin sehen würde und nach ihrem Gesprächstalent bald der ganzen Schule erzählt haben wird, dass ich hier als Pflegekin gelandet bin. Ich nickte, das Gähnen konnte ich  mir gerade noch verkneifen, doch sie musste es mitbekommen haben. „Oh entschuldige Liebes, du musst wirklich müde sein. Wir können ja morgen weiter reden?“ 

„Ja das ist eine gute Idee“ langsam ging ich auf die Treppe zu drehte mich um „Gute Nacht..“ ich hatte das Gefühlt noch etwas sagen zu müssen „Danke,.. danke für alles“

Susanne wirkte gerührt vielleicht auch ein wenig perplex „Aber selbstverständlich Liebes, schlaf gut.“

Die Treppenstufen knarzten leise als ich hinaufging und in meinem neuen Zimmer jetzt schon Gefühl von Nachhause kommen. Ich machte mir nicht mehr die Mühe, mich auszuziehen und da ich meine Sachen noch nich ausgepackt hatte, wäre ohnehin nichts zum anziehen da gewesen. Also kuschelte ich mich ins Bett. Ich hatte es mit den Summers wirklich gut getroffen, ich konnte von Glück sprechen solche Pflegeeltern bekommen zu haben. Ich hatte da schon ganz andere Schauergeschichten gehört. Unten redeten Mark und Susan noch miteinander doch ich verstand nicht mehr was sie sagten ich war einfach zu müde.

 

Kapitel 2

 

 

Ich erwachte am nächsten Morgen ohne so recht zu wissen, wo ich mich eigentlich befand. Doch dann fiel mir alles schlagartig wieder ein. Die Summers, Corry und ihre Eltern…ich war in meinem neuen Zuhause angekommen.

Und das Grummeln in meinem Magen verriet mir, dass es höchste Zeit fürs Frühstück war. Ich musste nur noch meinen Koffer mit den neuen Kleidern finden, denn in meinem jetzigen Aufzug konnte ich mich jedoch nicht hinunter wagen. Doch wo hatte ich ihn gestern nur hingestellt? Oh nein, ich hatte ihn im Flur stehen gelassen und danach nicht nachgeholt. Ich musste also wohl oder übel so wie ich war, verschlafen und mit verschwitzen Klamotten nach unten gehen. Vielleicht schliefen die Anderen auch noch und ich konnte ganz leise zumindest meine Kleidung und meinen Kulturbeutel holen. Vorsichtig schlich ich aus meinem Zimmer und hoffte innständig, dass der knarzende Boden mich nicht verriet. Doch unten angekommen erkannte ich, dass mein Plan nicht funktionieren würde, zwar hatte ich den Weg hinunter fast lautlos hinter mich gebracht, doch Mark und Susan saße am Tisch, hatten ihr Frühstück aber schon beendet. Mist.

„Morgen“ mehr bekam ich in meiner kurzen Schockstarre nicht heraus.

„Guten Morgen“ antwortete die beiden fast im Chor, Susan lächelte und zeigte auf den Tisch auf dem noch Brötchen und Marmelade und anderen aufstach stand. das sah alles köstlich aus und ich war gerade dabei, mich zu setzen, da wurde mir bewusst, dass ich wahrscheinlich aussehen musste wie der letzte Penner. Ich musste zuerst nach meinen Sachen suchen, das hatte oberste Priorität auch wenn mein Magen etwas anders behauptete.

„ Meine Sachen.. ich habe sie gestern vergessen“ stotterte ich schüchtern vor mit her und wies mit dem Finger auf meine Koffer, der immer noch sort stand wo ich ihn Vergessen hatte.

„Das ist uns gestern Abend auch aufgefallen“ unterbrach sie mich, „ doch du warst schon eingeschlafen, da wollten wir dich auch nicht wieder wecken“.

Als ich dann Anstalten machte, den Koffer in die Hand zu nehmen nahm Mark mir schon den Griff aus der Hand. 

„Ich bring ihn für dich hoch. Du hast bestimmt Hunger“ Und wie ich das hatte. Also überließ ich ihm meine Tasche und kam zu Susanne an den Tisch. Ich wusste nicht, wer auf welchem Stuhl saß doch hoffte mit dem, vor welchem der Teller mit Brötchen lag, eine gute Wahl getroffen zu haben.

Aufmunternd lächelte sie mich an und ich begann zu essen. Die Marmelade war köstlich und ich könnte drauf Wetten, dass sie selbstgemacht war.

Susann hatte währenddessen begonnen, in der Zeitung zu blättern. Dabei fiel mir ein Flyer auf der zwischen dem restlichen Stapel auf dem Tisch lag. Vorsichtig zog ich ihn heraus.

Es war ein Werbeflyer für einen kleine Flohmarkt heute. Aber er fand nicht hier im Ort statt. Ich kannte den Namen nicht, konnte mir aber nicht vorstellen dass es allzu weit entfernt war. Ich mochte Flohmärkte und war schon lange nicht mehr auf einem gewesen. Sollte ich Susan bitten, mich dorthin zu bringen? Oder hatten sie vielleicht schon andere Pläne für heute? „Su… ehm Mrs. Summer, wo liegt das,….“ erstaunt schaute sie auf „Du kannst mich doch Susan nennen. Ich bin doch schließlich nicht deine Lehrerin“ jetzt musste ich schmunzeln, sie erwiderte es. Ich merkte erst jetzt, wie angespannt ich gewesen war, ich hatte Angst etwas Falsch zu machen und sie zu verärgern. „..liegt ganz in der nähe mit dem Auto vielleicht eine viertel stunde. Was ist den dort?“ ich reicht ihr den Flyer. „Ohh, ein Flohmarkt das ist ja schön. Ich mag Flohmärkte, möchtest du da gerne hingehen?“ 

ich brachte ein schüchterne „Ja“ zustande was eher wie eine frage als Aussage anhörte.

„Er geht aber erst um 12 Uhr los“, überlegte sie „vielleicht möchtest du Corey fragen, ob sie auch mitkommen möchte?“ 

„Mhmm,“ Ja sollte das eigentlich heißen aber ich hatte den Mund voller Marmelade und frischen Brötchen. Man war das peinlich. Ich spürte bereits wie mir die Röte ins Gesicht schoss. 

Susanne lachte „Iss aber erstmal in Ruhe auf. Sie wird ohnehin nicht viel weiter sein als du. Ihre Familie besteht aus ziemlichen  Langschläfern“, fügte sie zwinkert hinzu.

Wie nicht anders zu erwarten, war Corey völlig aus dem Häuschen, als ich nach dem Essen zu ihr hinüber ging. 

„Wir richten uns nur noch, in einer halben Stunde gehts es los.“ rief ich ihr noch zu als ich wieder über den Blumengarten sprang.

Bis wir dann aber endlich losgingen, war es deutlich später. Dies lag zum Teil daran, dass Corey ihren Hund unbedingt mitnehmen wollte, ihre Eltern aber ablehnten. Ein Hund gehörte schließlich nicht auf einen Flohmarkt, allerhöchstens würde er sogar noch etwas kaputt machen mit seinem ständigem Schwanzwedeln. Mit der Alternative überhaupt nicht mit zu dürfen, lenkte sie schließlich ein, auch wenn es ihr schwer fiel das traurig dreinblickenden Fellknäul zurückzulassen. Die kurze Autofahrt über blieb sie zu meinem Erstaunen dann auch ziemlich still. Doch kaum waren wir angekommen, war sie nicht mehr zu bremsen. Sie wollte am liebsten überall zugleich sein, alles auf einmal sehen. Sie erinnerte mich ein wenig an kleine Kinder im Süßigkeitenparadies. Vollkommene Reizüberflutung.

Und auch wenn es bei den meisten Flohmärkten unglaublich vieles zu sehen gab, so hatten sie für mich auch eine beruhigende Wirkung. Ich genoss die Atmosphäre. Ich war früher mit meiner Mutter und meiner kleinen Schwester oft auf Flohmärkten gegangen, hier zu sein gab mir das Gefühl, ihnen wieder etwas näher zu sein. Ich erinnerte mich gerne daran, wie ich mit ihnen in alten Zeiten durch all die verstaubten Zeugen ihrer Zeit zu stöbern, in der Hoffnung den ein oder anderen kleinen Schatz zu entdecken.

Ich kannte das Gefühl von Sehnsucht und Trauer allzu gut doch das hier war noch etwas anderes. Es fühlte sich an wie ein leichter Schauer der mir über den Rücken lief, doch gleichzeitig wurde es warm in der Magengegend. Es war nicht unangenehm, doch ich konnte es auch nicht zuordnen. Wieder ein leichter schauer, der ein prickeln auf der Haut zurückließ. Das Gefühl eines stechenden Blickes im Rücken ließ mich mich umschauen. merkwürdig, hier schien jeder auf sich selbst oder auf die Sachen vor sich fixiert zu sein. Und da sah ich ihn. Ich hatte ihn noch nie zuvor in meinem Leben gesehen und dennoch war da dieses Gefühl, das mir sagte, dass ich ihn kannte. Wie ein Deja-vu, nur viel stärker. Es war als würde ich jemanden wiedersehen, den ich schon ewig kannte und der mir viel bedeutet. 

Ich musste mich wahrscheinlich benehmen wie eine Irre, die einen Wildfremden anstarrt als wäre er der Weihnachtsmann. Doch zu meinem Erstaunen lächelte er nur. Nicht zur Belustigung, sondern ein sanftes, freundlich lächeln.

Ich konnte nicht anders, ich musste ihn anstarren. Irgendwoher kannte ich ihn bestimmt, es musste mir nur endlich einfallen. Ein junge oder eher ein junger Mann, ungefähr in meinem Alter oder etwas älter, das konnte ich nie so genau sagen, was das Schätzen von Alter anging, war ich eine absolute Niete. Seine blonden Haare reflektierten das Sonnenlicht, doch es waren seine Augen, von denen ich meine Blick nicht abwenden konnte. Sie waren nicht nur braun, sie leuchtenden in einem hellen karamelltot, nein sie strahlten mich an wie zwei kleine Sonnen. Ich hatte so eine Farbe noch nie gesehen, und doch fühlten sie sich auf merkwürdige Weise vertraut an. Das warme Gefühl in meinem Bauch verstärkte sich, verwandelte sich in ein kribbeln und flattern. Ich spürte ein leichtes Ziehen in meiner Brust und mein Herz pochte augenblicklich schneller. Ein leichtes Schwindelgefühl lies mich ein wenig ins wanken kommen, doch ich konnte meinen Blick immer noch nicht von seinen Augen lösen. Ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, doch mein Kopf blieb leer, so sehr ich mich auch bemühte. Er hatte mich völlig in seinen Bann gezogen- Aber auch sein Blick ruhte unentwegt auf mir, wobei ich seinen Miene jedoch nicht deuten konnte.

„Elayne“ rief mich jemand von hinten und riss mich dabei aus meiner tranceartigen Starre, erschrocken drehte ich mich um. Es war Corey. „Wo bleibst du denn?“ verwirrt schaute ich erst sie an, dann drehte ich mich zurück. Doch ich hatte es schon befürchtet, das merkwürdige und doch schöne Gefühl war verklungen sobald ich mich umgedreht hatte, und mit ihm war auch er verschwunden.

„Wir warten schon auf dich, du warst irgendwann einfach verschwunden“. Wie lange habe ich hier gestanden? Sie schaute mich immer noch fragend an und mir wurde klar, dass ich irgendetwas antworten musste.  So zwang ich mich, meinen Blick wieder ihr zuzuwenden. „Ich…Ich hatte was entdeckt“ stammelte ich verlegen. Ja ich hatte etwas oder vielmehr jemanden entdeckt.

„Naja, wir würden jetzt gerne wieder zurück.“ Ich reagiere jedoch schon wieder nicht, sondern starrte weiterhin den leeren platz vor mir an wo Er zuvor gestanden hatte. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Wer war er? Oder hatte ich mir das etwa nur eingebildet? Diese Situation war einfach zu merkwürdig, und hätte Corey ihn dann nicht auch sehen müssen?

„Kommst du??“ Jetzt wurde sie ungeduldig. Wiederstrebend drehte ich mich ihr wieder zu und nickte langsam. Ich fühlte mich zwar immer noch wie paralysiert doch ich folgte ihr langsam durch das Gewirr aus Menschen und Stände.

                                                *   *   *

 

 

„Na hast du was hübsches gefunden?“, verwirrt schaute ich auf. Hatte Susan diese Frage etwa an mich gerichtet?  Ein Blick auf ihr fragendes Gesucht verriet mir, dass sie tatsächlich mir gegolten hatte. Ich schüttelte den Kopf, doch da fiel es mir wieder ein. Vor meinem eigenartigen Zusammentreffen mit dem mysteriösen Jungen, der Wahnvorstellung oder was auch immer, hatte ich etwas erstanden. „Ein altes Buch,“ berichtete ich, „Ich mag diese alten Einbände“ fügte ich noch schnell hinzu. Damit schien sie sich zufrieden zu geben. Ich nahm die Gabel wieder in die Hand und widmete mich wieder meinem Mittagessen.

„Hast du schon mit Corey besprochen wann ihr morgen los wollt?“ okay, zu früh gefreut.

„ Zu deinem ersten Schultag solltest du ja nicht zu spät kommen“ fügte sie hinzu als ich ihr verständnislos in die Augen sah.

Oh shit, die Schule hatte ich ja fast vergessen. Meine Begegnung beim Flohmarkt ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Er erinnerte mich an jemanden, doch nicht erinnern es ist als verloren und nicht wiederfinden, als undurchsichtige Wand und nicht sehen was dahinter ist. Wie auch immer, ich musste ihn vergessen. Es hatte doch keinen Sinn, sich wegen einer Vata Morgana das Hirn zu zermatern. 

„Ich geh nachher kurz rüber aber davor möchte ich gerne meinen Sachen voll ausräumen“

„Ist gut, Elaine. Abendessen gibt es um 7 wenn du möchtest.“

Ich nickte kurz und ging dann hoch in meine neues Zimmer. Die Wäsche lag auf de ganze Boden verstreut, ich hatte sie heute Morgen auf der Suche mach meine Kulturbeutel komplett durcheinander gebracht. Doch so viel war es eigentlich nicht. Ich hatte nie viel wert auf Kleidung gelegt. Naja, en hübsches Kleid oder ein cooles Top hatte ich mir schon gekauft aber das nahm nicht die Ausmaße an, wie sie bei anderen Mädchen meines Alters sogar fast als normal durchgegangen wäre. Immerhin passten all meine Habe in diesen einen Koffer. Mit dem Geld aus dem Verkauf der Möbel und und Wertgegenstände wurden die Kosten der Beerdigung gedeckt und der kleine Rest lag auf einem Konto zu dem ich erst nach dem Schulabschluss bzw. meinem 18. Geburtstag Zugang bekommen würde. Nur einige kleine Erinnerungsstücke, darunter ein paar Fotos meiner Familie und die Eheringe meiner Eltern, welche ich an einer Kette  trug, hatte ich behalten. 

Aber was hätte ich auch anderes tun sollen? Ich war damals noch nicht einmal 17 gewesen und andere Familienmitglieder hatte ich nicht. Und niemand vertraute mir jetzt noch einen eigen Haushalt zu, nich nach alldem was passiert war. Zudem hatte ich nicht das Geld für eine eigene Wohnung und keinen Schulabschluss. Mit einer Ausbildung sähe das vielleicht anders aus aber ich hatte meiner Mutter versprochen, die Schule fertig zu machen. Sie hatte es schwer ohne gehab und wollte mir nicht das selber Schicksal zumuten.

Ich wurde aus meinen Erinnerungen gerissen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Doch anstatt auf ein herein zu warten, öffnete sch die Tür.

„Hey, Susan meinte, du wärest hier oben am Auspacken“ nachdem sich Corey kurz im Zimmer umgeschaut hatte, fügte sie schmunzelnd hinzu „ weit biste aber noch nich gekommen!“

„Ich könnte Hilfe gut gebrauchen, also wenn du möchtest?“fragte ich eher im Scherz, doch zu meinem Erststauen wollte sie tatsächlich helfen. 

Mit ihrer Unterstützung verschwand die Wäsche in Windes eile in Schrank und Kommode. Handy und Laptop fanden auf dem Schreibtisch ein Zuhause und auch alles andere wanderte an seinen Platz.  

„ich wusste gar nicht, dass du so gerne aufräumst“ durchbrach ich schließlich die Stille.

Etwas schüchtern schaute sie mich an „Ich weiß das denk man von mir, weil ich so… wild/ durchgedreht aber wenn es in meinem Kopf ,dann soll wenigstens meine Umgebung ordentlich sein.“  nein das denkt man wirklich nicht wenn man sie kennenlernt aber es ist schön, auch mal eine andere Seite von ihr kennen zu lernen. „Hoffst du, dass das dann auf deinen Kopf abfärbt?“ fragte ich sie. erst sagte sich nichts doch dann gab sie ein leises glucksen von sich.

Ich hätte es nicht für möglich gehalten in so kurzer Zeit jemanden zu finden den Freundin nennen konnte. auch wenn sie gerne und viel redete, so doch spaß mit ihr, unbefangen und einfach. Ich hoffte nur dass sie keine Fragen stellte. Aber ich wusste auch dass es dumm war, früher oder später würde sie es tun. (Und ich wusste nicht wie ich drauf reagieren würde.)

 

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Texte: Annika Funk
Tag der Veröffentlichung: 18.01.2020

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