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Charly

Ich war beauftragt eine Zeugin zu finden. Klara Bulnikow war verschwunden. Falls sie noch am Leben sein sollte, war Bruno Cavalli, der Mafiaboss geliefert. Hatte er doch den Fehler gemacht eigenhändig jemanden zu erschießen. Dabei hatte ihn Klara beobachtet. Jedenfalls führten die Recherchen von mir und dem Staatsanwalt zu Brunos Bruder, der ein gutgehendes Beerdigungsinstitut betrieb. Dabei war ein Sargtransport aufgefallen. Laut einem Zeugen hatte einer statt gefunden, aber bei Brunos Institut: kein Vermerk! Die Spur führte nach Richfella, einem trostlosen, kleinen Dörfchen. Da stand ich nun in einer windschiefen Baracke und sprach den Friedhofsverwalter an. Hank hieß er mit samt seiner heruntergekommenen Erscheinung.

„Ist vor 14 Tagen vielleicht ein Begräbnis gewesen?“ Hank schüttelte sein Haupt und ich meinte Läuse heraushüpfen zu sehen.

„Nee.“

„Arbeitet hier sonst noch jemand?“

„Nur Charly“, grinste er mich spitzbübisch an, „aber der ist plem plem. Aber so was von... Der hatte vor 5 Jahren einen Autounfall.“ Er schlug sich an die fettigen Haare.

„Kopf, verstehen sie? Sie haben ihn dann in irgend so eine Klinik gesteckt. Haben ihn aber wieder raus gelassen. Sei harmlos, sagten sie. Das Dorf hat ihn hier untergebracht. Schaufelt fleißig, gibt’s gar nichts. Und ich kann ne ruhige Kugel schieben. Der pflegt den Friedhof wie irre!“

Kollerndes Gelächter.

„Na, dann, danke auch“, wandte ich mich ab.

„Quatschen sie ruhig mit ihm Quatschen tut er gerne. Und nehmen sie ne Flasche mit, dann haben sie noch mehr Spass.“

Wieder kullerte ein lachendes Dröhnen hinter mir her.

„Märchen! Faselt gerne Märchen!“

Der Lachkrampf tönte noch lange nach.

Ich folgte dem Rat von Hank. Whiskey, oder Klarer. Klarer war billiger. Wenn Hank schon so ein verkommener Kerl war, würde für Charly das billigere auch genügen. Ich traf ihn beim Jäten bei Grab 29.

„Hallo Charly“

„Hallo“, schaute er mit blitzblauen Augen auf.

„Was machst'n hier?“

„Och, Hank hat gesagt ich soll mal bei Dir vorbei kommen. Mit dir quatschen.“

Ich ließ ihn die Flasche sehen.

„Komm rüber“, winkte er, „scheinst `n netter Kerl zu sein.“

Wir setzten uns auf eine Friedhofsbank. Wir tranken einvernehmlich. Ich tat nur so, während er mindestens eine ganze Toilettenspülung runter ließ.

„Sag mal, war vor 14 Tagen vielleicht eine Beerdigung?“

„Iwo“, blubberte er mit seinen blauen Augen. Sie waren wirklich betörend, mit einem glasigen Film überzogen.

Alle sagen ich hätte sie nicht alle, aber das stimmt nicht.“

„Natürlich nicht“, beeilte ich mich. „Hätte ich doch merken müssen.“

„Eben!“ Er besah sich den Himmel.

„Und in letzter Zeit war wirklich nichts los? Kam vielleicht ein Auto mit 'nem Sarg, oder so was?“

„Ja, wenn ich’s recht überlege, da war was.“

Ich versuchte gelangweilt zu bleiben. Man musste sich vorsichtig heran pirschen.

„Aber ob das vor 14 Tagen war, das weiß ich nicht so genau. Mit der Zeit hapert’s bei mir ein wenig. Da war ein Herr, das war vielleicht ein schmieriger feiner Pinkel!“ Ich schüttelte mich geekelt.

„Genau!“

Nächste Toilettenspülung.

„Der bat mich einen Sarg einzugraben.“

„Ehrlich?“ Ich war gespannt wie eine Bogensehne und knetete mit den Händen.

„Aber so einfach geht das nich’!“

„Türlich!“

„Hat mir `nen Hunni geboten. Aber nicht mir mit mir!“

Neue Toilettenspülung.

„Türlich!“

„Aber bei 200 hab ich ein Auge zugedrückt, verstehste?“

“Türlich!“

„He“, sprang er auf. „Du bist doch wohl nich’ ein ganz Schlauer, wie? Hintenrum sich noch beschweren wollen? Nich` mit Charly! Ich hab ordentliche Arbeit geleistet, darauf kannste einen lassen!“

„Na klar, na klar!“

Er schleppte mich und die Flasche mit, bis wir an einen neu gesetzten Grabstein ankamen. „Alles genau nach Vorschrift.“

Auf dem Grabstein stand nur Unbekannt.

„Weiß nich’ was drauf steht, obwohl ich früher ne eins in Rechtschreibung hatte. Daran kann mich noch genau erinnern.“ Ich schielte ihn an.

„Ja, ja, da fehlen noch so was wie Zahlen, aber Hank hat auch gesagt das ginge in Ordnung. Zufrieden?“

„Das haste Klasse gemacht“, lobte ich.

„Komm, lass uns wieder zur Bank gehen.“

Wir saßen. Die Flasche neigte sich dem Ende zu, daher musste ich mich beeilen.

„Wenn du das so toll gemacht hast, erzähl doch mal, wie das genau war. Ich interessiere mich nämlich brennend für deine Arbeit.“

„Ja, ja jetzt fällt’s mir ein, da war doch was Besonderes. Als ich den Sarg vorm Grab hatte, da hörte ich was. Es kam aus dem Sarg.“

„Echt?“

„ Ja, man hat schon viel gehört von Vampiren und so. Du brauchst nicht glauben, dass ich hinter dem Mond bin.“ „Bestimmt nicht.“

„Jedenfalls bin ich kein Angsthase. Ich hab den Sarg aufgemacht. Und da war se drinnen.“ „Was, wie, wer?“

„Na ‘ne Frau. Die war halb bewusstlos, hat aber noch geatmet und gehustet.“

Klara, schrie es in mir!

„Das war aber mutig“, sagte ich vibrierend.

„Na, was sollte ich denn tun mit dem armen Ding? Da hab ich sie zur alten Miss Waterhouse gebracht. Die hat so’n steinernes Haus mit Eichentür. Ich hab geklopft aber sie hat nicht aufgemacht. Da hab ich die Tür eingedrückt. War nich’ richtig verschlossen und sie dort abgegeben. Dann bin ich leise wieder raus und habe die Tür wieder zu gemacht. Ehrlich du, bei Miss Waterhouse geht’s ihr gut. Die kümmert sich um sie.“

Er ächzte. Die Geschichte schien ihn angestrengt zu haben.

„Aber eigentlich war echt nichts los, das schwöre ich“, endete er.

Ich seufzte auch dann wagte ich die alles entscheidende Frage.

„Wo wohnt sie denn, ich meine Miss Waterouse?“

„Ich hab ihr sogar am Tag drauf Blumen gebracht, fuhr er unbeirrt fort. Man muss sich doch bedanken, dass sie die Frau nächtigen ließ, oder nich`?“

„Ja, ja“, ich wurde ungeduldig. „Wo wohnt sie denn nun?“

„Mann, bist du blind?“

Er zeigte mit ausgestrecktem Arm nach Westen. Hinter dem Friedhof befand sich nur ein Kornfeld.

„Da ist kein Haus, nicht mal ‚ne Hütte“, sagte ich verwirrt.

Er schüttelte resignierend den Kopf.

„So was von plem plem“, murmelte er.

„Komm!“ Er riss mich mit sich und stapfte los.

„Ich gehe vor, du Dödel!“.

Er blieb stehen. Da!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf dem steinernen Grabstein stand Miss Waterhause, gestoben 1852. Schöne, frische Blumen waren in dem Beet der Grabstelle eingepflanzt.

„Ich hab’ sie ganz vorschriftsmäßig bei ihr abgegeben.“

 

Impressum

Texte: Guenter von tetzeli
Bildmaterialien: Monika Heisig
Tag der Veröffentlichung: 28.02.2015

Alle Rechte vorbehalten

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