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Ein Clown hatte seinen Auftritt vor sich. Er saß in seinem Garderobenzimmer, um sich vorzubereiten. Er besah sich im Spiegel und dachte an seine Geliebte. Er beschmierte sich mit weißer Farbe, glänzend, wie ein Firnis. Auf der Bühne war es immer unangenehm. Die Poren des Gesichtes konnten nicht atmen und schwitzten. Er rieb erst die eine Backe ein, dann die andere. Er mußte, so wie er sich gerade im Spiegel kontrollierte, wieder an sie denken. Nun kam die Farbe rot dran. Er unterstrich seinen Mund mit diesem roten Estrich. Er prüfte wieder in seinem Ebenbild. Mit weißem Gesicht und knallrotem Mund würde er sicher wieder Erfolg haben, so wie immer. Ja, er fand, er sah gut aus. Vielleicht war sie sogar im Publikum, er war sich dessen aber nicht sicher. Sie hatte es fest versprochen da zu sein. Er brauchte sie doch! Wie gut hatten sie sich verstanden, als sie gemeinsam spazieren gegangen waren. Sie gab ihm Geborgenheit und sie hielt offensichtlich große Stücke auf ihn. Er sei Künstler hatte er ihr erklärt und würde im Theater Vorstellungen geben.
Er überprüfte nochmals seine Maske, trug noch Puder auf und übte ein paar Grimassen. Die Schminke begann schon jetzt zu jucken.
„War sie da, oder nicht?“, fragte er sich.
Er warf nochmals einen letzten Blick auf sein Outfit und beschloß aufzustehen. Das Publikum wartete.
Er mußte hinaus. Eine weiße Maske strahlte ihn an. Der dicke Lidstrich wurde noch betont. Sehr gut. Er war mit der Entfremdung zufrieden.
Vielleicht war sie ja tatsächlich gekommen, um ihm zuzusehen. Zumindest wünschte er sich es sehnlich.
Er zog sich seine Halskrause über, dann den farbenfrohen Umhang. Ein letzter, endgültiger Blick in den Spiegel. Vielleicht zum letzten mal, dachte er. Die Schminke pappte. Richtig ekelhaft.
Die weiße Fratze mit den triefenden Augen lächelte ihm belustigt zu.
Nein, eigentlich wollte er sich nicht mehr lächerlich machen!
Jetzt mußte er aber los.
Er stolperte auf die Bühne nach draußen. Er stürzte, fiel wie geplant über seine Latschen und knallte auf den Boden. Ein inbrünstiges Geheul entpfiff seiner Lunge.
Das Publikum johlte.
Nur er selbst dachte bei sich:
„Hoffentlich ist sie nicht

da!“

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Tag der Veröffentlichung: 17.02.2013

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