Der Sessel war angewärmt. Weiches Leder unter meinem Hintern, eine Zeitung in meinen Armen, so konnte es mir gefallen. Die Brille thronte auf der Nase und die Pantoffeln kümmerten sich um die Füße. Es ging so. Der Weihnachtstag nahm für den absoluten Herrscher des Heimes einen wohlfeilen Verlauf.
Meine liebe Frau stand plötzlich in der Türfüllung und hatte die Arme in die Hüften gestemmt.
„Rudi! Hast du denn nicht irgendetwas vergessen? Du musst noch Auguste abholen!“
„Guck doch mal auf die Uhr. Das hat doch noch ewig Zeit!“
„Es ist gleich halb 10 Uhr, und auf den letzten Drücker, das kommt nicht in Frage“, befahl mein lieber Kompaniespieß.
„Ich habe doch schon alles erledigt“, protestierte ich. Ihr Blick genügte.
Ich reckte mich, stand auf und zog meinen Mantel an. Ich pflegte als absoluter Hausherr immer zu folgen. Alles andere, das garantiere ich Ihnen, bringt nichts.
„Hast du Schlüssel, Geld, deinen Kopf dabei?“
„Ja, ja, ich habe alles.“
„Ich freue mich schon auf Auguste“, rief sie mir nach, als ich aus dem Haus ging.
„Und vergiss ja nicht die Bockwürste für Heiligabend!“
Ganz entspannt würden wir da feiern und Auguste würde die Hauptrolle am ersten Weihnachtsfeiertag spielen.
Es war nicht weit zum Marktplatz. Dort war nicht nur der Weihnachtsmarkt, sondern auch die Fleischerei Wurstl. Ich schlenderte in aller Ruhe so vor mich hin, denn bis Mittag hatten die Geschäfte ja noch geöffnet. Pünktlich um 10 Uhr betrat ich die Fleischerei.
„Hallo“, sagte ich, “ich würde gerne Auguste abholen.“
Frau Meier, die meine Frau gut kannte und so gerne mit ihr tratschte, warf mir ein professionelles Lächeln entgegen. Sie wusste wahrscheinlich besser über mich Bescheid, als ich selbst.
Dann runzelte sie die Stirn und setzte eine Trauermine auf.
„Das tut mir aber leid“, begann sie und erzählte anschließend mindestens 10 Minuten lang. Kurz gesagt, Bauer Ewald hätte eine Reifenpanne und die bestellte Gans Auguste würde sich deshalb erheblich verspäten. Die Bockwürste wären natürlich da.
Ich versuchte die Katastrophe zu überspielen und etwas Druck auszuüben.
„Verstehen sie, es wäre doch grauenhaft, wenn man nicht an den Oberschenkeln von Auguste genüsslich knabbern könnte. Da vergeht einem ansonsten doch die ganze Lust. Wissen sie, das Begehren vorher, das ist doch das Entscheidende. Und dann noch der Duft, da läuft einem doch das Wasser im Munde zusammen.“
Die Wurstelmeierin wirkte etwas irritiert und fror ihr konstantes Lächeln ein. Die Verkäuferin neben ihr krümmte sich. Sie war vorn über gebeugt und zitterte am ganzen Leib. Würgende Töne wurden unterdrückt.
„Was hat sie denn“, wollte ich wissen. Jetzt prustete sie.
Frau Wurstelmeier erklärte mit hoch erhobener Brust:
„Sie heißt auch Auguste!“
Ich glaube, dass ich rot geworden bin. Ich dachte an das „Oberschenkelknabbern“.
"Ja denn“, sagte ich beiläufig, „dann versuche ich es eben erst in zwei Stunden.“
Die Verkäuferin mit Namen Auguste brach nun in offenes Gelächter aus. Sie konnte sich gar nicht mehr einkriegen.
„Oh je“, verbesserte ich mich, „also komme ich in zwei Stunden wieder vorbei.“
„Ist recht“, nickte Frau Meier mir zu, warnte mich aber mit erhobenem Zeigefinger.
„Aber ab 12 Uhr ist Schluss! Da brauchen sie es gar nicht mehr probieren! Da können sie auch die Bockwürste mitnehmen.“
Die Verkäuferin keckerte dermaßen, dass sie sich abstützen musste. Ich grinste gequält und schlich hinaus. Kollerndes Gelächter prallte auf meinen Rücken. Frau Meier rief mir noch nach, was ich für ein Schlimmer sei und dass ab 12 Uhr Mittags nichts mehr ginge. Gemeinheit! Wahrscheinlich hielt sie mich für einen Lustmolch.
Ich war froh, als die Türe zur Metzgerei Wurstl hinter mir zufiel und endlich dieses Gackern abschnitt.
Direkt am Marktplatz war ich inmitten des Weihnachtstrubels eingekeilt. Die meisten Leute eilten hektisch durcheinander, wie wenn sie in letzter Minute einer Lawine entkommen wollten. Wie kann man nur so doof sein und sich in letzter Minute so stressen. Die waren selber Schuld. Normalerweise kann man in Ruhe alles vorher organisieren. Nicht zu fassen! Ein Glück, dass ich so ein Koordinationstalent bin.
Aber es gab auch einige, welche die Ruhe selbst waren. Zu ihnen fühlte ich mich hingezogen. Sie standen zufällig an den Ständen, an denen Glühwein ausgeschenkt wurde.
Schon war ich dort. Ein Glühwein konnte nichts schaden, weil mir die Kälte schon in die Glieder fuhr. Dabei stellte ich mir vor wie Frau Wurstelmeier demnächst über mich herziehen würde, wenn sie auf meine Frau treffen würde.
Was soll`s, es war doch schließlich Weihnachtstag. Zum Teufel mit der Fleischverkäuferin. Zum Teufel mit ihren Schenkel und keineswegs zum Teufel mit ihrem Vorbau.
Ich bestellte also einen Becher zwischen ausgelegten Tannenzweigen.
Wie üblich schwappte die übergroße Kelle ordentlich, aber es blieb noch genügend im Becher, so konnte ich zufrieden sein. Langsam schlürfte ich an der heißen, hauptsächlich süßen Brühe, während ich dem emsigen Treiben zusah. Bevor man hier in Alkohollaune kommen konnte, hatte man schon ein Diabetesproblem.
Eine Stimme stülpte sich über mein Ohr, wie eine Drahtschlinge.
„Hey, altes Haus, auch Freigang bekommen?“
Ottmar war es, der mir schon zu meiner Kindheit in der Schule auf die Nerven gefallen war.
Ich versuchte vorsichtshalber zu lächeln und Überraschung auszudrücken, weil ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Seine piepsige Eiswürfelstimme hätte ich auch noch in einem Hochofen erkannt.
Der Händler erfasste die Situation sofort und goss zwei neue Becher voll. Ich nickte als mein Einverständnis und zu seinem Umsatz.
Ottmar hatte drei übergroße Plastiktüten dabei.
„Meine Olle hat mich losgeschickt. Und ich bin ganz froh. Die letzten Geschenke, bevor man in das Fettnäpfchen tappt.“
Er grinste von einem angebrochenen Schneidezahn bis zum anderen Elefantenohr.
Mein Gott, Ottmar hatte ich ausgerechnet am Weihnachtstag nicht verdient!
Ich lächelte zuckersüß vom gepanschten Glühwein bis zur Nasenspitze.
Er packte die Plastiktüten auf den Boden und war sichtlich in bester Fahrt.
„Mann, war das ein Tohuwabohu! Alles war nur Stress, das kannste mir glauben!“ Ich bin völlig fertig. Alles hab ich auf den letzten Drücker erledigen müssen.“ Ottmar, das Organisationstalent.
Inzwischen hatte ein leichter Schneeregen eingesetzt.
„Wenn meine Olle nur einen kleinen Furz findet, den ich nicht erledigt hab’, Mann, da is’ was los, kann ich dir sagen!“
Er knuffte mir in den durchnässten Mantel und ich dachte, dass seine Frau ruhig Rabatz machen sollte. Am Besten mit einem Nudelholz!
„Ich kann das gut verstehen“, sprach ich würdevoll.
„Ich zum Beispiel muss Auguste abholen, stehe nun hier, weil sie erst in zwei Stunden ankommt.“
„Um Gottes Willen! Die bucklige Verwandtschaft auch noch am Hals, wie? Das ist schlimm“, stöhnte er. „Das Wichtigste ist es die Schmarotzer zu beeindrucken. Du musst nur etwas Besonderes bieten, dann geben sie Ruhe.“
Wieder knuff er mir in die Seite. Es musste die Milz gewesen sein.
„Au – ja“, pfiff ich durch die Zähne. „Da magst du recht haben.“
Ottmar widmete sich dem Glühwein.
„Ab mit der Suppe!“
Er goss alles auf einmal hinunter. Hoffentlich verbrannte er sich seinen Schlund.
Ich wärmte unterdessen meine Hände am Becher und überlegte, wie ich ihn am Besten los werden könnte.
„Tja, alles für Weihnachten erledigt,“, plusterte er sich auf.
„Ehrlich?“ Wie oft mochte er das noch wiederholen?
„Schau mal her“, deutete er auf einen großen Karton in einem seiner ausgebeulten Tragtaschen.
„Das ist der letzte Schrei. Kaum Einer kennt das. Was meinst du, wie meine Familie darauf abfährt. Die fallen alle in Ohnmacht vor Freude.“
„Und, was isses“, fragte ich neugierig geworden.
„Guck, ehrlich, das ist der Hammer! Es sind Christbaumkugeln, die eine LED Beleuchtung haben. Wohlgemerkt, von Innen! So was hast du noch nicht gesehen! Schneien tut es auch noch.“
So sehr ich Ottmar verabscheute, ich hatte so etwas wirklich noch nicht gesehen.
Ottmar zeigte mir den zugehörigen Prospekt und brabbelte los. Verschiedene Leuchtprogramme gäbe es, davon würde man bei jeder dritten Kugel es auch noch schneien lassen können. In verschiedener Intensität. Die Bilder der Beschreibung sahen wirklich umwerfend aus.
Und ausgerechnet Ottmar hatte so etwas Tolles ergattert.
„Toll“, würgte ich hervor.
„Und das bekommt man einfach überall, einfach so?“
„Spinnst du! Spezialsache! Sozusagen Chefsache!“
Erst druckste er herum, dann musste er doch seiner eigenen Angeberei nachgeben.
„Hab’ ich bei Stockmann bestellt, schon vor fünf Wochen. Die Lieferzeit, weißt du.“
In unserem Städtchen war Stockmann eine Institution. Der feinste Elektronikladen weit und breit.
„Woanders kriegt man das nicht?“
„Nie und nimmer“, versicherte er, während er den Rest des Glühweins schlürfte.
Dann war sein Becher ausgesaugt und Ottmar drängte zum Aufbruch.
„Tut mir leid, altes Haus, aber ich muss los. Außerdem habe ich noch das Wunderwerk zu installieren!“
Er schnellte hoch, packte seine Taschen und eilte in den Schneeregen davon.
Installieren wollte er es. Was heißt hier installieren? Rein in die Steckdose und das war’s dann auch.
Mann, war ich neidisch auf diesen Leuchtkrempel. Seinen Leuchtkrempel!
Der Händler beugte sich geschäftstüchtig vor.
„Noch einen?“
Ich schüttelte verneinend den Kopf.
„Würde sich lohnen.“
Ich blickte ihn verwirrt an.
„Okay, aber nur einen Becher.“
Die Kelle schwappte wieder und der Händler reichte mir das Getränk für garantiert rote Backen.
Mit verschwörerischer Mine flüsterte er:
„War das ein Freund von ihnen? Der hat ihnen nämlich verschwiegen, dass es diese Dinger auch im Baumarkt gibt. Ist zur Zeit der letzte Schrei. Ob sie diese Dinger überhaupt noch haben, kann ich nicht versprechen. Es ist doch schon quasi ein paar Minuten vor Weihnacht.“
Meine Augen leuchteten auf.
„Wenn sie sich beeilen...“
Es war nicht allzu weit zum Baumarkt. Das konnte ich noch bis Mittag schaffen. Sie hatten auch nur bis Mittag geöffnet!
Gesagt, getan. Ich bezahlte und raste los.
Ich kam hechelnd nach 20 Minuten beim Baumarkt an. Das war eine läuferische Glanzleistung von mir. Immer zu Weihnacht in letzter Minute! Das ist doch zum Mäusemelken.
In der Abteilung Weihnacht angekommen, zitterte ich vor Überanstrengung. Die Abteilung strahlte Ruhe und Besinnlichkeit aus, die ich prustend beäugte.
Ich bekam einen Angestellten am Kittel zu fassen. „Llampen“, japste ich nach Luft schnappend.
„Sind genügend da“, erklärte er mürrisch.
Ich kam erst nach einiger Zeit wieder zu Luft, während ich mich mit den Händen auf die Knie gestützt hatte.
Den Angestellten hatte das Mitleid erfasst.
„Erholen sie sich erst einmal. Wissen sie, in Zukunft sollten sie die Weihnachtseinkäufe besser planen. Dann ersparen sie sich die Hetze. Geht viel besser. Ich zum Beispiel habe schon längst alles im grünen Bereich.“
„Ich brauche aber etwas Besonderes. Haben sie solche Weihnachtskugeln, die leuchten können, in verschiedenen Farben. LED und zwar von innen?“
„Freilich, hatten wir, massenhaft, aber nun kommen sie reichlich spät. Die gingen weg wie warme Semmeln. Jetzt bin ich schon am Abbau der Weihnachtsabteilung. Wir müssen nämlich schon alles für den Osterhasen vorbereiten.“
„Aber es ist doch noch nicht einmal der heilige Abend vorbei“, wagte ich einzuwenden.
„Tja, wir sind eben auf Zack, quasi der Zeit voraus. Wir stellen Ware hin von der sie noch gar nicht wissen, dass sie die haben wollen.“
Ich rutschte vor ihm auf den Knien.
„Bitte, bitte, lassen sie mich nicht im Stich!“
Er legte die Stirn in Falten.
„Mit Weihnachtszeug, das wird schwierig.“
„Ich will kein Weihnachtszeug“, wimmerte ich,“ nur diese Leuchtkugeln, blau, LED, von innen, wie es schneit und so.“
Der Angestellte tätschelte mir den Kopf.
„Ich verstehe“, brummte er sanft. „Ihre Frau sitzt ihnen wohl im Nacken. Wahrscheinlich hat ihr die Nachbarin von diesen Kugeln erzählt. Und nun ist sie neidisch. Und jetzt haben sie die Sache am Hals.
„So ist es“, log ich.
„Ich werde mal sehen , ob ich im Lager noch irgendetwas finde, aber viel Hoffnung, das sage ich ihnen gleich, viel Hoffnung mache ich ihnen nicht.“
Er verschwand irgendwohin und meine Dankbarkeit und Hoffnung rannten ihm nach.
Mir war es wurst, dass er mich als Memme ansehen mochte und dass meine Frau mich im Würgegriff haben könnte, Hauptsache er würde fündig werden.
Dass Ottmar das Wunder der Technik besaß und ich nicht, das wäre einfach ungerecht. Das wäre einfach nicht weihnachtlich.
Eines wusste ich, die Suche konnte eine ganze Weile dauern.
Und da ich schon mal hier war, konnte ich mich ja auch umsehen. Es war lange her, seit ich das letzte Mal im Baumarkt gewesen war.
Eine Kreissäge lächelte mich an.
Es gab herrliche Bohrmaschinen, Bohrer, Lötkolben und Werkbänke.
Ach wäre doch bloß Weihnacht, ich würde mir all das unter den Weihnachtsbaum wünschen. Am sehnlichsten aber wünschte ich mir einen Steckschlüsselsatz, es musste aber einer aus Chromvanadium sein. Die Bezeichnung 59CrV4 ist der Qualitätstraum schlechthin.
Kaum war mir dieser Gedanke ins Gehirn gesprungen, zog es mich unwiderstehlich tiefer in die Werkzeugabteilung hinein. Natürlich nur so zum Schnüffeln.
Also schnüffelte ich. Und wie es der Zufall will, da hatten die doch tatsächlich einen 59 prozentigen Chrom-Vanadium 4 Steckschlüsselsatz ausgestellt. Rein zufällig auch noch ein Sonderangebot.
Ich ging um das Objekt der Begierde herum, beäugte, tastete und öffnete. Die Ratsche war super, die richtigen Steckschlüsselgrößen waren vorhanden. Es war einfach gemein.
Nun musste ich aber sehen, dass ich wieder zurück ging, um meinen lieben Betreuer wieder zu treffen.
Er stand da und hatte ein großes Paket unter dem Arm. Das konnte nur heißen, dass dieser Tausendsassa im Lager fündig geworden war.
„Die letzte Position“, erklärte er mir. „Wahrscheinlich, weil es die teuerste Ausführung ist. War nur noch eine da.“
Er versuchte mir die Wundertechnik näher zu bringen. Kurz und gut, es handelte sich um 15 Kugeln mit dreidimensionalen Motiven darinnen. Ein Weihnachtsbaum, ein Häuschen, ein Schneemann usw.. Alles wunderschön und vor allem in sich beleuchtet. Man konnte Farbwechsel einstellen und bei jeder dritten Kugel konnte man das Motiv sogar beschneien lassen. Und das blau beleuchtet, oder rosa! Hammerhart. Das war es! Und vor allem, es war noch exklusiver, als das Gelumpe von Ottmar. Ich hätte den Angestellten abknutschen können.
„Wollen wir zur Kasse, oder haben sie noch einen Wunsch?“
Ich hatte einen Beschluss gefasst. Wenn schon die Familie so etwas Schönes bekommt, dann gönne ich mir zu Weihnacht auch eine Kleinigkeit.
Ich begann verlegen. „Wissen sie, ich habe da einen Steckschlüsselsatz gesehen. Sie wissen der 59CrV4.“
Nicht nur Der kann Fachchinesisch. Ich wollte ihm gleich zeigen, dass ich auch etwas davon verstand.
„Klar, ich sehe schon, sie wissen was Qualität ist. Etwas Besseres gibt es nicht.“
Er lächelte mich an.
„Zu Weihnacht nur das Beste. Sie haben richtiges Weihnachtsglück. Erst der Glaskugelsatz und nun auch noch das Richtige für den Sohnemann.“
„Auch Papi gönnt sich mal was.“
„Ich garantiere ihnen, selbst der brutalste Sohnemann kriegt diesen Schlüsselsatz nie klar.“
„Aber er könnte die Nüsse verlieren!“ Fast hätte ich ihm freundschaftlich in die Seite geknufft.
Der exklusive Koffer mit dem Steckschlüsselsatz wurde gegriffen. Dann begaben wir uns mit der Beute zur Kasse. Es war kaum mehr Publikum auszumachen, fiel mir auf.
„Ich glaube, dass sie sogar der letzte Kunde sind“, sagte mein Freund.
„Und ich wünsche ihnen noch ein gesegnetes Fest“, riefen mir mein Engel und die Kassiererin nach. Der Zauberknabe winkte zum Abschied. Ich konnte nicht zurückwinken, weil die Rechnung mir einen Boxhieb auf den Solarplexus versetzt hatte.
Ach, ich war glücklich! So ein schönes Geschenk für mich selbst und außerdem hatte ich Ottmar meilenweit ausgestochen! Die schönsten LED Glaskugeln, die es gab.
Weihnacht, ich komme!
Beschwingt ging ich nach Hause. Friede breitete sich auf den Gehwegen und Straßen aus. Es hatte nun richtig dicht zu schneien begonnen. Sämtliche Geschäfte hatten geschlossen. Kein Mensch mehr weit und breit zu sehen. Der Schnee knirschte unter den Schuhen. Ich atmete tief ein. Ach war das herrlich!
Um halb zwei war ich zu Hause ein klein wenig durchgefroren angekommen. Das Paket mit den Kugeln hatte ich mir noch hübsch einschlagen lassen. Ich machte ein rechtes Theater um meine Ankunft und tat sehr geheimnisvoll. Ich befahl meiner Familie in die Küche zu gehen, während ich liebevoll den Geschenkeberg unter dem Weihnachtsbaum vervollständigte. Meinen Werkzeugkoffer schob ich etwas nach hinten.
Dann kam ich in die Küche.
„Papi hat Überraschung mitgebracht“, verkündigte ich stolz.
Stahlharte Augenpaare blitzten mich an.
„Was habt ihr denn? Na so was von Undank!“
Ich schaute irritiert in die Runde.
Meine Frau fragte ganz leise, ganz gefährlich ruhig:
„Wo ist Auguste?!“
Pause!
„Die Bockwürste sowieso nicht!“
Pause.
„Schöne Bescherung!“
An diesem heiligen Abend spiegelten sich in den blau beleuchteten Kugeln mit Wintermotiven die köstlichen Fischstäbchen aus dem Tiefkühlfach, welche unsere Weihnachtstafel zierten. In gedämpften blauen Licht erschienen auch die zwei
identischen Steckschlüsselkoffer. Meine Frau hatte mir eine Freude machen wollen. Und mit eiskalter Berechnung hatte sie mir diese Überaschung verschwiegen, obwohl sie mich normalerweise nicht anschwindeln konnte.
Das wirkliche Geheimnis aber hatten mir sämtliche Spitzbuben der Familie verschwiegen.
Dass meine Frau von Bauer Ewald Auguste direkt geliefert bekommen hatte, gestand mir die Familie erst am Weihnachtsfeiertag. Meine Frau kennt mich offensichtlich sehr genau.
„Fröhliche Weihnacht.“
Texte: Guenter von Tetzeli
Bildmaterialien: Monika Heisig
Tag der Veröffentlichung: 21.11.2012
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