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Die Agentur



Als die Fahrstuhltür zur Seite glitt, traf mich die subtropische Hitze unvorbereitet. Beinahe so unvorbereitet, wie der herzförmige Pfeil, der mir entgegen geflogen kam und dessen Spitze die Größe eines kleinen Nagels hatte.
Wahrscheinlich würde ein Treffer kaum mehr als ein Pieksen verursachen … zumindest, wenn ich ein Mensch wäre. War ich aber nicht. Mich konnte so etwas zu Froschfrikasse verwandeln.
Ich hopste zur Seite und entkam dem Liebespfeil im letzten Moment, nur um beinahe in den Zwischenraum zwischen Fahrstuhl und Büro zu fallen. Wieder so eine ätzende Todesfalle, mit der sich normale Lebewesen nicht beschäftigen mussten.
Ich sah wie der Schütze, ein kleiner, fliegender Engel mit Windeln und entzückenden goldblonden Locken erneut anlegte und auf mich zielte. Zu meinem Glück achtete die verrückte Putte (das ist die Fachbezeichnung für kleine, fliegende Engel mit Windeln und entzückenden goldblonden Locken) dabei nicht auf seine Umgebung und landete an einem Fliegenfänger an dem schon drei seiner Artgenossen klebten, strampelten und zeterten. Ihre hellen, vollkommen unmusikalischen Stimmchen klangen wie ein verzerrtes Glockenspiel – oder wie Heino auf Crack. Kein Vergleich zu mir oder meinen privaten Chor.
„Entschuldigung!“
Eine freundliche, ältere Dame mit langen, weißen Haaren, strahlte mich über den Empfangstresen hinweg an. Ihr Lächeln hatten denselben Effekt auf mich wie Sonne auf Schnee. Ich schmolz geradezu und meine kurze Wut ob der Ungerechtigkeit des Schicksals verpuffte. Einfach so.
„Die lästigen, kleinen Eroten werden wir einfach nicht los.“
„Ahhhhh!“, machte ich. Die Geschöpfe des Eros. Schlecht erzogen und halfen nur ihm. Behauptete er zumindest. Der Rest der Welt nicht. „Hab von ihnen gehört.“
„Und hören tun die kein bisschen!“
Die Frau schüttelte ihre beeindruckende Mähne und das Funkeln in dem Weiß machte mir klar, dass hier eine Winterholle (Ja, genau. Wie in „Frau Holle“) kurz davor war, den Babyengeln Frostbeulen zu verpassen. Leider war ich eine Amphibie und fand Kälte mindestens genauso blöd wie Babyengel. Dachte ich zumindest, bis sich der schießwütige Erot von dem klebrigen Fliegenfänger losriss – meine Zunge verselbstständigte sich wie von selbst. Gott sei Dank erwischte sie nur die (hier noch einmal einen besonderen Dank an Gott!) leere Windel.
Einen Moment lang hing der kleine Erot in der Luft, dann fiel er zu Boden, weil er damit beschäftigt war, seine Blöße zu bedecken. Schamrot und mit um sich geschlungenen Flügeln hastete er zwischen zwei Blumentöpfe.
„Woah...“, machte die Winterfee und so etwas wie Respekt schlich sich in ihre Mine. „Eine verdammt gute Idee. Ich bin mir sicher, Lilly wird begeistert sein. Wenn Sie mir folgen!“
Die Chefin selbst? Wow, was für eine Ehre!
Ich hüpfte der Fee hinterher und in das Büro. Erst auf dem Gästestuhl angelangt stutzte ich. Und gleich noch einmal. Lilly Valentina war entzückend. Selbst der etwas entgeisterte Gesichtsausdruck, mit dem sie mich musterte, war süß. Wenn ich nicht bereits verliebt wäre, würde ich mich sofort in sie verlieben.
„Schön, dass sie die Matching-Myth für ihre Liebesvermittlung in Betracht ziehen. Verraten Sie mir Ihren Namen und Ihr Anliegen?!“ Nach einem minimalen Zögern fügte sie „Ihre Hoheit“ hinzu.
„Genau das ist das größte Problem“, seufzte ich und ignorierte das faszinierende Wechseln der Fotos in dem Bilderrahmen auf Lilly Valentinas Schreibtisch. Der Rahmen war wirklich hübsch. „Eben bin ich ein glücklicher Prinz. Ein Mann, dann plötzlich nur noch ein Frosch mit einer Krone.“
„Und welcher Prinz waren Sie vorher?“
Sie fragte, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, dass ein Froschprinz in ihre Vermittlungsagentur gehüpft kam. War es vielleicht auch. Liebesvermitteln musste ein ziemlich aufregender und cooler Job sein. Mein Blick wanderte zu dem Bilderrahmen, wurde aber von dem silber-glänzenden Rahmen abgelenkt und sofort verzauberte mich mein Anblick. Erneut.
Ich war wirklich ein Hübscher. Selbst als Frosch. Ich plusterte meine Brust auf und reckte mein Kopf noch ein wenig höher, damit die Krone gut zur Geltung kam. Ja, wirklich gut aussehend.
Lilly räusperte sich.
Ich quakte empört. Manche Leute hatten wirklich kein Auge für Schönheit – oder Zeit. Wieder wechselte das Foto in dem Rahmen. Irritierend.
„Ich erinnere mich nicht mehr“, antwortete ich trotzdem
„Und alle anderen?“
„Welche anderen?“
„Familie, Freunde, Hofstaat, Medien … alle anderen Wesen eben.“
„Nein, niemand erinnert sich. Ich mich auch nicht.“
„Und die Welt im Großen und Ganzen?“
„Ich bin komplett aus allem getilgt worden.“
„Google? Facebook? Das Internet vergisst nicht.“
„Mich schon.“
Trotz meine Worte griff die Chefin der Matching-Myth zu ihrer Tastatur und machte den Bildschirm des Computers an. „Alter? Aussehen? Geografische Ansiedlung? Irgendwelche Erinnerungsfetzen?“
Ich dachte noch über die vier Fragen nach, als ein leises, wohlklingendes „Ping“ ertönte und sich ein rosa Funkeln aus dem Monitor auf Lilly ergoss.
„Ein Zauber“, quakte ich entsetzt.
„Scheiße“, kommentierte sie, allerdings wütend und kein bisschen entsetzt. Dann erst bemerkte sie meine Panik und schüttelte den Kopf als Antwort auf meine Behauptung. Es beruhigte mich kein bisschen, ich sprang ging hinter dem Bilderrahmen in Deckung.
„Dies ist ihre ...“, ein infernales „Piep“ unterbrach die freundliche Frauenstimme, „... 104 ...“, wieder ein „Piep“, „... Erinnerung an ihren Wunsch. Bitte setzten Sie sich mit Ihrer ... PIEP … guten Fee … PIEP … Sabine in Verbindung.“
„Ist nur Spam“, murmelte Lilly und der Unterton in ihren Worten machte mir beinahe mehr Angst, als Zauber und Gute-Fee geschafft hatten.
„Also, zurück zu Ihrem Anliegen … so wie ich es sehe, kann nur das helfen, was in jedem guten Märchen hilft.“
„Ich bin nichts Besonderes?“ Ich brauche eine andere Vermittlungsagentur. Jetzt.


„Doch, selbstverständlich!“ Lilly lächelte und ich vergaß meinen Gedanken. Natürlich war ich etwas Besonders. Ich war hübsch. Schon immer gewesen und ein Traumprinz. Ein Traum-Froschprinz.
„Sie sind so besonders, dass nur eines Sie erlösen kann: „der wahren Liebe erster Kuss“ .“
„Hatte ich schon.“
„Dann war es nicht die wahre Liebe.“
„Doch, schauen Sie!“ Ich deutete auf den Bilderrahmen. „Ist der eigentlich magisch?“
„Magischer Bilderrahmen? Quatsch – digital!“

*****


Lilly wandte sich wieder dem Computer zu und hackte auf der Tastatur herum.
„Da hätten wir was!“
Ich blies erwartungsvoll meine Schallblasen auf.
„Also man könnte sie in Amors Liebesland Erosia schicken. Da gibt es viele Teiche, Rosen und lauter so romantisches Zeug halt. Wäre gar kein Problem. Nebenan ist der Transporter Raum. Da könnten wir sie nach Erosia beamen. Anders geht es natürlich nicht. Ist ja eine ganz eigene Welt. Nicht direkt um die Ecke, wenn sie verstehen?“ Sie sah mich schräg von unten über ihre rosa Brille an.
Mir rutschte ein Quaken aus. „Hin beamen?"
„Alles Null Problemo“, winkte Lilly Valentina ab. „Hat Spock schon tausendfach hinter sich. Dem hat das sogar Spaß gemacht. Der ist sogar zu Fleiß dauern hin und her gebeamt.“
„Und was ist dort? Wie gibt es dann den ersten Kuss – mit wahrer Liebe und so?“
„In ihrem besonderen Fall müsste ich erst noch ein Projekt mit Amor selbst aufsetzen. Sie würden dann an dem Meeting teilnehmen und bei der Machbarkeitsanalyse mitwirken. Und für leibliches Wohl wäre auch gesorgt. Die Winterholle könnte ein paar von den Engelsputten vom Vorzimmer einfrieren. Wir geben ihnen dann ein volles Glas Tiefkühlkost mit. Aber nur lutschen, nicht runterschlucken! Schon wegen der Pfeile.“
Ich schluckte und meine Zunge hing etwas heraus.
„Ich - weiß - nicht - so - recht.“
Valentina nahm mir nun den Bilderrahmen weg und verstaute ihn in einer Schublade.
„Sie sind abgelenkt und sollten sich konzentrieren“, meinte sie vorwurfsvoll. „Wie sollen wir ihnen sonst helfen können?“
Ich nestelte an der Krone herum und fühlte mich ertappt.
„Also, was halten sie von dem Vorschlag?
„Ich - weiß - nicht - so - recht.“
„Also, Herr Froschprinz, wollen sie nun eine Prinzessin? Also meinetwegen eine Froschprinzessin, oder wollen Sie wieder menschlicher Prinz werden? Und sagen sie ja nicht wieder – ich - weiß - nicht!“
„Beides“, rülpste ich tapfer.
Vielleicht bin ich hier doch verkehrt?


Lilly Valentina sank zusammen und stützte ihren Kopf in die Hände.
Ich leckte mir die Augen. Sie tat mir richtig leid.
„Und was ist mit dieser rosa Zauberwolke? Die hat doch auch irgendwas erzählt!“
Lilly straffte sich. Ich glotzte sie erwartungsvoll an, wie wenn sie eine leckere, dicke Fliege wäre.
„Über den Spam-Ordner kriege ich die Mail noch mal“, rief sie hektisch.
Kurz darauf war Valentina wieder von diesem rosa Funkeln umhüllt. Diesmal hatte ich keine Angst.
„Dies ist ihre ... 104 ..., Piep, ... Erinnerung an ihren Wunsch. Bitte setzten Sie sich mit Ihrer ... PIEP … guten Fee … PIEP … Sabine in Verbindung.“
Valentina lehnte sich zurück.
„Übertragungsverlust, wie vorher! Ich werde noch wahnsinnig mit unserem Netzwerk-Administrator. Zauberer ist er, hat er gesagt. Von wegen! Wenn man schon „der große Salamoni Salametti“

heißt!“
Sie griff zum IPhone 10.
“Haben wir gleich“, schnalzte sie beruhigend.
Salamoni Salametti erschien halb durchsichtig in 3D. Ich fand ihn eigentlich ganz sympathisch, nur die Kröte auf seiner Schulter störte mich. Sie war ein Weibchen und bekundete mehr als starkes Interesse an mir. Natürlich hatte sie kein Krönchen auf, dafür hatte sie reichlich Warzen.
Lilly und Salamoni stritten in einem mir fremden Kauderwelsch. Der Zauberer nickte, dann zappte Valentina ihn samt der Nymphomanenkröte wieder weg. Sie faltete das IPhone 10 energisch vier mal zusammen.
„Kommen sie bitte näher“, lockte sie. Ich hopste aufgeregt zu ihr.
Dann schnackelte sie lediglich mit den Fingern. Das rosa Funkeln umhüllte uns beide. Ich fühlte heimelige Wärme.
Dies ist ihre

Antwort auf ihre telepatische Anfrage. Wir haben ihre telepathische Wellen hinsichtlich des heutigen Vorstellungsgesprächs des Froschprinzen unter der Nummer Quartal 5-2703-quak aufgenommen. Uns erreichte leider eine Telepathie-Deliver-Rückmeldung unter der Fehlernummer 104

. Wir senden erneut in veralteter Form, wie sie offiziell zugelassen ist.
Wir haben nach eingehender Tiefenrecherche eine Froschprinzessin gefunden. Sie käme für ihren Kunden in Frage, zumal dann auch der richtige Background gewährleistet wäre. Ein kurzer Zeitpfeil des Treffens ist möglich. Dies haben wir schon in die Wege geleitet in Erinnerung an ihren Wunsch. Bitte setzen sie sich mit ihrer

übertragenen Matrix für die Koordinaten des Transporterraums auseinander. Sie sind etwas ungewöhnlich. Hilfestellung finden die beiden Kunden vor Ort bei der guten Fee

Esmeralda. Bei technischen Fragen setzen sie sich bitte mit unserer Informatikschnecke Sabine in Verbindung

.“


Die rosa Wolke schlurfte wieder in den Bildschirm zurück. Wir saßen stumm da.
Ich war geplättet.
Lilly Valentina lächelte mich glückstrahlend an.
„Was sagen sie nun?“
„Ich - weiß – nicht, ich bin einfach nur Gaga.“
„Ach, sie hören auch gerne Musik?“
„Nein, ich meine das ist einfach toll. Nicht ganz das mit dem - wieder menschlich werden - , aber wirklich sehr vielversprechend.“
„Wollen wir?“
„Wir wollen“, quakte ich begeistert. Scheint doch das richtige hier zu sein.


Lilly tippte die Auftragsbestätigung. Der Vertrag erschien auf dem Bildschirm.
„Bitte unterschreiben“, forderte sie mich auf.
Ich las kurz und schnellte dann die Zunge auf den Touchscreen.
Valentina stand auf.
„So, mit dem Zungenprint haben wir den lästigen Schreibkram erledigt. Wenn sie mir bitte folgen wollen?“
Ich sprang hinter ihr her. Mit einer Handbewegung durch die Luft verschwand ein Teil der Wand und legte einen Durchgang frei. Ich blickte in einen brummelnden, runden Raum mit vielen Leuchtdioden. Die Dioden schienen zu leben. In der Mitte des Raumes befand sich ein Rondell, das wie eine übergroße Bohnendose aussah, ohne Etikett natürlich, aber mit diesen Wülsten rundherum und sie glänzte gülden. Ein siebeneckiges Bullauge schwebte darüber.
Aha, die magische Sieben, dachte ich.
Das Besondere des Transporterraums war das hohe, gewölbte Dach. Es leuchte zart, wie ein Polarlicht.
„Da hinein, Herr Prinz“, forderte mich die Winterholle auf und öffnete die runde Blechdosen-Druckkammer.
„Und was ist mit den Koordinaten? Die sind doch nicht einfach gewesen, oder“, fragte Lilly.
„Eiskalt berechnet“, bestätigte Frau Winterholle. „Ist auch schon mit der IT-Schnecke Sabine abgeglichen.“
Die Türe wurde wieder verschlossen. Ich sah noch nach oben. Durch das schwebende, siebeneckige Bullauge über mir konnte ich noch in 3D erkennen, wie die Beiden freundlich winkten.
Dann traf mich ein Blitz. Buchstäblich erlebte ich Matching-Myth.
Ich bin aber auch ein Blödian. Worauf habe ich mich nur eingelassen?


Der Verräter



Valentina und Frau Winterholle standen nebeneinander, als der Blitz in der Kammer wieder verglühte.
„So, das wäre erledigt“, klatschte Lilly in die Hände.
Frau Winterholle stand ziemlich starr da. An sich nicht wirklich etwas Ungewöhnliches bei der Kälte, die sie verbreitete, aber die Chefin kannte Ihre rechte Hand genau.
„Is was? Na, raus damit!“
„Tscha, es ist nur wegen den Übertragungskoordinaten.“
„Wieso? Unser Subunternehmer hat doch gesagt, dass sie etwas außergewöhnlich sind.“
„Ich hab mir am Anfang auch nichts gedacht“, flüsterte die Winterholle und kratzte die blauen Eisbeläge unter den Fingernägeln heraus. „Die IT-Schnecke Sabine gab auch ihr Ok, aber dann habe ich die Daten noch mal neu fokussiert.“ Pause.
„Sie wurden manipuliert!“
„Was?! Weiter, weiter“, insistierte Lilly.
„Die Koordinaten zeigen genau auf die Erde.“
„Oh, mein Gott!, oh mein Gott“, Valentina erbleichte. „Das ist ja schrecklich! Da gibt es Störche, Schlangen Füchse. Unser Kunde in Lebensgefahr? Das ist eine Katastrophe für unser Renommee, herrje“
„Ich fürchte, ja“, hauchte die Winterholle ein wenig Raureif aus.
Lilly raste zurück in Ihr Direktoratszimmer und warf sich hinter ihren Schreibtisch. Frau Winterholle schlich ihr nach. Sie sah wie ein rosa Funkeln die Chefin umhüllte. Die Wolke verfärbte sich nun andauernd, von tiefrot bis zum schwarz hin und Valentina fuchtelte wild mit den Armen. Sie war anscheinend ganz außer sich vor Zorn. Schließlich wurde das Funkeln wieder rosa, bevor es sich endgültig auflöste.
Valentina stand da wie eine Donnergöttin.
„Hol mir die Vampirfledermaus Radobar“, sagte sie ganz leise. Und das wirkte umso gefährlicher.
Etwas später standen Lilly und die Winterholle wieder beieinander.
„Salamoni Salametti war der Übeltäter. Er hat die Koordinaten manipuliert. Er war es auch, der die Übertragung der E-Mail verhindern wollte. Den telepatischen Ping hatte er nicht bedacht, deswegen sind überhaupt bei uns Bruchstücke angekommen.“
Rausschmeißer Radobar hat dann kurzen Prozess mit ihm gemacht.
„Und wie der Salamoni geschrieen hat“, kicherte die Winteholle Eiszapfen.
„Radobar hat ihn in den Transporter gestopft, da kannte er kein Erbarmen. Im übrigen“, fügte Lilly hinzu,“ war deine Idee gar nicht so schlecht. Statt den Zauberer auf den Gefängnisplaneten zu beamen ist er in deinem frostigen Eisreich besser aufgehoben. Bevor der Salametti erfriert, wird er bestimmt gestehen, ob er sogar mit der Verwandlung unseres Kunden, dem Froschprinz etwas zu tun hat. Deshalb will ich noch mal darüber hinwegsehen, dass du so dumm warst mir vom Ziel des Beams nichts zu sagen, bevor es zu spät war.“
„Und was wird nun mit ihm, dem Froschprinz? “
„Keine Ahnung“, knetete Valentina die Hände. „Die gute Fee Esmeralda war natürlich auch am falschen Ort. Sie wird umgehend wieder zurückgeholt und auf die Erde geschickt. Das hat mir die rosa Wolke fest versprochen. Wir können nur hoffen, dass Esmeralda rechtzeitig ankommt.

Der Kuss



So langsam wurden die verschwommenen Umrisse klarer. Ich lag zur Seite auf Moos. Ich fröstelte ein wenig. Das Moos war feucht. Ich erkannte allmählich immer mehr Einzelheiten. Neben mir war ein Teich. Fehlte nur noch die Seerose. Die gab es nicht, aber Elodea canadensis wucherte, besser bekannt unter dem Pflanzennamen Wasserpest. Das konnte ja heiter werden. Toller Anfang!
Ich rappelte mich hoch. Und bevor ich mich so richtig sortiert hatte, hüpfte eine geschmeidige Froschdame in aller Eile an mir vorbei. Sie hatte ein Krönchen auf.
„Sieh zu, dass du Land gewinnst, du Dussel“, schrie sie und verschwand im feuchten Schilf. Ich hüpfte schnell unter einen Arm der Wasserpest und schnaufte ängstlich. Ein Schatten wischte kurz über mich hinweg.
Nachdem die Gefahr vorbei war, konnte ich ein wenig an mir herumputzen. Ich klebte irgendwie überall. Und als ich begann mich umzusehen, da stieß ein wohlbekanntes Schneutzchen aus einem Blatt hervor.
„Ich bin wirklich überrascht, dass du das überlebt hast. Wie kann man nur so ein Vollpfosten sein! Bietet sich direkt einem Storch an. Und was ist, wenn der Kerl dich gesehen hätte? Dann wäre er hier gelandet und hätte als Terminator hier herum gestochert. Weißt du nicht, was das für eine Fressmaschine ist? Beim Killen ist der Spitze! Dagegen ist Rambo ein Weichei.“
„Nu mal langsam, gute Dame, ich bin gerade erst angekommen. Würden Madame so freundlich sein sich eines etwas gehobenerem Tones zu befleißigen? Was pflegen sie denn überhaupt für einen Namen zu führen?“
Ich musste klar stellen, wer hier die Krone auf hatte und vor allem wollte ich den Prinz heraushängen lassen.
Sie sah mich schräg an und ließ ihre rosa Zunge verächtlich schwappen.
„Menschenskind, kannst du verquarkt quaken. Da wird einem richtig trocken auf der Haut. Aber falls es dich wirklich interessiert, ich heiße Victoria.“
„Aha, Victoria, sehr schön.“
Blöde Schnepfe

(das schlimmste Schimpfwort, das es für einen Frosch gibt), dachte ich. Sieht sie denn nicht, dass ich schön bin? Und ihr albernes Krönchen sah eher aus wie ein Diadem. Endgültig, die Matching-Myth Firma war ein Fehlgriff gewesen.


„Ich heiße David“, fletschte ich die Lippen.
„Und wo kommst du so plötzlich her?“
Ich erzählte von der Matching-Myth Vermittlungsagentur und dass ich verzaubert sei und sonst mich an nichts erinnern könne.
Sie rieb sich ein ums andere mal ungläubig die Augen.
„Das darf doch nicht wahr sein“, flüsterte sie, dann befeuchtete sie sich den glänzenden Mund und berichtete.
„Ich bin auch zu Matching-Myst gekommen. Genau wie du. Ich weiß auch nicht, was vor meinem Leben als Froschprinzessin war. Ich sollte nach Erosia gebeamt werden und dort mit Amor nach einer Lösung suchen. Und dann bin ich verdammt noch mal hier gelandet.
Ich schüttelte die Zunge durch die Mundhöhle.
„Das ist vielleicht ein Saustall! Und was sie alles versprochen haben“, sagte ich.
„Und nu?“
„Weiß auch nicht“, wollte ich gerade eingestehen, als es in der Nähe leise raschelte.
„Still“, flüsterte sie. „Entweder ist es eine Kreutzotter, oder sogar ein Fuchs.
Wir harrten ganz eng aneinander geschmiegt aus. Unsere Herzen klopften wie wild.
„Hast du ein Handy“, wisperte ich.“
„Nein, und wenn! Wen würdest du denn anrufen wollen? Greenpeace?“
Ich schwieg und zeigte auf das erdige Moos. Aus dem Schilf dahinter schlich gerade eine Maus heraus. Mir fielen vor Erleichterung ein paar Schuppen aus der Haut.
„Tach, Victoria.“
„Hi, Meike, alles im Lot?“ Die Maus nickte.
„Der da“, Victoria meinte mich, „iss’n Neuer. Null Ahnung, aber große Klappe.“
„Typisch“, schnupperte Meike, “und natürlich ein Kerl, was?“.
Victoria erklärte selbstbewusst. „Heißt David, sagt er und seine Spezialität ist Störche anlocken.“
„Gar nicht wahr“, schrie ich. Die Beiden nahmen gar keine Notiz von mir und ich fühlte mich wie auf einem Basar, auf dem man verfaulte Feigen anbot.
„Wie? Und der lebt noch?“ Meike deutete mit Ihrer Pfote an, dass ich vielleicht plemplem sein könnte.
„Und dann noch arrogant“, fuhr Victoria fort. „So Arrogant und überheblich, dass er eine feuchte Spur hinterlässt.“
„Du auch“, konterte ich, aber ich hatte das Gefühl, dass der Gegenangriff ziemlich blöde rüber kam.
„Ihr seid nicht zufällig ein Paar“, fragte die Maus und blickte uns mit ihren Knopfaugen an. „Ich meine nur, weil ihr euch so nett streitet. Und außerdem habt ihr beide so ein lächerliche Krone auf.“
„Niemals“, riefen Victoria und ich im Chor.
Wie dem auch sei, schließlich hockten wir zu dritt beieinander. Ich erfuhr, dass Victoria bereits seit einem halben Jahr an diesem Teich um ihr Überleben kämpfte und Meike schon mal in letzter Sekunde einer Kreuzotter entkommen war. Aber Meike war nicht einfach nur so unterwegs. Sie war gekommen, weil sie Victoria etwas zeigen wollte. Sie tat sehr geheimnisvoll. Wir brachen auf. Meike führte uns und ich durfte, wie großzügig, mitkommen. Danke sagte ich extra nicht. Ich war schwer beleidigt. Aber eines stand für mich fest. Die wussten, wie man hier überlebt, also trottete ich hinterher. Notgedrungen! Weiber, was soll man machen.


Wir schnürten also durch das Schilf und kamen zu einem knorrigen Gebüsch.
Da hinein“, zeigte die Mäusedame auf einen Loch in der Erde. Es befand sich direkt hinter einem größeren Wurzelausläufer.
Wir stiegen in die Unterwelt. Erst ging es steil nach unten, nach einer Weile aber stieg der Gang wieder an. Wir landeten in einer größeren Höhle. Sie war mit Stroh, ein paar Federn und trockenem Moos ausgelegt. Ich fühlte mich schmutzig. Überall an mir klebte Erde. Meine Krone hatte ich verloren. Sie musste irgendwie in dem engen Gang weggerissen worden sein. Auch Victoria hatte ihr Diadem eingebüßt. So ein Glück, sonst hätte es wieder geheißen, nur ich wäre so tollpatschig gewesen. Der wirklich aufregende Mittelpunkt der Höhle aber war eine gläserne Kugel. Sie leuchtete in einem hellen Blau.
„Habe ich vor einer halben Stunde beim Graben gefunden. Kurz vor dem Ausgang. Ich war fast mit dem vierten Fluchtweg fertig, da bin ich auf sie gestoßen“, erklärte Meike.
Ich wollte die Zunge ausfahren, um zu schmecken, aber Victoria patschte mit ihrem Arm drauf.
„Sei doch vorsichtig. Die ist irgendwie was Magisches!“
Meike war plötzlich total unruhig. „Sie ist da, ich spüre es“, zitterte sie.
„Wer?“
„Die Kreuzotter!!! Schnell! Der vierte Fluchtweg!“ Wir rasten los. Ich bin nicht sonderlicht tapfer, aber die Kugel musste ich mitnehmen. Ich rollte sie vor mir her. Abwärts ging es ja noch, aber dann stieg der vierte Fluchtweg wieder steil nach oben. Ich schob, drückte, schwitzte.
„Schnell, los doch!“ Die beiden Frauen waren bereits draußen. Ich hatte es geschafft, aber die Schlange musste gleich da sein.
Victoria hatte die zündende Idee.
„Und jetzt die Kugel wieder mit Schwung in den Gang herunter stoßen!“
Mit vereinten Kräften nahmen wir Anlauf und ließen die leuchtende Kugel in den Fluchtgang herunter poltern. Man hörte noch ein Japsen von der Schlange, dann war Ruhe.
„Sie ist erledigt, endlich“, schrie Meike wie irre, „endlich bin ich befreit!“. Victoria und ich, wir nahmen uns an den Händen, tanzten im Kreise. Wir stolperten und irgendwie pappten unsere Münder aneinander. Die Zungen verfingen sich, verklebten. Dann gab es wieder nur ein Blitz.

Das Meeting



Lilly saß hinter ihrem Schreibtisch. Sie wirkte aufgeräumt, die Ablage nicht.
In der Mitte des Büros schwebte die Fee Esmeralda.
„Ich war so in Eile und außer Puste, dass mir auf die Schnelle nichts Besseres einfiel. Da kam ich auf die Idee mit der Kugel. Jedenfalls haben sie sich geküsst, jawohl!“
„Aber nix mit Prinz und Prinzessin“, sagte Valentina streng.
„Das ist doch sowieso total out“, mischte sich Frau Winterholle ein.
„Genau“, nickte Esmeralda und verlor ein paar leuchtende Sternchen. „Erinnern können die sich an nichts mehr. Ich meine, was vorher war.“
Lilly warf die Stirn in Falten.
„Aber ausgerechnet ein Fußballer und eine Modepüppi?“
„Gesungen hat sie auch“, schniefte die gute Fee beleidigt, „und gar nicht mal soo schlecht. Außerdem hatte ich doch gar keine Zeit zum Überlegen“
„Okay“, beendete Lilli Valentina das Meeting versöhnlich. ”Endlich können wir auch die Akte Victoria von vor einem halben Jahr schließen.“
Die Winterholle lächelte verschmitzt.
„Salamoni Salametti hat alles gestanden. Er hatte Beide aus reiner Bosheit verzaubert. Jetzt ist er selbst eine Kröte und seine Krötendame ist wie wild hinter ihm her. Das ist die größte Strafe“
„Also der ist auch von Matching-Myth versorgt“, lachte Esmeralda.
„Ende gut, Alles gut, meine Lieben, aber jetzt wieder zum Geschäft. Wer ist der Nächste?“
„Einer der sieben Zwerge steht draußen, der möchte gerne....“, begann die Winterholle.

„Ich glaub, ich brauche dringend Urlaub“, stöhnte Lilly Valentina.

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Tag der Veröffentlichung: 20.09.2012

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