Vor langer, langer Zeit herrschte ein guter und gerechter König. Aber er hatte keinen Erben und als er im Sterbebett lag, hatte er noch einen letzten Wunsch: „Legt meine Krone in das höchste Fenster in unseren höchsten Turm. Der Reiter der bis zu diesem Fenster springt und die Krone holt, wird König.“ Jeder Ritter, der es versuchte, schaffte es nicht und so blieb das Reich ein Jahr lang ohne König.
Eines regnerischen Nachts klopfte ein alter Mann an der Tür des Ritters Garet. Der alte Mann führte am Zügel ein weißes Ross. Garet bewunderte dieses weiße Ross, so ein schönes und starkes Pferd hatte er noch nie gesehen. Garet hatte nicht einmal versucht die Krone des Königs zu holen, da er zu arm war und nicht einmal ein Pferd hatte. Der Alte hatte einen grauen Bart, der ihm bis zu den Knien reichte. Sein Gewand war alt und schäbig. Er bat:
„Oh, guter Mann, lass mich diese Nacht unter deinem Dach verbringen!“
Ritter Garet teilte mit dem Altem sein Brot und überlies ihm sein Bett zum Schlafen. Das Ross brachte er in den Stall, der schon seit Jahren leer stand. Am nächsten Tag bedankte sich der alte Mann und ging weiter.
In der nächsten Nacht, die stürmisch und schlecht war, klopfte der gleiche alte Man mit seinem Ross an der Tür des Ritters Hugo. Der Ritter Hugo war böse, wild und gottlos. Der Alte bat: „Oh, guter Man, lass mich diese Nacht unter deinem Dach verbringen!“ Der Ritter musterte das Pferd und dachte: „Mit diesem Pferd kann ich die Krone bestimmt holen.“ Er griff nach seiner Keule und schlug damit den Mann bewusstlos. Dann steckte er den Mann in einen Sack und warf ihn in den Fluss.
Ritter Garet beobachtete zufällig Hugo, wie er den Sack in den Fluss schmiss. Als Hugo weg war, kam Garet näher und hörte ein Schreien aus dem Sack. Er sprang in den Fluss und fischte den Sack aus dem Wasser. Er befreite den alten Mann und brachte ihn zu sich nach Hause, wo der Alte sich erholen und seine Sachen trocknen konnte. Der Fremde erzählte, dass Ritter Hugo sein Pferd gestohlen und ihn geschlagen hatte.
„Du hast mir das Leben gerettet! Danke, schon zum zweiten Mal hilfst du mir.“, bedankte sich der alte Mann. Garet war wütend auf Hugo, er nahm sein Schwert in die Hand und wollte Hugo für sein böse Tat bestrafen. Aber der Alte stoppte ihn und sagte:
„Lass ihn dieses Pferd haben. Jeder bekommt was er verdient. Und du auch bekommst was du verdienst! Geh mit mir in mein Schloss, dort werde ich dich belohnen.“
„In dein Schloss? Wer bis du?“, fragte Garet überrascht.
„Schau mich genau an! Ich bin der Zauberer der schwarzen Berge.“
Der Ritter sah erstaunt zu wie sich das zerlumpte Gewand des Mannes in ein Gewand aus Seide und Gold verwandelte. Dann ging der Zauberer nach draußen, klatschte dreimal in die Hände und zwei schwarze Pferde erschienen. Beide, der Zauberer und Garet stiegen auf die Pferde und ritten in die Richtung der Schwarzen Berge, wo das Schloss des Zauberers lag. Als sie das Schloss erreichten, kam ihnen ein Drache entgegen. Er hatte lederne schuppige Haut und jede Schuppe war so groß wie ein Schild, seine Zähne waren so groß und scharf wie Kurzschwerter. Der Drache hatte so große Flügel, dass sie Menschenkörper ohne große Anstrengung in der Luft halten konnten. Dem Ritter stockte der Atem.
„Hab keine Angst! Reite diesen Drachen und hol dir die Krone des Königs.“, sagte der Zauberer der schwarzen Berge und führte den Drachen zu Garet. Ehrfürchtig fragte der Ritter:
„Warum ich? Es gibt viel bessere Ritter als ich im Königreich!“
Auf das antwortete der Zauberer:
„Der König bat mich einen guten Nachfolger zu finden. Kein Pferd kann so hoch springen um die Krone zu holen. Ich war bei jedem Ritter im Königreich: Die Hälfte hat mich weggejagt, die andere Hälfte hat mich im Stall schlafen lassen und fast alle wollten mein Pferd stehlen oder es billig abkaufen. Du warst der Einzige, der mich im Haus schlafen ließ und dein Brot mit mir teilte.“
Unterdessen ritt Hugo stolz mit dem gestohlen Ross in Richtung Burg. Das Volk versammelte sich vor dem Turm um den Sprung zu sehen. Schon nahm Hugo Anlauf und als er nah genug am Turm war, sprang er hoch. Er hatte es bis zum Fenster geschafft und als er nach der Krone greifen wollte warf das Pferd ihn ab. Hugo brach sich beim Aufprall das Genick und war sofort tot. Als die Menge gehen wollte kam ein starker Windstoß, der die meisten von den Füßen riss. Dann sahen sie was die Böe verursacht hatte: Ein großer Drache auf dem Garet saß. Die Leute waren ängstlich, und wollten fortrennen, aber Garet sprach:
„ Fürchtet euch nicht! Ich bin nur da um mir die Krone zu holen!“
Augenblicklich blieben alle stehen. In ihren Gesichtsausdrücken sah man Furcht und Neugier. Langsam ritt Garet auf den Turm zu. Dort erhob sich der Drache, aber dieses Mal schwang er seine Flügel sachte damit nicht noch mal alle von den Füßen gerissen wurden. Dann sprang der Drache und Garet nahm die Krone und saß sie sich auf. Die Menge jubelte: Das Reich hatte endlich einen König!
Garet war ein guter und gerechter Herrscher und regierte bis an sein Lebensende.
Tag der Veröffentlichung: 17.06.2009
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