„Sport ist Mord“, stöhnte Elisabeth, eine Frau in den besten Jahren, während sie zum wiederholten Male die Beine gegen den beweglichen Boden der Presse stemmte. Die Trainerin neben ihr forderte sie unerbittlich. Der Schweiß lief in feinen Rinnsalen über ihr Gesicht und ihr ganzer Körper spiegelte die durchlittenen Qualen.
„Sport… ist… Mord“, quetschte sie noch einmal den Satz durch die zusammengebissenen Zähne, dass er nicht nur zerstückelt klang, sondern der Trainerin förmlich entgegengespuckt wurde. „Das…sagte…schon... der alte…Winston, Gott hab ihn selig!“ Elisabeth atmete so laut ein und aus wie ein Blasebalg am Kamin.
„Frau Reiff, Sie werden trotzdem nicht umhin können, sich endlich mehr zu bewegen. Und, was Sie sicher sehr interessieren wird, Winston Churchill hat mit diesem Zitat nicht das Geringste zu tun! Von ihm stammt lediglich der Begriff „No sports!“
Jetzt schaltete die Trainerin namens Susi auch noch den Klugscheißermodus ein. Elisabeth hatte längst genug von diesem Theater hier. Ihr Arzt, der sie zum Kuraufenthalt überredet hatte, konnte sich bei der Heimkehr warm anziehen. Die Fitnessgeräte der Klinik waren in miserablem Zustand und hätten längst ausgemustert werden müssen. Das zahlte die Krankenkasse aber vermutlich nicht und so mutete man den Kurgästen alte Geräte zu, um die eigene Gewinnspanne zu stabilisieren. War sie nicht jahrelang mit dem geringsten Bewegungsaufwand gut gefahren? Das Wortspiel entlockte Elisabeth ein gequältes Lächeln. Mit ihrem Golf-Cabrio fuhr sie sogar zum nahen Kiosk an der Ecke. Sie hatte keine Freude daran, sich per pedes durch die Stadt zu quälen.
Wutgesteuert stieß Elisabeth die Metallplatte mit den Beinen von sich.
„Genau, Frau Reiff. Jetzt haben Sie es begriffen. Es kommt auf die innere Einstellung an, dann klappt es auch viel besser mit der Bewegung. Zaubern Sie ein Lächeln auf Ihr Gesicht und Sie schaffen im Anschluss zehn zusätzliche Sit-ups. Und neun, und acht und sieben…“ Mit der Hand auf dem Rücken geleitete sie Elisabeth zur Rudermaschine und drängte sie, dort Platz zu nehmen. Ihre Motivationsrede regnete auf die erschöpfte Frau nieder.
„Hör mir auf mit dem Gesülze, du muskulöser Besenstiel!“ Elisabeth ließ prompt die Griffe des Rudergerätes los und schlug sich mit einer Hand auf den Mund. Hatte sie das jetzt laut gesagt oder doch nur gedacht? Diese Anstrengung verlangte ihr wirklich alles ab. Sie war doch kein Übermensch. Doch im Gesicht der Sportskanone an ihrer Seite las sie keinerlei Empörung. Das war nochmal gutgegangen. Sie hatte ohnehin den Eindruck, dass die Frau das Training verschärfte, je mehr Elisabeth ihren Unwillen preisgab, sich übermäßig anzustrengen. Sie saß also quasi in einer Zwickmühle: Ihr Personal Trainer ließ sie nicht aus den Augen. Heute Mittag bei Tisch war die Frau an Elisabeth vorbeigeschlendert und hatte mit erhobenen Augenbrauen den ausgestreckten Zeigefinger missbilligend auf den Teller ihres Schützlings gerichtet. Dabei tummelten sich dort nur vier trockene Kartoffeln und ein welkes Salatblatt, gemeinsam mit einer mickrigen und laff gewürzten Hähnchenbrust.
„Zu viele Kohlenhydrate, Frau Reiff. So wird das nie was mit Ihnen.“ Die zwei Grazien am Nachbartisch, die ohnehin aussahen, als müssten sie über einem Gullydeckel die Arme ausbreiten, um nicht hineinzufallen, hatten gekichert und sich vor Vergnügen auf die knochigen Schenkel geschlagen. Erst als Elisabeth sie böse angeblitzt hatte, herrschte Ruhe auf den billigen Plätzen. Was glaubten die, wer sie waren? Zwei Bügelbretter mit Erbsen gespickt? Zu einer echten Frau gehörten auch echte Rundungen, sagte jedenfalls ihr Heinrich immer und der musste schließlich wissen, wovon er sprach.
„So, tun wir jetzt noch was für Ihre Ausdauer. Eine halbe Stunde auf dem Crosstrainer dürfte für heute Nachmittag ausreichen!“ Die schnippische Stimme weckte Elisabeth aus ihren Gedanken. Wenn Susi WIR sagte, bedeutete das nichts Gutes für Elisabeth. So viel hatte sie schon begriffen. Fitness-Susi folgte ihr auf dem Fuße. Das war ihre Auffassung eines WIR-Gefühls, das Elisabeth nicht teilte: Susi stand, eine Hand in der Tasche ihres Sportanzugs vergraben, neben dem Trainingsgerät und stellte den Widerstand und die Zeit ein, dann gab sie das Zeichen zum Start. Elisabeth trat die Pedalen mühsam auf und nieder. Ihre Hände steckten in Schlaufen, die ihr das Gefühl gaben, sie sei an die
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Anja Ollmert
Bildmaterialien: Titelfoto: pierremagnan, „Hanteln“, CC-Lizenz (BY 2.0) http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.de Alle Bilder stammen aus der kostenlosen Bilddatenbank www.piqs.de
Tag der Veröffentlichung: 06.06.2014
ISBN: 978-3-7368-1826-2
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle, denen schon beim Anblick des Titelbildes der Schweiß ausbricht.