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Eisblumen hatten sich in der Nacht auf der Fensterscheibe gebildet. Will stand nun davor und fuhr mit dem Zeigefinger über die zarten Kristalle. Wunderbar. Er würde sie der Kleinen gleich nach dem Wecken zeigen. Der Winter hatte doch seinen ganz eigenen Reiz und alleinerziehender Vater zu sein war auch nicht immer schlecht. Will freute sich auf das Strahlen der Kinderaugen beim Anblick der winterlichen Pracht. Er hatte Sammy versprochen, am Abend mit ihr Schlittschuh zu fahren, wenn es kalt blieb.

„Papa, die sind wunderschön. Darf ich die behalten?“
„Ach Sammy, wenn es wieder wärmer wird, dann verschwinden sie von ganz allein. Ich hab sie nicht ans Fenster gemalt, das war der Winter.“
„Ich mag den Winter“, erklärte die Vierjährige mit Nachdruck.
„Ich auch, und ich kann dir ein Foto davon machen, wenn du die Eisblumen behalten möchtest.“
„Au ja, dann kann ich sie im Kindergarten Trisha zeigen. Dann können wir versuchen, selbst welche zu malen.“

Lächelnd ging Will ins Schlafzimmer, holte die Kamera und schoss ein paar Fotos. Mit den Ausdrucken in der Hand würde Sammy es eilig haben, zum Kindergarten zu kommen. Er startete den Rechner und checkte kurz die Mails, bevor er das Bildprogramm starten wollte.
Ein „Sie haben Post“ blinkte ihm aufgeregt entgegen, während seine Tochter sich anzog und das Frühstück verschlang, das er ihr hingestellt hatte. Will klickte sich durch die Werbemails. „Kaum bekannte Namen bei den Absendern, alles nur Müll“, dachte er.
Dann aber öffnete sich die letzte Nachricht: „ICH BIN DER WINTER DEINES LEBENS“, stand da in Großbuchstaben. „ICH WERDE DICH EISKALT ERWISCHEN…“ Will erschrak und verharrte reglos vor dem Bildschirm.

Als Sammy hinter ihm auftauchte und sagte:
„Ich bin fertig Pa, wir können gehen“, reagierte er kaum. Sie zog ungeduldig an seinem Ärmel: „Was ist denn mit den Fotos? Bist du noch nicht fertig? Nun mach schon, Pa.“
Will schüttelte die unerklärliche Furcht ab, die er bei der Nachricht empfunden hatte. „Das war sicher nur eine Spam-Mail“, dachte er und druckte die Fotos aus. Dann sagte er:
„Lass uns gehen. Wenn ich dich heute Nachmittag abhole, fahren wir Schlittschuh.“
„Wirklich Pa?“ Sammy hüpfte wie ein Flummi vor ihm auf und ab. „Passen denn meine Schlittschuhe noch?“
„Ich bring sie mit, wenn ich dich abhole. Und wenn sie zu klein sind, kaufen wir neue. Lass uns gehen!“ Er zog die Wohnungstür ins Schloss und drehte heute den Schlüssel dreimal im Sicherheitsschloss um. Man konnte ja nie wissen… ]
 
 Es handelt sich um eine Leseprobe. Der gesamte Text ist erhältlich in meiner eigenen Anthologie "Hinter Türen" unter der ISBN: 978-3-7309-1315-4, 3,99 Euro bei Amazon und Bookrix

Impressum

Texte: Anja Ollmert
Bildmaterialien: Anja Ollmert
Tag der Veröffentlichung: 04.12.2012

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