All Inclusive
Ihr Koffer lag mit geöffneten Deckeln auf dem Bett. Darin türmten sich Berge von Kleidungsstücken. Deborah war erschöpft. Niemals würde sie das Richtige Zeug für eine solche Reise finden. Auf ihren Unterlagen aus dem Reisebüro hatte gestanden, sie solle sich auf alle Eventualitäten vorbereiten.
„Und was soll das wohl heißen?“, schimpfte sie lauthals in den Raum hinein, ohne eine Antwort zu erwarten, die sie natürlich auch nicht erhielt, denn schließlich lebte sie allein.
Noch einmal ging Deborah den Inhalt ihres Koffers durch. Kurzärmelige T-Shirts und kurze Hosen, langärmelige Blusen und zwei Paar Jeans, warme Handstrickpullover und eine gefütterte Hose, Socken, der langweilige Bikini vom letzten Jahr und Unterwäsche natürlich. Sie ließ die aufgestapelte Wäsche prüfend durch ihre Finger gleiten. Jetzt war sie gerüstet. Es fehlte nur noch das passende Schuhwerk, aber das konnte warten. Deborah nahm den Reisekatalog zur Hand, zog die Beine an und machte es sich in ihrem Chaos gemütlich.
Laut las sie sich selbst den Werbetext vor: …werden Sie in unserem Fantasy World Ressort eine All-Inclusive-Reise erster Klasse verbringen. Unsere Animateure aus allen Ecken der fantastischen Literatur erwarten Sie mit Aufmerksamkeiten während Ihres Aufenthaltes….
Die bunten Hochglanzbilder strahlten mehr Faszination auf Deborah aus, als es je ein Reisekatalog getan hatte. Bilder von Wäldern und Seen, fantasievolle Tiere mit Menschenköpfen und tierischen Körpern, anmutig dahin galoppierende Einhörner und Zwerge, die mit Feen über ein glänzend gebohnertes Tanzparkett schwebten – all das war auf den Abbildungen zu sehen. Aufgeregt warf Deborah das Haar in den Nacken, wrang es zu einem festen Zopf und steckte es zu einem Knoten auf. Weniger als einen Tag hatte sie noch, bevor die Reise direkt vor der Haustür begann.
Am nächsten Tag stand sie zeitig auf und sprang unter die Dusche. Konnte sie sonst auf ihren Koffeinschub mit dem Morgenkaffee nicht verzichten, konstatierte sie heute, dass sie auch ohne die übliche Dosis aufgeregt genug war. Eine Tasse mit Milch, die sie nach dem Verzehr eilig abspülte, mehr brachte sie nicht hinunter. Schon schellte es an der Tür. Deborah griff nach ihren Koffern, die sie gestern Abend nur unter dem Einsatz ihres gesamten Körpergewichtes hatte schließen können. Über ihrem Arm baumelte die Allzweckjacke und schnell stopfte sie noch die Sonnenbrille und die Reiseunterlagen in die Handtasche.
Deborah öffnete die Tür. Ihr Blick fiel etwa in Bauchnabelhöhe auf ein Ebenbild von Brad Pitt, nur dass der in einer livrierten Uniform erschienene Mann mindestens zwei Köpfe größer sein musste. Ihre Augen tasteten sich bis zu seinem Gesicht vor und ein Blick aus strahlend blauen Augen traf sie bis ins Mark....]
Es handelt sich um eine Leseprobe. Der gesamte Text ist Teil meiner eigenen Anthologie "Hinter Türen" unter der ISBN: 978-3-7309-1315-4, 3,99 Euro, erhältlich bei Amazon und Bookrix
Texte: Anja Ollmert
Bildmaterialien: Anja Ollmert
Tag der Veröffentlichung: 06.08.2012
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