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Tschuldichung dass isch klingel, abber es Vochelfudder is leer...

Spülwein wollte mir ein Gefühl für den Winter auf der Scheibenwelt geben und hatte mich zu einem kurzen Ausflug zu seiner Hütte in den Pfähler Bergen überredet. Diese sind, wenn ich ihn richtig verstanden habe, auf der Newor Leans gegenüber liegenden Hälfte der Scheibe Und wirklich, wir waren nach kurzem Flug mit dem Teppich auf einer Schneewehe vor einer ziemlich kleinen Hütte gelandet, nur um Weniges grösser als manche Laube hierzulande...

Er rollte den Teppich zusammen und öffnete die Hüttentür mit dem auch bei uns allgemein aus 1001 Nacht bekanntem Spruche. Innen machte dieses Häuschen einen ziemlich anheimelnden Eindruck, es schien sogar innen etwas grösser zu sein als es von aussen wirkte. Er zeigte auf einen Stapel Holz vor der Hütten und bat mich, den Kamin anzuschmeissen. Er wolle sich um ein kräftigendes Mahl kümmern.

Kaum züngelnden die ersten Flämmchen im Kamin, da schellte es an der Tür. Spülwein schlug gerade einige Eier in eine Schüssel. Deshalb bat er mich, zu öffnen. Er machte keinen wirklich überraschten Eindruck und ergänzte nur, ich solle nach unten blicken.

Im ersten Moment sah ich nur einen grossen Schwarm Vögel auf der Schneewehe sitzen, doch von unten hörte ich ein Stimmchen: ‚Tschuldichung dass isch klingel, abber es Vochelfudder is leer...‘ Und echt: Vor der Schwelle sass ein Eichhörnchen und blickte mich ganz treuherzig an.

‚Wieso kannst du reden?‘, entfuhr es mir. Da rief Spülwein vom Herd: ‚Bei uns hier versteht Jeder Jeden!‘

‚Wi ham Hunga!‘, riefen da alle Vögel auf einmal. Und das Eichhörnchen wies mit seinem Pfötchen nach der anderen Seite. Dort sassen nicht nur Vögel. Hinter einer extremen Mini-Ausführung von Tod, mit einer kleinen Sense in der Hand, sassen und standen alle möglichen Tiere, von Mäusen bis zum ausgewachsenen Wolf und blickten mich ebenfalls bettelnd an.

Spülwein rief mal wieder etwas total Unverständliches und auf einmal regnete es Nüsse, Körner, und vor allem Früchte und sogar Käsestückchen auf die Tiere. Das Eichhörnchen bedankte sich artig und stürzte sich auf ein paar Eicheln...

Ich schloss die Tür und drehte mich zu Spülwein um: ‚Sag mal! Da war ein Mini-Tod mit dabei?‘

‚Das ist Rattentod! Weil es so viele Ratten überall gibt, hat Tod diese an ihn ausgesourct. Da werden sich die Ratten wohl gleich in Haare bekommen, wenn der schon da ist...‘

Doch kaum war ich von der Tür wieder am Kamin, um weiter auf das Feuer zu achtzugeben, klopfte es wieder ans Fenster. Doch dieses Mal war Spülwein schneller. Die Eier waren wohl fertig. Er öffnete das Fenster und liess die Kälte ins Haus – wozu gab ich mir am Kamin eigentlich solche Mühe? Im tiefsten Winterwalde schien, im wahrsten Sinne des Wortes, der Bär zu steppen.

‚Squeak!‘, tönte es in einer so hohen Stimme, dass ich mir automatisch meine Ohren festhielt. Ich hatte das deutliche Gefühl, jemand versuchte diese von meinem Kopfe zu trennen.

Auf dem Fensterbrett sass Rattentod, auf einem Raben reitend und fuchtelte mit seiner Sense herum. Spülwein entriss ihm das Werkzeug, und der Rabe fragte ergänzend, wo denn das Futter für die ‚echten Tiere‘ bliebe.

‚Ich lasse mich hier nicht von euch bedrohen‘, entgegnete darauf Spülwein. ‚Und wer sind diese ‚echten Tiere‘?‘

Wieder dieses ‚Squeak!‘, und der Rabe interpretierte: ‚Es gibt diese Körnerfresser, die doch im Grunde nur das Futter für die echten Tiere darstellen. Oder siehst du das anders? Bisher hast du jedoch nur diese Vegetarier gefüttert. Wo ist das Futter für uns? Wir wollen auch mal wieder was Richtiges zwischen die Kiemen bekommen.‘

‚Da draussen sitzt der ganze Platz voller Futter – was willst du mehr?‘

‚Squeak!‘, und ‚Wenn wir hier wirklich mal zuschlagen, scheuchst du uns doch weg. Hatten wir bereits mehrfach.‘

‚Ihr müsst es doch nicht vor aller Augen tun, oder! Dem Futter hinterher jagen macht schlank! Immer in Bewegung bleiben, sonst werdet ihr zu fett‘, entgegnete da Spülwein.

Und dann ging die Diskussion erst richtig los. Rattentod und der Rabe schien dieses Argument gar nicht zu passen. Diese sogenannten ‚intelligenten Wesen‘ auf der Scheibenwelt würden sich für etwas Besseres halten. Keiner von diesen würde mehr dieses alte Naturgesetz vom Fressen und Gefressenwerden akzeptieren. Wenn mal ein Wolf ein Schaf riss würden alle Zeitungen darüber schreiben, und auch wie bösartig dies wäre. Dabei wäre es doch das Natürlichste der Welt. Obendrein ginge der Gnom der Sparsamkeit auf der Scheibenwelt um, und überall würden die Leute sparen, ebenfalls am Essen – nur damit sie nichts mehr wegwerfen müssten. Selbst in den grossen Städten fiele nicht mehr ausreichend Abfall ab, um sie sattzumachen. Und selbst diese Körnerfresser zu fressen ginge den Leuten obendrein noch gegen den Strich. Wo bliebe da die Liebe zur Natur? Auch sie wären ein Teil davon, doch die Wesen der Scheibenwelt würden ihnen inzwischen das Recht auf Leben absprechen. Sie machten den ‚echten Tieren‘ das Leben unnötig schwer und diese bekämen so langsam das Gefühl, es wäre besser auf andere Welten zu entfliehen. Doch das Wissen über das Wie und das Wohin würde man ihnen vorenthalten.

Diese Beiden liessen Spülwein und später auch mir keine Chance. Wir konnten sagen, was wir wollten. Immer fanden sie ein Wenn und Aber. Selbst der Hinweis von Spülwein, er hätte sie doch dazu aufgefordert, sich ihr Futter auf dem Präsentierteller vor seiner Hütte auszusuchen, liessen sie nicht gelten. Wir wären ja nur zu Zweit und hätten dies nur aus Bedrängis gesagt. Wir hätten eh keine Chance, ihnen zu entkommen. An diesem Punkt schloss Spülwein das Fenster. Inzwischen war die Hütte komplett ausgekühlt und wir mussten unser eisiges Essen in Handschuhen vom Teller lecken.

Auf die Frage von mir, wie wir jetzt entkommen könnten, bekam ich lediglich die Antwort, er wäre doch Zauberlehrling. Dies wäre kein Problem für ihn.

Mit unverständlichen Zaubersprüchen löschte er das Feuer, verschloss die Tür von innen und rollten den Teppich aus. Nachdem ich mich darauf gesetzt hatte, ging es durch die Decke in einem rasanten Tempo los. Keiner der Raubvögel konnte uns folgen...

Impressum

Texte: 2018, Jimi Wunderlich, Die Wunderlich(e) Edition
Lektorat: 2018, Jimi Wunderlich, Die Wunderlich(e) Edition
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2018

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