Cover

Ostergeschichten für einen Dreikäsehoch

Mal wieder lehne ich mich in meinem Chefsessel zurück, die Füsse auf meinem Schreibtisch und schaue durch das offene Fenster über den Park hinweg in den Sonnenuntergang. Der Tee in meiner Schale ist lange kalt, und mir fällt dennoch nichts ein. Ich trinke den letzten Schluck, bin jedoch zu träge, um mir neuen Tee nach zu giessen. Ich stelle die Schale auf den Tisch und überlege, was ich tun könnte, ohne aufstehen zu müssen. Nichts!

 

Ich brauche eine Idee. Soll eine Geschichte schreiben, für die nächste Nummer unserer Zeitung. In vier Tagen ist Redaktionsschluss. Es solle etwas mit Eiern zu tun haben, und Ostern, wurde mir aufgetragen. Dabei mag ich keine Eier – ausser diese Nugat-Dinger – und alle Feste ignoriere ich seit Jahrzehnten erfolgreich. Selbst meinen Geburtstag lasse ich jedes Jahr aus.

 

Und nun eine Geschichte zu Ostern. Diese Sucherei hat mich schon als Kind genervt. Meine Schwestern fanden immer alles schneller als ich, selbst meine Schokolade. Die Eier wollte ich sowieso nie. Ich war jedes Mal froh, wenn diese Sucherei zu Ende war und ich in meiner Ecke sass und wieder lesen konnte. Das war spannender. Da gab es Welten zu entdecken, die ich mir als Kind kaum vorstellen konnte. In den Büchern waren Dinge versteckt, die mich zum Träumen anregten. Darin zu suchen, dies brachte echten Spass. Das war nicht wie im Park gegenüber, wo zwanzig, dreissig Kinder mit ihren Eltern durch die Büsche stolperten und immer wieder gefragt wurde, ob dieses Nest auch zu jenem Kinde gehörte. Und das anschliessende Geheule, wenn dem nicht so war. Sind doch die fremden Nester immer interessanter als die eigenen. Ich hasste das, und doch musste ich jedes Jahr dieses Ritual durchstehen – bis meine jüngste Schwester alt genug war, um daran nicht mehr teilnehmen zu wollen.

 

Zwanzig Jahre später das gleiche Drama, nur in einem anderen Park und mit meinen Kindern. Ich hätte es ihnen gerne erspart, doch deren Mutter bestand darauf. Wir, meine Kinder und ich, haben auch das durchgestanden. Wir waren nie alleine im Park, sahen jedes Jahr immer die selben Kinder mit ihren Eltern, nie war es wirklich spannend. Die Verstecke im Park waren limitiert, also gab es kaum Variationen. Die Nester fanden sich immer am alten Ort. Nach zwei, drei Jahren hatten es spätestens alle Kinder kapiert und die Sucherei konnte schnell abgehakt werden. Zu dieser Zeit bemerkte ich, woran Ostern krankt. Es gibt keine Abwechslung, wir zeigen unseren Kindern lediglich die Eintönigkeit der Welt. Kein Wunder, dass sie solche Rituale schnell über sind.

 

Letztes Jahr nun ging dieses Spiel wieder los. Mein erster Enkel war nun an der Reihe mit diesem Spiel. Klar, beim ersten Mal macht es einen Riesenspass. Alles ist neu und spannend. Und natürlich musste der Opa mitspielen. Auf dem Weg nach Hause fragte mich der Dreikäsehoch dann, wo denn der Hase die Eier her hätte. Im Kaninchenstall seines anderen Opas hätte er nie gesehen, dass dessen ‚Hasen‘ Eier gelegt hätten. Die hätte er immer aus dem Hühnerstall holen müssen. Ich habe ihm also erklärt, dass die Osterhasen die Eier nur bemalen und mit Schokolade und kleinen Geschenken für die Kinder verstecken – zur Belustigung für uns Erwachsene. Dies fand er gemein. Obwohl es stimmt, laut einer Abhandlung eines deutschen Medizinprofessors aus dem 17. Jahrhundert, entschloss ich mich, gegen zu steuern und erzählte ihm die Geschichte von den drei Hasen. Ich formulierte sie so, dass sich daraus ein Frage-Antwort-Spiel entwickelte. Er stellte sich dabei ziemlich clever an und fand alle Lösungen. Zu Hause wollte er weitere Geschichten hören, nicht nur über Ostern. Dieses Detektivspiel machte ihm offensichtlich ebenfalls Spass.

 

Vor zwei Tagen nun rief er mich an und bat darum, ihn zu Ostern zu besuchen. Ich bräuchte nichts zum Verstecken mitbringen. Er fände diese Sucherei gemein von den Erwachsenen. Er würde viel lieber mehr von den Rätselgeschichten hören. Das hätte ihm letztes Jahr so viel Spass gemacht. Da muss ich mir also noch mehr Geschichten einfallen lassen, ich habe für diese jedoch etwas mehr Zeit.

 

Vielleicht sollte ich mir mal den ‚Schmalspurschnüffler‘ ausleihen, diese Geschichte kann man gut abwandeln – aus der Diamantenkette wird das Ei des Kolumbus und Lou, der mit seinen Freunden a la ‚Emil und die Detektive‘ den Fall klärt, findet, versteckt in diesem Ei eine peinliche Geschichte über uns Erwachsene. Damit an Ostern einmal ein Kind über Erwachsenen lachen kann...

‚Der Schmalspurschnüffler‘ – Krimikomödie von 1980 u.a. mit Peter Falk
‚Emil und die Detektive‘ – Kinder-(Kriminal)-Roman von Erich Kästner

Impressum

Texte: 2018, Jimi Wunderlich, Die wunderlich(e) Edition
Bildmaterialien: 2018, Jimi Wunderlich, Die wunderlich(e) Edition
Cover: 2018, Jimi Wunderlich, Die wunderlich(e) Edition
Lektorat: 2018, Jimi Wunderlich, Die wunderlich(e) Edition
Tag der Veröffentlichung: 17.03.2018

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /