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Die Reise beginnt

Oh Mann, oh Mann, diese Kopfschmerzen. Toth hätte nicht so viel trinken sollen, und erst recht nicht mit Inanna mitgehen. Das halbe Institut war hinter ihr her. Nun hatte sie ihren Kopf ausgerechnet auf seiner Schulter liegen. Nicht etwa nur freundschaftlich - nein, sie lagen nackt unter ihrer Bettdecke, er spürte ihre Brüste auf seiner Haut und sie streichelte sein liebstes Stück. Mann erzählte sich so einiges über sie. Doch was er gerade hinter sich hatte, überstieg seine Vorstellungskraft. Es hatte sich angefühlt, als wollte sie ihn in sich aufsaugen...
    Genug davon. In ein paar Stunden war es endlich soweit. Das Experiment sollte gestartet werden. Jahre der Vorbereitung gingen zu Ende. Lange hatten sie gesucht und am Ende eine Insel gefunden. Hoffentlich weit genug entfernt vom Rest der letzten bewohnten Gebiete. Falls etwas schief gehen sollte. Man hatte einen kreisrunden Hafen gebaut, tempelartige Gebäude, um die gesamte Technik aufzunehmen, und eine mittelgrosse Stadt für die Mitarbeiter. Jetzt war diese Stadt nahezu menschenleer, die letzten Schiffe waren abgeflogen. Überall auf der Erde hatte sich davon gemacht, wer konnte. Alle hatten sie Angst vor dem, was eventuell kommen könnte. Jahrelang hatten sie gerechnet. Hingerechnet. Hergerechnet. Und sie hatten am Schluss entschieden, es müsste funktionieren. Andere haben ebenfalls gerechnet und waren meist auf das gleiche Ergebnis gekommen. Doch tauchten schnell die üblichen Warner auf und predigten, nicht nur die Insel im Atlantik würde bei dem Experiment untergehen, nein, die ganze Erde müsste dran glauben. Selbst wenn nicht dies passieren würde, so würden mindestens die alten Götter auftauchen, vor denen bereits seit uralten Zeiten gewarnt wurde. Allen voran dieser Yog Sothoth.
    Zwar glaubte niemand mehr an Götter, aber wenn die damals schon so weit fortgeschritten waren, dass die Menschen sie für Götter hielten – wie weit mussten sie heute sein, Tausende von Jahren später. Man hatte einfach Angst. Nicht umsonst hatten diese frühen Menschen Yog Sothoth ausserhalb von Zeit und Raum eingesperrt, damit er niemanden mehr versklaven konnte. Jetzt wollte man dieses Tor in Zeit und Raum wieder aufstossen.

Vor Urzeiten hatten die Menschen dieses Tor verschlossen, und damit den Alten den Weg auf die Erde verwehrt. Jetzt hatten sie ein neues gebaut. Das konnte nur schief gehen. Entweder funktionierte es nicht, und all die Energie würde sich unkontrolliert entladen. Oder es funktionierte und sie würden diese Alten auf die Erde lassen. Nichts wie weg. Wenn alles glatt ging, konnte man wieder zurück. Die Erde war inzwischen entvölkert wie schon Zehntausende von Jahren nicht mehr. Wissenschaftler glauben immer, technisch einen großen Schritt weiterzukommen. Wie so oft in der Vergangenheit hatte die Menschheit davor Angst. Doch falls alles gut ging, würden alle anstehen, um es selbst auszuprobieren. Die Menschen hatten sich nicht verändert. Sie waren wie schlaue Affen und fürchteten sich vor allem Neuen. Dies hatte sie vorsichtiger gemacht. Alles prüften sie drei-, viermal, bevor man weiter machte. Jetzt sollte alles zusammengeschaltet werden. Am Ende würde man wissen, ob es funktioniert oder nicht. Inzwischen war eine riesige Pyramide um das Tor gebaut worden. Angeblich können die alten Götter nicht aus Pyramiden entkommen. Um selbst für diesen Fall sicher zu sein...
   Huh, Inanna hatte es wieder geschafft, und nun ritt sie auf ihm. Er konnte beim besten Willen nicht mehr denken. Auch der Schädel brummte nicht mehr. Inanna hatte es spielend drauf, dass Toth vergessen konnte. Seine Angst, dass am Ende etwas schief ging, seine Kopfschmerzen. Auf einmal gab es nur Inanna und ihn. Irgendwie schwebten sie durch Raum und Zeit, alles war eins und zwei zugleich. Er bekam schwer Luft, doch er fühlte sich wohl und frei. Einfach so mit ihr durch die Lüfte zu reiten und gleichzeitig Boden unter dem Rücken zu spüren. Wieder dieses Gefühl, aufgesaugt zu werden. Er hielt sie fest umschlungen, damit es nicht wirklich passierte. Ihre Lippen fanden zueinander, bevor sie endlich einschliefen...
   Toth träumte von Yog Sothoth, hörte ihn pfeifen und sah, wie er versuchte, Jahwe beim Pokern über den Tisch zu ziehen, und wie Satan ihn verriet. Ab in den Turm! Den konnte Toth nicht sehen, aber er hörte weiter Yog Sothoths Pfeifen. Dabei sass der am Tisch und zockte mit Jahwe und Satan. Wie konnte das sein? Inanna schlang ihre Arme um seinen Hals. Toth hörte das Pfeifen aus dem Turm, und sah die Drei pokern. Dazwischen immer wieder Inanna. Alles zur selben Zeit. Irgendetwas war da durcheinandergeraten. Oder war es der Traum, der alles durcheinanderbrachte? Er sah die gesamte Geschichte vorbeirauschen, alles auf einmal. Dabei konnte er jeden Fakt einzeln ausmachen. Er sah Ägypter beim Pyramidenbau, Sumerer beim Bau ihrer Zikkurate, Kyrill beim Schriftenerfinden, Affen beim Feuermachen, Ärzte gegen die Pest kämpfen, Armstrong beim Spazieren auf dem Mond, Kelly auf dem Mars, alles deutlich voneinander getrennt und doch gleichzeitig. Und immer wieder Inanna dazwischen. Welche Rolle spielte sie? Jahwe verlor ein Universum nach dem anderen, während Yog Sothoth seine Melodie pfiff. Welche Rolle spielte Satan? Das war nicht herauszufinden. Ein verrückter Traum, und er stand in keinem Zusammenhang zu dem, was er bisher erlebt hatte. Über die alten Götter hatte er gelesen, musste er. Immerhin konnte es passieren, dass sie auf einmal auftauchten während des Experimentes. Sehr wahrscheinlich war es nicht. Aber man wollte vorbereitet sein. Ihnen war vor Jahrtausenden angeblich der Weg versperrt worden. Vor so langer Zeit, dass man nicht mehr wusste, wer sie verjagt hatte, wer das Tor geschlossen hatte – geschweige denn, wer es vorher geöffnet hatte. Dies hofften sie, mit dem Experiment in Erfahrung zu bringen. Er liess Yog Sothoth weiter pfeifen, morgen war noch ein Tag...


   Als Toth erwachte, lag Inanna nicht mehr neben ihm. Wie spät war es? Offensichtlich nicht zu spät. Inanna würde ihn nicht das Experiment verschlafen lassen. Was rauschte da? Eine Dusche? Dann war sie noch da, also nicht zur Pyramide. Jetzt fing sie an zu singen. Er sollte Kaffee kochen, sich irgendwie nützlich machen. Herrliches Gefühl! Jetzt noch einen Kaffee und die Welt war wieder in Ordnung. Also hoch...
  

Nie hatte er nackt gefrühstückt. Das machte Spass, erst recht, da Inanna mit ihm in der Küche sass. Der Kaffee schmeckte viel besser. Dieses Aroma, von Kaffee und nackter Haut, frisch nach dem Duschen. So könnte die Welt immer sein. Leider mussten sie sich etwas beeilen. Das Experiment sollte bald losgehen. Er hatte keine Lust, vom Tisch aufzustehen. Es war soo angenehm, hier mit Inanna zu sitzen. Einfach nur Schwachsinn reden. Sie lachte sogar darüber. Immer passierten solch angenehmen Dinge, wenn Toth keine Zeit hatte. Wie heute. Sie sollten in ihre Kleider schlüpfen. Er hoffte, dass die anderen irgendwie bemerkten, dass er mit Inanna und so. Er hatte den Vogel abgeschossen. Die wohl heisseste Braut, die im Augenblick auf Erden weilte, hatte ihn abgeschleppt und schien sogar auf ihn zu stehen. Dabei dachte er immer, dass er nicht so ein Typ wäre. Bei Parties stand er stets in einer Ecke und niemand redete mit ihm. Er wusste einfach zu viel, als sich mit diesem kleinen Gerede abzugeben. Dies war nun mal nicht die Sache der Bräute. Die wollten nie über ernstere Dinge reden. Inanna war anders, hin und wieder redete sie mal über etwas Ernstes. Aber nur manchmal. Letzte Nacht war manchmal gewesen. Irgendwie war er froh darüber, und wollte dies in die Welt hinausschreien. Nur war kaum jemand da, der ihn hören könnte. Und die, die da waren, würde dies nicht interessieren. Die redeten lediglich über das Experiment und welches man danach machen könnte. Vor allem Osiris und Isis, die machten sogar Vorschriften, was man denken sollte. Sie redeten über die Fragen, die sie den Alten stellen wollten, und forderten die anderen ständig auf, sich ebenfalls welche auszudenken. Kein Wunder, dass dies Inanna nervte, und sie sich lieber mit ihm vergnügte. Selbst wenn er nicht mehr der Jüngste war. Irgendwie hoffte Toth, dass mit dem Experiment etwas schief gehen würde. Nichts Schlimmes, es sollte einfach nichts passieren. Ein Blitz oder so was und das war es am Ende. Dann müssten sie weiter zusammenarbeiten und er hätte mehr Zeit mit ihr. Immer wenn die Zeit am Knappsten wurde es am Schönsten - hoch jetzt, in die Kleider und los zur Pyramide…


   Wie erwartet hatten die Anderen ohne sie angefangen, was jedoch eher angenehm war. Wer ist schon scharf auf all die Politikeransprachen, die immer behaupten, es schon lange gewollt zu haben. Selbst wenn jeder weiss, dass gerade dieser oder jener Poltiker die Mittel gesperrt hatte oder mit noch schlimmeren Behauptungen den Wissenschaftlern das Leben schwer gemacht hatte. In solchen Momenten nahm das niemand wirklich schwer – nur dass jede Rede in die Beine ging. Jeder wartete darauf, endlich zu sehen, ob die Arbeit der letzten Jahre die richtige war, oder ob man wieder von vorne anfangen musste.
  Endlich war Poseidon dran und betätigte den Schalter. Nachdem das Kraftfeld um die Pyramide aufgebaut war, fing alles zu brummen an und es gab einen grellen Blitz, der einem den Atem nahm. Alle waren geblendet und man konnte seinen Nachbarn nicht mehr erkennen. Toth glaubte, Inanna schreien zu hören und griff nach ihr, oder nach etwas, von dem er dachte, es ist Inanna…

(Diese Erzählung ist sprachlich leicht überarbeitet dem eBook ‚Die Atlantis-Protokolle, Mappe 1‘ entnommen.)

Impressum

Texte: Jimi Wunderlich, Wunderlich(e) Edition
Cover: Jimi Wunderlich, Wunderlich(e) Edition
Lektorat: Jimi Wunderlich, Wunderlich(e) Edition
Tag der Veröffentlichung: 04.12.2017

Alle Rechte vorbehalten

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