Ich war fett. Nicht mollig oder etwas korpulent, sondern einfach fett! Man sah mir nicht an, dass mein Gewicht mich bedrückte, denn ich trug immer meine fröhliche Maske zur Schau. Ich hatte das Gefühl unter meinem fett begraben zu werden. -Dabei wollte ich doch fliegen, aber wie wenn dieser eklige Körper mich runterzieht immer weiter, bis ich das Gefühl habe, in einem schwarzen Strudel versinke. Aber dann traf ich Ana, ich fühlte mich verstanden und wertgeschätzt. Nicht dass ich nicht eine ganz tolle Familie hatte, doch sie verstand mich einfach nicht. Sie hatte keine Ahnung wie unsicher ich wirklich war, dass ihre kleinen Neckereien mich tief trafen und mich abends in meinem Zimmer heulend zusammenbrechen ließen.
Denn sobald ich meinen Zufluchtsort verließ versteckte ich mich nicht nur hinter Mauern, sondern hinter einer ganzen Festung. Früher war mir mein Aussehen egal, ich war ein glückliches kleines Mädchen. Doch die Jungs waren schon immer gemein zu mir, ich zeigte es ihnen nicht doch ihre Gemeinheiten trafen mich. Als ich in die Mittelstufe kam wurde es nicht besser, eher schlimmer. Sie beschimpften mich und spielten mir Streiche, dabei war mein BMI im Normalbereich. Aber ich war frühreif und kleidete mich eher ungünstig sodass ich viel dicker aussah. Ich wurde immer unglücklicher und aß immer mehr, je dicker ich wurde, desto gemeiner wurden sie.
Es war ein Teufelskreis. Bis zu den Sommerferien, nach denen ich in eine neue Schule kommen sollte. Niemand aus meiner alten Klasse würde dort sein, also konnte ich mir ein neues Image aufbauen. Keiner würde von meiner unangenehmen Vergangenheit erfahren, das war der Zeitpunkt als ich Ana traf.
Im Internet nach Diäten suchend fand ich einen Beitrag zu Pro Ana, da ich keine Ahnung hatte was das sein sollte, googelte ich diesen Begriff. Es gab viele Ergebnisse: „Anas 1. Brief“, „Anas Gebote“, „Anas Gesetze“. Zuerst las ich mir den Beitrag auf Wikipedia durch, demzufolge Pro Ana, also Pro Anorexia Nervosa wörtlich übersetzt für Magersucht heißt. Mädchen hauptsächlich zwischen 12 und 18 frönen diesen Lifestyle. Entsetzt schloss ich den Tab, aber aus Neugier las ich mir ein paar Pro Ana Diäten durch, sie versprachen einen Gewichtsverlust von einem Kilo in nur einem Tag, also probierte ich ein paar aus. Bald schon las ich mir die Gebote und Gesetze auch durch. Ana wurde meine beste Freundin aber auch mein schlimmster Feind, sie spornte mich an damit ich mehr Sport trieb und beschimpfte mich, wenn ich essen wollte. Als die ersten Erfolge sich zeigten war ich so überglücklich, dass ich alles getan hätte nur damit es weiter mit meinem Gewicht bergab ging.
Ich schwebte wie auf Wolken, alle gratulierten mir zu meiner Disziplin und ich war stolz. Bis mein erster Absturz kam, ich weiß nicht mehr was der Auslöser war, aber ich stopfte mich mit Essen voll und als ich am nächsten Tag auf der Waage stand. Dachte ich meine Welt steht still. Ein Kilo mehr, und dass nur für ein paar Sekunden Genuss! An diesem Tag hatte ich dann nichts gegessen, weil ich schon fast eine Panikattacke hatte, wenn ich nur daran dachte, ich könnte zunehmen. Das ist mein Leben jetzt: Aufstehen, Wiegen und warten dass der Tag vergeht, in der Hoffnung abzunehmen. Seit 3 Jahren bestimmt die Zahl auf der Waage meinen Alltag.
Kapitel 1
Nur noch zwei Minuten. Nur noch zwei Minuten.
Das Mantra dröhnte in meinem Kopf, das einzige was mich davon abhielt zusammenzubrechen. Meine Lunge brannte, meine Beine waren so schwer, als wären Eisenkugeln an ihnen festgemacht und in meinen Waden machte sich ein Krampf bemerkbar, doch ich gab nicht auf. Ich durfte nicht. Ich musste es schaffen.
Nur noch eine Minute.
Ich höre erst auf wenn ich fertig bin und nicht wenn ich nicht mehr kann. Ich versuchte mir in Erinnerung zu rufen, wie es sein konnte, wenn ich jetzt nur einfach weiterlief und das Seitenstechen ignorierte. Versuchte mir Bilder zu zeichnen, wie ich wohl aussehen würde, sobald ich meinen Traum verwirklicht hatte. Und dann… die Erlösung endlich fertig. Langsam atmete ich ein und wieder aus immer darauf bedacht einfach entspannt weiter zu gehen ohne zusammenzubrechen. Da ich gestern nichts gegessen hatte, hatte ich heute nicht die gewohnte Energie zur Verfügung. Aus meiner Jackentasche holte ich noch einen Traubenzucker und mein Handy um mir anzusehen wie Lauf tour gelaufen war und wie viel Kalorien ich verbrannt hatte. Immer noch die dröhnende Musik in den Ohren hörte ich sie nicht kommen.
Erst als sie nur noch wenige Meter entfernt waren sah ich sie aus dem Augenwinkel heraus, so vertieft war ich in mein Handy. Ich sah auf. Neunzehn Jungs in meinem Alter kamen auf mich zu gejoggt. Alle trugen schwarze kurze Hosen und grüne Westen. Die Sportklasse. Scheiße. Ich war ungeschminkt, total verschwitzt und meine Haare sich völlig verstrubelt. Jeder einzelne grüßte mich mit einem „Morgen“ und einem verschmitzten Grinsen. Und dann sah ich ihn… Ich hätte ihn auch schwer übersehen können mit seinen fast zwei Metern. Mason Black. Ich war mit ihm zusammen in einer Klasse in der Grundschule, doch so wie er mir zuzwinkerte als er merkte, dass ich ihn anstarrte erkannte er mich wohl auch und amüsierte sich grandios über mich. Immer noch das Dickerchen. Während er großgewachsen und muskulös war.
Mein Gesicht lief puterrot an, zumindest fühlte es sich so an und ich senkte den Kopf murmelte ebenfalls ein „morgen“. Wobei ich meine Schritte beschleunigte um schnellst möglichst an den Sportlern vorbeizukommen. Warum mussten sie auch unbedingt hier ihre Runden laufen? Hatten Sie nicht auf ihrem Internatsgrund ein riesiges Gelände zum Laufen. Sie mussten nicht extra in den ca 500 m entfernten Park kommen. Vor allem nicht samstags. Um halb sieben. Hatten die nichts Besseres zu tun? So schnell wie möglich lief ich aus dem Park und überquerte die Straße um nach Hause zu kommen wo ich mich dehnen und duschen konnte. Ich seufzte, das hatte mir gerade noch gefehlt. Seit 7 Jahren hatte ich Mason nicht mehr gesehen und beinahe hätte ich ihn nicht, wenn mir eine Freundin nicht erst letztens ein aktuelles Foto von ihm gezeigt hätte um mir zu zeigen wie verändert er aussah, hätte ich ihn sowieso nicht erkannt. Schluss damit, sagte ich mir. Ich hatte besseres zu tun vor allem da er schon damals nur Hohn und Spott für mich über hatte.
Und wieder brannte meine Lunge und meine Beine fühlten sich an wie Blei, doch ich gab nicht auf. Den Blick auf den Boden gerichtet, heftig keuchend, versuchte ich weiterhin durchzuhalten und nicht daran zu denken, dass ich noch 2 km vor mir hatte. Heute hatte ich eine andere Zeit gewählt um meine Runde zu laufen, damit ich nicht Gefahr laufe wieder der Sportklasse oder Mason über den Weg zu laufen. Die gestrige Peinlichkeit reichte mir für die nächsten Wochen, schon so war es mir unangenehm, so vielen gut aussehenden Jungs auf einmal über den Weg zu laufen, doch ungeschminkt, verschwitzt und krebsrot im Gesicht war es sehr viel mehr als nur äußerst unangenehm. Nur noch 1,5 km.
Ich schaffe das. Entschlossen beschleunigte ich mein Tempo etwas. Musik dröhnte in meinen Ohren, meine Kopfhörer arbeiteten auf voller Lautstärke um meine Umweltgeräusche auszublenden. 1 km noch. Mein Atem beschleunigte und frische Energie schoss durch meine Adern, bei dem Gedanken, dass ich es gleich geschafft hatte. 500 m verblieben noch und wieder erhöhte ich mein Tempo. Plötzlich war da jemand neben mir und lief mit mir. Ruckartig blieb ich stehen, jeder Gedanke an meinen Lauf und mein Ziel war vergessen als ich Mason erkannte. Mit einem Ruck riss ich meine Kopfhörer von meinen Ohren. Vergnügt grinste er mich an: „Sind wir schon fertig?“ Verwirrt blickte ich ihn an. Wir? Was wollte er? Als ich nicht antwortete verblasste sein Grinsen langsam. Er musste denken ich bin komplett bescheuert wie ich hier stumm vor ihm stand und krampfhaft versuchte wieder zu Atem zu kommen.
„Was machst du hier?“ brachte ich schließlich nach einigen Sekunden unangenehmen Schweigen heraus. Nun schien er verlegen zu sein, mit seiner linken Hand rieb er sich seinen Nacken und lächelte schüchtern. „Ich wollte dich fragen ob wir mal einen Kaffee trinken wollen oder so?“ Nun restlos ratlos fragte ich: „Kaffee?“ Er schien seine Verlegenheit überwunden zu haben, denn er schenkte mir ein breites Lächeln und erklärte: „Ja, Kaffee. Zum Kennenlernen.“ Zum Kennenlernen? Aber…Oh mein Gott, er wusste nicht wer ich war. Wie peinlich. War ich wirklich so unscheinbar? „Ich denke nicht, dass das eine gute Idee wäre…“ Noch bevor ich meinen Satz beenden konnte unterbrach er mich laut und barsch. „Warum denn nicht?“ Er sah verdammt wütend aus. Nervös machte ich einen Schritt rückwärts.
„Weil wir uns schon kennen, Mason. Wir waren in der Grundschule in der gleichen Klasse.“ Er musterte mich bevor sein Gesicht einen schockierten Ausdruck annahm. „Ava?“ Gespannt auf seine Reaktion nickte ich. Er machte einen Schritt zurück. „Oh man, das tut mir leid ich habe dich echt nicht erkannt.“ Er warf einen raschen Blick über seine Schulter. Wahrscheinlich war es ihm unangenehm jetzt wo er wusste wer ich war, dachte ich zynisch. Um uns beiden noch weitere Peinlichkeiten zu ersparen sagte ich: „ Ja war nett dich wieder zu sehen, aber ich muss jetzt heim.“ Damit wandte ich mich ab, ignorierte seinen verdatterten Gesichtsausdruck und marschierte Richtung Parkausgang. Von dort musste ich nur die Straße überqueren und schon war ich daheim. Dort beendete ich mein Training mit ein paar Dehnübungen und stellte mich unter die Dusche. Meine Eltern waren nicht daheim, so wie meistens.
So konnte ich in aller Ruhe Radio hören, mein Frühstück genießen, welches aus einem Kaffee bestand und die Zeitung lesen. Dabei verbannte ich jeglichen Gedanken an Mason. Mit mäßigem Erfolg. Mit einem Mulmigen Gefühl holte ich ein kleines Notizbuch aus dem einzigen verschließbaren Fach meines Schreibtischs und trug meine aktuellen Daten ein, damit ich sie vergleichen konnte. Erleichtert stellte ich fest, dass ich heute 400 gramm weniger wog als gestern.
Es geht voran zwar nur mit kleinen Schritten, aber immerhin. Meiner strengen Diät hatte ich es zu verdanken, dass ich mittlerweile 8 Kilogramm weniger wog als noch zu Beginn des Jahres. Mittlerweile hatten wir April und langsam musste ich mich beeilen, damit ich in meinem Bikini nicht wie ein gestrandetes Walross aussehen würde. Auf der nächsten Seite gestaltete ich meinen heutigen Tagesplan. An den Wochenenden konnte ich sowas beim Frühstücken machen, doch unter der Woche war ich meistens im Stress und erledigte das im Bus.
Kapitel 2
Als ich am Nächsten Tag auf dem Weg zum Bus aus dem Haus ging versperrte mir eine hünenhafte Gestalt den Weg. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück um in das Gesicht der Person sehen zu können und stellte fest dass der Hüne Mason war. Erschrocken zuckte ich zurück.
Was machte er denn hier? Doch bevor ich meine Frage laut stellen konnte, sagte er mit einem Gesichtsausdruck, der eine Mischung aus Schuld und Verlegenheit ausdrückte: „Hey. Es tut mir leid wegen gestern, meine Reaktion war…ich war einfach so überrascht, weil…ich meine…oh man, es tut mir leid.“ Vollkommen verblüfft musste ich zugeben, dass er es ehrlich zu meinen schien. Niemals hätte ich gedacht, dass er sich bei mir entschuldigt, geschweige denn dass er es ernst meinen würde.
Da ich nicht wusste, was ich sonst hätte sagen sollen, meinte ich nur „Okay“ und wollte an ihm vorbei gehen, doch er hielt mich am Arm fest. Verwirrt sah ich auf seine Hand, welche mich festhielt, doch noch bevor ich mich ernsthaft fragen konnte was er denn jetzt noch von mir von mir wollte, sagte er etwas vollkommen Unerwartetes.
„Du hast mir gestern keine Antwort gegeben“ Meinte er das ernst? Wollte er wirklich etwas mit mir zusammen machen? Freiwillig? Ich meine, immerhin war Mason und ich…naja ich war Ava, einfach die unscheinbare Ava. Doch obwohl ich es besser wissen müsste, sagte ich ihm zu.
Idiotin, schrie es in meinem Kopf, er macht sich bestimmt nur über dich lustig! Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht, was nur meine Zweifel schürte. Als er seine Hand meinem Gesicht näherte, erhaschte ich einen Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk. Hastig wich ich Mason aus und stieß ein: „Es tut mir leid. Ich muss jetzt los, aus als ich auch schon davonhastete um meinen Buch noch zu erwischen. Doch ich hatte nicht mit seiner Hartnäckigkeit gerechnet. „Warte noch kurz. Was ist denn wegen dem Kaffee?“
Hektisch blickte ich auf meine Handy Uhr und fragte mich wie ich das am schnellsten erledigen konnte. Mason, der meine Gedanken erraten zu schien bot mir eine fast perfekte Lösung: „Gib mir doch einfach deine Nummer, dann können wir das später noch besprechen.“
Dabei lächelte er mich gewinnend an. Ich versuchte die Vorteile gegen die Nachteile aufzuwiegen, die Nachteile überwogen zwar, aber ich konnte nicht ablehnen ohne unhöflich zu sein und außerdem konnte ich es mir nicht erlauben noch mehr Zeit zu vergeuden. Also nickte ich zweifelnd und streckte meine Hand nach seinem Handy aus, doch er hielt mir nur einen Kulli und seinen Unterarm hin. Es dauerte zwei Sekunden, bis ich verstand was er von mir wollte.
Doch dann unterdrückte ich meine Schüchternheit und schreib so schön ich konnte meine Nummer auf seinen muskulösen Unterarm darüber schrieb ich noch meinen Namen. Als ich fertig war gab ich ihm seinen Kulli zurück, während er noch versonnen auf seinen vollgekritzelten Arm blickte, sobald er seine Hand um den Stift schloss, hastete ich wieder davon.
Zwar hielt er mich diesmal nicht auf, aber ich wäre fast gestolpert als in mein Bewusstsein drang was er mir gerade nach gerufen hatte. „Ava, wenn du nicht kommst werde ich jeden Morgen hier auf dich warten, bis du endlich mit mir ausgehst.“ Tatsächlich hatte ich darüber nachgedacht, einfach nicht zu kommen. War es wirklich so offensichtlich was mir durch den Kopf gegangen war?
Während mir diese Gedanken durch den Kopf schossen, rannte ich weiter zu meinem Bus, welchen ich auch gerade noch erwischte. Völlig außer Atem ließ ich mich auf den Sitz fallen. Verwundert sah mich meine Freundin an. „Alles okay?“ „Ja, ich hab nur verschlafen.“ Jetzt war sie noch verwunderter. „Du? Du hast verschlafen?“ Ich nickte nur als Antwort.
Zu meinem Glück ließ sie es auf sich beruhen und fing an von ihrem Wochenende zu erzählen, während sie mir anscheinend jedes einzelne Detail erzählte, dachte ich über Mason nach und was er gesagt hatte. Mit mir ausgehst, hatte er gesagt, hieß dass das ist ein Date. Auch wenn noch so viele Tatsachen darauf hinwiesen dass er auf ein Date mit mir gehen wollte, konnte ich es einfach nicht fassen. Noch immer redete Hannah ohne Unterlass über ihr Wochenende. Endlich kamen wir bei unserer Schule an, das hieß dass Hannah nun von mir ablassen wurde und Kristen alles erzählen würde, was mich von der Pflicht zustimmende Geräusche an der richtigen Stelle zu machen. Ein Piepsen erinnerte mich daran mein Handy stummzuschalten und zeigt den Eingang einer SMS an. Sie war von einer unbekannten Nummer.
Meine Handy wurden feucht und mein Mund trocken als ich die wenigen Zeilen las. „Was hältst du von morgen Nachmittag? Ich hole dich auch ab :)“ Mit zittrigen Fingern antwortete ich: Geht in Ordnung. Ich habe morgen bis um 3 Unterricht deswegen kann ich erst ab fünf, ist das für dich in Ordnung? Als ich auf senden gedrückt hatte, fragt ich mich, hätte ich vielleicht auch ein Smiley machen sollen? Doch jetzt war es auch schon egal, immerhin konnte ich nichts mehr daran ändern.
Ich hatte mich darauf eingestellt einige Zeit auf seine Antwort warten zu müssen, doch zu meiner Überraschung kam die Antwort sofort. Ich kann dich auch direkt von der Schule abholen:) Mist, das würde bedeuten dann wüsste er auch wo ich zu Schule gehe, aber war das nicht egal? Ich meine was sollte er schon mit diesem Wissen anfangen. Bevor mir noch etwas einfallen konnte schrieb ich ihm: ja klar wenn du willst und wenn es dir nicht zu weit ist? Darunter fügte ich noch die Adresse meiner Schule ein. Wieder kam seine Antwort sofort. Kein Problem, dann ist es fix. Ich hol dich morgen um 3 vor deiner Schule ab.
Kapitel 3
Den ganzen Tag erlebte ich wie durch Watte, ich bekam so gut wie nichts mit. Hannah warf mir immer wieder Blicke zu ließ es aber auf sich beruhen, wofür ich ihr so dankbar wie nie zuvor war. Meine Gefühle fuhren Achterbahn, ich schwankte zwischen Freude, Angst und Nervosität. Immer wieder fragte ich mich, was wenn es nur ein Trick ist um sich über dich lustig zu machen? Doch ich konnte und wollte ihm nicht absagen. Es hatte aber auch gute Seiten, denn vor lauter Nervosität konnte ich den ganzen Tag nichts essen. Und als ich am nächsten Tag auf der Waage stand, durchfuhr es mich wie ein Blitz, ein ganzer Kilo weniger, ich schwebte wie auf Wolken. Aber ich wollte mir das nicht vermasseln, also würde ich heute, bis Mason mich abholen würde, fasten. Auch dieses Mal bereitete mir die Nahrungsverweigerung genauso wenige Probleme wie gestern.
Kurz vor drei wurden meine Hände so feucht, dass ich beschloss nochmal Hände waschen zu gehen, bevor ich Mason gegenüber trat. Seit er mir geschrieben hatte, dass er auf dem Schulparkplatz auf mich warten würde, schlug mein Magen Purzelbäume. Kaum hatte ich den Schulparkplatz betreten, als ich ihn auch schon sah, lässig lehnte er an der Motorhaube seines Autos.
Er trug ein schwarzes Shirt mit der Schrift „Nerv mich nicht“ dazu verwaschene graue Jeans, die sehr tief auf seinen Hüften hingen, eine graue Mütze auf seinem Kopf und eine Sonnenbrille in seinem Gesicht. Doch selbst als ich nicht alles von seinem Gesicht sehen konnte, wurde mir bewusst, dass er jetzt schon genervt ist, denn fünf Mädchen aus meiner Schule standen um ihn herum und versuchten, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
Jede einzelne von ihnen war ziemlich knapp bekleidet und hatte eine Zigarette in der Hand. Während ich noch überlegte, ob ich zu ihm gehen sollte oder warten bis die Mädchen weg waren, entdeckte er mich. Auf einmal zierte ein wunderschönes schiefes Lächeln sein Gesicht, bei diesem Anblick blieb mir glatt die Luft weg.
Doch sobald er sich von seinem Auto wegdrückte und auf mich zu kam, riss ich mich am Riemen um wenigstens einen kleinen Rest meiner Würde zu bewahren.
Er schien nicht annähernd so nervös oder unsicher zu sein wie ich, was irgendwie klar war, denn mit seinem Aussehen hatte er sicher viel mehr Erfahrung als ich, das merkte man sofort. Selbst als ich überlegte wie ich ihn begrüßen sollte, lehnte er sich zu mir und streifte mit seinen Lippen meinen Mundwinkel.
Wieder stockte mir der Atem, schüchtern lächelte ich ihn an und hauchte: „Hey“ Er strich mir eine Strähne hinters Ohr und antwortete mir mit seinem unsagbar süßen schiefen Lächeln: „Hi“ Mason legte mir einen Arm um die Hüfte und geleitete mich mit sanften Druck zu seinen schwarzen Audi. Die Fünf Mädchen die uns fassunglos beobachteten ignorierte er einfach, als er mir die Tür aufhielt.
Er registrierte sie erst als sie sich ihm in den Weg stellten, sowie er um das Autor herumgehen wollte um auf der Fahrerseite einzusteigen. „Was willst du den mit der? Ich meine wir sehen doch viel besser aus als die!“ Mason musterte sie einmal von oben bis unten und gerade als ich dachte jetzt tauscht er mich gegen eine dieser Schlampen aus sagte er mit total ruhiger Stimme: „ Du hast falsche Nägel, falsche Wimpern, falsche Brüste und einen Kilo Schminke im Gesicht. Mädchen bist du dir sicher, dass du kein "Made in China" Stempel hast?“ Während die fünf Mädchen fassungslos nach Luft schnappten und dabei aussehen wie ein Fisch im Trockenen, weil sie ihre Lipgloss verschmierten Münder nicht mehr zubekamen und dabei ein paar Plomben sehen ließen was sehr verstörend wirkte. Mason gab sich nicht weiter mit den Fischstäbchen ab, sondern stieg zu mir ins Auto lächelte mich sanft an und fragte: „Also, wohin wollen wir?“
Seit drei Stunden saßen wir nun schon im Starlight, ein sehr beliebtes Cafe, und redeten. Also eigentlich redete nur ich, er fragte nur. Langsam kam ich mir ein bisschen doof vor. Aber er ließ mir keine Frage durchgehen, sondern zwinkerte mir nur zu, als ich versuchte ihn etwas zu fragen und teilte mir mit „das dies sein Tag wäre“ was auch immer das heißen sollte.
Nach dieser Szene ergab ich mich weiter seinen Fragen und versuchte nicht länger mich zu wehren. Mason wollte einfach alles wissen, so kam es mir vor. Über meine Familie, meine Freund, meine Schule, was ich so in meiner Freizeit machte, welche Musik ich hörte und welchen Sport ich machte. Die ganze Zeit über hörte er mir aufmerksam zu, als gebe es nach der Fragestunde einen Test darüber.
Es dauerte noch eine weitere Stunde bis er mich heimfuhr, doch selbst als wir vor meiner Einfahrt standen, trennten wir uns noch nicht voneinander sondern saßen einfach weiter im Auto, doch keiner von uns sagte etwas. Wir saßen einfach nur da, Mason strich mir mit seinen rauen Fingerspitzen über meine Hand, meinen Arm bis hinauf zu meiner Wange. Eine Gänsehaut überzog meinen ganzen Körper und er fuhr den ganzen Weg mit seinen Fingerspitzen wieder zurück.
Irgendwann durchbrach ich mit rauer Stimme die Stille. „Ich glaube, ich sollte langsam reingehen“ Nickend stieg er aus und lief um das Auto herum um mir wie vorher beim Cafe die Autotür aufzuhalten, er begleitete mich noch bis zur Eingangstür bevor er sich mit einen zarten Kuss auf meinen Mundwinkel von mir verabschiedete. In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen, immer wieder strich ich mir mit zitternden Fingern über meinen Mundwinkel wo seine Lippen mich berührt hatten. Und dann ging er einfach. Um mein rasendes Herz zu beruhigen atmete ich ein paar Mal tief durch, doch es half nur geringfügig. Gerade als ich die Tür öffnen wollte, wurde ich am Arm festgehalten. „Ich kann das einfach nicht“, raunte Mason hinter mir, doch bevor ich fragen konnte was er denn eigentlich meine, lagen seine Lippen bereits auf meinen. Zärtlich strich er mit seiner Zunge über meine Unterlippe, bevor sie Einlass verlangte. Mason schmeckte nach dem Kaffee, den er getrunken hatte, dazu mischte sich ein Hauch Minze und ein Geschmack, den ich nicht zuordnen konnte.
Texte: Romy Berger
Bildmaterialien: Romy Berger
Tag der Veröffentlichung: 01.08.2015
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