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1. Kapitel

„Ich bin schon viel zu spät dran!“, rufe ich und laufe durch die Wohnung. Anni sitzt auf der Couch und mustert mich belustigt. Sie wirft ihr blondes Haar nach hinten und unterdrückt ein Grinsen.
„Lach nicht so! Dukönntest mal die Tür aufmachen.“, schnauze ich sie an und renne zur Haustür, da es schon zum dritten Mal klingelt. Ich öffne und sehe Christian vor mir stehen. Mein Verstand setzt für einen Moment aus und ich nehme mir einen Moment, ihn zu betrachten. Seine dunklen Haare sind auf diese sexy Art verwuschelt und seine grauen Augen blitzen mich belustigt an. Er trägt Jeans, ein weißes T-Shirt und eine schwarze Lederjacke. Er sieht aus wie jemand aus einem Modelmagazin. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, ihn als meinen festen Freund bezeichnen zu können. Ich schenke ihm ein Lächeln, bevor ich wieder in meine Hektik verfalle.
„Bin ich zu früh?“, fragt er mit seinem gewohnten unwiderstehlichen Lächeln.
„Nein.“, rufe ich und laufe in mein Zimmer, um mir meine roten Sneakers anzuziehen. Ich schaue nochmal in den Spiegel und betrachte mein Outfit. Schwarze Hose, rot karierte Bluse und offene blonde Haare, die mir über die Schultern fallen. Zufrieden gehe ich zurück ins Wohnzimmer, wo Anni und Christian sich unterhalten.
„Geht das so?“, will ich wissen und deute auf mich.
„Wunderschön.“, lächelt Christian und sieht mich durch verschleiertem Blick an. Anni verdreht die Augen über unsere Verliebtheit und nickt mir zu.
„Wann bist du denn wieder zurück?“, fragt sie mich. Ich zucke mit den Schultern und bedeute Christian, aufzustehen. Wir sind sowieso schon zu spät dran. Meine Eltern haben Christian und mich zur Grillparty eingeladen, weil sie unbedingt meinen Freund kennenlernen wollen. Es wird wohl die ganze Familie da sein. So etwas ist bei uns üblich, dass man sich nach einiger Zeit mit der Familie trifft, um alle mal wiederzusehen.
„Ich weiß es nicht.“, antworte ich ehrlich und schiebe Christian vor mir zur Tür. Anni läuft mir hinterher und hält mich an der Tür noch zurück. Christian geht schon zur Auffaht, wo er sein Auto parkt. Ich sehe ihm sehnsüchtig nach.
„Schläfst du bei ihm?“, fragt Anni mit einem kleinen Grinsen auf den Lippen. Sie kennt mich einfach zu gut.  „Vielleicht.“ Ich erwidere ihren Blick und weigere mich, vor Scham wegzuschauen.
„Habt ihr schon?“ Sie legt den Kopf schief und mustert mich scharf. Sie will die Antwort unbedingt wissen, geht es mir durch den Kopf.
„Nein.“
„Würdest du's mit ihm tun?“
„Ja.“ Ich lächle dümmlich.
„Wow, jemand hat die kleine Samantha verzaubert.“, grient Anni und schaut zu Christian, der am Auto gelehnt auf mich wartet.
„Meine Eltern werden sauer sein, wenn wir zu spät kommen.“, bemerke ich ungeduldig.
„Nein, werden sie nicht.“ Anni lacht und lässt mich gehen. Sie als meine beste Freundin hat meine Eltern auch schon kennengelernt und weiß, dass sie viel zu nett sind, um auf jemanden sauer zu sein. Obwohl Pünktlichkeit für meinen Dad wichtig ist. Das wird wohl kein guter Start für Christian, denke ich ein wenig ängstlich. Als wir schließlich – wie erwartet – zu spät zum Grillen kommen, kommt Mom direkt auf mich zu.
„Ich dachte schon, ihr kommt nicht.“, sagt sie und lässt ihren Blick an mir herunter gleiten.
„Ich hab meine Schuhe nicht gefunden.“ Unschuldig zucke ich mit den Schultern und lächle verlegen. Dann schaue ich zu Christian.
„Mom -“, fange ich an, doch sie lässt mich gar nicht ausreden.
„Christian, richtig?“ Sie schenkt ihm ein liebevolles Lächeln, wobei Christian nickt. Dann wirft sie einen Blick auf meine Tante und entschuldigt sich.
„Dein Dad ist am Grill.“, ruft sie mir noch zu. Ich nicke und schaue zu Christian hoch. Seine grauen Augen halten meinen Blick.
„So schlimm?“ Seine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen. Ich lache und lehne mich gegen ihn.
„Nein, eigentlich nicht.“, murmle ich.
„Wollen wir jetzt zu deinem Dad gehen?“ Christian deutet mit dem Kopf in die Ecke des Gartens, wo Dad am Grill steht und sich mit meinem Onkel unterhält.
„Müssen wir?“ Ich kann gar nicht verstehen, dass Christian ihn so unbedingt kennenlernen will. Christian seufzt und ergreift meine Hand.
„Du weißt, ich bin ein Junge guten Hauses und es sollte mir eine Ehre sein, deinen Eltern gegenüber zu treten.“ Er spricht in klarem Ton mit mir und lässt keinen Widerspruch zu. Eben war er noch mein liebevoller Christian, jetzt tut er wieder so, als wäre es seine Pflicht das zu tun. Ich verdrehe die Augen und will zu meinem Dad gehen, doch Christian hält mich zurück.
„Was ist denn jetzt schon wieder?“, frage ich ihn, wobei meine Stimme schärfer als beabsichtigt klingt.
„Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn du die Augen verdrehst.“
„Ja, weiß ich.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Sorry.“ Ich kann seine Anspannung förmlich spüren und drücke seine Hand. Christian sollte nicht aufgeregt sein. Sonst ist er immer so gelassen und selbstsicher. Ich lege eine Hand in seinen Nacken und ziehe ihn zu einem Kuss herunter. Er erwidert ihn nicht sofort, aber schließlich lässt er sich fallen und legt mir seine Hand auf den Rücken, um mich gegen ihn zu drücken. Er löst sich als Erster von mir.
„Wir sollten jetzt zu deinem Dad gehen. Sonst denkt er, ich habe überhaupt keinen Anstand.“ Zu meinem Glück höre ich die Belustigung in seiner Stimme. Ich habe es geschafft, dass er nicht mehr so angespannt ist. Ist immerhin etwas. Wir gehen durch den Garten und bekommen einige Blicke von meinen Verwandten. Sie können bestimmt nicht glauben, dass ich so jemanden wie Christian als Freund habe. Ich kann es ja selbst kaum fassen. Was findet er nur an mir? Sind es meine langen, blonden Haare und die blaugrauen Augen oder meine lustige Art? Ich weiß nicht, warum ausgerechnet ich. Trotzdem bin ich unglaublich froh, ihn zu haben.
„Dad, das ist Christian.“, sage ich, nachdem ich Dad und meinen Onkel umarmt habe.
„Es ist mir eine Freude, Sie endlich kennenzulernen.“ Christian streckt ihm seine Hand hin und hält den Blick. Hoffentlich stellt Dad sich nicht so an wie bei meinen Exfreunden. Er hat sie einem Verhör unterzogen, was mir wirklich unangenehm war. Aber das ist wohl die Natur der Väter, oder? Mein Onkel wirft Dad einen anerkennenden Blick zu, der wohl soviel sagt wie: Das ist der perfekte Schwiegersohn. Ich beiße mir auf die Unterlippe und hoffe innerlich, dass Dad so auch denkt. Schließlich räuspert er sich, ergreift Chiristians Hand und ringt sich ein Lächeln ab. Immerhin.
„Die Freude ist ganz meinerseits, Christian.“ O Gott! Glücklicherweise geht alles gut und Dad unterzieht Christian keinem Verhör – jedenfalls noch nicht. Wir unterhalten uns kurz und Christian bringt den Pferdesport mit ins Gespräch, was meinen Dad hellhörig macht. Hab ich erwähnt, dass er total auf den Pferdesport abfährt? Das habe ich Christian irgendwann mal erzählt, aber ich hatte keine Ahnung, dass er sich noch daran erinnern kann. Dad scheint ihn richtig gern zu haben. Na klar! Wer auch immer ein Fan vom Pferdesport ist, ist sogleich auch ein Freund von meinem Dad. Christian und ich sitzen schließlich auf der Hollywoodschaukel und albern rum, bis meine Cousine Leila kommt. Sie hat braunes Haar, eine zierliche Figur und haselnussbraune Augen. Für 17 ist sie trotzdem ziemlich klein. Ich bin älter als sie – nur ein Jahr, aber immerhin.
„Hey, Sam.“ Sie schenkt mir ein Lächeln und setzt sich auf einen Stuhl neben der Hollywoodschaukel. Sam – mein Spitzname. Mein voller Name lautet Samantha Macey. Nur Christian und meine Eltern nennen mich Samantha. Bei meinen Eltern kann ich es ja verstehen, aber warum Christian mich bei meinem vollen Namen anspricht – keine Ahnung.
„Hey, wie geht’s?“, frage ich und mustere sie.
„Ganz gut und bei dir?“ Ihr Blick wandert zu Christian, der einen Arm um mich gelegt hat und sie nicht weiter beachtet. Ein Glück.
„Alles gut.“, antworte ich kurz angebunden und verkrampfe mich ein wenig. Warum starrt Leila ihn so an? Ich weiß, dass es schwer ist, ihn nicht zu bewundern. Aber er gehört mir. Sie soll ihn ncihit so anschmachten. Natürlich merkt Christian meine Anspannung und  lässt beruhigend seinen Daumen über meine Schulter fahren.
„Kommt ihr heute Abend mit Feiern?“, will sie wissen und schaut wieder zu mir.
„Nein, ich glaube nicht.“, erwidere ich mit einem entschuldigendem Lächeln, dass hoffentlich nicht zu gekünstelt aussieht.
„Unwahrscheinlich.“, stimmt Christian mir zu und sieht Leila an. Ihr Mund steht ein wenig offen, als sie in seine grauen Augen schauen kann. Ich verstehe sie nur allzu gut. Den Effekt habe ich hin und wieder auch noch, wenn seine grauen Augen mich ansehen. Dann bleibt mir einfach die Luft weg.
„Mit wem gehst du denn feiern?“, frage ich Leila, um sie wieder in die Gegenwart zu holen.
„Äh“, ist das Einzige, was Leila noch zustande bringt.
„Aha.“, mache ich nach einer Weile. Plötzlich steht Christian auf und sagt mir, er geht kurz zu meinem Dad. Was? Das kann doch nicht sein Ernst sein? Wer geht denn schon freiwillig zu seinem Schwiegervater? Ich folge ihm mit meinem Blick, bis er bei meinem Dad am Grill steht und sich scheinbar gut mit ihm unterhält. Wenig später stoßen noch mein Onkel und meine Tante hinzu. Das kann doch nicht wahr sein. Christian wickelt alle um den kleinen Finger wie er es bei mir gemacht hat.
„Wo hast du den denn kennengelernt?“, fragt Leila mich, als sie sich neben mich auf die Hollywoodschaukel setzt. In ihrer Stimme schwingt ein beinahe schon ehrfürchtiger Unterton mit.
„Ich habe ein Praktikum gemacht und er wurde mir als der Oberste Chef vorgestellt.“, antworte ich und beobachte Christian weiter.
„Er ist schon Chef?“, quitscht Leila und sieht mich erstaunt an. Mit einem Seufzen wende ich mich ihr zu. Warum sollte ich es ihr verheimlichen?
„Er kauft Unternehmen, die pleite sind und baut sie wieder auf.“
„Dann muss er ja echt Geld haben.“, bemerkt Leila mit einem anerkennenden Blick. Soll ich ihr alles sagen? Oder sollte ich ihr den entscheidenden Punkt bei meinem Freund enthalten?
„Er ist Milliardär.“, gebe ich kleinlaut zu und ziehe den Kopf ein. Das ist der einzige Haken bei Christian – sein Geld. Ich komme einfach nicht klar, dass er reich ist. Wie soll ich da mit ihm umgehen? Wenn er mir ein teures Geschenk macht, dann kann ich es nicht einfach so annehmen. Das könnte ich nicht. Womit hätte ich das verdient?
„Ist nicht dein Ernst?“ Leila springt auf und läuft durch den Garten zu Christian. Ich schnappe nach Luft und mache Anstalten, ihr zu folgen. Doch da kommt Mom mir in die Quere und setzt sich neben mich auf die Hollywoodschaukel.
„Ich bin ja so froh, dass du da bist, Schatz.“, sagt sie und zieht mich in eine Umarmung. Mist, ich kann sie doch jetzt nicht so einfach hier sitzen lassen. Frustriert gebe ich mich meinem Schicksal hin und lehne mich zurück.
„Ich bin auch froh, Mom.“, erwidere ich und lächle sie etwas gezwungen an.
„Christian ist wirklich ein ganz Lieber.“, bemerkt sie und zwinkert mir zu.
„Ja, ich kann mich glücklich schätzen.“ Bei den Worten sehe ich zu ihm und muss wütend feststellen, dass Leila viel zu nah an ihm dran steht. Sie sieht auch nur das Geld und das Aussehen in einem Mann, oder? Kann sie überhaupt an etwas anderes denken? Ich glaube nicht.
„Was arbeitet er denn?“, will sie wissen. Ich zwinge mich, sie anzusehen und Christian und Leila zu ignorieren. Das muss ich mir echt nicht angucken.
„Er ist Unternehmer.“
„In so jungen Jahren?“ Sie nickt bewundernd. „Wie alt ist er eigentlich?“ Ihre Augen verengen sich.
„Er ist 27.“, antworte ich ehrlich. Mom nickt und schaut zu Christian. Ich weiß, dass das Alter für Mom keine große Rolle spielt. Aber wenn Dad erfährt, dass zwischen Christian und mir ein Altersunterschied von 9 Jahren liegt, dann wird er nicht mehr so locker sein.
„Ich will, dass du glücklich bist, Samantha.“, sagt Mom mit einem Mal und sieht mir wieder in die Augen.
„Bist du glücklich?“ Ihr Blick hält mich fest und regt mich zum Überlegen an. Bin ich glücklich? Seit ich mit Christian zusammen bin, ja. Er gibt mir das Gefühl, wichtig zu sein und behandelt mich wie eine Prinzessin.
„Natürlich bin ich das.“ Meine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Mom drückt mir einen Kuss auf die Wange und erzählt mir noch, was demnächst so ansteht. Schließlich kommt Christian zurück und wechselt den Platz mit Mom. Sie lässt uns alleine und kümmert sich um ihre Gäste. Die Dämmerung hat schon eingesetzt, wo Dad das Fleisch und die Bratwurst auf den Tisch bringt. Mom und meine Tante decken die Tische und stellen verschiedene Salate auf den Tisch. Erst jetzt bemerke ich die Lichterketten, die in den buntesten Farben leuchten. Christian zieht mich zu sich, wobei ich meinen Kopf gegen seine Schulter lehne.
„Müde?“, fragt er erheitert.
„Ein wenig.“, gestehe ich und schließe die Augen. „Hast du dich schön mit Leila unterhalten?“ Ich kann den eifersüchtigen Unterton in meiner Stimme nicht unterdrücken. Mist. Er soll nicht wissen, dass es mich stört, wenn andere Mädels bei ihm stehen. Er drückt mir einen Kuss aufs Haar.
„Weniger mit ihr und mehr mit deinem Dad.“, sagt Christian, wobei er Mühe hat, sein Grinsen zu verbergen. „Du hast mir gar nicht erzählt, dass du reiten kannst.“
„Kann ich auch nicht.“, lüge ich.
„Und du kannst Menschen mit viel Geld nicht leiden.“
„Kann ich auch nicht.“, wiederhole ich mit einem Schmunzeln.
„Das trifft mich jetzt aber.“, sagt Christian gespielt mit Bedauern.
„Du kommst drüber hinweg.“ Ich öffne die Augen und schaue ihm ins Gesicht.
„Ich würde nie über dich hinweg kommen.“, sagt Christian plötzlich ernst und streicht mir die Haare aus dem Gesicht.
„Musst du auch nicht. Ich werde immer bei dir bleiben.“
„Für immer?“ Hoffnung flackert in seinen Augen auf. „
Für immer.“, verspreche ich und lege meine Lippen auf seine. Christian legt seine Hand auf meinen Oberschenkel und erwidert den Kuss mit Nachdruck.
„Kommt ihr zwei auch zum Essen?“, unterbricht Dad uns. Widerwillig löse ich mich von Christian  und nicke Dad zu, der sich dann neben Mom setzt. Meine Familie hat am langen Tisch platz genommen und fängt schon an zu essen.
„Na los.“ Christian nimmt meine Hand und zieht mich mit hoch. Christian und ich sitzen nach dem Essen wieder auf der Hollywoodschaukel und beobachten die anderen, wie sie sich zur Partynacht aufmachen. Leila winkt uns noch zu, bevor sie mit den anderen aus dem Garten verschwindet. Am Ende des Abends sind noch meine Eltern, meine Tante und mein Onkel und mein Cousin da. Sie haben sich alle Stühle zur Hollywoodschaukel gezogen, als wenn sie Christian und mich beobachten wollen. Aber es herrscht eine friedliche Stimmung und wir unterhalten uns über verschiedene Sachen.
„Hast du denn schon einen Arbeitsplatz, Sam?“, fragt meine Tante. O Gott. Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Woher soll ich denn wissen, was ich werden will? Ich weiß, eigentlich hätte ich schon lange Bescheid wissen sollen, was ich später einmal arbeiten möchte. Aber ich habe diese Fähigkeit, nur in den Momenten zu leben und die Zukunft weit von mir wegzuschieben. Ich starre meine Tante an und realisiere, dass alle auf meine Antwort warten. Mist. Hätte ich mir vorher nur Gedanken gemacht.
„Sie überlegt, in einem Unternehmen als Assistentin des Geschäftsleiters eine Ausbildung anzutreten.“, hilft Christian mir aus, obwohl es eher seine Sichtweise ist. Er hat schon oft versucht, mich dazu zu überreden. Nur war ich mir nie sicher, ob ich es wirklich machen sollte. Denn es ist nicht irgendein Unternehmen, sondern eines von Christian und ihn will ich nicht als Chef haben.
„Aber Samantha ist sich noch nicht sicher.“, betont er und schaut mich an. Ich erwidere sein Blick und versuche, ruhig zu bleiben. Jetzt komme ich da nicht mehr raus, sondern muss mitspielen. Mit einem gezwungenen Lächeln wende ich mich meiner Familie zu.
„Ja, ich habe bereits eine Bewerbung weggeschickt und warte auf die Antwort.“, lüge ich und sehe meine Tante mit festen Blick an. „Ich bin mir sicher, sie nehmen dich an.“, flüstert Christian mir mit einem kleinen Grinsen zu. Sein Atem streift meinen Nacken, was mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagt.
„Eines von deinen Unternehmen, Christian?“, mischt sich Dad ein und beäugt uns skeptisch. O man, jetzt wird er gleich ausflippen. Aber woher weiß er, dass Christian eigene Unternehmen hat? Das kann er nur von Christian selbst erfahren haben. Woher sollte er es denn sonst wissen?
„Ja.“, antwortet Christian mit einem selbstsicheren Lächeln. Dad nickt und lässt auf ein kleines Lächeln erahnen? Was soll das denn? Wäre er froh, wenn ich bei meinem Freund im Unternehmen anfangen würde? O man, was hat Christian nur mit meinem Dad gemacht?
„Klingt doch gut.“, meldet Mom sich. Wir lassen das Thema fallen und reden über etwas anderes. Ich halte mich heraus und verbringe die Zeit damit, mich gegen Christian zu lehnen und seinen unwiderstehlichen Geruch einzuatmen. Es ist jetzt schon etwas länger dunkel und der Sternenhimmel leuchtet über uns. Ich bekomme gar nicht mit, wie meine Tante und mein Onkel mit meinem Cousin aufstehen und sich verabschieden, bis Christian mich von sich schiebt, um ebenfalls aufzustehen.
„Wir werden dann auch nach Hause.“, höre ich ihn sagen. Ich komme mühsam auf die Beine und umarme meine Eltern.
„Lass dich bald wieder sehen.“, bittet Mom mich.
„Ja, versprochen.“
„Christian bringst du dann wieder mit, okay?“, sagt Dad zu meiner Überraschung und lächelt ihn an.
„Okay.“ Etwas verwirrt führt Christian mich aus dem Garten zur Straße, wo sein Auto steht. Mit einem Seufzer lasse ich mich in den Beifahrersitz fallen und lehne den Kopf zurück. Christian lässt leise lachend den Motor an und fährt los.
„Willst du zu dir nach Hause oder mit zu mir?“, fragt Christian mich, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
„Ist mir egal, einfach ins Bett.“, murmle ich und muss gähnen. Christian sagt nichts mehr und fährt durch Seattle. Schließlich halten wir vor einem großen, nobel aussehenden Haus. Hier kann nur Christian wohnen, denke ich. Wir steigen aus und gehen zur Tür, die er aufschließt und mich zuerst eintreten lässt. Ich war schon mal hier, kann mich aber nicht mehr so recht erinnern. Oder ich bin einfach zu kaputt, um jetzt noch meine Gedanken und Erinnerungen zu durchforsten. Wo kommt nur diese Müdigkeit her? Ich habe heute nichts Anstrengendes getan. Ich bin mit Anni joggen gegangen, aber davon kann ich unmöglich so müde sein. Christian führt mich die Treppe hoch und bringt mich ins Schlafzimmer, wo er eine kleine Lampe auf dem Nachttisch anschaltet. Ich ziehe mich bis auf meine Unterwäsche aus und bekomme von Christian ein T-Shirt zugeworfen. Hm, es riecht sogar nach ihm. Ich falle ins Doppelbett und sehe ihm zu, wie er sich bis auf seine Boxershort auszieht. Seine Haare sind so herrlich durcheinander, wie ich es liebe. Ich gestatte mir einen Blick auf seine kräftigen Schultern, seine nackte Brust und seine trainierten Bauchmuskeln. Zum hundertsten Mal frage ich mich, womit ich diesen Mann verdient habe. Mit einem wissenden Grinsen legt er sich zu mir ins Bett, macht das Licht aus und umschlingt mich von hinten.
„Tut mir leid.“, sage ich leise.
„Was tut dir leid?“, fragt Christian, wobei sein warmer Atem mich im Nacken kitzelt.
„Du hast dir die Nacht bestimmt anders vorgestellt.“, flüstere ich verlegen. Christian lacht leise.
„Du bestimmt auch.“, errät er. Hm, da hat er recht. Ich habe mir die Nacht anders vorgestellt. Das wir im Bett liegen, ja. Aber nicht, das wir sofort schlafen, wenn wir nach Hause kommen.
„Aber es ist okay. Ich kann warten.“, beruhigt er mich und fährt mit seiner Hand über meinen Bauch. Ich kichere und greife nach seinen Händen.
„Ich liebe das Geräusch.“, höre ich Christian sagen. Damit meint er bestimmt mein Kichern, was ich total peinlich finde.  Es bleibt einen Moment lang still, bis ich den Abend noch einmal Revue passieren lasse.
„Ich glaube, mein Dad mag dich.“, schlussfolgere ich. „Das ist eine Premiere.“
Von meinen Exfreunden mochte er gar keinen, deshalb überrascht es mich, dass er ausgerechnet Christian angemessen findet. Aber mir soll's recht sein, solange ich mit ihm zusammen sein kann.
„Tja, niemand kann meinem Charme widerstehen.“
„Du hast deinen Charme spielen lassen?“, grinse ich auf seine Worte hin.
„Ja.“ Ich höre die Erheiterung in seiner Stimme.
„Und das bei meiner gesamten Familie. Die sind bestimmt alle von dir begeistert.“, vermute ich.
„Wie kann es denn auch anders sein?“, schmunzelt er. So selbstsicher kenne ich ihn. Genau so hat er auch vorhin reagiert, als meine Tante mich auf meine Zukunft angesprochen hat. Ich habe Christian also indirekt zugesagt, dass ich bei ihm arbeiten werde. So ein Mist. Das hat er doch alles geplant.
„Übrigens, danke für deine Hilfe, als meine Tante wissen wollte, ob ich schon einen Arbeitsplatz habe.“, sage ich sarkastisch.
„Was hast du denn? Manche würden sich über den Job freuen.“
„Ich will aber nicht für dich arbeiten.“, rufe ich und bereue es sofort.
„Nein, so habe ich das nicht gemeint.“, füge ich schnell hinzu. Doch ich bekomme keine Reaktion.
„Was findest du an dem Vorschlag denn so abweisend?“, will Christian nach schweigsamen Momenten wissen.
„Das du mein Chef bist.“, antworte ich ehrlich.
„Ich bin von vielen Menschen der Chef.“
„Du wirst mich herum kommandieren.“, grummle ich.
„Ich versuche, es nicht zu tun.“
„Sehr nett von dir. Aber ich bezweifle, dass du das kannst.“ Ein leicht bitterer Unterton schleicht sich in meine Stimme, ohne das ich es will. Ich höre Christian hinter mir seufzen.
„Schlaf eine Nacht drüber. Du kannst es dir noch überlegen.“ Er drückt mir einen Kuss in den Nacken und lässt mich in Ruhe. Dank seiner Nähe brauche ich nicht lange, um in einen tiefen, friedlichen Schlaf zu fallen.

 

Am nächsten Morgen wecken mich die Sonnenstrahlen, die ins Fenster fallen. Noch müde reibe ich mir die Augen und strecke die andere Hand nach Christian aus, doch er ist nicht da. Ich richte mich auf und schaue mich im Zimmer um. Niemand da. Ich liege allein im Bett. Gähnend stehe ich auf und gehe aus dem Zimmer, die Treppe herunter ins Wohnzimmer. Wow, die Einrichtung ist ja mega nobel. Weiße Couch mit zwei weiteren weißen Sesseln, ein Glastisch und ein Flachbildfernseher. Vom Wohnzimmer aus kann man auf eine Terrasse nach draußen gehen, wo sich eine große Wiese erstreckt. O mein Gott, wie wunderschön. Gestern Abend war ich gar nicht mehr in der Lage, mir das anzuschauen. Vom Wohnzimmer geht es in die offene Küche ohne Wand, wo eine modern eingerichtete Küchenausstattung vorliegt. Wow. Plötzlich werde ich von hinten umarmt.
„Guten Morgen, Schöne.“, begrüßt mich Christian. Lächelnd drehe ich mich zu ihm um und schlinge die Arme um seinen Hals.
„Hi.“
„Gut geschlafen?“, fragte er und bedeckt meinen Hals mit Küssen.
„Ich habe neben dir geschlafen, also … ja. Und du?“ Er hebt den Blick in meine Augen und nickt.
„Besser als sonst.“ Er schenkt mir sein unwiderstehliches Lächeln. Wow, dafür würde ich morden. Seine Haare sind frisch gestylt und er trägt Jeans und ein schwarzes Hemd.
„Willst du heute noch irgendwo hin?“, frage ich, nachdem ich ihn gemustert habe.
„Ich habe mir gedacht, wir frühstücken in einem Lokal und ich bringe dich dann nach Hause.“ Für den Sonntag Morgen klingt der Plan wirklich gut. Nichts anstrengendes.
„Okay.“ Bevor ich mich jedoch umziehe, presse ich mich an Christian und küsse ihn. Er drückt eine Hand in meinen Rücken und erwidert den Kuss sofort, als hätte er nur darauf gewartet. Seine Zunge zwängt sich brutal in meinen Mund und spielt mit meiner Zunge. Wow, wie macht er das nur? In meinem Bauch toben die Schmetterlinge und ich bin so verliebt in ihn wie am ersten Tag. Dabei sind wir schon fast 3 Monate zusammen. Die Zeit vergeht viel zu schnell mit ihm. Schwer atmend lösen wir uns voneinander und sehen uns in die Augen. Christian fährt sich selbstbewusst durchs Haar und tritt ein Stück zurück. Bringe ich ihn denn gar nicht aus der Fassung, dass er zwei Sekunden nach unserem Kuss so souverän auftreten kann? „Ich gehe mich denn mal anziehen.“, murmle ich und gehe an ihm vorbei.

 

2. Kapitel

20 Minuten später sitzen wir in Christians Wagen und fahren die Schnellstraße entlang. Er trägt seine Ray-Ban Sonnenbrille und sieht unglaublich cool damit aus. Wir fahren nicht lange, bis wir an einem Lokal ankommen und reingehen, um uns einen Platz zu suchen. Wir warten auf die Bedienung, die eilend vorbei kommt und uns die Speisekarten gibt. Man konnte zwischen verschiedenen Frühstücks-Menüs wählen. Christian entscheidet sich für Menü 4, dass ein kleines Bauernfrühstück anbietet. Ich habe mich für Menü 2 entschieden, dass Rührei mit Toast bereit hält.
„Was machst du nächste Woche?“, fragt Christian, nachdem wir bestellt haben.
„Anni und ich gehen am Dienstag shoppen und sonst, weiß ich nicht.“ Ich zucke mit den Schultern. Christian beugt sich vor und sieht mir tief in die Augen. 
„Begleitest du mich Donnerstag auf eine Feier?“, fragt er und sieht mich hoffnungsvoll an. Hat er Angst, ich würde Nein sagen oder wieso flackert Hoffnung in seinen Augen auf?
„Natürlich, Christian.“
„Mein Dad und seine Schwester veranstalten eine Feier für meine Cousine, die aus Frankreich zurückkommt und es wird bei uns gefeiert.“
„Frankreich? Wow.“ Ich stütze meinen Kopf auf die Hand und mustere Christian.
„Möchtest du mal nach Frankreich?“ Ein schelmisches Grinsen macht sich auf seinen Lippen breit. Widerwillig schüttle ich den Kopf. Auf gar keinen Fall will ich, dass er Geld für mich ausgibt. Soll er es lieber einem Kinderheim spenden oder sowas. Die haben es nötiger als ich.
„Du willst es.“, raunt er und sieht mich mit undurchdringbarem Blick an. „Eine Reise nach Paris?“
„Nein … nein, will ich nicht.“ Ich muss aufpassen, mich mit meiner Stammelei nicht zu verraten. Aber es ist zwecklos. Christian kann mich lesen wie ein Buch und weiß, dass ich gerne mal nach Frankreich will. Er starrt mich weiterhin an, also lasse ich meine Deckung auffliegen.
„Gut, ich finde Paris bezaubernd.“ Die Sprache eher weniger, aber ich kann Französisch sprechen. Das ist doch immerhin etwas, denke ich anerkennend.Wenn ich wirklich mal in Paris bin, möchte ich unbedingt ein Andenken an die Stadt. Es heißt ja, Paris ist die Stadt des Lichts. Ich würde unglaublich gerne mal die ganzen Lichter der Stadt sehen – alle kleinen, hellen Punkte.
„Warst du schon mal da?“ Sein Gesichtsausdruck ist nun weicher, da er weiß, dass ich ehrlich mit ihm bin. Aber wenn er nachdenken würde, wüsste er die Antwort selbst.
„Nein.“ Ich kann nicht anders, als ein wenig zu schmollen.
„Aber du würdest gerne?“ Er zieht eine Augenbraue hoch und wartet gespannt auf meine Antwort. Doch ich schweige, was ihn ein wenig wütend macht.
„Samantha, was ist los?“ Sein Tonfall hat sich schlagartig geändert. Ich schüttle den Kopf und senke den Blick auf meine Hände. Unter seinem Blick fühle ich mich wie ein unartiges Kind.
„Samantha, sieh' mich bitte an.“ Seufzend hebe ich meinen Blick in seine stahlgrauen Augen.
„Du willst nach Paris, dann verheimlichst du mir was.“ Er schüttelt den Kopf.
„Ich will einfach nicht, dass du Geld wegen mir ausgibst.“, platzt es aus mir heraus.
„Das kannst du aber nicht verhindern.“, fährt er mich an.
„Wenn ich dir etwas schenke, nimmst du das an. Wenn ich dir eine Reise nach Paris ermögliche, dann machst du die auch. Bitte, Samantha. Ich will es dir schenken. Ich liebe es, für dich Geld auszugeben. Weil du meine Freundin bist.“ Christian greift über den Tisch nach meiner Hand und sieht mich fast schon flehentlich an. So viele Worte von ihm. Einerseits ist es romantisch, andererseits jedoch muss er nicht so herrisch sein. Ich drücke seine Hand und lächle schwach.
„In Ordnung.“ Soll das jetzt heißen, demnächst fliegt Christian mit mir nach Paris? In dem Moment kommt unser Frühstück. Wir reden während des Essens nicht, sondern konzentrieren uns nur auf die Teller. Christian ist schneller fertig als ich und beobachtet mich, wie ich die letzten Bisse herunter schlucke. Schließlich lege ich das Besteck auf den Teller und erwidere seinen Blick.
„Satt?“ Seine Stimmung hat sich nun wieder gehoben. Ein Glück. Ein launischer Christian ist schlimmer als ein bissiger Hund.
„Ja, danke. Es war wirklich lecker.“
„Willst du noch ein Dessert?“, fragt er schmunzelnd.
„Wenn du das Dessert bist, gerne.“ Diese Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen. Christian schüttelt den Kopf und grinst mich an. Dann winkt er die Kellnerin heran und bezahlt. Wir verlassen das Lokal und machen uns auf den Weg zu mir nach Hause.
„Sehen wir uns vor Donnerstag nochmal?“, frage ich, als mir die Umgebung bekannt vorkommt und ich vermute, dass wir gleich vor meinem Zuhause stehen werden. Christian sieht mich kurz an, legt dann seine Hand auf meinen Oberschenkel.
„Wenn du das willst?!“ Wir schweigen und reden erst wieder, als er auf unsere Auffahrt fährt. Ich nehme seine Hand und unterdrücke einen Seufzer. Es war ein toller Abend, ich habe die Nacht bei ihm verbracht und nun soll ich mich von ihm verabschieden.
„Wir sehen uns vorher bestimmt nochmal. Vielleicht morgen. Ich muss mal schauen.“, flüstert Christian in die Stille hinein.
„Ich werde dich vermissen.“, gestehe ich und habe den Blick auf unsere ineinander verschränkten Hände gerichtet. Und wie ich ihn vermissen werde. Während der Woche ist es immer besonders schwer, Christian nicht zu sehen. Ich will einfach die ganze Zeit bei ihm sein. Christian hebt meine Hand an seine Lippen und küsst sie ganz leicht. Dann steigen wir aus und gehen Hand in Hand zur Haustür. Hoffentlich will Anni mir nicht diesen wunderschönen Moment ruinieren und gleich die Tür aufreißen. Das würde die Stimmung total zerstören.
„Ich werde dich auch vermissen, Samantha.“, murmelt er und stellt sich ganz nah an mich.
„Du sollst mich nicht immer so nennen.“
„Wie soll ich dich denn nennen?“ Er zieht eine Augenbraue in die Höhe.
„Sam.“ Wie mich eigentlich alle nennen. Das ist mein Spitzname, den ich eigentlich schon als meinen richtigen Namen ansehe.
„Aber so heißt du nicht.“, lächelt Christian amüsiert und zieht mich an sich. Seine Hand fährt meinen Rücken herunter, was mir einen Schauer über den Rücken jagt. Unter seinen Berührungen wird mir immer so heiß. Ich kann es einfach nicht erklären.
„Ein schöner Name für ein schönes Mädchen.“ Wie immer findet Christian die perfekten Worte. Ich fahre ihm durch die Haare, kralle mich in ihnen fest und ziehe ihn zu meinen Lippen herunter. Seine Lippen legen sich fordernd auf meine und zwingen mich, meinen Mund für seine Zunge zu öfffnen. Wie schafft er das nur? Doch ich heiße den Zungenkuss willkommen und drücke mich näher an ihn.
„Hey, es ist mitten am Tag.“, höre ich Anni von der Auffahrt. Ich schrecke zurück und sehe mich panisch nach ihr um. Sie kommt auf uns zu und hält ihre Handtasche hoch.
„Habe ein paar Erledigungen gemacht.“ Sie schenkt uns ein unschuldiges Lächeln. Ihr ist durchaus bewusst, dass sie uns gestört hat. Christian sieht sie ein wenig grimmig an. Doch Anni lässt sich nicht beirren, klappert mit den Schlüsseln und drängt sich zwischen uns.
„Nehmt euch ein Zimmer, ganz ehrlich.“ Sie sieht Christian bedeutend an, der verwirrt die Stirn runzelt. Was sollte der Blick denn? Sie wirft ihr blondes, langes Haar nach hinten und schließt die Tür auf.
„Kommst du noch mit rein?“, fragt Anni Christian und schaut zwischen uns hin und her.
„Nein, ich fahr gleich wieder.“, antwortet er kühl. Anni geht schulterzuckend ins Haus, lässt aber die Tür offen stehen.
„Also ...“, sage ich schließlich und schaue unschlüssig von Christian zur Tür. So viel zu schöne Momente zerstören. Christian zieht mich in seine Arme und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren.
„Bis dann.“ Er küsst mich auf die Wange, dann geht er zu seinem Wagen zurück. Ich gehe ins Haus, knalle die Tür zu und gehe in die Küche, wo sich Anni gerade befindet.
„Was sollte das denn?“, rufe ich und sehe sie wütend an.
„Was?“ Verwirrt erwidert sie meinen Blick.
„Wir sollen uns ein Zimmer nehmen? Wieso hast du das gesagt?“
„Falls du es noch nicht gemerkt hast, macht keiner von euch den zweiten Schritt. Wollt ihr ewig nur herum knutschen? Irgendwann muss es auch weiter gehen, Sam.“ Sie sieht mich herablassend an. Nur weil ich nicht so schnell meine Partner wechsle wie sie, muss sie mir nicht meine Tour versauen.
„Halt dich da bitte raus, okay?“ Sauer stürme ich aus der Küche, gehe durch das kleine Wohnzimmer, von dem zwei Zimmer abgehen – meins und Annis. In meinem Zimmer ziehe ich mir zunächst eine Jogginghose und ein weites T-Shirt an. Zuhause muss man schließlich nicht in Jeans rumlaufen. Ich verbringe viel Zeit damit, am Laptop meine Bewerbung fertig zu stellen, bis ich zufrieden bin und den Laptop ausschalte. Nachmittags gehe ich ins Wohnzimmer, wo Anni den Fernseher angeschaltet hat und sich die Fußnägel lackiert. Der Raum ist quadratisch – so weit ich das beurteilen kann – und mit wenig Möbeln bestückt. Ein Fernseher, gegenüber dann die Couch und ein kleiner Holztisch. Das ist alles. Für Menschen mit wenig Geld ist es nicht einfach, sich viele Möbel zu leisten. Eine Tür geht zur Küche, die eine schlichte Einrichtung hat und eine kleine Kücheninsel. Ich lasse mich neben Anni auf die Couch fallen und beobachte sie, wie sorgfältig sie den Nagellack auf ihre Fußnägeln streicht.
„Tut mir leid wegen vorhin.“, sage ich schließlich.
„Schon vergessen.“, erwidert Anni etwas abwesend. Sie muss sich wohl ziemlich darauf konzentrieren, ihre Fußnägel perfekt zu lackieren. „Obwohl ich recht habe.“ Ihr Einwand lässt mich die Augen verdrehen. O man, sie muss aber auch immer das letzte Wort haben.
„Ich bin noch nicht so weit.“, gestehe ich ihr, wobei sie mir einen fassungslosen Blick zuwirft.
„Gestern hast du noch gesagt -“
„Ich weiß, aber ...“ Ahnungslos zucke ich mit den Schultern. Bin ich schon bereit für den nächsten Schritt? Christian würde sofort mitmachen, das weiß ich. Aber er ist auch nicht so unerfahren wie ich. Was, wenn er kein Gefallen mehr an mir findet und mich fallen lässt? Das ist wohl meine größte Sorge. Irgendwann wird er merken, dass er viel zu gut für mich ist und lässt mich in der Ecke stehen, um sich eine hübschere, intelligentere oder gar perfekte Freundin zu suchen. Wie soll ich dann weiter leben? Was habe ich dann noch?
„Sam, er liebt dich wirklich.“, sagt sie und lehnt sich zurück, um ihre fertig lackierten Fußnägel zu betrachten. Dann wendet sie ihren Blick auf mich und nickt kaum merklich.
„Er liebt dich und du solltest dich damit endlich anfreunden. Wenn du nur sehen könntest, wie er dich immer anschaut.“ Sie lächelt theatralisch und drückt ihre Hände auf ihr Herz.
„Es ist ja so romantisch.“ Ich lache und schubse sie zur Seite. Sie soll nicht so rumspinnen und sich klar werden, von wem sie hier redet. Der kühle, immer gelassene Christian Grey als Romantiker? Na gut, er kann schon sehr gefühlvoll sein und weiß, was Frauen wollen.
„Habt ihr nächste Woche ein Date?“, erkundigt Anni sich.
„Am Donnerstag findet eine Feier bei seinen Eltern statt. Seine Cousine kommt aus Frankreich.“
„Frankreich, wow.“ Anni reagiert genau wie ich. Nur im Gegensatz zu mir war sie schon mal in Frankreich und in anderen Ländern. Sie reist viel und gerne – bekommt die meisten Trips aber von ihren Eltern geschenkt.
„Hast du eigentlich schon eine Arbeitsstelle?“, frage ich sie und versuche, betont lässig rüber zu kommen. Aber sie hört meine Neugierde und wirft mir einen prüfenden Blick zu.
„Nein, du etwa?“
„Äh ...“ Ich weiche ihrem Blick aus und lache gekünstelt.
„Ja, vielleicht. Also ich weiß noch nicht.“
„Du arbeitest für ihn?“ Sie zieht eine Augenbraue hoch. Es ist vollkommen klar, wen sie mit ihn meint.
„Vielleicht.“ Ich ziehe die Schultern ein und versuche, nicht in ihre Richtung zu schauen.
„Sam!“, ruft sie empört.
„Ich dachte, das willst du nicht.“
„Aber ...“ Mir fallen keine Gründe ein, was daran gut sein könnte, für Christian zu arbeiten.
„Nichts aber. Du warst von Anfang an dagegen.“
„Ich weiß.“
„Und ganz plötzlich willst du für ihn arbeiten?“ Sie schüttelt verständnislos den Kopf.
„Meine Tante hat mich gestern Abend gefragt und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Dann hat Christian gesagt, ich würde vermutlich bei ihm anfangen.“, gestehe ich ihr.
„Er hat dich also dazu genötigt?“ Jetzt ist Anni noch mehr in Rage.
„Nein!“, widerspreche ich, obwohl sie recht hat. Er hat mich in die Enge getrieben und ich konnte nichts anderes sagen als Ja. Jetzt hat er, was er wollte.
„Er meint es doch nur gut.“
„Wenn er dich für irgendetwas benutzt, dann kann er sich auf was gefasst machen.“, sagt sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ich unterdrücke den Drang, meine Augen zu verdrehen. Anni würde es im Moment nicht gut heißen. Trotzdem ist ihr Beschützerinstinkt manchmal ein wenig zu ausgeürägt. Ich bin alt genug und kann auf mich alleine aufpassen. Eben hat sie noch von Christian dem Romantiker gesprochen und jetzt ist er der Böse. Sie sollte mal ihre Gedanken ordnen. Für ihre 24 Jahre kann sie sich manchmal wirklich aufregen wie ein Teenager. Aber dafür ist sie meine beste Freundin. Sie sorgt sich halt um mich.
„Er meint es nur gut, dass ich Arbeit habe.“, wiederhole ich und lächle Anni zu. Langsam beruhigt sie sich wieder und schaut zum Fernseher.
„Manchmal ist dein Freund wirklich komisch.“, murrt sie ein letztes Mal, dann lässt sie das Thema fallen und wir schauen weiterhin zum Fernseher. Ich bin froh, dass sie sich wieder beruhigt hat. Anni soll nicht denken, dass Christian der Böse ist. Denn er tut einfach alles für mich. Er würde ja sogar mit mir nach Paris fliegen, denke ich ein wenig verdrossen.

3. Kapitel

 

Abends läuft Anni durch die Wohnung und macht sich für eine Party fertig. Wir haben Viva an und hören laut Musik. Ständig fragt sie mich, ob ich nicht doch mitkomme. „Nein, ich hab keine Lust.“, wiederhole ich zum tausendsten Mal. „Seid du Christian hast, bist du total langweilig geworden.“ Anni sieht mich ärgerlich an. Sie hat ihre blonden Haare hochgesteckt und ein schwarzes Minikleid an. Ich denke über ihre Worte nach. Hab ich mich wirklich verändert? Ich habe jemanden gefunden, den ich liebe und der mich liebt. Das ist doch eine positive Veränderung oder etwa nicht? Das Klingeln an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. „Machst du bitte die Tür auf?“, ruft Anni aus dem Badezimmer. Sie ist bestimmt mit dem Schminken beschäftigt. Ich stoße einen genervten Seufzer aus und gehe zur Tür, die ich kurzerhand öffne und meinen Exfreund vor mir sehe. „Jaxon?“, rufe ich und ziehe die Augenbrauen hoch.„Sam, wie geht’s?“ Er grinst mich an. Was macht Jaxon hier? Seine dunkelblauen Augen blitzen mich erheitert an. „Äh … Jaxon?“, wiederhole ich. O Gott, wie dumm ich mir gerade vorkomme. Ich kneife die Augen zusammen und schlage mir die Hand gegen die Stirn. Verdammt, verdammt. „Kommst du mit zu der Party?“, fragt er und ignoriert meine Wiederholung bewusst. Jaxon geht mit Anni feiern? Ist das sein Ernst? Auf keinen Fall will ich ihm zeigen, dass ich ein Weichei geworden bin. Nachher denkt er noch, Christian hat mich weich geklopft. O man, dabei will ich doch gar nicht auf die Party. „Ja.“, beschließe ich kurzerhand und zwinge mich zu einem Lächeln. Ich bedeute Jaxon, reinzukommen und verschwinde dann in mein Zimmer, um mir einen Minirock und eine weiße Bluse anzuziehen. Ich schnappe mir meine schwarzes High Heels und gehe ins Wohnzimmer zurück. „Wow, Sam. Du siehst hammer aus!“ Anni mustert mich bewundernd. „Danke.“ Ich lächle ihr zu, dann landet mein Blick auf Jaxon, der lässig im Türrahmen lehnt. Seine Mundwinkel zucken, aber sonst zeigt er keine Gefühlsregung auf seinem Gesicht. Immer noch der alte Jaxon. Als ich noch mit ihm zusammen war, hat er mir auch nie gezeigt, was in ihm drin vorgeht. Überraschenderweise hat Christian genau die gleiche Begabung, seine Gefühle unter Verschluss zu halten. „Können wir dann los?“, durchqreuzt Anni meine Gedanken. Sie hat einen ungeduldigen Unterton in der Stimme. „Ja, klar.“ Jaxon fährt sich durch seine blonden Locken, die ihm schon in die Stirn fallen. Er stößt sich vom Türrahmen ab und lässt Anni und mich voraus gehen. Ganz der Gentleman. „Hey, Sam. Hast du schon Arbeit?“, erkundigt sich Jaxon auf dem Weg zur Party. Warum interessieren sich zur Zeit alle dafür? „Vielleicht.“, murmle ich ein wenig unsicher. Anni lenkt das Auto durch die Straßen und wirft mir einen Blick zu. „Sie will für ihren Freund arbeiten.“, verrät sie Jaxon, der neben ihr auf dem Beifahrersitz sitzt. „Du hast ein Freund?“ Jaxon dreht sich zu mir um. Er scheint ziemlich überrascht. „Darf ich nicht?“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch und sehe ihn bedeutend an. Er  schüttelt langsam den Kopf und fängt an zu grinsen. „Kennt man ihn?“ O man, kann es noch schlimmer werden? Jaxon arbeitet viel – deswegen habe ich mich auch von ihm getrennt – und kennt somit eine Menge Leute. Wenn er erfährt, dass Christian mein Freund ist, wird er mir gar nicht mehr glauben, dass ich vergeben bin. „Es ist Christian Grey.“, antwortet Anni für mich und sieht sich nach einem Parkplatz um. „Hey, darf ich meine Gespräche alleine führen?“ Ich verschränke empört die Arme vor der Brust. Anni ignoriert mich einfach, hält vor einem Hochhaus und schaltet den Motor ab. „Christian …“ Jaxon sieht zwischen Anni und mir hin und her. „Das ist ein schlechter Scherz.“ „Ist kein Scherz.“, erwidert Anni und steigt aus. Ich folge ihr und atme die frische Abendluft ein. Meine Füße fangen schon an, ein wenig zu schmerzen. Ach, was man nicht alles tut, um gut auszusehen.„Christian Grey, ist das wahr?“ Jaxon durchbohrt mich mit seinen Blicken, als wir zum Haus gehen. „Ist das so unwahrscheinlich?“, fahre ich ihn an und bereue meine Reaktion sofort wieder. Trotzdem kann ich nicht verstehen, warum es in seinen Ohren so unmöglich klingt. Jaxon hebt abwehrend die Hände und schüttelt den Kopf. Ich gehe vor und steige die Treppen hinauf, höre Anni und Jaxon aber noch, wie sie über mich lachen. Sollen sie doch machen, denke ich ein wenig wütend. Nachdem Anni mir sagte, wir müssen nach ganz oben, sinkt meine Laune noch weiter. Wer wohnt denn schon ganz oben? Meine High Heels drücken unabsehbar, als wir oben endlich angekommen sind. Anni hat keine Probleme mit ihren hohen Schuhen, da sie sie auch öfter trägt als ich. „Anni!“, schreiend läuft Emma auf uns zu. Sie hat dunkelblondes Haar und ist ziemlich groß, mit ihren High Heels noch größer. „Hey, Süße.“, erwidert Anni lachend und umarmt sie heftig. Jaxon und ich wechseln einen Blick, der Bände spricht. Schlussendlich werden auch wir begrüßt. „Fühlt euch wie Zuhause.“, ruft Emma über die donnernde Musik hinweg und zieht Anni von uns fort. Anni wirft mir noch einen entschuldigenden Blick zu, doch ich mache eine wegwerfende Handbewegung. Sie wollte unbedingt zu dieser Party, dann soll sie jetzt auch feiern. Ich treffe auf Jaxons Blick und deute auf die Menschen, die sich zu der Musik bewegen. „Tu dir keinen Zwang an und such deine Freunde.“, sage ich und schaue in seine dunklen, blauen Augen. Er kneift die Augen ein wenig zusammen und sieht unschlüssig aus. „Kann ich dich wirklich alleine lassen?“ Seine Fürsorge lässt mich beinahe meine Augen verdrehen. Er muss sich nicht um mich sorgen oder auf mich aufpassen. Schließlich bin ich nicht mehr seine Freundin. „Ich bin alt genug.“, sage ich und streiche mir das Haar hinters Ohr. Mit einem Schulterzucken geht er zu ein paar jungen Männern, die ihn sofort mit Bier ausstatten. Ich schaue mich kurz um und entdecke die Bar. Zielorientiert gehe ich darauf zu und schenke mir einen starken Drink ein. Ich nehme einen Schluck und schmecke sofort den Alkohol. Nach ein paar weiteren Schlücken spüre ich schon gar nicht mehr den Schmerz in den Füßen. Zwei Stunden später stehe ich draußen auf der Außenterrasse und verstehe, warum Emma ganz oben wohnt. Man kann die vielen Lichter von Seattle betrachten. Der Ausblich ist einfach atemberaubend. Ein leichter Wind durchweht meine Haare und lässt mich alles um mich herum vergessen. Ich bekomme gar nicht mehr mit, dass ich nicht die Einzige auf der Terrasse bin. Andere sitzen in einer Ecke und unterhalten sich, zwei weitere Paare haben sich an den Rand zurück gezogen, um rumzuknutschen. „Schön, nicht?“, höre ich eine Stimme hinter mir. Ich drehe mich um und sehe Emma auf mich zukommen. Sie lehnt sich neben mich an das Gestell. „Ja, der Ausblick ist wirklich toll.“ Ich lächle sie an und kann sie auf Anhieb leiden. Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns sehen. Aber wohl das erste Mal, dass wir wirklich miteinander reden. Mir fällt jetzt erst auf, dass sie ihre Haare zu Locken gedreht hat. Steht ihr wirklich gut, denke ich und zwinge mich, sie nicht so anzustarren. „Am Anfang mochte ich die Wohnung gar nicht, dann hat der Makler mir die Außenterrasse und den Ausblick gezeigt. Ich habe sofort zugesagt.“, lacht sie. Ihr Blick ist auf die vielen Lichter gerichtet. „Damit kann man bestimmt den einen oder anderen Mann verführen.“ Ich realisiere erst ein paar Sekunden später, dass ich das gerade laut gesagt habe. Das waren eigentlich Gedanken, die ich für mich behalten wollte. Doch Emma nimmt mir die Bemerkung nicht übel und lacht abermals. „Nein, die stehen nicht so auf diesen Ausblick.“ Ein fast schon trauriger Ton schwingt in ihrer Stimme mit und lässt mich vermuten, dass sie noch nicht den Richtigen gefunden hat. Was ich mir wirklich nicht vorstellen kann. Sie hat eine hammer Wohnung, sieht toll aus und trotzdem ist sie Single. „Emma!“, ruft eine Schwarzhaarige aus der Wohnung und winkt ihre Freundin zu sich. Wow, das sind bestimmt Exstencions, denke ich und mustere die langen, schwarzen Haare. Die Frau sieht aus wie eine typische Barbie-Puppe, die Daddys Geld gerne ausgibt. Allerdings lässt ihr kurzes Kleid sie billig wirken. Emma nickt und bedeutet ihr, gleich da zu sein.„Entschuldige mich.“ Emma schenkt mir ein süßes Lächeln. Ich nicke und schaue wieder über Seattle hinweg. „Aber wie ich sehe, wirst du nicht alleine bleiben.“ Emma grinst mich noch an, bevor sie an Jaxon vorbei nach drinnen geht. Ich verdrehe die Augen, als ich ihn auf mich zukommen sehe und wende mich wieder dem Ausblick zu. Nebenbei merke ich, dass mir der Alkohol allmählich zu Kopf steigt und in meinem Schädel fängt es an, sich zu drehen. Vielleicht waren die Drinks doch zu heftig, geht es mir durch den Kopf. „Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?“ Jaxon sieht mich erheitert an. „Meine Freude könnte größer sein.“, antworte ich ehrlich und kann mir ein Schmunzeln nicht abringen.„Autsch.“, höre ich Jaxon lachen. Wir schweigen einen Moment und genießen die Abendluft, die nun deutlich kühler wird. Doch ich weigere mich zu zittern, denn dann würde Jaxon mir sein Jackett seines Anzugs geben und das widerrum würde mich zu sehr an die Szenen in den vielen romantischen Filmen erinnern. Außerdem ist er nicht mein Freund, er darf das also gar nicht machen. „Wie kommt es, dass du mit Christian Grey zusammen bist?“, kommt plötzlich seine Frage. Ich höre die Ehrfurcht in seiner Stimme, als er Christians Namen ausspricht. Meine Augen verengen sich und ich sehe ihn prüfend an. Da ich nicht weiß, was ich antworten soll, zucke ich nur mit den Schultern. „Und wo hast du ihn kennengelernt?“ Jaxon zieht eine Augenbraue hoch. Die Neugier steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ich habe ein Praktikum in seinem Unternehmen gemacht.“ „Und du willst bei ihm anfangen zu arbeiten?“ „Ja … also nein, ich meine ...“ Ich seufze und weiche seinem Blick aus. „Ich weiß es noch nicht.“ Ich fahre mir durchs Haar und schaue über die Stadt hinaus. Woher soll ich wissen, ob ich das will? Einerseits wäre es toll, endlich eine Arbeitsstelle zu haben und dann noch bei meinem Freund. Ich könnte viel Zeit mit ihm verbringen, wenn ich in seinem Unternehmen anfange. Aber andererseits kenne ich ihn und weiß, dass er sich in seinr Chef-Rolle nicht unterdrücken lässt. Ich will einfach nicht von ihm herumkomandiert werden. Ist das denn zu viel verlangt? „Du solltest für ihn arbeiten.“, sagt Jaxon plötzlich. Erstaunt sehe ich ihn an. Was weiß er denn schon von Christians Arbeit? „Wieso das denn?“ Ich brauche ein paar Momente, um meine Fassung wieder zu erlangen. „Ich arbeite auch für ihn, weißt du?“ Er nickt und sieht nun etwas amüsiert aus. Wie bitte? Jaxon arbeitet für Christian? Sofort wirbeln Fragen in meinem Kopf herum. Wie ist Jaxon dahin gekommen? Wie sieht sein Aufgabenbereich aus? Kennen die beiden sich gut? O nein o nein. Was, wenn Christian weiß, dass er mein Ex ist? „Du … was?“ Nun habe ich meine Fassung vollends verloren und starre Jaxon mit offenen Mund an. Er kann nicht anders und muss lachen. „Dank meines guten Aussehens“, fängt er an zu erklären und zwinkert mir zu, „habe ich eine Stelle als Darsteller seiner Projekte bekommen. Ich präsentiere seine Ideen und versuche, möglichst viele Menschen für seine Motive zu begeistern. Wie du weißt, ist Mr. Grey sehr involviert in die Rettung der Umwelt. Es liegt ihm wirklich am Herzen, den Hunger auszurotten und -“ „Ich weiß.“, unterbreche ich ihn in seinem Redeschwall und fasse mir an den Kopf. Wie kann das sein? Wenn das wirklich stimmt, dann kennt Christian Jaxon persönlich. Die beiden arbeiten bestimmt eng zusammen. „Woran denkst du?“ Jaxon zieht eine meiner blonden Strähnen durch seine Finger und sieht mich mit seinen Argusaugen an. Außerstande zu antworen, schweige ich und starre auf meine Finger. „Wird das ein Problem für dich sein?“ Jaxon legt einen Finger unter mein Kinn und zwingt mich, ihn anzusehen. Ich habe das Gefühl, seine Augen schauen in mein Innerstes und könnten jedes Geheimnis erraten. „Hey, was macht ihr zwei Hübschen hier?“ Anni kommt nach draußen und tritt zu uns, dann schiebt sie uns auseinander und starrt auf Seattle. Ich bin so froh über ihre Anwesenheit, dass ich erleichtert ausatme. Mir ist gar nicht bewusst gewesen, dass ich die Luft angehalten habe. „Wow.“, entfährt es ihr. Sie hat gar nicht auf uns geachtet. Ihr kam die Szene gar nicht komisch vor? Das Jaxon mir so nah war? Schließlich fasst Anni sich wieder und schaut schnell auf die Uhr. „Ich wollte nur sagen, dass wir jetzt nach Hause können. Oder wollt ihr noch hier bleiben?“ Sie tritt zurück, um uns abwechselnd anzusehen.„Nein.“, antworten Jaxon und ich wie aus einem Mund. Sofort schauen wir uns an. „Wow, das war cool.“, lacht Anni und geht in die Wohnung zurück. Ich folge ihr langsam und versuche, meine Gedanken zu ordnen. Was ich gerade erfahren habe muss ich erst einmal verarbeiten. Der Alkohol zeigt deutliche Wirkung bei mir, denn mir schwirrt der Kopf. Wie froh ich sein werde, wenn ich endlich in meinem Bett liegen werde. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis wir uns endlich von Emma verabschiedet haben, die lange Treppe nach unten zu gehen und uns ins Auto zu setzen. Seufzend lasse ich mich in den Rücksitz fallen und schließe die Augen. „Alles in Ordnung, Sam? Du siehst ganz schön blass aus.“, bemerkt Anni besorgt und lässt den Motor an. Ich werde jetzt nicht rumjammern, ermahne ich mich selbst. „Hab nur ein bisschen viel getrunken.“, murmle ich und merke, wie mir die Erschöpfung in den Gliedern hängt. Die Rückfahrt zum Haus geht schneller um als erwartet, was mir zu Gunsten kommt. Ich brauche jetzt unbedingt mein Bett. Wir steigen aus und gehen aufs Haus zu. Jaxon macht Anstalten, auf sein Auto zuzugehen, doch da hat er nicht mit Anni gerechnet. „Was machst du da? Hey, Jaxon! Du hast ziemlich viel getrunken. Du bleibst heute Nacht hier.“ Sie sieht ihn streng an. Er legt den Kopf schief und hat einen unschlüssigen Blick aufgesetzt. „Los, komm rein.“, ruft sie, als sie die Tür aufschließt und mich reinlässt. Ich gehe in mein Zimmer und ziehe meine High Heels aus. Gott, was für ein herrliches Gefühl. Ich muss mir echt angewöhnen, öfter hohe Schuhe zu tragen oder ich lasse es ganz bleiben. Sowas tue ich mir nicht nochmal an. Ich schlüpfe aus dem Outfit und ziehe mir kurze Shorts und ein T-Shirt an. In dem Moment schaut Anni bei mir ins Zimmer.„Hey, kannst du Jaxon Bettzeug geben?“, fragt sie liebevoll. Ich nicke und unterdrücke ein Gähnen. Sie soll bloß nicht sehen, wie geschafft ich von der Party bin. Dabei habe ich gar nicht viel gemacht. „Danke. Gute Nacht, Sam.“ Mit diesen Worten verlässt sie mich wieder. Ich öffne eine Truhe in der Ecke, ziehe die Bettwäsche heraus und hole aus meinem Kleiderschrank den Bettbezug. Anni hat keinen Platz dafür in ihrem Kleiderschrank, deshalb liegt das bei mir drin. Sie hat so viele Klamotten, damit könnte sie einen Laden aufmachen. Ich dagegen habe nur das Nötigste im Schrank – mit wenigen Designerklamotten. Schließlich gehe ich ins Wohnzimmer, wo Jaxon nur in Boxershorts steht und auf seinem Handy herum tippt. „Oh, hey.“ Ich kann nicht anders und muss schwach grinsen. Ihm ist es auch gar nicht peinlich, da ich das sowieso schon gesehen habe. Warum sich jetzt verstecken? „Hier.“ Ich lege ihm das Bettzeug mit dem Bezug hin und will ihn alleine lassen. Doch ich weiß, dass er ein hoffnungsloser Fall beim Beziehen ist und helfe ihm noch damit. Er übernimmt das Kissen und ich nehme die Decke.
„Weiß Anni, dass du für ihn arbeitest?“, frage ich, als ich fast fertig bin.
„Nein.“
„Würde es dich stören, wenn ich auch da arbeite?“ Ich streiche die Decke glatt und sehe ihn an. „Nein.“ Jaxon dreht das Kissen und tut sich schwer. Lachend nehme ich es ihm aus der Hand und erledige das für ihn. „Ich würde mich freuen, wirklich.“ Er schenkt mir ein freches Grinsen.„Das glaube ich dir.“, erwidere ich und halte seinen Blick, während ich das Kissen auf die Couch werfe. „Tja, dann ...“ Ich mustere ihn nochmal – lasse meinen Blick über seine nackte Brust und seinen Bauch gleiten -, bevor ich ihm wieder in die smaragdgrünen Augen sehe. „Gute Nacht, Sam.“, murmelt Jaxon mit einem wissenden Grinsen. Verdammt, er hat mitbekommen, wie ich ihn angestarrt habe. Wieso habe ich es nicht unauffällig gemacht? Verdammt! „Gute Nacht.“, sage ich und verschwinde in meinem Zimmer. Sehnsüchtig falle ich ins Bett, kann jedoch nicht sofort einschlafen. Meine Gedanken kreisen noch lange um Christian und Jaxon, bis die Erschöpfung die Oberhand gewinnt und mich in einen traumlosen Schlaf zieht.

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Tag der Veröffentlichung: 08.07.2013

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