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Als er das Taxi wegfahren sah, trat ein Lächeln auf sein Gesicht. „Endlich ist es vorbei“, dachte er bei sich und wandte sich von der Straße ab. Er schloss die Augen und atmete tief durch. (Das war das Zitat, welches das Wettbewerbsthema darstellte, ich hoffe, ich darf es überhaupt verwenden) Alles in seinem Kopf drehte sich, keinen Gedanken konnte er fassen. Ihm war nicht einmal ganz bewusst, dass Nora weg war. Ob er glücklich sein sollte oder nicht, war ihm nicht klar. Jetzt, wo Nora weg war, fiel eine große Last von ihm. Mit ihr war es nicht leicht gewesen. Doch auch schön. Wie sollte es weiter gehen? Nora würde nach Hause fahren. Zurück zu ihren Eltern. Raus aus dem Internat. Doch ob das wirklich richtig war? Sie hatte es gewollt das war ihm schon klar. Sie hatte es darauf angelegt. Sie würde glücklich werden. Ganz sicher. Er wünschte es ihr so sehr. Aber er? Er würde zurückgehen. Zurück ins Internat Lilienberg. Zurück zu Alex, Kuno, Sophie und Marie. Seinen Freunden. Noras Freunden.
Den ganzen Heimweg kehrten seine Gedanken immer wieder zu Nora zurück. Er schaffte es einfach nicht, das Mädchen aus seinem Kopf zu verbannen. Als er das Tor des Internates erreichte, hatte er fast das Bedürfnis, es für Nora aufzuhalten, wie er es früher getan hatte. Doch dann fiel ihm ein, dass er es ja eigentlich auch so gewollt hatte, und ließ die Tür beherzt zuschlagen. Den ganzen Weg in den ersten Stock kämpften Trauer und Freude in ihm. Er hatte sie verloren. Nora verloren. Aber sie hatte es gewollt. Sie war es gewesen, die gegangen war. Er hatte sie nicht weggeschickt. Sie hatte darum gekämpft, zu verschwinden. Verschwinden aus dem Internat, dem Zimmer vor dem er jetzt stand. Er hörte schon Stimmen durcheinanderreden. Hörte Kuno lachen. Er stieß die Tür auf. Kurz wurde es still, doch dann lachte Kuno weiter. Sophie fauchte ihn an, er sollte still sein. Marie kam zu ihm und nahm ihn in den Arm. Jetzt wurde ihm erst bewusst, was los war. Nora war weg. Seine Freundin war weg.
Alex schien zu spüren, dass es seinem Kumpel nicht gut ging. „Sie wollte es. So ist es besser für sie.“ meinte Alex. Auch Marie musste was sagen: „Sie hat so viel Scheiße gemacht. Jetzt hat sie Frieden. Gönn ihn ihr“. Vielleicht hatte sie Recht. Nora hatte es gehasst, in dem Internat zu stecken, nichts entscheiden zu dürfen, nie allein zu sein. Und sie hatte systematisch an ihrem Rauswurf gearbeitet.

„Nora, nimm bitte die Kopfhörer aus den Ohren und hör mir zu. Du sitzt hier im Unterricht, junge Dame!“ Herr Krauser schaute sie scharf an. Sie hörte ihn nicht einmal, so laut dröhnte „Liar“ von den Sexpistols in ihre Ohren. Der Lehrer kam zu ihr, zog ihr die Kopfhörer aus den Ohren und schaute dabei aus, als hätte er sie am liebsten erdolcht. Und ihre Antwort trug nicht gerade zu seiner Beruhigung bei. „Könnten sie das bitte lassen, die waren teuer!“ „So junges Fräulein, du schreibst mir drei Seiten über den Stoff der heutigen Stunde!“



Die hatte sie nicht geschrieben. Sie hatte sowieso fast nie Hausaufgaben oder so etwas gemacht. Na ja, er war auch nicht sonderlich gut im Termine einhalten. Er und Nora waren ein tolles Paar gewesen. Und nun war sie wieder zu Hause, 400 Kilometer von hier entfernt. Und er war noch hier. Marie nahm seine Hand und führte ihn zu den anderen, Alex stand vom Sofa auf und machte ihm Platz. Er ließ sich zwischen all den Kissen und Fleecedecken zusammensinken. Marie setzte sich zurück auf den Boden, dort saß auch Alex, Kuno saß auf dem Schreibtischstuhl und Sophie neben ihm auf der Couch. „Dir geht’s ziemlich mies, oder?“ fragte sie. „Ich weiß nicht“ antwortete er wahrheitsgemäß. „Sie wird doch bei ihren Eltern glücklicher sein als hier. Hoffe ich“ „Hey du bist nicht böse und vergönnst ihr nichts nur weil du traurig bist dass sie weg ist.“ Meinte Marie. „Bist du eigentlich gar nicht traurig?“ fragte er, an Sophie gewandt. „Sie war deine Beste Freundin.“ Da verfinsterte sich Sophies Mine, eine kleine Träne bahnte sich den Weg zu ihrer Wange. „Ihr ging es vorher ziemlich schlecht, ich hab sie zwei Stunden lang aufgebaut.“ Antwortete Alex für seine Freundin.
Die zwei waren ein nettes Paar. Vor allem waren sie ein Paar. Sophie hatte es nicht darauf angelegt, aus dem Internat geschmissen zu werden. Sie hatte nicht die Lehrer beschimpft, sich aus dem Haus geschlichen und allen Unsinn, den irgendwer begann, mit Freude weitergemacht.

„Was machst du? Fragte Kuno entsetzt, als Nora um 22:17 das Fenster öffnete. Eigentlich hätte sie vor siebzehn Minuten schon im Bett liegen sollen. Aber das tat sie nicht. Stattdessen kletterte Nora aus dem Fenster. Ihr Zimmer lag im Erdgeschoss, das Fenster lag nur etwa einen Meter über dem Boden. „Das siehst du doch!“ Antwortete Nora. „Schaut dass das Fenster um Eins noch offen ist, wenn wer kommt, sagt ich bin auf der Toilette. Bis später!“ Mit den Worten war sie verschwunden.



„Ich leg mich hin. Ich brauch jetzt Ruhe“ sagte er und ging in das Schlafabteil des Zimmers. Von seinem Bett konnte er Noras sehen. Und er erinnerte sich, wie oft sie darauf gelegen waren. Sie hatten geplaudert, gelacht Musik gehört oder sich gestritten. Denn auch sie hatten Streit gehabt, auch wenn sie als Traumpaar galten.

„Wie kannst du so was machen!?“ schrie er sie an. „Was machen?“ Ins Lehrerzimmer einbrechen!“ „Ach das. Das ist doch nicht schlimm!“ „Du hast uns allen die Testfragen kopiert!“ Wenn du noch irgendetwas anstellst werfen sie dich raus!! Und wenn du nur mal eine Stunde schwänzt! Du fliegst von der Schule Nora!! Und das will ich echt nicht. Ich brauch dich….“ Und Nora drehte sich weg und ignorierte ihn. Als er nicht ging schickte sie ihn weg. Sie redete danach drei Tage nicht miteinander.


Damals hatte er noch nicht gewusst, dass Nora genau das wollte. Vom Internat fliegen. Fliegen…. Er war so müde… Schlief ein... Nora… In seinen Träumen…

Impressum

Texte: Wantpeace
Bildmaterialien: Wantpeace
Tag der Veröffentlichung: 30.04.2012

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