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„Henrie! Pass auf!“, hörte ich Mia, meine beste Freundin, noch rufen, bevor ich, elegant wie ich war, mit voller Wucht gegen eine Glastür lief. Ich stolperte nach hinten und landete hart auf meinem Hintern. Mia eilte zu mir und beugte sich zu mir runter. „Alles okey?“, fragte sie besorgt. Ich rieb mir die Nase und murmelte: „Geht schon. Ist ja nicht das erste Mal…“ Wir schauten uns kurz an und lachten. Solche Dinge passierten mir täglich. Ständig lief ich irgendwo gegen, stolperte oder kippte etwas um. Mia half mir wieder auf die Beine. „Das gibt einen riesigen blauen Fleck!“, brummte ich. Mia schüttelte nur den Kopf und holte aus der Küche zwei Gläser Cola. „Was machen wir denn heute?“, fragte sie mich, als wir uns auf die Terrasse in die Sonne setzten. Ich zuckte mit den Schultern und genoss die Sonnenstrahlen, die meine Haut wärmten. Der Tag hatte erst angefangen, es war 10 Uhr mittags, also hatten wir noch Zeit, uns was zu überlegen. Beide verfielen wir ins Schweigen, zum Teil nachdenkend, zum anderen einfach nur genießend. „Wir könnten in die Stadt gehen…ich brauch noch ein neues T-Shirt!“, murmelte ich nach einer Weile und schielte zu Mia rüber. Diese hatte ihre Augen geschlossen und nickte nur. Da wir nicht in der prallen Mittagshitze los wollten, entschieden wir uns dafür, gleich los zu gehen. Außerdem war die Straßenbahn um 11 Uhr noch nicht ganz so voll.
In der Stadt fühlte es sich um einiges wärmer an, als bei Mia auf der Terrasse. Wir schlenderten durch die Fußgängerzone und schauten bei dem einen oder anderen Geschäft in die Schaufenster. „Was willst du dir denn für ein Shirt kaufen?“, fragte Mia mich, als wir an einem der vielen Klamottenläden Halt machten und uns die Sachen auf den Kleiderständern anschauten. Ich schaute mir einige Tops an und antwortete: „Irgendwas knalliges, in rot oder blau!“ Mia nickte nur und verschwand in dem Laden. Es war klar, dass sie jetzt ihre Spürnase einsetzte und nach guten Shirts Ausschau hielt. Ich folgte ihr und schaute mich währenddessen bei den Accessoires um. Fünf Minuten später kam Mia mit fünf verschieden farbigen Tops zurück. Blau, Rot, Lila, Gelb und Grün. Ohne ein Wort zu sagen packte sie mich am Handgelenk und schleifte mich zu den Umkleidekabinen. Eines nach dem anderen führte ich ihr dann die Tops vor. Mia war sehr stilbewusst und hatte einen sicheren Geschmack in Sachen Mode. Mit kritischem Blick begutachtete sie die Shirts und empfahl mir, entweder das grüne oder das blaue zu nehmen. Da ich mich im Entscheidungen treffen immer sehr schwer tat, nahm ich einfach beide. Das war die einfachste Lösung. Von dem Klamottenkauf angeregt, durchforsteten wir weitere Klamotten- und Schmuckläden. Aus dem geplanten einzelnem T-Shirt wurden es bei mir rasch drei Shirts und eine Hose, dazu noch ein paar neue Ohrringe und Mia war bepackt mit einem paar neuer Schuhe, einem Kleid und neuer Bademode. Erschöpft durch die spontane Shoppingtour ließen wir uns auf einer Bank, mitten in der Fußgängerzone, nieder und verschnauften für einen Moment. „Ich hab jetzt Lust auf ein Eis! Willst du auch eins?“ Mia war schon von der Bank aufgesprungen und in Richtung Eisdiele unterwegs. Natürlich wollte ich auch eins, weshalb Mia meine Antwort gar nicht abwartete. Ein paar Minuten später kam sie mit zwei Waffeln in der Hand zurück. Die eine drückte sie mir in die Hand. Als sie wieder neben mir saß und an ihrem Eis leckte, fragte sie aus heiterem Himmel: „Sag mal, Henrie…was ist jetzt eigentlich mit Julian?“ Ihre Frage verdarb mir fast die Laune. Julian war mein Exfreund. Wir hatten uns vor einem Monat erst getrennt, aber ich sprach nicht gern darüber. Julian hatte mit Aenne, der Schulzicke aus meiner Klasse, rumgemacht. Laut Julian war das auf einer Party gewesen und sie beide waren angetrunken. Aber glauben tat ich es ihm nicht. „Dieser Arsch soll mich in Ruhe lassen! Soll er doch weiter mit Aenne schlafen, die macht doch eh für jeden die Beine breit. Er wird schon sehen, was er davon hat!“, gab ich bissig zurück und verschluckte mich prompt an einem kleinen Stück Waffel. Mia klopfte ein paar Mal auf meinen Rücken, bis ich aufhörte zu husten. Sie war es gewohnt, mir immer mehr oder weniger das Leben zu retten. Und sie verstand es, wann sie die Klappe halten sollte, weswegen sie auch nicht weiter auf das Thema Julian einging. Wir verspeisten nur noch rasch unser Eis und machten uns wieder auf den Weg. Weiter die Fußgängerzone runter war ein großer Buchladen, in den Mia noch wollte. Doch noch bevor wir da ankamen, entdeckten wir was viel interessanteres. Wir hörten erst nur zwei Gitarren, dann dazu zwei unterschiedliche Männerstimmen. Schlussendlich entdeckten wir die dazugehörigen Gesichter. Zwei junge Männer, nicht älter als zwanzig, standen an einer der vielen Statuen hier und machten Musik. Gitarre spielend und singend. Es standen einige Leute um sie herum, also konnten Mia und ich nicht richtig erkennen, wie die beiden aussahen. Wir bemerkten nur, dass einer tief braune Haare hatte, die etwas länger waren und ihm locker ins Gesicht fielen. Der andere hatte etwas kürzere, rot-blonde Haare. Sie waren nur ein kleines Stück kürzer, als die, von dem anderen. Da wir aber nicht näher rankamen, entschieden Mia und ich uns, erst mal in den Buchladen zu gehen. Wenn wir Glück hatten, würden die beiden Typen da später auch noch sein, wenn wir wieder aus dem Buchladen raus waren. „Ich glaube, die zwei waren süß!“, murmelte Mia, die grade ganz in die Bücher hier versunken war. Ich grinste und nickte zustimmend. Bei Jungs waren wir uns fast immer einer Meinung. Zwar hatten wir beide einen unterschiedlichen Geschmack, aber das hinderte uns nicht daran, alle möglichen Arten von Jungs süß zu finden. Mia verharrte fast eine halbe Stunde in dem Buchladen. Ich hatte mich währenddessen auf einem der Sessel nieder gelassen, die da für die Lesenden standen. Doch dann endlich hatte Mia sich eines der Bücher ausgesucht, die sie in die engere Wahl gestellt hatte. Ihre Auswahl fiel auf ein Familiendrama. Erwartungsvoll verließen wir den Buchladen und stellten erleichtert fest, dass die beiden immer noch da standen und Musik machten. Und diesmal konnten wir auch ein wenig besser sehen. Der dunkelhaarige hatte ein weißes T-Shirt an, auf dem ein bunter Comicdruck war und dazu eine kurze schwarze Hose und rote, ausgelatschte Chucks. Der andere trug ein grün kariertes Hemd, eine beige kurze Hose und einfache Turnschuhe. Zusammen standen sie da, mit ihren Gitarren fest im Griff und sangen das ein oder andere bekannte Lied. Mia und ich standen eine Weile da und hörten den beiden zu. Sie schienen uns bemerkt zu haben, da sie immer öfter zu uns rüber schauten und es schien fast so, als würden sie uns mit einem breiten Grinsen ansingen. Mia und ich strahlten zurück. Doch nach nicht allzu langer Zeit wurden unsere Arme schwer, durch die Taschen und hunger bekamen wir auch. Wehmütig traten wir den Heimweg an, ohne her rausgefunden zu haben, wie die beiden hießen. Auf dem Heimweg in der Straßenbahn gab es deswegen nur ein Thema bei Mia und mir. Die beiden Straßenmusiker. „Ich fand den dunkelhaarigen ja extrem niedlich!“, schwärmte ich, als ich mich auf einen freien Sitz fallen ließ. „Ja, stimmt, der war wirklich ziemlich süß, aber ich fand den anderen besser. Man, warum konnten wir denn nicht noch länger da bleiben?!“, jammerte Mia rum und tat so, als würde sie sich auf meiner Schulter ausheulen. Während des restlichen Rückweges rätselten wir rum, wie die beiden wohl hießen. Es kamen einige Vorschläge zusammen. Pablo, Mark, Alex… So ging das, bis wir bei Mia vor der Haustür standen. „Hast du noch Lust, mit reinzukommen?“, fragte sie mich und schaute mich erwartungsvoll an. An so einem Abend konnten wir einfach nicht alleine unseren Träumereien nachgehen. Wir mussten zusammen sitzen und gemeinsam spinnen. Ich nickte also und ging nach ihr ins Haus. Mias Familie war schon fast wie meine eigene, da Mia und ich seit dem Kindergarten unzertrennlich waren. Als wir in die Küche schauten, sahen wir, wie Mias Mutter eifrig einen Salat machte. „Ah, Henrie! Bleibst du zum Essen?“, fragte sie mich, als sie uns sah. Ich nickte und antwortete freundlich: „Ich denke schon…Mia wird mich heute wohl nicht so schnell entlassen!“ Mias Mutter lachte und widmete sich wieder dem Salat zu. Mia und ich gingen weiter zur Terrasse, wo ihr Vater schon am Grill stand und die Kohle anzündete. „Na, ihr zwei Hübschen!“, rief er uns zu, als wir raus auf den Rasen gingen. Wir grinsten ihn nur an und setzten uns in das noch warme Gras. Etwas am Rande des Gartens, in seinem Sandkasten, baute Luca, Mias kleiner Bruder, kleine Sandburgen. Als er uns entdeckte, rannte er auf uns zu, seine kleinen, dreckigen Patschehändchen nach uns ausgestreckt. „Mia! Henrie!“, rief er freudig und strauchelte über den Rasen. Luca war 11 Jahre jünger als wir, also erst fünf Jahre alt. „Luca! Wasch dir erst die Hände, bevor du zu uns kommst!“, rief Mia, bevor Luca seine Hände an uns abschmieren konnte. Luca drehte in seiner Bahn und rannte ins Haus. Nach nicht mal fünf Minuten war er wieder da, diesmal mit sauberen Händen. Er stürzte seiner Schwester um den Hals und ließ sie nicht mehr los. Sie diskutierte kurz mit ihm, dass er sie loslassen solle, und schob ihn dann zu mir rüber. Rasch hatte Luca es sich in meinem Schneidersitz bequem gemacht und schaute uns mit seinen großen blauen Augen an. Doch Mia und ich hatten ihn schon längst wieder vergessen. Unsere gesamte Aufmerksamkeit wurde wieder von dem beiden Unbekannten in Beschlag genommen. Wir analysierten rückblickend jede der Bewegungen und Blicke der beiden, bis Mias Vater uns zum Essen rief. Am Esstisch hatten wir eher wenig Möglichkeit, weiter über die Straßenmusiker zu reden, da wir von Mias Eltern über unseren Tag ausgefragt wurden. Außerdem sind die Schwärmereien 16jähriger Mädchen nicht immer für die Ohren derer Eltern bestimmt. Nach dem Essen erklärten Mia und ich uns noch dazu bereit, mit Luca auf den Spielplatz zu gehen, aber nicht mehr allzu lang. Wir setzten Luca ein paar Mal auf die Rutsche und dann auf die Schaukel. Aber am meisten angezogen wurde der kleine Junge von dem Sandkasten. Er war richtig verrückt danach. „Ich hab eine Idee! Wir fahren morgen noch mal in die Stadt und schauen mal, ob die Jungs da auch wieder sind. Wenn ja, dann sprechen wir sie an!“, meinte Mia auf einmal, sprang von der Bank auf und schlug sich mit der Faust in die hohle Hand. Ich lachte auf und antwortete: „Mia? Du spinnst!“ Aber genau das waren die Worte, die sie als ja deutete, und damit als richtig.
Es war 14 Uhr, als Mia und ich uns an der Straßenbahn trafen. Normalerweise hätten wir uns früher getroffen, doch ich hatte noch einen Arzttermin, den ich nicht aufschieben konnte. „Stell dir vor, wie geil das wäre, wenn die beiden wirklich wieder da sind!“, trällerte ich und umarmte Mia, als ich bei ihr ankam. „Na hoffentlich verfall ich nicht in eine Art Schreikrampf!“, lachte sie darauf. Dann kam auch schon die Straßenbahn und wir stiegen ein.
„Ich find sie nicht!“, jammerte Mia rum. Wir waren die Fußgängerzone zur Hälfte abgelaufen, auch an der Buchhandlung vorbei. Doch die beiden Straßenmusiker konnten wir nirgends ausfindig machen. Gefrustet stiefelte Mia in einen Schmuckladen und kaufte sich da erstmal ein paar neue Ohrringe, um ihre Nerven zu beruhigen. „Normale Leute kaufen sich dann Schokolade, wenn sie sich beruhigen wollen, oder rauchen eine!“, gab ich zurück, als sie wieder bei mir stand und sich die neuen Ohrringe ansteckte. „Dafür geht das Schmuckkaufen nicht auf die Gesundheit!“, gab sie zurück. Sie war immer noch gefrustet. Auch ich war ein wenig bedrückt, dass die beiden nicht hier waren. Ich hätte nur zu gern ihre Namen gewusst. Wir setzten uns auf eine Bank und schauten trübe durch die Gegend. Wir hatten uns eindeutig zu viel von diesem Tag erhofft. Plötzlich setzte sich jemand neben mich. Und auch neben Mia nahm jemand Platz. Erschrocken schaute ich die Person an, die neben mir saß. Es war ein junger Mann, ein Stück größer als ich. Er hatte dunkelbraune, etwas längere Haare und trug rote, ausgelatschte Chucks. „Schöner Tag heute, oder?“, fragte er lässig und drehte seinen Kopf zu mir. Er hatte ein schiefes Lächeln auf den Lippen. Ich spürte, wie das Blut in meinen Kopf schoss und ihn rot färbte. „Ähm…ja. Stimmt!“, gab ich verlegen zurück. Mit einem Mal haute Mia mir ihren Ellbogen in die Seite. Als Strafe dafür trat ich ihr gehörig auf den Fuß. Die Typen standen wieder auf und stellten sich vor uns. „Das ist David! Und ich bin Noah!“, stellte der dunkelhaarige sich und den anderen vor. Dabei hatte er seinen Blick aber mehr bei mir als bei Mia. Die war sowieso wie in Trance und schaute David wie doof an. Also ergriff ich das Wort und stellte uns vor. „Das hier ist Mia, meine beste Freundin. Und ich bin Henrietta, aber für gewöhnlich nennt man mich Henrie!“, plapperte ich drauf los. Noah und David grinsten sich an. „Nun, wir haben uns gestern gefragt, was wohl die Lieblingseissorten dieser zwei hübschen Damen sein könnten. Und das wollten wir heute rausfinden!“, ergriff David das Wort. Man merkte schnell, dass die beiden aufgedrehte Chaoten waren, doch dass David eindeutig der schlimmere der beiden war. Mia hatte immer noch nicht zu ihrer Sprache zurück gefunden. Ich stand also von der Bank auf, packte Mia am Handgelenk und antwortete: „Na denn, auf gutes Gelingen!“ Ich strahlte die beiden an und endlich erwachte Mia auch aus ihrer Trance. Auch sie setzte ihr schönstes Lächeln auf und hakte sich bei mir unter. „Da stimm ich Henrie eindeutig zu!“, sagte sie fröhlich. Die Jungs gingen neben uns, David an Mias Seite und Noah an meiner. Er war locker 10 Zentimeter größer als ich. Immer wieder warf ich verstohlene Blicke zu ihm rauf. Doch die Blicke, die er erntete, hätte ich lieber der Straße widmen sollen. Ich spürte grade noch, wie ich meinen Fuß gegen eine Bordsteinkante rammte und das Gleichgewicht verlor. Ich machte mich innerlich schon auf den Aufprall mit dem Asphalt und auf die darauffolgenden Schmerzen bereit. Doch dazu kam es nicht. Zwei starke Arme hatten mich einmal am Arm und einmal um die Hüfte gepackt. „Du willst doch keinen Abflug machen, oder?“, lachte Noahs Stimme nah an meinem Ohr. Ich stellte mich wieder aufrecht hin und lächelte ihn verlegen an. „Tut mir Leid…ich bin so ungeschickt!“, murmelte ich und schaute auf den Boden. Noah lachte noch mal auf und legte mir eine Hand auf den Rücken. Diese kleine Berührung machte mir eine Gänsehaut. Mia und David waren schon ein wenig vorgegangen und schienen uns gar nicht mehr zu bemerken. Die beiden kannten sich erst seit 10 Minuten, unterhielten sich aber schon so, als würden sie sich schon 10 Jahre lang kennen. „Meinst du, wir sollten etwas zurück bleiben? Die zwei scheinen sich ja auch Anhieb prächtig zu verstehen!“, grinste Noah und setzte sich langsam in Bewegung. Seine Hand lag immer noch in meinem Rücken. Doch die erhoffte Wirkung, nämlich, dass ich sicherer durch die Gegend lief, blieb aus. Stattdessen wankte ich nur noch gefährlicher durch die Gegend. „Was sind so deine Hobbies?“, fragte Noah mich, als wir gut einen Meter hinter Mia und David liefen. Ich überlegte kurz und antwortete dann: „Naja, die ganz normalen halt. Ich treffe mich oft mit Freunden, meistens aber mit Mia. Dann gehen wir shoppen oder ins Kino. Und dann halt noch Musik hören. Außerdem zeichne ich unheimlich gern!“ Noah hörte mir interessiert zu. Mia und David waren mittlerweile an einem Eiscafé angekommen und hatten schon Platz genommen. Noah und ich schlenderten gemütlich hinterher und nahmen dann bei ihnen Platz. Rasch stellten wir fest, dass wir so ziemlich auf einer Wellenlänge waren. Wir waren zehn Minuten später alle schon in einer guten Unterhaltung gefangen. David und Noah hatten Mia und mich zu einem großen Eisbecher eingeladen. Mia hatte sich einen Fruchtbecher, mit verschiedensten Fruchteissorten ausgesucht. Ich hingegen behielt es bei einem schlichten Schokobecher. Die Jungs hatten beide einen Amarettobecher. Die Zeit verstrich wie im Flug und langsam mussten Mia und ich uns auf den Weg nach Hause machen. Aber bevor wir uns von den netten Jungs verabschiedeten, tauschten wir, natürlich, noch unsere Handynummern aus.
Zuhause angekommen, war ich total kaputt von dem heutigen Tag. Ich entschied mich dazu, zum Abschluss des Tages noch ein schönes Bad zu nehmen. Dabei dann Musik zu hören und einfach wegzuträumen. Meine Eltern waren an diesem Abend nicht zuhause. Sie waren bei Freunden zum Grillen eingeladen. Nur mein älterer Bruder Arthur und meine kleine Schwester Josephine waren noch da. Arthur war grade vor ein paar Tagen 18 geworden und Phine war 13. Ich verstand mich eigentlich gut mit ihnen. Aber heute gingen sie mir beide auf die Nerven. Nach meinem Bad wollte ich eigentlich noch entspannt ein Buch auf der Veranda lesen, doch Arthur hörte mit voller Lautstärke seine komische Musik und Phine rannte alle 10 Minuten zu mir, um mich irgendwelche Dinge zu fragen, die keinen interessierten. Nach einer Stunde hatte ich es aufgegeben, mein Buch lesen zu können. Ein wenig verärgert ging ich zu Arthur und schnauzte: „Kannst du deine dumme Musik nicht ein wenig leiser drehen?“ Langsam bekam ich davon Kopfschmerzen. Arthur schüttelte nur den Kopf. Ich hob eine Zeitschrift von seinem Zimmerboden auf und knallte sie ihm gegen den Kopf. Doch darauf grinste Arthur nur und meinte: „Vergiss es, Schwesterherz, du kannst mir nicht weh tun!“ Ich machte auf dem Absatz kehrt und verschwand aus seinem Zimmer. Ich wollte mich jetzt nicht noch verbal von meinem Bruder demütigen lassen. Da kam auch schon wieder Josephine angerannt und fragte: „Wie benutze ich am besten einen Kajal, Henrie?“ Ich schaute sie nur böse an und sie ging wieder. Mein Blick wanderte zur Uhr. Sie schlug erst 21 Uhr an. Ich überlegte mir, ob ich nicht zu Mia rübergehen sollte, aber wir hatten in den letzten Tagen eindeutig zu viel mit einander gemacht und ich wollte einfach mal ein wenig Zeit ohne sie verbringen. In dem Moment vibrierte mein Handy in meiner Hosentasche. Es war nur ein kurzes Signal, also hatte ich wohl eine SMS bekommen. Ich schaute aufs Display. Noah, stand da. Ich hatte eine SMS von Noah bekommen. Ich grinste und meine Finger zitterten ein wenig.
>Hey, ich weiß, es ist schon recht spät, aber ich wollte einfach mal nachfragen, ob du heute Abend so weit schon was vor hast? Wenn nicht, würdest du den Abend dann mit mir verbringen? Liebe Grüße, Noah! <,
stand in der SMS. Ich musste noch breiter Grinsen. Es war fast so, als würde ein kleiner Traum in Erfüllung gehen. Aber eigentlich wollte ich heute nichts mehr machen. Doch für Noah konnte ich meine Pläne auch über Bord werfen. Schnell tippte ich zurück, dass ich ihm sehr gern Gesellschaft leisten wollte. Noah antwortete, dass er mich dann in einer halben Stunde abholen wollte. Ich fragte mich dann zwar, wie, aber es war mir dann doch egal. „Arthur? Ich geh gleich noch mal weg. Ich weiß nicht, wann ich wieder komme!“, brummte ich zu meinem Bruder, der auf dem Boden seines Zimmers lag, vor ihm ein paar Blatt Papier und mit einem Bleistift bewaffnet. Arthur und ich hatten beide das zeichnerische Talent unserer Mutter geerbt. Nur bei Phine hatte sie vergessen, es ihr weiter zu geben. Arthur schaute von seiner Zeichnung auf und murmelte: „Wo gehst du hin?“
„Ich treff mich noch mit einem Freund, mal schauen, was wir machen werden. Sorg dafür, dass Phine nicht so lange auf bleibt. Mama und Papa kommen erst ziemlich spät nach Hause!“
Arthur nickte nur und widmete sich dann wieder seinem Blatt und seinem Stift. Ich hingegen rannte in mein Zimmer und suchte nach etwas zum anziehen. In meiner alten kurzen Hose und dem kaputten Top, das ich grade anhatte, konnte ich Noah doch nicht vor die Augen treten. In meinem Tohuwabohu fand ich schnell eine schwarze dreiviertel Hose und ein weißes T-Shirt. Und dazu quietsch grüne Slipper. Meine honigfarbenen Haare nahm ich zu einem leichten Zopf zusammen und ich legte mir schnell ein dezentes Make-Up auf. Und plötzlich schellte es an der Tür. „Ich geh schon!“, hörte ich Josephine rufen. Schnell hechtete ich ihr hinter her. „Schon gut! Ist für mich!“, sagte ich ihr und schickte sie zurück, wo auch immer sie her gekommen war. Ausgerechnet jetzt stolperte ich über den kleinen Teppich, den wir im Flur liegen hatten und knallte gegen die Haustür. Ich torkelte ein Stück zurück und öffnete sie schließlich. „Du bist grade gegen die Tür gelaufen, stimmt‘s?!“, lachte Noah. Erst jetzt viel mir auf, dass er sehr niedliche Grübchen beim Lachen hatte. Am Nachmittag hatte ich mich nicht sehr getraut, ihm direkt ins Gesicht zu schauen. Doch in dem dunklen Flur ging es erheblich leichter, als in der sonnendurchfluteten Fußgängerzone. Ich stimmte in sein Lachen ein und nickte. „Du bist schon irgendwie so eine!“, grinste Noah mich an. „Ja, ich weiß. Ist mir nicht neu…ich hol nur noch schnell meine Tasche und dann können wir los!“, grinste ich zurück. Noah lehnte sich lässig an den Türrahmen und wartete. Ich rannte schnell nach oben, wo meine Tasche mit Handy, Portmonee und weiterem Zeug drin lag, schnappte mir noch schnell eine einfache Strickjacke und verabschiedete mich von Arthur und Josephine. Noah führte mich zu einem kleinen roten Auto. Es schien seins zu sein.

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Tag der Veröffentlichung: 23.02.2011

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